ill Pharmakologie
Ill-2 Drogenersatzstoffe ~:.
ill-2.1 Einleitung Die Liste enthiilt Angaben iiber Medikamente, die Stoffe mit Mi/Sbrauchspotential enthalten (nach »Rote Liste 1984«, »Die Liste Pharmindex IV/84« und »Dopingkontrollen« des Bundesinstituts fiir Sportwissenschaft, Kaln 1984). Wegen der stiindigen Anderungen des Arzneimittelmarktes ist die Liste bereits zum Zeitpunkt ihrer Drucklegung nicht mehr in allen Punkten aktuell. Ein Anspruch auf Vollstiindigkeit wird nicht erhoben. Die Liste enthiilt nicht nur Suchtstoffe, sondern auch Medikamente ohne psychische Wirkung, die aber zur Manipulation karperlicher Funktionen mi/Sbraucht werden kannen (z.B. Laxanzien und Diuretika). Au/Serdem wurde versucht, die Dopingliste des Deutschen Sportbundes zu inkorporieren. Allerdings sind zahlreiche Medikamente, die prinzipiell zum Doping geeignet sind, aber noch nicht yom Deutschen Sportbund in die Dopingliste aufgenommen waren, nicht als Dopingmittel gekennzeichnet. Dies gilt vor allem fiir Barbiturate, barbituratiihnliche Substanzen und Tranquilizer, die als Dopingmittel im Schie/Ssport geeignet sind. Weiterhin kannen Betarezeptorenblocker in verschiedenen Sportarten als Dopingmittel mi/Sbraucht werden; diese Substanzgruppe ist aber nicht in die Liste aufgenommen worden.
ill-l. 1.1 Abkiirzungen Status: Verfiigbarkeit des jeweiligen Medikaments; frei = frei verkauflich oder apothekenpflichtig; Rp. = rezeptpflichtig; Btm. = nur auf Betiiubungsmittelrezept erhiiltlich. Stoffklassen: Ab = Anabolikum, Androgen (Dopingmittel zur Farderung des Muskelwachstums); Al = Alkohol, Ethanol (Konzentrationsangaben in Volumen-%); An = Antihistaminikum (gelegentlich Abususfiille, Abhiingigkeit praktisch nicht existent); Ba = Barbiturat (Schlaf-und Beruhigungsmittel mithohem Abhiingigkeitspotential); Be = barbituratiihnliche Substanz, wirkt wie ein Barbiturat, ist aber chemisch anders strukturiert; Di = Diuretikum (keine psychische Wirkung, jedoch gelegentlich Mi/Sbrauch, vor allem zum Abnehmen; da Mi/Sbrauch bisher nur bei den hochpotenten Schleifendiuretika beschrieben wurde, wurden die anderen Diuretikagruppen ausgeklammert); Ha = Halluzinogen, meist anticholinergisch wirksame Substanz (diese Substanzen erzeugen in kleinen Dosen eine Euphorie, in gro/SenDosen fiihren sie zu Halluzinationen, meist optischer Art); Hg = halogenierter Kohlenwasserstoff (Wirkung den Schniiffelstoffen vergleichbar); Ma = Monaminoxidasehemmstoff (Antidepressivum mit fraglichem, wahrscheinlich sehr geringem Abhiingigkeitspotential); Mx = Muskelrelaxans (muskelentspannende Substanz mit Wirkung auf das ZNS, iihnlich den Tranquillantien); Op = Opioid (zentral wirksames Schmerzmittel mit morphiniihnlicher Wirkung); Lx = Laxans, Laxativum (Abfiihrmittel; keinezentrale Wirkung bekannt, jedochMi/Sbrauchhiiufig); Tr = Tranquilizer, Tranquillans, Ataraktikum, Anxiolytikum; Ps = Psychostimulans; Sy = Sympathomimetikum ohne wesentliche zentrale Wirkung (Mi/Sbrauch nicht zu Suchtzwecken, wohl aber als Dopingmittel); Vs = Vasodilatator (Mi/Sbrauch zu Suchtzwecken nicht bekannt, wohl aber als Dopingmittel); NK, UK = unbekannt, nicht klassifizierbar (es existieren Hinweise fiir ein Mi/Sbrauchspotential, eine eindeutige Klassifikation ist jedoch nicht maglich); Mi = Mischanalgetikum; Mi/Sbrauchspotential vielleicht auf die Kombination yon Coffein mit kleinem Analgetikum zuriickzufiihren.
ill-2.2 Drogenersatzstoffe
~-
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Abdornilon Uquidum
frei
AbfOhr-Tee Depuraflux Abiadin Acalon Tropfen
frei Rp. Rp.
Acedicon Aciphyt Tropfen Aconitysat BOrger Tropfen Adenylocrat Iiquidum Adenolanat Adenopurin ••Herbrand" Tab!. Adenovasin
Btm. frei Rp. frei Rp. 'Rp. Rp. Rp. frei Rp.
Lx AI Lx An Ha AI Op AI AI AI Ba Ba Ba An Ps Ba Ha An Sy Tr Sy Sy Ba AI AI AI Sy Ha Ba An Lx Lx Lx Lx Mi Lx Lx Sy NK Ha Sy AI Lx Tr Ps Ps AI Ba AI
Adeptolon! Adeptolon-forte Adiposetten-N Adoeor Adrianol Adumbran! Adumbran-forte Adyston Aequiton Aeseorin-Tinktur zum Einnehmen Aeseosulf- Tropfen Aesrutal Tinktur Afdosa-N Afpred Afpred forte Naehtdragees Agarol
frei Rp. frei Rp. frei frei frei Rp. Rp. Rp. frei frei
Agaroletten Agevis Agieholit Agiolax Agitplus Ajari Akineton! Akineton-retard Akrinor Aktivanad Alasenn Albego/ Albego-20 Alfabet-Schlankheitsdragees Allergo-Dolan
frei frei frei Rp. Rp. Rp. frei frei frei Rp. frei frei
Allional Allium sativum-Strath
Rp. frei
pflanzliche Laxativ.a Alkohol pflanzliche Laxativa Doxylamin BeUadonna-Alkaloide Alkohol51 % Thebacon Alkohol18 % Alkohol30% Alkohol32 % Phenobarbital Phenobarbital Phenobarbital Antihistaminikum Norpseudoej:>hedrin Phenobarbital Atropin Diphenhydramin Phenylephrin Oxazepam Pholedrin Norfenedrin Butalbital Alkohol26% Alkohol26 % Alkohol23 % lsoprenalin Atropin Phenobarbital Promethazin Phenolphthalein Paraffin Bisacodyl Docusat Mischanalgetikum (Coffein) pflanzliehe Laxativa pflanzliehe La>b Ps An Be Op Ps An Di Op Vs Op Lx Sy AI Tr Di Di Di Di Di Di AI Lx AI AI Lx Lx Be Lx Be Be Lx Lx Lx
nein nein nein nein ja ja nein nein ja ja nein nein ja ja ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein
Lx Ha Lx
Gamaquil Gastralon Tropfen
Rp. frei
Gastricholan Gastripan
frei Rp.
Gastritol "Dr. Klein" Gastroflorin Gastrol- Tropfen Gastroplant Gehamint Gelonida
frei frei frei frei frei Rp.
pflanzliche Laxativa Belladonna pflanzliche Laxativa Phenprobamat Alkohol pflanzliche Laxativa Alkohol20 % Cyclobarbital Belladonna-Alkaloide Meprobamat Alkohol35 % Alkohol35 % Alkohol Alkohol53 % Alkohol3 % Codein
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja
frei frei
Be AI Lx AI Ba Ha Be AI AI AI AI AI Op
Daunderer - Drogenhandbuch
15
16
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Gelsadon Tropfen Gentarol
Rp. Rp.
Gentiapol Gepan Gewodin Ginseng-Complex "SChuh" Gittalun Trinktabletten Givalex Glauco Biciron Glonoin Glucanal Glyboral forte
frei frei frei frei frei frei Rp. frei frei Rp.
AI Op Ba Lx Mi Mi AI An AI Sy AI Lx
Glycobosan Godalax Goldtropfen-Hetterich Granoton Emulsion Grippinon
frei frei frei frei Rp.
Grippostad
frei
Grippostad C Gripps Guakalin Sirup Guakalin- Tropfen
frei frei frei frei
Guakalin- Tropfen mit Codein
Rp.
Gubernal- Konzentrat Guttacor Gynacton Tropfen Gyno-Hormetten Gynodian Depot H3-Quam Haemonervin
frei frei Rp. Rp. Rp. frei frei
Haemos Tropfen Halcion Hamburger Tee Original, Frese Hanoartin Hanotoxin Tropfen Hapeka39 Harongan Tropfen Helarium Tropfen Helfergin Helopyrin Hepafungin Hepahydral Hepalixier-Gripp
frei Rp. frei frei frei frei frei frei Rp. frei frei frei frei
Heparchofid Heparhorm Sirup Hepata Liquidum
frei frei frei
Daunderer
- Drogenhandbuch
Alkohol Codein Phenobarbital Phenolphtalol Mischanalgetikum (Coffein) Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol34 % Doxylamin Alkohol45 % Phenylephrin Alkohol29 % pflanzliche Laxativa Phenobarbital Bromid Alkohol40 % Bisacodyl Alkohol33 % Alkohol13 % Phenobarbital Diphenylpyralin Diphenhydramin Coffein Coffein Alkohol Alkohol4 % Ephedrin Alkohol26 % Codein Alkohol26 % Alkohol16 % Alkohol31 % Alkohol21 % Prasteron Prasteron Pentetrazol Alkohol17 % Coffein Ephedrin Triazolam pflanzliche Laxativa Alkohol22 % Alkohol35 % Alkohol26 % Alkohol53 % Alkohol19 % Meclofenoxat Ephedrin Alkohol38 % Alkohol Alkohol25 % pflanzliche Laxativa Alkohol Alkohol6 % Alkohol23 % pflanzliche Laxativa
Ba Be AI Lx AI AI Ba An An Ps Ps AI AI Ps AI Op AI AI AI AI />b />b Ps AI Ps Ps Tr Lx AI AI AI AI AI Ps Ps AI AI AI Lx AI AI AI Lx
nein ja nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein 'nein ja nein ja nein nein. nein nein ja ja ja nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein
"---
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Hepothesan
frei
Heptylon-Oigoxin Heptylon/-retard Hervert-card forte Herz-Punkt/-forte Herztonikum 72 Herztropfen "Truw" Heuschnupfenmittel Hevert-corin Hevert-gall Hevert-tox Hevert-val Hexoral-Li:isung Hexoral-Spray Higdil Nr.-1 00 Cardiosan/-forte Hochrein'sche Atempfeife Hocura-Oiureticum Hocura-femin HoggarN Homburg 680 Homobione Tropfen Homocente Homoevowen Hormovitastan Hovaletten forte Hydro-rapid- Tablinen Hydromedin Hypercard Mixtur Hyperforat Tropfen Hyperforat-forte Tropfen Hyperidyst I Hyperidyst II Hypno- Tablinen
Rp. frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei Rp. frei frei frei Rp. Rp. Rp. Rp. frei frei Rp. Rp. frei Rp.
hypo-loges HypolindA
frei Rp.
Hypolind forte/-retard Hypotonin Tabletten Hypotonin Tinktur
frei frei frei
Hypotonin forte Hypotonodynat Tropfen
frei frei
Hypotonodynat Oragees Iberogast Ichtho-Sellol compositum Suppos.
frei frei Rp.
Ichtho-Sellol Suppositorien lIa-Med
Rp. Rp.
lIa-Med forte Tropfen
Rp.
Iidamen-Oigoxin/ -Novodigal
Rp.
Stoff- Dopingklasse mittel
Alkohol28 % pflanzliche Laxativa Heptaminol Heptaminol Alkohol Alkohol Alkohol24 % Alkohol Alkohol67 % Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol5 % Alkohol12 % Alkohol36 % Ephedrin Alkohol Alkohol Ooxylamin Selladonna-Alkaloide Alkohol Alkohol Alkohol Methyltestosteron Phenobarbital Furosemid Etacryns8.ure Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol Allobarbital Phenobarbital Synephrin Norfenefrin Strychnin Norfenefrin Ephedrin Ephedrin Alkohol Ephedrin Ephedrin Alkohol Ephedrin Alkohol31 % Phenobarbital Atropin Atropin Phenobarbital Alkohol20 % Phenobarbital Alkohol29 % Oxyfedrin
AI Lx Sy Sy AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI Ps AI AI An Ha AI AI AI Ab Sa Oi Oi AI AI AI AI AI Sa Sa Sy Sy Ps Sy Ps Ps AI Ps Ps AI Ps AI Sa Ha Ha Sa AI Sa AI Sy
Daunderer
nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja ja ja ja ja nein ja ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein ja
- Drogenhandbuch
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18
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
IJdamen/-forte IIvico Saft
frei frei
IJvico fUr Kinder IIvico-Dragees IIvin-Dupletten Imakol Sirup
frei frei frei Rp.
Imakol Tabletten Imeson Inactin-Byk Inconturina Indovert -Dragees Infi-tract Infludo Influtruw Tropfen Ingelan Ingomidon Instenon Intal compositum Intensain Kombipackung Ipalat Sirup Ipalat Tropfen Ipalatcum Codein
Rp. Rp. Rp. frei frei frei frei frei frei Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp.
Ipesandrin N
Rp.
'Isopto-Sterofrin Augentropfen Itridal Jalonac Jasivita Jatamansin Dragees Jatrosom Jetrium Joghurt Milkitten Junisana-Mixtur Kalkurenal- Tropfen Kalovowen Mixtur Kamille Spitzner Kamillosan Liquidum Kanovenol-Dragees Katovit Kavaform Kavasporal Keldrin Dragees
Rp. Rp. Rp. frei frei Rp. Btm. frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei
Keldrin Kapseln/-Suppositorien fUr Eiwachsene und Kinder Keldrin Suppositorien fOr Sauglinge
frei
Kerato Biciron Ketanest Khellicor Klimacorin
Rp. Rp. frei frei
Daunderer
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Rp.
Oxyfedrin Brompheniramin Methylephedrin Brompheniramin Brompheniramin Brompheniramin Oxomemazin Alkohol3 % Oxomemazin Nitrazepam Thiobutabarbital Alkohol Pentetrazol Alkohol52 % Alkohol57 % Alkohol Isoprenalin Carbromal Etamivan Isoprenalin Phenobarbital Ephedrin Ephedrin Codein Ephedrin Codein Ephedrin Phenylephrin Cyclobarbital Amobarbital Pentetrazol Pholedrin Tranylcypromin Dextromoramid pflanzliche Laxativa Alkohol Alkohol36 % Alkohol Alkohol10 % Alkohol Norfenefrin Prolintan Kavain Kavain Methylephedrin Diphenhydramin Ephedrin Diphenhydramin Phenobarbital Ephedrin Diphenhydramin Metandienon Ketamin Alkohol12 % Alkohol52 %
Stoff- Dopingklasse mittel Sy An P~ An An An An AI An Tr Ba AI Ps AI AI AI Sy Be Sy Sy Ba Ps Ps Op Ps Op Ps Sy Ba Ba Ps Sy Ma Op Lx AI AI AI AI AI Sy Ps Ub Ub Ps An Ps An Ba Ps An Ab Ha AI AI
ja nein ja nein nein nein nein nein nein npin nein nein ja nein nein nein ja nein ja ja nein ja ja ja ja ja ja ja nein nein ja ja ja ja nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein ja nein ja nein nein ja nein ja nein nein nein
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Klimax-H Taeschner
Rp.
Klimax-N Taeschner
Rp.
Klinoren Tropfen Klosterfrau Magentonikum Klosterfrau Melissengeist Klosterfrau Vitaltonikum Kneipp AbfOhrtee Kneipp Blutreinigungstee Kneipp Krauterdragees Kneipp Krautertonikum Herz-Elixier Kneipp Rosmarin Tonik-Wein Kneipp SchlankheitsUnterstOtzungstee Kneipp Worisetten-N Kolton grippale Konstitutionsmittel Syxyl Kontragripp Kontragripp-RR
frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei
Korodin- Tropfen Krauterlax Krancampo
frei frei frei
Kropfkur nach Ottinger Tropfen
frei
Kumsan Ginseng Scheurich Tonikum Kytta-Sedativum- Tropfen Lagrida-Schmerztabletten Lagunal-Kautabletten Lagunal-Safl
frei
Lakriment N Bronchial-Pastillen Lamra Lanibion- Tropfen Lanimerck- Tropfen Laryngsan
frei Rp. Rp. Rp. frei
Lasix/-Iong Lax 33
Rp. frei
Lax.opt Lax-Arbuz Laxafix Laxagetten Laxanin N Laxapressan Laxariston Laxatan AbfOhrdragees Laxatan AbfOhrkrautertee Laxatan Granulat Laxatan Instant AbfOhrtee Laxativ-Solco Dragees
frei frei frei frei frei frei frei frei fre! frei frei frei
frei frei frei frei frei
frei frei Rp. Rp.
Stoff- Dopingklasse mittel
Ch lordiazepoxid pflanzliche Laxativa Chlordiazepoxid pflanzliche Laxativa Alkohol Alkohol35 % Alkohol76 % Alkohol24 % pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Alkohol16 % Alkohol16 % pflanzliche Laxativa
Tr Lx Tr Lx AI AI AI AI Lx Lx Lx AI AI Lx
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein
pflanzliche Laxativa Piprinhydrinat Alkohol25 % Diphenhydramin Diphe'llhydramin Pholedrin Alkohol pflanzliche Laxativa Alkohol35 % pflanzliche Laxativa Alkohol Bromid Alkohol
Lx An AI An An Sy AI Lx AI Lx AI Be AI
nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein
Alkohol33 % Diphenhydramin Carbromal Carbromal Alkohol Ephedrin Diazepam Alkohol5 % Alkohol42 % Alkohol Coffein Furosemid Bisacodyl pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Bisacodyl Bisacodyl pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa
AI An Be Be AI Ps Tr AI AI AI Ps Di Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein
Daunderer - Drogenhandbuch
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Laxativum "Truw" Laxbene Laxherba Laxiplant Laxopol Laxos Laxysat Buerger
frei frei frei frei frei frei frei
Leferdiwin Lenoxin Liquidum Lentinorm Leo-Pillen Lespenephryl Tropfen Lespenephryl-forte Tropfen Levisticum Lexotanil6 Librax Librium/-Tabs Limbatril/-F/- Tabs Lipogeron 300 Lipostabil flussig Lipozet Liquemin Depot Liquidepur
frei Rp.. Rp. frei Rp. Rp. frei Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. frei frei Rp. frei
Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx Lx AI AI Ps Lx AI AI,
Liruptin Liskantin Lomabronchin
frei Rp. frei
Lomapect Kombi Lomapect Tropfen Lonarid N Loxyl LuminallLuminaletten Lycoaktin Tinktur Lycocyn Lymphomyosot Tropfen Lynandron MAO Mabuti Maffee
Rp. Rp. Rp. frei Rp. frei frei frei Rp. frei frei frei
Majocarmin Makara N Pulver Makatussin Dragees Makatussin Saft Makatussin Tropfen Makatussin forte Dragees
frei frei Rp. frei Rp. Rp.
Makatussi n forte Saft
Rp.
Makatussin forte Tropfen
Rp.
Maliasin
Rp.
Daunderer - Drogenhandbuch
pflanzliche Laxativa Bisacodyl pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Ricinusol pflanzliche Laxativa Bisacodyl pflanzliche Laxativa Alkohol16 % Alkohol10 % Strychnin pflanzliche Laxativa Alkohol48 % Alkohol47 % Alkohol28 % Bromazepam Chlordiazepoxid Chlordiazepoxid Chlordiazepoxid Methyltestosteron Alkohol16 % pflanzliche Laxativa Ephedrin pflanzliche Laxativa Alkohol Alkohol Primidon Ephedrin Alkohol53 % Diphenhydramin Alkohol75 % Codein Bisacodyl Phenobarbital Alkohol62 % Alkohol Alkohol35 % Testosteron pflanzliche Laxativa Mischanalgetikum (Coffein) pflanzliche Laxativa Phenolphtalein Alkohol Ephedrin Dihydrocodein Alkohol5 % Alkohol49 % Dihydrocodein Diphenhydramin Dihydrocodein Diphenhydramin Dihydrocodein Ephedrin Alkohol49 % Phenobarbital
AI Tr Tr Tr Tr Ab AI Lx Ps Lx AI AI Be Ps AI An AI Op Lx Ba AI AI AI Ab Lx Mi Lx Lx AI Ps Op AI AI Op An Op An Op Ps AI Ba
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein ja nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein ja ja nein nein ja nein ja nein ja ja nein nein
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Mandotrilan-,,forte" Mandrorhinon
Rp. frei
Margaris Tabletten Marianon "Dr. Klein" Marvina Maskam Masmoran (Roerig) Masterid Mastodyn Mazur-A
Rp. frei frei frei Rp. Rp. frei Rp.
Med-Laxan Medapur Medinox/-M
frei frei Rp.
Mediocard Mediolax
frei frei
Meditonsin
frei
Medomin Mega-Dolor
"Lorenz"
Rp. Rp.
Megagrisevit Melabon/-N Melidorm
Rp. frei Rp.
Melrosum Melrosum mit Codein
frei Rp.
Melval
Rp.
Menodoron Menrium Mepro-Nervamin
frei Rp. Rp.
Meprobamat Saar Mereprine Meteophyt Tropfen Methergin- Tropflosung Metrotonin
Rp. frei frei Rp. Rp.
Michalon Micoren
frei frei
Migraeflux
Rp.
Migrane-Dolviran Migrane-Kranit Tabletten/-Suppos. Migrane-Kranit spezial Migranex Migranex Spezial
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp.
Stoff- Dopingklasse mittel
Aprobarbital Ephedrin Mandragora-Alkaloide Meprobamat Alkohol45 % Alkohol17 % pflanzliche Laxativa Hydroxycin Drostanolon Alkohol53 % Phenobarbital Atropin Bisacodyl Bisacodyl Secobarbital Cyclobarbital Alkohol pflanzliche Laxativa Bisacodyl Alkohol Atropin Heptabarb Codein Phenobarbital Clostebol Mischanalgetikum (Coffein) 5- (2-Butenyl )-5-ethylbarbitursaure Alkohol Codein Alkohol Methylpentynol Alkohol20 % Alkohol Chlordiazepoxid Phenobarbital Meprobamat Belladonna-Alkaloide Meprobamat Doxylamin Alkohol Alkohol Amobarbital Dimephenopan Alkohol58 % Cropropamid Crotetamid Codein Dimenhydrinat Codein Phenobarbital Cyclizin Coffein Phenobarbital Carbromal
Daunderer
Ba Ps Ha Be AI AI Lx Ha Ab AI Ba Ha Lx Lx Ba Ba AI Lx Lx AI Ha Ba Op Ba Ab Mi Ba
nein ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja nein nein
AI Op AI Be AI AI Tr Ba Be Ha Be An AI AI Ba Ps AI Ps Ps Op An Op Ba An Ps Ba Be
nein , ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja ja ja nein ja nein nein ja nein nein
- Drogenhandbuch
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingk1asse mittel
Migralave
Rp.
Migrexa Milkitten Dragees "verstiirkt" Mintetten Mintusin- Tropfen
Rp. frei frei frei
MiraprontN Mirfudorm Mirfusot Hustensirup
frei Rp. frei
Mirfusot forte Hustensirup
Rp.
Mirfusot mit Kodein Sirup
Rp.
Mirfusot mit Kodein Tropfen
Rp.
Mi rfusot -Hustentropfen
frei
"Mletzko"- Tropfen Mogadan Roche Monacant Monapax Saft Monapax Tropfen Monapax mit Dihydrocodein Saft Monapax mit Dihydrocodein Tropfen Mono Demetrln Morphin Thilo Morphin-Atropin Thilo
frei Rp. Rp. frei frei Rp.
Morphinum hydrochloricum Amphiolen Mosegor-Sirup Movellan Mu-cronN
Btm.
Codein Buclizin Pentobarbital pflanzliche Laxativa Ephedrin Ephedrin Bromid Norpseudoephedrin Carbromal Ephedrin Alkohol1 % Ephedrin Alkohol Codein Ephedrin Alkohol Codein Ephedrin Alkohol Ephedrin Bromid Alkohol5 % Alkohol16 % Nitrazepam Dihydrocodein Alkohol6 % Alkohol32 % Dihydrocodein Alkohol3 % Dihydrocodein Alkohol50 % Prazepam Morphin Morphin Atropin Morphin
Op An Ba Lx Ps Ps Be Ps Be Ps AI Ps AI Op Ps AI Op Ps AI Ps Be AI AI Tr Op AI AI Op AI Op AI Tr Op Op Ha Op
ja nein nein nein ja ja nein ja nein ja nein ja nein ja ja nein ja ja nein ja nein nein nein nein ja nein nein ja nein ja nein nein ja ja nein ja
Rp. Rp. frei
Mucolytisches Expectorans Mulimen Multum Musaril Muskel Trancopal compositum Muskel Trancopal cum codeino
Rp. frei Rp. Rp. Rp. Rp.
Mutellon Mylepsinum Myo-Europan Myocardetten
frei Rp. Rp. Rp.
Myocardon
Rp.
Alkohol Strychnin Ephedrin Alkohol60 % Norephedrin Alkohol Chlordiazepoxid Tetrazepam Chlormezanon Codein Chlormezanon Alkohol35 % Primidon Meprobamat Phenobarbital Atropin Phenobarbital Atropin
AI Ps Ps AI Ps AI Tr Tr Mx Op Mx AI Be Be Ba Ha Ba Ha
nein ja ja nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein
Daunderer
- Drogenhandbuch
Rp. Rp. Btm. Btm.
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Myonasan N.P.-Pos Naldecol
frei Rp. frei
Nasalgon Natisedine Naupathon Nebdosator Neda FrOchtewOrfel/-Krautertabl. Nehydrin Tropfen Nembutal Neo Nervisal
frei Rp. frei frei frei Rp. Rp. Rp.
Neo-Animasa Neo-Codlon Tropfen
Rp. Rp.
Neo-Codion
Rp.
AI Sy Ps Sy An Ps Ba AI Sy Lx AI Ba Ba Ba Ba Ba Op Op AI Op Op Ps Ps Ba Ba Ha Ba Mi AI AI AI AI Be AI Ba Ba AI Ba Ba AI Ba Sa AI Ba Se Sa Sa AI AI Op Op Ps AI AI Tr
Dragees/-Supposit.
Neo-Felsol
frei
Neo-Nervisal Neo-Vegomed
Rp. Rp.
Neodorm Neosal-N Nephrisol Nephros-Strath Nervibosan Nerviguttum forte Nervinum Fides
Rp. frei frei frei frei Rp. frei
Nervinum Stada Dragees Nervinum Stada Tropfen
Rp. Rp.
Nervisal Dragees Nervisal Elixier
Rp. Rp.
Nervoopt.
Rp.
Nervobaldon Tropfen Nervolitan Dragees
frei Rp.
Nervolitan FIOssigkeit
Rp.
Nervosana Nettisabal Neuralgica- Tablinen Neuramag Neuridal Neuro-Presselin Neurochol N Tropfen Neurolytril5/10 Tabletten
frei frei Rp. Rp. frei frei frei Rp.
Alkohol25 % Phenylephrin Norephedrin Phenylephrin Carbinoxamin Ephedrin Phenobarbital Alkohol49 % Phenylephrin pflanzliche Laxativa Alkohol Pentobarbital Allobarbital Phenobarbital Barbital Phenobarbital Codein Ethylmorphin Alkohol60 % Codein Ethylmorphin Ephedrin Coffein Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Pentobarbital Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol Alkohol20 % Alkohol13 % Alkohol70 % Bromid Alkohol20 % Aprobarbital Aprobarbital Alkohol22 % Aprobarbital Aprobarbital Alkohol Barbital Phenobarbital Alkohol Phenobarbital Carbromal Aprobarbital Secbutabarbital Alkohol Alkohol51 % Codein Codein Ephedrin Alkohol41 % Alkohol Diazepam
nein Ja ja ja nein ja nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein ja nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja ja nein nein nein
Daunderer - Drogenhandbuch
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Oopingklasse mittel
Neuronika Neurosom
frei Rp.
Neurovegetalin Ni-No-Fluid Nierano Nirason Nisylen Nitrangin Liquidum Nobrium 5/1 0 Noctamid Noctazepam Naeturetten Noludar Nomon Liquidum Nordalbon Norfenefrin retard forte-ratiopharm Norflex Norgesic Norkotral Normi-Nox Normae Normotin-P protrahiert
Rp. frei frei Rp. frei Rp. Rp. Rp. Rp. frei Rp. frei frei Rp.
Kavain Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Alkohol Alkohol45 % Phenobarbital Alkohol45 % Alkohol Medazepam Lormetazepam Oxazepam Oiphenhydramin Methyprylon Alkohol 53 %. Mischanalgetikum (Coffein) Norfenefrin
Ub Ba Ha Ba AI AI Ba AI AI Tr Tr Tr An Be AI Mi Sy
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja
frei
Norphen Norphenovit Nortensin/-mite Novadral Noviform-Aethylmorphin Novomina Noxenur Tropfen
frei frei Rp. frei Rp. frei Rp.
Mx Mx Ba Be Tr Sy Sy Sy Sy Sy Sy Sy Sy Oi Sy Op An Ha AI Ps AI AI Ps Ps AI Lx Lx Lx Oi An Sy AI AI AI Sa An
nein
Normotin-R rapid
Orphenadrin Orphenadrin Pentobarbital Methaqualon Bromazepam Norfenefrin Heptaminol Etamivan Norfenefrin Etamivan Heptaminol Octopamin OCtopamin Furosemid Norfenefrin Ethylmorphin Oimenhydrinat Atropin Alkohol Ephedrin Alkohol Alkohol Ephedrin Strychnin Alkohol20 % Bisacodyl Phenolphtalein pflanzliche Laxativa Furosemid Oiphenhydramin lsoprenalin Alkohol2 % Alkohol18 % Alkohol45 % Pentobarbital Mebhydrolin
Rp. Rp. Rp. Btm. Rp. frei
Oispersa
Noxom N Nuran BC forte/-Sirup Nux vomica-Strath
frei Rp. frei
Obstilax forte Obstinol Obstinoletten Oedemase Older Tropfen
frei frei frei Rp. Rp.
Olivysat Burger Olren Tropfen OmcaNacht Omeril
frei frei Rp. frei
Daunderer
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nein nein nein nein ja ja ja ja ja ja ja ja nein ja ja nein nein nein ja nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Omnisedan
Rp.
Ophthalmin Augentropfen Optivitol Optalidon/-special Optipect Dragees Optipect Sirup
frei Rp. Rp. frei frei
Optipect Tropfen
frei
Optipect mit Kodein Sirup
Rp.
Optipect mit Kodein Tropfen
Rp.
Optipyrin
Rp.
Optonicum Orbigastril (Roerig) Orchibion Ordi nal- forte/-retard Original- Tinktur "Truw" Ornatos
frei Rp. frei frei frei Rp.
Orphol Tropflosung Orthangin Tropfen Orthocardon Tropfen Orthoheptamin/-retard Ostochont Dragees Osyrol100-Lasix Osyrol 50-Lasix Otovowen Ovaribran Ovibion Oxa-Puren Oxacant Tropfen Oxacant-Khella Oxacant -Sedativ Oxacant-forte Oxazepam 10 Stada Oxazepam Rekur Oxazepam retard-ratiopharm 30 Oxazepam-ratiopharm-1 0/-50 Ozabran
Rp. frei frei frei Rp. Rp. Rp. frei Rp. Rp. Rp. frei frei frei frei Rp. Rp. Rp. Rp. frei
Ozothin Sirup Ozothin Tropfen Palamkotta Pan-Nerventonikum Panagesic Pandigal Pankreaplex Tropfen
frei frei frei frei Rp. Rp. frei
Stoff- Dopingklasse mittel Be Be Be Sy -Ab
Methylpentinol Meprobamat Bromisoval Synephrin Androstanolon Butalbital Ephedrin Ephedrin Alkohol4 % Ephedrin Alkohol50 % Codein Ephedrin Alkohol4 % Codein Ephedrin Alkohol50 % Codein Secobarbital Alkohol11 % Meprobamat Alkohol43 % Norfenefri n Alkohol Norephedrin Chlorphenamin Alkohol Alkohol19 % Alkohol28 % Etifelmin Meprobamat Furosemid Furosemid Alkohol Oxazepam Alkohol40 % Oxazepam Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol Oxazepam Oxazepam Oxazepam Oxazepam Phenylephrin Diphenylpyralin Alkohol3 % Alkohol56 % pflanzliche Laxativa Alkohol21 % Pentazocin Alkohol23 % Alkohol
Ba Ps Ps .AI Ps AI Op Ps AI Op Ps AI Op Ba AI Be AI Sy AI Ps An AI AI AI Sy Be Di Di AI Tr AI Tr AI AI AI AI Tr Tr Tr Tr Sy An AI AI Lx AI Op AI AI
Daunderer
nein nein nein ja ja nein ja ja nein ja nein ja ja nein ja ja nein ja nein nein nein nein ja nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein ja nein nein
- Drogenhandbuch
25
26
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Pankrevowen
frei
Panstabil Flussigkeit Pantopon Pantrop retard Papayasanit Par-Isalon Parasanol Paracodin Tropfen/-Sirup
frei Btm. Rp. frei Rp. Rp. Rp.
Paracodin retard/- Tabletten Paraldehyd Ampullen Pardroyd Parnate Partusisten Pascoletten Pasconal/-forte Nerventropfen Pascosabal Pascovegeton Pasgensin Pastapalm Pasuma Ampullen
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. frei frei frei frei frei frei Rp.
Pasuma Dragees
Rp.
Paverysat
Btm.
Payagastron PCF-Blau Pectamed
frei frei frei
Pectamed mit Kodein
Rp.
Pectapas pectinfant Pectischoell
frei Rp. frei
Pectolitan Hustensaft Pectolitan Twpfen Pectolitan mit Codein
frei Rp. Rp.
Pentaneural Pentavenon Dragees Pentavenon Iiquidum
Rp. frei frei
Pentrium Pepsinwein Pepsinwein "BIUcher-Schering" Pepsinwein fUr Diabetiker "Blucher-Schering" Peracon Perasthman Pulver
Daunderec
- Drogenhandbuch
Stoff- Dopingklasse mittel
Rp. frei frei frei
Alkohol62 % Belladonna Alkohol13 % Opiumalkaloide Chlordiazepoxid Alkohol Ephedrin Meprobamat Dihydrocodein Alkohol Dihydrocodein Paraldehyd Oxymetholon T ranylcypromin Fenoterol pflanzliche Laxativa Belladonna Alkohol Alkohol Synephrin pflanzliche Laxativa Testosteron Strychnin Methyltestosteron Oxedrin Strychnin Opiumalkaloide Alkohol20 % Alkohol Alkohol Ephedrin Alkohol Codein Ephedrin Alkohol10 % Alkohol Codein Diphenhydramin Alkohol5 % Alkohol7 % Alkohol78 % Codein Alkohol78 % Meprobamat Pholedrin Pholedrin Alkohol19 % Chlordiazepoxid Alkohol14 % Alkohol17 % Alkohol18 %
AI Ha AI Op Tr AI Ps Be Op AI Op Be Ab Ma Sy Lx Ha AI AI Sy Lx Ab Ps Ab Sy Ps Op AI AI AI Ps AI Op Ps AI AI Op An AI AI AI Op AI Be Sy Sy AI Tr AI AI AI
nein nein nein Ja nein nein ja nein ja nein ja nein ja ja ja nein nein nein nein ja nein ja ja ja ja ja ja nein nein nein ja nein ja ja nein nein ja nein nein nein nein ja nein nein ja ja nein nein nein nein nein
Rp. frei
Isoaminil Ephedrin
Op
ja ja
Ps
'-
",--.
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Perasthman Tabletten
Rp.
Perbronchin
frei
Perdiphen Dragees Perdiphen Kinder- und Sauglingsziipfchen Perdiphen Saft
frei frei ..
Perdiphen Tropfen Peripherin Perkamillon liquidum Pernasator Pernexiri Perphyllon- Tabletten/-Suppos.
Rp. Rp. frei frei frei Rp.
Perspiran proto
Rp.
Perspiran Saft/- Tabletten
Rp.
Persumbran Pertudoron 1 Pertudoron 2 Pertussin Konzentrat
Rp. frei frei Rp.
Peftussin Saft Pertussin Tropfen
frei frei
Pervitin Petronephrin Phanodorm Phenaemal 0,1/0,3 Phenaemaletten Ph6nix Antitox Ph6nix ArthrophOn PhOnix Aurum III/012B Ph6nix BronchophOn PhOnix Coralliuml/02B Ph6nix Cuprum 1/0178A Ph6nix Gastriphen Ph6nix Hydrargyrum 11/027A Ph6nix Hypotonex Ph6nix Kalium nitricum 05 Ph6nix LymphophOn Ph6nix Ph6nomigral Phenix Plumbum 024A Ph6nix Solidago II/035B Ph6nix Spongia 013B Ph6nix Tartarus 111/020 Phosvitanon
Btm. frei Rp. Rp. Rp. frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei Rp.
Phytneural Phytobronchin Phytobronchin
frei frei frei
Kapseln Tinktur
frei
Ephedrin Benactyzin Alkohol44 % Belladonna Ephedrin Ephedrin Ephedrin Alkohol13 % Ephedrin Ephedrin Alkohol48 % Prophylhexedrin Alkohol9 % Phenobarbital Atropin Phenobarbital Ephedrin Ephedrin Phenobarbital Oxazepam Alkohol40 % Alkohol15 % Codein Alkohol18 % Alkohol9 % Ephedrin Alkohol18 % Methamphetamin Alkohol40 % Cyclobarbital Phenobarbital Phenobarbital Alkohol32 % Alkohol30 % Alkohol32 % Alkohol31 % Alkohol30 % Alkohol36 % Alkohol28 % Alkohol30 % Alkohol31 % Alkohol31 % Alkohol31 % Alkohol33 % Alkohol31 % Alkohol29 % Alkohol30 % Alkohol31 % Strychnin Bromid Mischanalgetikum Ephedrin Ephedrin Alkohol5 %
Stoff- Dopingklasse mittel Ps Ha AI Ha Ps Ps
ja nein nein nein ja ja
Ps AI Ps Ps AI Ps AI Ba Ha Ba Ps Ps Ba Tr AI AI Op AI AI Ps AI Ps AI Ba Ba Ba AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI AI Ps Be (Coffein) Mi Ps Ps AI
ja nein ja ja nein ja nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein ja nein nein ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein ja ja nein
Daunderer - Drogenhandbuch
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28
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Phytpulmon Pilfor
frei Rp.
Piniol Grippe Dragees
frei
Piniol Nasensalbe Plantival Tropfen Plantival pius
frei frei Rp.
Plantoletten Planum/-mite Plenastril Pluriviron Pneumonium LA Poikiloton Dragees
frei Rp. Rp. Rp. frei frei
Poikiloton Tropfen
frei
Poikiven Pol amidon (L)-C Hoechst Polamidon (L) Hoechst Polaronil Polcimut
frei Btm. Btm. frei frei
Polyfra-POS Polyxan-Blau Tropfen Polyxan-Gelb Tropfen Polyxan-Grun Tropfen Ponderax/-retard Postafen Potsilo Praecicalm Praecimed/-N Praecipect Sirup
Rp. frei frei frei Rp. Rp. frei Rp. Rp. Rp.
Praecipect Tropfen
Rp.
Praecipect mit Codein Sirup
Rp.
Praecipect mit Codein Tropfen
Rp.
Praemenstron Praxiten/-forte/-SP Presselin Presselin 20 F Presselin 20 M Presselin 214 Presselin 52 Presselin Chol Presselin Gold Presselin Olin 2
Rp. Rp. frei frei frei frei frei frei frei frei
Daunderer - Drogenhandbuch
Alkohol17 % Belladonna-Alkaloide pflanzliche Laxativa Diphenhydramin Heptaminol Ephedrin Alkohol Carbromal Alkohol pflanzliche Laxativa Temazepam Oxymetholon Mesterolon Alkohol20 % Pentetrazol Etilefrin Nicethamid Ephedrin Penetrazol Alkohol52 % Levomethadon Levomethadon Chlorphenamin Norephedrin Diphenylpyralin Synephrin Alkohol50 % Alkohol50 % Alkohol50 % Fenfluramin Meclozin Bisacodyl Pentobarbital Codein Bromid Ephedrin Alkohol Ephedrin Alkohol Codein Ephedrin Bromid Codein Ephedrin Alkohol Meprobamat Oxazepam pflanzliche Laxativa Alkohol60 % Alkohol54 % Alkohol37 % Alkohol37 % Alkohol60 % Alkohol58 % Alkohol11 %
Stoff- Dopingklasse mittel AI Ha Lx An Sy Ps AI Be AI Lx Tr Ab Ab AI Ps Sy Sy Ps Ps AI Op Op An Ps An Sy AI AI AI Uk An Lx Ba Op Be Ps AI Ps AI Op Ps Be Op Ps AI Be Tr Lx AI AI AI .AI AI AI AI
nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein ja ja nein ja ja ja ja ja nein ja ja nein ja nein ja nein nein nein ja nein nein nein ja nein ja nein ja nein ja ja nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein
'--
'-
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Pressel in Thyre Pressionorm/-mite Priatan Ampullen Priatan Hustensaft
frei Rp. frei frei
Priatan Hustentropfen
Rp.
Priatan Losung Priatan Suppositorien fOr Erwachsene Priatan Tabletten Priatan Ziipfchen fOr Kinder /fOr Sauglinge Priatan mit Dihydrocodein
frei Rp.
Primobolan Primodian Depot Primotussan
Rp. Rp. frei
Primotussan mit Codein
Rp.
Pro Dorm Pro-Pecton Codein
Rp. Rp.
Pro-Pecton Hustentropfen Pro-Pecton Forte Procordal Procto-Celestan Progynova Tropfen Promptex Pronervon Prospan Tropfen Prostagalen Prostata- Entoxin Proviron Psicosoma/-600 Psychotonin N Tinktur Psychoverlan forte Saft
frei frei frei Rp. Rp. frei Rp. frei Rp. frei Rp. frei frei frei
Psychoverlan forte Tabletten Psychoverlan-Kapseln/-Saft Psyquil compositum Psyton/Psyton Tabs Pubersan Essenz Pulmocordio
frei frei Btm. Rp. frei frei
Pulsatilla-Strath Pulsnorma Pursennid Pyralvex Losung Quadro-Nox Quadronal/-A
frei Rp. frei frei Rp. frei
Rp. Rp. Rp.
Stoff- Dopingklasse mittel
Alkohol56 % Gepefrin Ephedrin Bromid Ephedrin Dihydrocodein Ephedrin Ephedrin Phenobartlital Ephedrin Ephedrin Pentobartlital
AI Sy Ps Be Ps Op Ps Ps Ba Ps Ps Ba
nein ja ja nein ja ja ja ja nein ja ja nein
Dihydrocodein Ephedrin Bromid Metenolon Testosteron Bromid Ephedrin Alkohol12 % Codein Bromid Ephedrin Lorazepam Codein Ephedrin Ephedrin Ephedrin Alkohol17 % Phenylephrin Alkohol50 % pflanzliche Laxativa Bartlital Alkohol47 % Alkohol Alkohol40 % Mesterolon Bromid Alkohol50 % Bromid Alkohol2 % Bromid Bromid Pethidin Clobazam Alkohol5% Ephedrin Alkohol Alkohol20 % Phenobartlital pflanzliche Laxativa Alkohol52 % Bartlital Mischanalgetikum (Coffein)
Op Ps Be Ab Ab Be Ps AI Op Be Ps Tr Op Ps Ps Ps AI Sy AI Lx Ba AI AI AI Ab Be AI Be AI Be Be Op Tr AI Ps AI AI Ba Lx Ai Ba Mi
ja ja nein ja ja nein ja nein ja nein ja nein ja ja ja ja nein ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein
Daunderer - Drogenhandbuch
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Rabro Racedrin-Pantocain Radjosan Rafipen Ramed AbfOhrdragees/-"Parat" Ramed-Krauter-AbfOhrtee Rau-Tablinen Raucherstop Reactivan Rebuso
frei Rp. frei Btm. frei frei Rp. Rp. frei Btm.
Recatol Recorsan-liquidum Recto-Betnesol Recvalysat Burger Refagan sP Regasinum antiinfectiosum Regenaplex-Nr.25 Regenon/-retard/-A Reginol
frei frei Rp. frei frei frei frei Rp. Rp.
Regium/Regium
Rp.
Lx Ps AI Op Lx Lx Ba Ps Ps Be Be Be Ps AI Sy AI Mi AI Ps Ps Ba Ab Be Ha Op AI Lx Lx Op Op AI Tr AI Ba AI Ba AI AI AI Ba Ba Be Ps Ha AI Ps Ha Lx Lx Ba Ps AI Lx Lx AI
retard
Regulapect c. Cod. Tropfen
Rp.
Regulat
frei
Remedacen Kapseln Remedacen Saft
Rp. Rp.
mite Remestan/Remestan Remifemin Tropfen Reoxyl-S Rephastasan Tropfen Repocal Repowine Reproven Requiesan Resedorm Mixtur/- Tabletten
Rp. frei Rp. frei Rp. frei frei frei Rp.
Resimatil Respirogutt
Rp. frei
Retterspitz Aerosol Rheogen
frei Rp.
Rheolind Rheucastin
frei Rp.
Rheuma-Ioges Tropfen Rheuma-Tee Stada Rheumadrag Rheumavowen
frei frei frei frei
Daunderer
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pflanzliche Laxativa Ephedrin Alkohol19 % Alfentanil pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Phenobarbital Norpseudoephedrin Fencamfamin Methaqualon Carbromal Bromisoval Norpseudoephedrin Alkohol30 % Phenylephrin Alkohol18 % Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol60 % Strychnin Diethylpropion Phenobarbital Methyltestosteron Meprobamat Belladonna-Alkaloide Codein Alkohol40 % Bisacodyl pflanzliche Laxativa Dihydrocodein Dihydrocodein Alkohol2 % Temazepam Alkohol Phenobarbital Alkohol Pentobarbital Alkohol Alkohol37 % Alkohol Secbutabarbital Aprobarbital Primidon Ephedrin Atropin Alkohol61 % Ephedrin . Belladonna-Alkaloide pflanzliche Laxativa Bisacodyl Barbital Coffein Alkohol45 % pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Alkohol
nein ja nein ja nein nein nein ja ja nein nein nein ja nein ja nein nein nein ja ja nein ja nein nein ja nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein nein
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Rhinex retard
frei
rhinicept
frei
Rhinivict
frei
Rhino 10 Voigt
frei
Rhino sine Rhino-Xylidrin Rhinoinfant Schlucktropfen
frei frei frei
Rhinopront Kapseln/-Saft
frei
Rhinotussal Kapseln Rhinotussal Saft
frei frei
Rhoival Tropfen Ribbeck
frei Rp.
Ricrat Tropfen Ring- Tabletten Rio-Josipyrin Risin Ritalin Rivotril Robokardin Rodavan Roekan-flussig Roewo Hepathin Roewo Renal Roewo Rytesthin
Rp. frei frei frei Btm. Rp. frei frei frei frei frei frei
Roewo Sedaphin Roewo Spasmol Roha-Getten Rohypnol Romigal N Rondimen Rosimon Rosimon-neu Tabletten Rovaktivit Rowachol compo Tropfen RR-plus Rukebon C
frei frei frei Rp. frei Rp. Rp. Rp. frei frei Rp. Rp.
Rupton
frei
S-Pastillen S.8 Saburgen Sagitta-Syrup Sagitta-Syrup
frei frei frei frei Rp.
cum Codein
Stoff- Dopingklasse mittel
Carbinoxamin Phenylephrin Bamethan Norephedrin Chlorphenamin Phenylephrin Diphenhydramin Chlorphenamin Norephedrin Ephedrin Ephedrin Diphenylpyralin Alkohol16 % Phenylephrin Carbinoxamin Carbinoxamin Carbinoxamin Norephedrin Alkohol Codein Diphenhydramin Alkohol34 % Mischanalgetikum (Coffein) Mischanalgetikum (Coffein) Ephedrin Methylphenidat Clonazepam Alkohol15 % Chlorphenoxamin Alkohol Alkohol45 % Alkohol45 % Bromid Alkohol45 % Alkohol45 % Alkohol45 % Mischanalgetikum (Coffein) Flunitrazepam Mischanalgetikum (Coffein) Mefenorex Phenobarbital Dextropropoxyptien-HCI Alkohol Alkohol Ephedrin Codein Phenobarbital Brompheniramin Norephedrin Ephedrin Diphenhydramin Alkohol Alkohol1 % Codein Alkohol1 %
Daunderer
An Sy Vd Ps An Sy An An Ps Ps Ps An AI Sy An An An Ps AI Op An AI Mi Mi Ps Ps Tr AI An AI AI AI Be AI AI AI Mi Tr Mi Ps Ba Op AI AI Ps Op Ba An Ps Ps An AI AI Op AI
nein ja ja ja nein ja nein nein ja ja ja nein nein ja nein nein nein ja nein ja nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja nein nein ja ja nein nein ja ja nein nein nein ja nein
- Drogenhandbuch
31
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Sagittacin Salichin "dr. mann" Salicodein retard
Rp. frei Rp.
Salicort Salus Echinacea Tropfen Salus Gallexier Magen- und Galledragees Salus Leber-Galle-Tee Salus Mistel- Tropfen Salus Rheuma- und Stoffwechselfunktionstee Salus Salbei- Tropfen Salus Schafgarbe- Tropfen Salus WeiBdorn- Tropfen Salus Zinnkraut- Trppfen Salus-AbfOhrtee Salusan Salvysat Burger Tropfen Sanadormin Tropfen Sanalgutt Sanato-Lax-forte Sanavitan
frei frei frei
Diphenhydramin Diphenhydramin Codein Ephedrin Alkohol43 % Alkohol48 % pflanzliche Laxativa
An An Op Ps AI AI Lx
nein nein ja ja nein nein nein
frei frei frei
pflanzliche Laxativa Alkohol23 % pflanzliche Laxativa
Lx AI Lx
nein nein nein
frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei
Sanilforte Sanolent/ -"f' Sanoma Saridon SchioB Ittendorfer Lebensgeist Schmerzex Schwedentrunk wohlschmeckend
frei Rp. Rp. frei frei frei frei
Schwedentrunk/-mit
frei
Alkohol65 % Alkohol23 % Alkohol23 % Alkohol23 % pflanzliche Laxativa Alkohol16 % Alkohol18 % Alkohol Mischanalgetikum (Coffein) pflanzliche Laxativa Bisacodyl pflanzliche Laxativa Alkohol Strychnin Carisoprodol Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol15 % pflanzliche Laxativa Alkohol14 % pflanzliche Laxativa Alkohol Alkohol Alkohol Alkohol AikohoL20 % Alkohol62 % Oxycodon "Ephedrin Scopolamin Alkohol49 % Alkohol60 % Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Alkohol17 % Meprobamat Phenobarbital Phenobarbital Phenobarbital Phenobarbital Diazepam
AI AI AI AI Lx AI AI AI Mi Lx Lx Lx AI Ps Mx Mi AI Mi AI Lx AI Lx AI AI Ai AI AI AI Op Ps Ha AI AI Ba Ha AI Be Ba Ba Ba Ba Tr
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein
Schwoneural Schworheumal Schworoton Schworotox Tropfen Scilla-Perpurat Scillacor Scophedal/Scophedal
32
Ginseng
"forte"
frei frei frei frei frei frei Btm.
Scordal Scorotox Secafobell
frei frei Rp.
Secalysat Burger Tropfen Seda Baxacor 75 Seda Nitro Mack retard SeCla Tablinen Seda-Intensain Seda-Movicard Seda-Presomen
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp.
Daunderer
- Drogenhandbuch
Name des Medikaments Seda-Stenocrat
Tropfen
Sedacalman Sedapersantin/Sedapersantin Sedapon/Sedapon D
'---
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Rp.
Ha AI Ps Ba Be Ha AI AI Ba Ha Ha Ba Ba Ha Ba 8y Be Be An AI Lx Tr Di Mi Lx Lx Tr Op Ps AI AI AI Ps Di Mi AI AI Op AI Ha An Sy Sy Sy AI Be AI Ps Ps AI AI Lx Lx Sy Sy
frei forte Rp. Rp.
Sedariston Sedatruw Tropfen Sedestal
frei frei Rp.
Sediomed
Rp.
Sedovegan Segontin 60/-Digoxin Sekundal
Rp. Rp. Rp.
Sekundal-D Senecion Senpurgin Sigacalm/Sigacalm forte Sigasalur Siguran Silaxo Silberne Boxberger Silentan Silerin forte
frei frei frei Rp. Rp. frei frei frei Rp. Rp.
Silomat Saft Silbmat Tropfen Silphoscalin Sinesalin Sinpro Sinupret Tropfen Siozwo Tonicum Sirolin retard Skopyl
frei frei frei Rp. frei frei frei Rp. Rp.
Snup
frei
Snupcomp. Solan Solaurit Soledum Hustensaft/ -Hustentropfen Solgen Solgetten Solidago "Dr. Klein" Solidagosan Solu-Hepar Solubilax Solupen Nasentropfen Solupen-d Nasentropfen
frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei frei Rp.
Scopolamin Alkohol55 % Ephedrin Phenobarbital Meprobamat Belladonna-Alkaloide Alkohol52 % Alkohol Phenobarbital SCopolamin Atropin Allobarbital Phenobarbital Atropin Phenobarbital Prenylamin Carbromal Bromisoval Diphenhydramin Alkohol pflanzliche Laxativa Oxazepam Furosemid Mischanalgetikum (Coffein) pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Diazepam Dihydrocodein Ephedrin Alkohol20 % Alkohol1 % Alkohol12 % Ephedrin Bendroflumethiazid Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol Alkohol15 % Codein Alkohol Scopolamin Chlorphenamin Phenylephrin Phenylephrin Synephrin Alkohol55 % Bromid Alkohol Ephedrin Ephedrin Alkohol Alkohol55 % pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Synephrin Synephrin
nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein ja ja ja nein nein nein ja ja nein nein nein nein ja ja
Daunderer - Drogenhandbuch
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Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Solvosal Somnibel Somnibel N Somnifen Tropfen
Rp. Btm. Rp. Rp.
Somnium forte Somnubene Somnupan
Rp. Rp. Btm.
Somnuvis Somvit
frei Rp.
Sormodren Sotorni Tropfen SoventolC Soventol Filmtabletten Sparheugin Tropfen Spartiol Spasdilat Spasrno gallo sanol Spasmo-Bilicura
Rp. Rp. frei frei frei frei Rp. frei Rp.
Spasrno-Cibalgin Spasmo-Cibalgin
Rp. Rp.
Ps Be Tr Ba Ba Be Ba Ba Ba Be Nk Ba Be Ha AI Ps An AI AI Ba Lx Nk Lx Ba Op Ba Op Op Ba AI Op Ba Op Ba Ps Ba Be An An Be An Sy AI Ba Lx Mi Sy AI AI Tr AI Lx AI
cornpositum
Spasmo-Cibalgin compositum S Spasrno- Dolviran
Rp. Rp.
Spasmo- Entoxin Spasmo-Gentarol
frei Rp.
Spasmo-Gentil Spasmo-Inalgon Spasrno-Ozothin Sped a Spondylon Suppositorien
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp.
Spondylon Tabletten Spondylon-B
frei Rp.
Stabilocard Stadacor Stadadorm Stadalax Stadapyrinum Stag ural retard-Kapseln Stangyl Tropfen Stas-.Hustentropfen Staurodorm neu Steicardin Steinonit Steirocall
Rp. frei Rp. frei frei frei Rp. frei Rp. frei frei frei
Strychnin Methaqualon Nitrazepam Barbital Aprobarbital Carbromal Cyclobarbital Cyclobarbital Hexobarbital Carbromal Kavain Amobarbital Gluthetimid Bornaprin Alkohol Propylhexedrin Bamipin Alkohol68 % Alkohol Phenobarbital pflanzliche Laxativa Kavain pflanzliche Laxativa Allobarbital Codein Allobarbital Codein Codein Phenobarbital Alkohol40 % Codein Phenobarbital Codein Phenobarbital Ephedrin Vinylbarbital Methylpentynol Diphenhydramin Diphenhydramin Methylpentynol Diphenhydrar:nin Norfenefrin Alkohol33 % Amobarbital Bisacodyl Mischanalgetikum (Coffein) Norfenefrin Alkohol Alkohol27 % Flurazepam Alkohol23 % pflanzliche Laxativa Alkohol45 %
ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja ja nein nein ja nein ja nein ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein
"--
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Steno-Valocordin
Rp.
Stenocardin Trol'lfen Stenocrat Tropfen Stenopressin Tropfen
frei frei Rp.
Steranabol Steranabol- Depot Stodinox
Rp. Rp. Rp.
Stomabococin Stomachysat BUrger Stovalid Stoyet ~Saft
frei frei frei frei
Stromba Strombaject Stronglife Strophantus-Strath Strophedrin Strophocor Sucontral Sulfa-Dysurgal
Rp. Rp. frei frei Rp. Rp. frei Rp.
Sulfa-Ozothinsaft Sulfapecticept
Rp. Rp.
Sulfopecticept Saft Sulfosellan nasale Superpep/-forte Syamplex Sympatocard
Rp. Rp. frei frei frei
Sympatol Sympatovit Synephrin Tabletten Syntex Tropfen Systral Syxyl-Komplexe Nr. 1-86 Talvosilen/-forte Tantum verde Taumasthman Tabletten Tavegil Tavor Temagin Temgesic T empidorm N Suppositorien Tempidorm N Tabletten
frei frei frei frei frei frei Rp. Rp. Rp. frei Rp. frei Btm. Rp. Rp.
Tempi! N Tensitruw Tropfen
frei frei
Stoff- Dopingklasse mittel
Phenobarbital Bromisoval Alkohol52 % Alkohol Alkohol Belladonna-Alkaloide Alkohol 56 %. Clostebol Oxabolon Hexobarbital Cyclobarbital Carbromal Alkohol46 % Alkohol18 % Alkohol Ephedrin Alkohol Stanozolol Stanozolol Alkohol Alkohol20 % Ephedrin Alkohol6 % Alkohol20 % Barbital Ephedrin Atropin Alkohol6 % Phenylephrin Chlorphenamin Chlorphenamin Ephedrin Dimenhydrinat Alkohol35 % Pentetrazol Synephrin Synephrin Synephrin Synephrin Alkohol Chlorphenoxamin Alkohol Codeln Alkohol10 % Ephedrin Clemastin Lorazepam Mischanalgetikum (Coffein) Buprenorphin Brallobarbital Secobarbital Cyclobarbital Carbromal Diphenylpyralin Alkohol
Daunderer
Ba Be AI AI AI Ha AI Ab Ab Ba Ba Be AI AI AI Ps AI Ab Ab AI AI Ps AI AI Ba Ps Ha AI Sy An An Ps An AI Ps Sy Sy Sy Sy AI An AI Op AI Ps An Tr Mi Op Ba Ba Ba Be An AI
nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein ja nein ja ja nein nein ja nein nein nein ja nein nein ja nein nein ja nein nein ja ja ja ja ja nein. nein nein ja nein ja nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein
- Drogenhandbuch
35
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Tenuate Retard Teronac Testicomb Testifortan
Rp. Rp. Rp. Rp.
Testosteron Depot Thilo Testosteron Suppositorien Ferring Testosteron propionat "Eifelfango" Testoviron Tetra-Abiadin Thalamonal Theo-Heptylon TheocHexanicit Theralene pectoral
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Stm. frei frei Rp.
Theralene Sirup/- Tropfen Thilocombin Thomapyrin N Thymipin Hustensaft Thymipin Tropfen Thymipin forte
Rp. Rp. frei frei frei frei
Thymitussin- Dragees Thymitussin- Tropfen
frei frei
Thymosirol
frei
Thyreogutt Tropfen Tiamon/-retard Ticarda Ticodolor SChmerztabletten Tinctura Justi-Pascoe Tirgon
frei Rp. StITl. frei frei frei
Ti rgon- Emulsion Tolusot
frei frei
Ton-02 (Tonozwei) Tonamyl Tonaton
Rp. Rp. Rp.
Tondinel Tonol
frei Rp.
Ps Ps Ab Ab Ps Ab Ab Ab Ab An Op Vs Vs Ps AI AI Vs Mi AI AI Ps AI Ps Ps AI Ps AI AI Op Op Mi AI Lx Lx Lx Ps AI Ps Se Ps Ha AI Ab Ps Sy Vs AI Sy AI Sy Ps An Op Sa Sa
Tonolift-Efeka
36
retard
frei
Tonoplantin Tonovit Tonsilgon Tropfen Tonus-forte- Tablinen Tosaminic
frei frei frei frei Rp.
Toximer Suppositorien
Rp.
Daunderer
- Drogenhandbuch
Diethylpropion Mazindol Testosteron Methyltestosteron Strychnin Testosteron Testosteron Testosteron Testosteron Doxylamin Fentanyl Heptaminol Heptaminol Ephedrin Alkohol3 % Alkohol Heptaminol Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol7 % Alkohol37 % Ephedrin Alkohol37 % Ephedrin Ephedrin Alkohol Ephedrin Alkohol5 % Alkohol36 % Dihydrocodein Normethadon Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol Sisacodyl pflanzliche Laxativa Phenolphtalein Ephedrin Alkohol47 % Amfetaminil Meprobamat Ephedrin Atropin Alkohol60 % Mesterolon Strychnin Norfenefrin Etamivan Alkohol Norfenefrin Alkohol18 % Etilefrin Norephedrin Pheniramin Codein Allobarbital Phenobarbital
ja ja ja ja ja ja ja ja ja nein ja ja ja ja nein nein ja nein nein nein ja nein ja ja nein ja nein nein ja ja nein nein nein nein nein ja nein ja nein ja nein nein ja ja ja ja nein ja nein ja ja nein ja nein nein
"-.
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Toximer Tabletten Toxarephan Tradon Tramal Tramal Tropfen
Rp. frei Rp. Rp. Rp.
Tranquase Tranquit Tranquo-Adamon Tranquo-Alupent Tranquo-Buscopan Tranquo-Puren Tranquo- Tablinen Tranxilium Trecalmo Tremarit TreupellTreupel-N Triami nic-Bitabsl -Schlucktropfen
Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. Rp. frei
Tricodein Hustensaft
Rp.
Trimedil
frei
Trisan
Rp.
Trisomnin
Rp.
Tropax Tropid Tumoglin Tussamag Hustensaft Tussamag Tropfen
Rp. frei frei frei frei
Tussamag mit Codein Saft
Rp.
Tussamag mit Codein Tropfen
Rp.
Tussedat forte
Rp.
Tussedat-Pastillen
Rp.
Tussedat- Tropfen
Rp.
Tussi-Longoral Tussidon
Rp. frei
Tussipect mit Codein
Rp.
Tussipect-Sirup/- Tropfen Tussiverlan Dragees
frei frei
Op AI Ps Op Op AI Tr Tr Be Tr Tr Tr Tr Tr Tr Ha Op Ps An Op AI Sy An Be Ba Ba Ba Ba Op Mi AI AI Ps AI Op AI Op Ps AI Be Op AI Op Ps Ps Be AI Ps Sy An Op Ps Ps An
Codein Alkohol Pemolin Tramadol Tramadol Alkohol20 % Diazepam Oxazolam Meprobamat Oxazepam Oxazepam Diazepam Diazepam Dikaliumclorazepat Clotiazepam Metixen Codein Norephedrin Pheniramin Codein Alkohol 12 o/~ Phenylephrin Dimetinden Chlaralhydrat Barbital Secobarbital Secbutabarbital Phenobarbital Dextropropoxyphen-HCI Mischanalgetikum (Coffein) Alkohol23 % Alkohol3 % Ephedrin Alkohol20 % Codein Alkohol Codein Ephedrin Alkohol Bromid Ethylmorphin Alkohol31 % Ethylmorphin Ephedrin Ephedrin Bromid Alkohol Ephedrin Phenylephrin Chlorphenamin Codein Ephedrin Ephedrin Diphenylpyralin
Daunderer
ja nein ja ja ja nein nein nein~ nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein ja nein ja nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein ja nein nein nein ja ja nein nein ja nein ja ja ja nein nein Ja ja nein ja ja ja nein
- Drogenhandbuch
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38
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Tussiverlan Tropfen
frei
Tussoretard Kapseln
Rp.
Tussoretard Saft Tylex
Rp. frei
Uho-Elixier nach Ottinger
frei
Ulcumei Ampullen
Rp.
Ulcumel Tabletten
Rp.
Uigastrin B Uigastrin S
Rp. Rp.
Ullus Leber-Galle-Tee Ultrapyrin Ultratussin
frei Rp. Rp.
Umckaloaba Stevenskur Umkehr Bohnen 14 UmkehrTee 14 Unotex F Tropfen Unotex M Tropfen Urbilat Urgenin Liquidum Urotruw Uskan Uvalysat Burger Uzaril Tabletten
frei frei frei frei frei Rp. frei frei Rp. frei Rp.
Uzaril Tropfen
Rp.
Valaxona Valeriana· Digitalysat Burger Valeriana compo Valeriana-Strath Valium Roche Valobonin
Rp. Rp. frei frei Rp. frei
Valocordin Dragees
Rp.
Valocordin Tropfen
Rp.
Valodigan Valomenth Tropfen Valoron N Kapseln Valoron N Losung
Rp. frei Rp. Rp.
Valvulacor Vasazol retard Vascularin
frei Rp. frei
An AI Op Ps Op An Sy AI Lx Ba Ha Ba Ha Ha Ba Be Lx Op Op An AI Lx Lx AI AI Be AI AI Tr AI Ba Ha Ba AI Ha Tr AI An AI Tr Be AI Ba Be Ba Be AI AI AI Op Op AI AI Sy Vs
Daunderer
- Drogenhandbuch
Diphenylpyralin Alkohol Codein Methylephedrin Codein Carbinoxamin Phenylephrin Alkohol56 % pflanzliche Laxativa Phenobarbital Atropin Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Meprobamat pflanzliche Laxativa Dextropropoxyphen-HCI Codein Chlorphenoxamin Alkohol pflanzliche Laxativa pflanzliche Laxativa Alkohol31 % Alkohol31 % Meprobamat Alkohol Alkohol Oxazepam Alkohol19 % Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Alkohol44 % Belladonna-Alkaloide Diazepam Alkohol18 % Diphenhydramin Alkohol20 % Diazepam Bromid Alkohol38 % Phenobarbital Bromisoval Phenobarbital Bromisoval Alkohol55 % Alkohol40 % Alkohol40 % Tilidin Tilidin Alkohol Alkohol40 % Norfenefrin Bamethan
nein nein ja ja ja neir. ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein ja ja
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoff mit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Vasculat Vascunicol Vasesana- Vasoregulans Vasoforte Gel Vasotonin Tropfen Vege. opt
frei frei frei frei frei Rp.
Vegedyston
Rp.
Vegomed Dragees
Rp.
Vegomed Tropfen
Rp.
Venalitan Vencipon
frei frei
Veno- T ablinen Veno- Tebonin Venopyronum Tropfen Venoruton Tropfen Venosan Vendtrulan Tropfen Ventrimarin Tinktur Ventro. opt Venyl Tonikum Venyl Tropfen Veralgit N
frei frei frei frei frei frei frei Rp. frei frei Rp.
Veriazol
frei
Verla-3 N Verlapyrin Vernelan/-forte Vertebran
frei frei frei Rp.
Vertigo- Vomex/-retard Vertigoheel- Tropfen Verus Tropfen Verus forte Tropfen Vesparax/-mite
frei frei frei Rp. Btm.
Vial's tonischer Wein Vibrociloral
frei frei
Vibrocil/-c.N. Vinco Vinco-AbfOhrperlen Vinco-AbfOhrperlen
Rp. frei frei frei
Vs Vs AI Vs AI Ba Ha Ba Ha Ba Ha Ba Ha AI AI Ps Lx Vs Sy AI AI Sy AI AI Ha AI AI Op Ps Ps Sy Mi An Be Ps Ha An AI AI AI Ba Ba AI Ps An Sy Lx
ja ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein riein nein ja nein ja ja nein nein ja nein nein nein nein nein ja ja ja ja nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja nein
Lx Lx Lx Lx AI Ab Ps AI
nein nein nein nein nein ja ja nein
verstarkt
Viracton Tropfen Viracton Plus
frei Rp.
Vi rg ilocard - H erzkraft - Mixtur
frei
Bamethan Bamethan Alkohol Bamethan AlkQhol25 % Phenobarbital Atropin Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Belladonna-Alkaloide Phenobarbital Atropin Alkohol53 % Alkohol30 % Ephedrin Phenolphtalein Bamethan Heptaminol Alkohol Alkohol29 % Pholedrin Alkohol Alkohol33 % Atropin Alkohol15 % Alkohol24 % Codein Coffein Pentetrazol Pholedrin Mischanalgetikum (Coffein) Diphenhydramin Bromid Strychnin Atropin Dimenhydrinat Alkohol35 % Alkohol Alkohol Secobarbital Brallobarbital Alkohol15 % Norephedrin Dimetinden Phenylephrin pflanzliche Laxativa Bisacodyl Bisacodyl pflanzliche Laxativa Phenolphtalein Alkohol20 % Methyltestosteron Strychnin Alkohol
Daunderer - Drogenhandbuch
39
Name des Medikaments
Status Inhaltsstoffmit MiBbrauchspotential
Stoff- Dopingklasse mittel
Virobin- Tinktur Visadron VisanolVisano-Mini
frei frei Rp.
Viscoserpin Tropfen Viscysat Burger Vistosan Liquifilm Visuphrine in der Ophtiole Vit-02 (Vitozwei) Vita Buerlecithin flussig Vita-Dar Vitamin-Schlanktropfen "Schuck"
Rp. frei frei frei Rp. frei Rp. frei
Vitanerton Kerne
Rp.
Vitanerton flussig
Rp.
Vitanurid Vitasana-Lebenstropfen Vitazell G forte Vitenur Vivimed Vivinox Schlafdragees Volon A-Rhin Vomex A, -retard Waucopyrin Wecontrin
frei frei Rp. Rp. frei frei Rp. frei Rp. frei
Wibolax
frei
Wick Formel44 S Husten-Stiller
frei
Wick Medinait Saft
frei
Worishofener Dronalax Zaroxolyn/-forte/-mite Zellaforte plus
frei Rp. frei
Zet26 Zinc in der Ophtiole Zincfrin Zincum Valerianicum Tropfen Zirkulax-Kapseln
frei frei frei frei frei
AI Sy Be An AI AI Sy Sy Ps AI Ba Ps Lx Ba Be Ba Be AI AI Ps Ps Mi An Sy An Op An Ps Lx Lx An AI Be Ps An AI Lx Di Sy Sy Lx Ps Sy AI Lx
Alkohol68 % Phenylephrin Meprobamat DiphenhYdramin Alkohol40% Alkohol18 % Phenylephrin Phenylephrin Amfetaminil Alkohol16 % Aprobarbital Norpseudoephedrin pflanzliche Laxativa Barbital Bromid Barbital Bromid Alkohol17 % Alkohol Pipradol Ephedrin Mischanalgetikum (Coffein) Dimenhydrinat Phenylephrin Dimenhydrinat Codein Diphenylpyralin Ephedrin Bisacodyl pflanzliche Laxativa Doxylamin Alkohol11 % Bromid Ephedrin Doxylamin Alkohol18 % pflanzliche Laxativa Metolazon Nicethamid Pholedrin pflanzliche Laxativa Ephedrin Phenylephrin Alkohol pflanzliche Laxativa
nein ja nein nein nein nein ja ja ja nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein nein ja nein ja nein ja nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein ja ja nein ja ja nein nein
III - 2.3 Ubersicht der Arzneimittel mit Mi~brauchspotential::' Die Ausfiihrungen zu diesem Thema miissen sich zwangslaufig auf den derzeitigen Stand beschranken. ]eder, der verschreibt und anwendet, sollte bedenken, daS sich die Marktsituation beziiglich der Zusammensetzung der Arzneimittellaufend andert. Die WHO unterscheidet 6 Typen der Abhangigkeit (Opiat-Typ, Barbiturat-/AIkohol- Typ, Amphetamin-I Khat-Typ, Kokain-Typ, Cannabis-Typ, Halluzinogen-Typ) nach einer zum Zwecke der internationalen Kontrolle von Suchtmitteln geschaffenen Einteilung. Mit unterschiedlicher Bedeutung in Haufigkeit und Schwere sind diesen Typen abhangigkeitserzeugende Arzneimittel zugeordnet. Weitere Arzneimittelgruppen (Tab. 1, S. 2) sind trotz bestehendem MiSbrauchspotential in den WHO-Typen nicht vertteten. Die zu einem Typ zusammengefaSten Substanzen zeigen teilweise das Phanomen der Kreuztoleranz: z.B. wird nach Entwicklung einer Barbiturat-Toleranz mehr Alkohol als gewohnlich toleriert und umgekehrt. Das Phanomen kann total (Opiate) oder partiell (AlkohollBarbiturate) auftreten. Daher sind bei Alkoholabhangigen z. B. auch hohere Halothan-Konzentrationen zur Erreichung einer Narkose erforderlich.
ill-2.3.1 Stark wirksarne Analgetika/ Antitussiva Analgetika Yon den zentral wirksamen Analgetika sind die meisten der Betaubungsmittel- Verschreibungsverordnung (BtM-VV) unterstellt. Diese schiitzt zwar vor allgemeiner Verbreitung des MiSbrauchs, jedoch nicht immer vor MiSbrauch, vor allem durch medizinisches Personal. Andererseits darf die Umstandlichkeit des Verteilungssystems nicht zur Unterdosierung und Unterbenutzung besonders der potenten Analgetika fiihren, wenn bei schweren Schmerzzustanden durch adaquate Dosierung vermeidbares Leiden verhindert werden kann. ]edoch sollte, wo immer moglich, von der Dauergabe ein und desselben Analgetikums abgesehen werden. Neben den klassischen Analgetika wie Morphin und seinen AbkommJingen gehoren hierher auch die Pethidin-Gruppe (Dolantin®, Valoron®N) und die Methadon-Derivate (z.B. L-Polamidon®, Ticarda®, Develin®, Rosimon®-Neu, Peracon®). Sie haben aile ein erhebliches Suchtpotential: Schon nach kurzfristigem Gebrauch kann sich Abhangigkeit einstellen, mit starker Bindekraft, einem besonderen psychosozialen Schadigungsmuster, aber auch korperlichen Folgeschaden. Hierunter fallen auch die in der Neurolept-Analgesie angewandten Fentanyle (Fentanyl®-]anssen, Rapifen®), die mit erheblichem Suchtpotential und groSer Bindekraft ausgestattet sind und von denen in neuerer Zeit synthetische Abwandlungen (»designer drugs«) bekannt wurden.
Antitussiva enthalten vornehmlich Codein, das dem BtMG (Anlage II) unterliegt. Dem BtM-Gesetz nicht unterstellt sind Zubereitungen in bestimmter niedriger Dosierung, was die immer noch haufige miSbrauchliche Verwendung gangiger Hustenmitel wie Codeinum phosphoricum Compretten®, Codicept®, Codipertussin®, Codyl®N Depot, Tricodein® u.a.m. sowie der Kombinationspraparate Codipront® oder Codicaps® erklart. Oft ist es bei Hustenmitteln Codein mit Alkohol und anderen Dampfungsmitteln kombiniert, so daS eine Steigerung des Effektes auftritt. Zu beachten ist, daS Codein im Korper zu 5-20 % in Morphin umgewandelt wird. Auch Dihydrocodein (Paracodin®, Remedacen®) wird miSbraucht. Niedrige Dosierungen von Codein und anderen dosisbegrenzten Einzelstoffen verleiten den Patienten zur Einnahme groSer Mengen, wodurch die anderen Bestandteile toxisch wirken konnen.
Vornehmlich miRbraucht yon A M D
Wirkgruppen
1
Stark wirksame Analgetika/ Antitussiva Morphin-, Pethidin-, Methadon-Derivate
2
Schwach bis mittelstark wirksame Analgetika v. a. AnalgetikaKombinationen
X
X
3
SedativanHypnotika Bromureide Barbi tursii urederi vate Sonstige
X
4
Tranquillantien Carbamate Benzodiazepine
X
XX
Morphin-Typ
XX
X
Barbiturat-/ Alkohol-Typ
X XX
XX X
X X
5
Alkoholhaltige Arzneimittel-Zubereitungen
XX
X
6
Psychostimulantien
X
XX
7
Appetitziigler
X
XX
8
Sonstige Wirkstoffgruppen Anticholinergika Laxantien Corticoide
*)A = Alkoholkranke
WHO-Zuordnung
X X X M = Medikamentenabhiingige
X
Amphetamin-Typ Khat-Typ
X
Halluzinogen-Typ
D = Drogenabhiingige
,
Aus Schweden wird iiber unerwiinschte Wirkungen yon Dextromethorphan (Wick® Formel44, Wick MediNait®, Rhinotussal®, Fluprim®) berichtet: Psychosen, Verwirrtheit, Halluzinationen, Flush. Es ist daher nicht sinnvoll, eine solche umstrittene Verbindung iiberhaupt in der Therapie einzusetzen. Seit 1984 fallen auch die partiellen Morphinantagonisten Pentazocin (Fortral®) und Buprenorphin (Temgesic®) unter die BtM- VV, weil sie ein deutliches Suchtpotential besitzen und miRbriiuchlich verwendet werden. Tilidin (als Valoron® nicht mehr im Handel) wurde mit dem Morphinantagonisten Naloxon versetzt (Valoron®N), damit es Morphinabhiingigen nicht weiter als Ersatzdroge dienen kann. Eine Abhiingigkeit kann aber trotzdem aufgebaut werden.
ill-2.3.2 Schwach his mittelstark wirksame Analgetika Analgetika dieser Gruppe sind iiberwiegend als Mischpriiparat im Handel (Tabelle 1 und 2). Sie enthalten hauptsiichlich Acetylsalicylsiiure, Paracetamol, Propyphenazon und Coffein. Die Zulassung yon Fertigarzneimitteln, die sowohl Acetylsalicylsiiure als auch ein Barbitursiiurederivat enthielten (z. B. Dolviran®),
wurde 1984 widerrufen, weilletzteres nicht zur analgetischen Wirkung beitriigt und eher ein gegenteiliger Effekt mit der Gefahr einer Abhiingigkeit anzunehmen ist. Aus dem gleichen Grunde wird derzeit in den zustiindigen Gremien auch der Widerruf aller Barbiturat-Schmerzmittelkombinationen in Erwiigung gezogen. Die Hersteller gehen zur Zeit freiwillig dazu tiber, die Barbituratkomponente zu eliminieren (z.B. Optalidon®N). Der Vertrieb van phenacetinhaltigen Schmerzmitteln ist in der Bundesrepublik seit 1986 wegen des Abhiingigkeitspotentials und der Nierenschiidigungen nicht mehr erlaubt. Phenacetin wurde durch seinen Metaboliten Paracetamol ersetzt (z.B. Thomapyrin®, Gelonida®NA). Tabelle 2: Zusammensetzung von Schmerzmittelkombinationspriiparaten (kursiv: Namenszusiitze nach Anderung) Fertigarzneimittel
vor und nach 1986
vorher
nachher
Spalt-Tabletten N®
Benzylmandelat Salicylamid Phenazonsalicylat Coffein
Paracetamol Phenazon Coffein
Thomapyrin®
Acetylsalicylsiiure Phenacetin Coffein
Acetylsalicylsiiure Paracetamol Coffein
Phenobarbital Codeinphosphat Acetylsalicylsiiure Coffein
Codeinphosphat Acetylsalicylsiiure Coffein
Butalbital Propyphenazon Coffein
Prophyphenazon Coffein
Allobarbital Codeinphosphat Propyphenazon Drofenin
Codeinphosphat Propyphenazon Drofenin
Acetylsalicylsiiure Phenacetin Codeinphosphat
Acetylsalicylsiiure Paracetamol Codeinphosphat
Rp
,,-.
Dolviran®
Optalidon N®
Spasmo Cibalgin comp.S®
Gelonida NA®
Rp
Rp/-
Rp
Rp
Leider werden immer noch zu viele Kopfschmerzmittel angewandt. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug 1983 mehr als 18 g Schmerzmittelwirkstoff. Die Kombinationspriiparate hielten einen Marktanteil von 80 %. Sprach man frtiher van der »Phenacetinniere«, so ist heute die ),Analgetikaniere« an ihre Stelle getreten. Man schreibt dies dem exzessiven Gebrauch van Analgetikamischungen aus Acetylsalicylsiiure, Paracetamol und Coffein zu. Aus diesem Grunde sollten Monopriiparate den Kombinationspriiparaten vorgezogen werden. Der oft beschriebene Coffein-Entzugskopfschmerz nach Abbruch einer regelmiiBigen Coffeinzufuhr verursacht eine erneute Einnahme des entsprechenden Schmerzmittels und ist oft der Anfang eines AnalgetikamiBbrauches.
ill-2.3.3 Sedativa/Hypnotika Fast aile Sedativa (Ausnahme Phytotherapeutika wie Baldrian) haben ein gewisses MiBbrauchspotential, auch Antihistamine mit sedativer Nebenwirkung.
Bromureide (Bromisoval und Carbromal, in Kombinationspriiparaten wie Sekundal®) sind bis zu ihrer Unterstellung unter die Verschreibungspflicht 1978 viel miBbraucht worden, heute spielen sie kaum noch eine Rolle. Bei liingerer Einnahme kommt es zu einer Kumulation des Broms mit Zeichen der Bromidvergiftung bis hin zur Brompsychose.
Barbitursiiurederivate (z.B. Vesparax®, Medinox®, Neodorm®) wirken nach liingerem Gebrauch aktivierend und stimmungshebend (paradoxer Zustand), hohe Dosen verursachen rauschartige Zustiinde. In der Regel wird aber yom Konsumenten nur das wohlige Dahindiimmern und eine mit leichter Euphorie verbundene Miidigkeit angestrebt. Gefiihrlich sind die Kombination mit Alkohol und der intra venose MiBbrauch. Die Verschreibung der Barbiturat-Mischpriiparate wie Vesparax® und Medinox® ist vollig verzichtbar.
Methaqualon in Normi-Nox® und Somnibel® weist ein erhebliches Suchtpotential auf und wurde 1981 der BtM-VV unterstellt. Methyprylon (Nodular®, BtM seit 1986) bewirkt schon in mittleren Dosen rauschartige Zustiinde. Auch bei Methyprylon wird chronischer MiBbrauch beschrieben. Distraneurin® (Chlomethiazol) ist kein Medikament zur Behandlung des Alkoholismus, kann aber Alkoholentzugserscheinungen des Abhiingigen sehr wirksam diimpfen; da die Substanz bei Alkoholabhiingigkeit ein besonders hohes Suchtpotential hat, sollte die Anwendung nur klinisch erfolgen. Seine Entzugssyndrome sind besonders bedrohlich und nur schwer zu behandeln. Die ambulante Behandlung verbietet sich auch deshalb, weil es als sonst wirksamstes Mittel dann ggf. beim Delir nicht verfugbart ist.
ill-2.3.4 Tranquillantien Carbamate Die psychischen Auswirkungen yon Carbamateinnahmen (Meprobamat in Cyrpon®, Meprobamat Saar®, Urbilat®) reichen yon »Wurstigkeit« iiber stimulierende, aktivierende, innere Unruhe produzierende Effekte bis hin zur ausgesprochenen Miidigkeit. Arbeitsunlust und Schliifrigkeit. Meprobamat kann bei Uberdosierung zum Tod fuhren. Das MiBbrauchspotential ist etwas groBer als das der Benzodiazepine.
Seit 1978 ziihlen die Benzodiazepinderivate zu den am meisten miBbrauchten Stoffen (Tabelle 3-3). Sie traten damit an die Stelle der Bromharnstoffderivate und verdriingten zum Teil die Barbitursiiurederivate. »Low-Dose-Dependence« ist iiuBerst weit verbreitet. Die regelmiiBigeEinnahme iiber einen liingeren Zeit-
raum hinweg kann, auch in therapeutischen Dosen, zu Entzugserscheinungen mit psychotischen Symptomen fiihren. Beim Absetzen muB ausschleichend dosiertwerden, weil die Symptome nach abruptem Absetzen schwerwiegend sind (sog. Rebound-Effekt): Schlaflosigkeit, Alptriiume, Dbelkeit, Erbrechen, Muskelzuckungen und BewuBtseinstriibungen, auch delirante Zustiinde und Krampfanfiille werden beschrieben. Benzodiazepine mit einer mittleren Eliminationshalbwertszeit yon 16 Stunden (wie Tavor® und Lexotanil®) haben in dieser Gruppe das hiichste Abhiingigkeitspotential. Bei den kurzwirksamen Derivaten wie Halcion® und Rohypnol® besteht die Gefahr, daB bereits abhiingige Patienten wegen der raschen Beseitigung der Entzugserscheinungen (schnelle Resorption) auf diese umsteigen. Die ebenfalls rasche Elimination lost wieder Entzugserscheinungen aus und zwingt zur erneuten Einnahme. Seit 1986 unterliegen die Reinsubstanzen den betiiubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Fiir die Verschreibung gelten bestimmte Ausnahmen, so daB aIle im Handel befindlichen Fertigarzneimittel nach wie vor auf einfachem Rezept verordnet werden konnen. Zur groBeren Sicherheit vor Fiilschungen wird besonders bei diesen Priiparaten empfohlen, die Verschreibungen handschriftlich auszufiihren. Tabelle 3: Hiiufig miBbrauchte Fertigarzneimittel, die Benzodiazepine enthalten
Adumbran Dalmadorm Demetrin Lexotanil Librium Limbattil Mogadan Praxiten Rohypnol Tavor Tranxilium Valium
Oxazepam Flurazepam Prazepam Bromazepam Chloradiazepoxid Amitriptylin Chlordiazepoxid Nitrazepam Oxazepam Flunitrazepam Lorazepam Dikaliumclorazepat Diazepam
ill-2.3.5 Alkoholhaltige Arzneimittelzubereitungen In vielen Arzneimittelzubereitungen findet man Alkohol in unterschiedlichen Konzentrationen bis zu 80 % (Klosterfrau Melissengeist®, bestimmte Tonika). Unter der Rechtfertigung, einer iirztlichen Verschreibung zu folgen, werden diese Priiparate nicht selten siichtig miBbraucht. Bei hoher Dosierung kann das darin enthaltene Arzneimittel eigene toxische Wirkungen beisteuern. Suchtverlagerung und Riickfall bei vorbestehender Alkoholabhiingigkeit drohen.
ill-2.3.6 Psychostirnulantien Zu den Psychostimulantien ziihlen vor allem die Amphetamine (Tabelle 4), die voriibergehend leistungssteigernd wirken und zur Dberschiitzung der eigenen Kriifte verleiten. Sie beseitigen das Schlafbediirfnis, die Ermiidung und das Hungergefiihl und wirken euphorisch. Nach dem Absetzen bemerkt man in der Regel ein Erschlaffungsgefiihl und eine Katerstimmung, welche zwingend eine weitere Einnahme bewirken. Liingerer MiBbrauch kann zu korperlichem Verfall und zu vorwiegend paranoid-halluzinatorischen (schizophrenieiihnlichen) Psychosen fiihren.
Captagon AN1 Katovit
Ritalin Reactivan
Fenetyllin Amfetaminil Prolintan, (Vitaminkombination) Morazon, (Schmerzmittelkombination) Methylphenidat Fencamfamin, (Vitaminkombination) Pemolin
BtM Rp
BtM Rp
ill-2.3.7 Appetitziigler Die Wirkungen der Appetitziigler entsprechen in abgeschwachter Form denen der Amphetamine, da sie teilweise zu dieser Gruppe gehoren bzw. von ihr abgeleitet sind. In der Ephedrin-Gruppe sind D,L-norephedrinhaltige Fertigarzneimittel an die Stelle der seit 1986 unter Verschreibungspflicht gestellten D-norpseudoephedrinhaltigen Praparate getreten, obwohl beide Substanzen hinsichtlich ihres Abhangigkeitspotentials etwa gleich zu bewerten sind. Als Nebenwirkungen wird von schweren Hypertensionen und Schlaganfallen berichtet. Auch Norephedrin kann bei langerer Anwendung und iiberhohter Dosierung psychische Storungen und Halluzinationen verursachen. Die Kombination von Ephedrin mit Coffein (z.B. im Percoffedrinol®) wurde wegen des offensichtlichen MiRbrauchs der Verschreibungspflicht unterstellt. 1m jetzt erhaltlichen Percoffedrinol®N ist nur noch Coffein enthalten. Zubereitungen, bei denen eine Einzeldosis von 10 mg oder weniger vorgesehen ist, und Retardpraparate mit einer Tagesdosis von nicht mehr als 40 mg, errechnet als Ephedrinbase, sind von der Verschreibungspflicht ausgenommen (z.B. Vencipon®N, Tab. 5). In der Amphetamingruppe fielen die bis zum 30.06.1987 nicht verschreibungspflichtigen Metamfepramonhaltigen Praparate (Cardanat®, Tempil®N) auf, die als stimulierender DrogenersatzstoffVerwendung finden. Das MiEbrauchspotential ist dem des nahe verwandten Amfepramons gleichzusetzen.
ill-2.3.8 Sonstige Wirkstoffgruppen Halluzinogene Bestimmte Anticholingergika, wie die als Antiparkinson-Mittel verwendeten Medikamente Akineton® (Biperiden) und Artane® (Trihexyphenidyl), werden gelegentlich wegen ihrer halluzinogenen und euphorisierenden Wirkungen unter entsprechender Dosierung miRbraucht, wobei Psychosen auftreten konnen. Andere verschreibbare Halluzinogene spielen derzeit kaum eine Rolle.
Andere miRbrauchlich verwendete Substanzen stammen aus unterschiedlichen Stoffgruppen. Hier seien vor allem Laxantien und Diuretika erwahnt. Auch Corticoide haben ein gewisses MiRbrauchspotential; Abhangigkeit kommt jedoch nur selten vor, Psychosen sind moglich.
Ephedringruppe: VenciponN FugoaN RecatolN Boxogetten S Alfabet Adiposetten N Amorphan MirapontN Cathin Antiadipositum X-112 Amphetamingruppe Regenon Eventin Ponderax AppetitziiglerSagitta FenproporexCephasaar
Amfepramon Metamfepramon * Levopropylhexedrin Fenfluramin
Rp
Rp seit 1.7.1987 Rp Rp
Rodimen
ill-2.3.9 Erkennung/Diagnostik
cler Medikamentenabhangigkeit
Die Diagnose setzt umfassende Kenntnisse der Pathogenese und der moglichen klinischen Bilder voraus. Sie wird urn so leichter fallen, je schwerer das Krankheitsbild ausgepriigt ist. Die diagnostische Erfassung der weniger ausgepriigten Zustiinde und der hiiufigen larvierten Formen ist schwierig und nicht selten erst nach liingerer Verlaufsbeobachtung moglich. A Einfacher Medikamenten-MiBbrauch kann vorliegen, wenn unter Augerachtlassen kausaler therapeutischer Moglichkeiten Medikamente wiederholt zur symptomatischen Behandlung somatischer und psychischer Beschwerden und Funktionsstorungen (verordnet und) angewendet werden. B Einfacher Medikamenten-MiBbrauch ist anzunehmen, wenn psychotrope Medikamente wiederholt zur Optimierung gestorten Allgemeinbefindens (verordnet und) eingenommen werden. C Medikamenten-Abhiingigkeit kann gegeben sein, wenn ohne fortgesetzte Medikamenten-Einnahme ausreichende Symptom-Suppression und Stabilisierung des Befindens nicht mehr gewiihrleistet sind. D Medikamenten-Abhiingigkeitliegtvor, wenn zur geniigenden Symptom-Suppression und zur Kontrolle des Befindens steigende Medikamenten-Dosen erforderlich werden und/oder eine Medikamenten-Pause zum verstiirkten Wiederauftreten der urspriinglichen und weiterer Beschwerden fiihrt. Zeichen chronischer Intoxikation machen sich bemerkbar. E Besonders schwere Medikamenten-Abhiingigkeit ist eingetreten, wenn durch chronische Intoxikation somatische, psychische und/oder soziale Folgen auftreten und Medikamente illegal beschafft werden.
Das Geschehen tendiert yon A in Richtung E, kann auf jeder Stufe verharren, bleibt aber haufig bei C (oder D) lange Zeit stehen (z.B. Low-dose- dependence).
Dieses kann bei einmaliger Anwendung durchaus yon dem bei fortgesetztem Gebrauch verschieden sein. BeiMischpraparaten muB das Wirkspektrum nicht unbedingt die Effekte der einzelnen Bestandteile widerspiegeln.
Zuweilen finden sich Krankheitssymptome als zur Medikamenten- Abhangigkeit fiihrende Ursachen oder Anlasse. Persistierende Schmerzen als Verletzungsfolge (Unfall, Operation) oder bei chronischen Krankheiten (Karzinom, degenerative Gelenkerkrankungen) stehen an erster Stelle. Aile vegetativen Storungen, nervosen und psychischen Beschwerden, die mit Beeintrachtigung des Befindens einhergehen, sind bevorzugte Ausgangspunkte. Ihre Skala reicht yon einfacher allgemeiner Befindensbeeintrachtigung iiber Erschopfung, "Nervositat«, Unruhe, Konzentrationsstorung, Angst, Verstimmung bis zu umschriebenen vegetativen Dysfunktionen und zu Veranderungen des Appetits, des Schlafs und der sexuellen Funktionen. Solche Beschwerden sind oft als funktioneller Ausdruck yon Anpassungsstorungen zu verstehen. Ex iuvantibus erweisen sich manche Beschwerden als psychogen- funktionell- neurotisch, wenn sie sich unter Psychopharmakaanwendung (speziell Benzodiazepinen) prompt bessern. Ein Patient, dessen Beschwerden "nicht besser werden wollen« und der yon seinen Beschwerden behauptet, daB nur schon mehrmals verordnete Beruhigungs- oder Schlafmittel in der Lage seien, die geklagten Beschwerden zu lindern oder zum Verschwinden zu bringen, miBbraucht wahrscheinlich »sein« Medikament. Ein Patient, der den »direkten Weg« zum Arzt wahlt und urn Verordnung » seines lagen als wirksame Mindest-BAK auch zum Vorfallszeitpunkt 4.05 Uhr vor. Mit Nachtrunk: Rein rechnerisch würde ein Nachtrunk einer halben Flasche Wodka (0,35 1, Hälfte einer 0,71 Flasche, mit 40 Vol.%, insgesamt 112 g Ethanol) nach Abzug eines sog. Resorptionsdefizits von 10% zu einer BAK von bis zu 1,8 %o führen. Nach Abzug verbliebe noch eine Mindest-BAK von 0,3 %o um 4.05 Uhr. Ein derartiges Trinkverhalten ist jedoch mit dem Ergebnis der Begleitstoffanalyse nicht vereinbar. Ergebnis der Begleitstoffanalyse: Zur Bestimmung der in den Blutproben neben Ethanol vorhandenen flüchtigen Bestandteile wurden diese am 7.9.1995 gaschromatographisch nach dem Head-space-Verfahren untersucht. Im stark hämolytischen
68
Daunderer - Erg.-Lfg. 8/97
Drogen
Alkohol III-3.3
Serumüberstand nach Zentrifugation der Blutproben fanden sich folgende weitere flüchtige Bestandteile
(in mg/1):
Methanol n-Propanol(pro-l) iso-Butanol Butanol-(2) Methylethylketon Butanol-(l) Ethylacetat 3-Methyl-1-Butanol 2-Methyl-l-Butanol Acetaldehyd Aceton iso-Propanol
1. Blutprobe
2. Blutprobe
6,33 0,96 0,10
7,39 0,99 0,09 0,03 0,90
-
0,08 -
0,03
18,00 3,35 0,38
0,03 5,79 4,00 0,86
Semmethanol (in %o) BAK nach Umrechnung ca.
2,67 2
2,54 1,9
BAKaus Erstbestimmung.
1,90
1,86
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III—3.3 Alkohol
Drogen
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Drogen
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Drogen
Allobarbital
III–3.3
Allobarbital Synonyma: 5,5-Diallylbarbitursäure Verwendung: stark wirkendes Schlafmittel, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel Vorkommen: Nur in Mischpräparaten. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Wird in der Leber z.T. abgebaut, andererseits jedoch auch unverändert renal ausgeschieden. Renale Clearance bei forcierter Diurese 17 ml/min Abklingquote im Plasma 25–30%/die Schlafmittelabhängigkeit Toxizität: LD ab 2 g – 65 mg/kg KG Symptome: Koma, Anisocarie, Atemdepression, Schock Nachweis: EMIT-Barbiturate im Magenspülwasser, Serum, Urin; Broughton im Serum, GC, HPLC. Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme; Magenspülung, Medizinalkohle, Natriumsulfat; Plasmaexpander im Schock; Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich; alkalisierende forcierte Diurese; bei vitaler Bedrohung Hämoperfusion, Hämodialyse; bei Niereninsuffizienz oder Schock Peritonealdialyse. Bei Schlafmittelabhängigkeit kann der Entzug mit einem lebensbedrohlichen Entzugskrampf beginnen, der nicht verhindert werden kann (nicht durch Ausschleichen, nicht durch Antiepileptika). Beim anschließenden Delir ist eine stationäre Beobachtung nötig, wegen Gefahr der Selbstbeschädigung und evtl. Selbstmordgefahr. Dann Wiedererlernen einer regelmäßigen Schlafzeit ohne jegliche Chemikalien. Viel Trinken (Obstsäfte) und Kohlehydrate (Zucker) zur Entgiftung. Amalgam-Antidot DMPS. Literatur: s. Barbiturate
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Drogen
Amanita muscaria
III–3.3
Amanita muscaria Chemische Formel: CCH.O2N2 J
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Synonyma: Amanita muscaria var. aureola Kalchbr. Amanita muscaria var. formosa Gom. et Rab. Vorkommen: In Fliegenpilz, Pantherpilz. Verwendung: Als Halluzinogen roh gegessen oder durch Trinken des Wassers, in dem die Pilze eingeweicht waren. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Die halluzinogene Wirkung tritt nach einer halben bis zwei Stunden ein. Rauschmittel. Toxizität: LD: 50 mg Symptome und klinische Befunde: 1 bis 4 Pilze (5 bis 10 mg): Übelkeit, Schwindel, Stupor, Mydriasis, evtl. Euphorie, optische Halluzinationen, verändertes Raum- und Zeitgefühl. 5 bis 10 Pilze (10 bis 15 mg): Ataxie, muskuläre Zuckungen, Verwirrtheit, Erregungszustände, Tiefschlaf. Über 10 Pilze: Miosis, Brechdurchfall, tetanische Krämpfe, Schweißausbruch, Hypotonie, Bradykardie, Anurie, Lungenödem, Kreislaufversagen. Nachweis: Pilzsporenbestimmung Therapie: Sofort Magenspülung, Kohleinstillation, Schockprophylaxe (Plasmaexpander), elektrolythaltige Infusionen (Kaliumverlust bei Durchfällen!), forcierte Diurese. Krämpfe: Valium® i.v. Miosis: Versuch mit Atropin Bei Rauschmitteln steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmißbrauch führten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen.
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Drogen
Amfepramon
III–3.3
Amfepramon (—> Amphetamine) Synonyme: 2-Diethylaminopropiophenon, 1-Phenyl-2-diethylamino-1-propanon, Diethylpropion, a-Benzoyl-triethylamin, 2-(Diethylamino)-1-phenyl-1-propanon Chemische Formel: C ia H 1Q NO 13
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Beschaffenheit: Feines, weißliches, kristallines Pulver mit leicht bitterem Geschmack; Schmelzpunkt 175 °C; löslich in Wasser, Alkohol und Chloroform, unlöslich in Ether. Molekulargewicht: 205,30. Vorkommen: Regenon Kapseln, Temmler Pharma Regenon retard Retardkapseln, Temmler Pharma Tenuate Retard Retardtabletten, Artegodan Verwendung: Diethylpropion ist ein Sympathikomimetikum und wird als Appetitzügler verwendet; Mißbrauch als Stimulans, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Diethylpropion wird aus dem Verdauungstrakt resorbiert und nach Metabolisierung im Urin ausgeschieden. Die Ketogruppe wird quantitativ reduziert; durch Desalkylierung am N-Atom kommt es zur Bildung von Ephedrin- und Pseudoephedrin-Derivaten, welche die Wirkung des Pharmakons auf das ZNS erklären. Mißbrauch von Diethylpropion als Stimulans hat eine Abhängigkeit vom Amphetamin-Typ zur Folge. Diethylpropion ist ein Amphetaminderivat und hat wie dieses anorexigene, zentral erregende und peripher sympathomimetische Wirkung, wobei zentrale Erregung und periphere Kreislaufwirkung bei therapeutischen Dosen keine große Rolle spielen. Die Glukosekonzentration sinkt zu Beginn der Behandlung leicht, weshalb Diabetes mellitus keine Kontraindikation darstellt. In hohen Dosen entwickelt Diethylpropion a- und ß-sympathomimetische Wirkung, was zu erhöhtem peripheren Widerstand und zusätzlicher Herzbelastung führt. An der Blase wird der Sphinkter kontrahiert, der M. detrusor erschlafft. Toxizität: Beobachtete kleinste Letaldosis (3jähriges Kind): 165 mg; beobachtete überlebte Maximaldosis: 1100 mg (Kind), 2250 mg (Erwachsener). LD50 oral Maus 160 mg/kg
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III–3.3
Amfepramon
Drogen
Symptome: Unruhe, Angstgefühl, Harndrang, zentrale Erregung, psychische Alterationen, Tremor der Hände, zentrale und myogene Tachykardie, Blutdruckanstieg, Extrasystolie, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Fieber, illusionäre Verkennungen, optische und akustische Halluzinationen, Krämpfe, Hyperthermie, Herz- und Kreislaufkollaps, Atemlähmung. Wirkungsverstärkung und Erhöhung des Mißbrauchspotentials durch hohe Dosen Coffein ist nicht sicher auszuschließen. Nachweis: Dünnschicht- und Papierchromatographie UV-Absorptions-Spektrometrie IR-Absorptions-Spektrometrie Therapie: Bei Überdosierung sofort Kohle-Pulvis, Klinikeinweisung unter Monitorkontrolle, Magenspülung, Kohle, Monitorkontrolle, Plasmaexpander. Bei anticholinerger Wirkung Antidot Physostigmin (Anticholium 2 mg, Wiederholung) Bei Rauschmitteln steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmißbrauch führten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen.
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Drogen
Amfetaminil (—> Amphetamine) Synonym: 2-(a-Methylphenethylamino)-2-phenylacetonitril Vorkommen: AN 1® Dragees, Krugmann Verwendung: Psychoanaleptikum, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: siehe Amphetamine. Wirkungsverstärkung durch gleichzeitige Einnahme von Alkohol. Wechselwirkung mit Insulin. Kontraindikationen: Mittelschwere bis schwere Hypertonie, Hyperthyreose, Engwinkelglaukom, vergrößerte Prostata mit Restharnbildung, Magersucht, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, Tachykardie, Arrhythmien, arterielle Verschlußkrankheit, schwere Angina pectoris, endogene Depression, agitierte Psychosen, Angsterkrankungen, Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises, Zustand nach Schlaganfall, während oder bis zu 14 Tagen nach Einnahme von MAO-Hemmstoffen, Drogen-, Arzneimittel- oder Alkoholabusus, auch in der Anamnese, Phäochromozytom Toxizität: ED: 3-10 mg, schnelle Toleranzentwicklung, bei Drogenabhängigen bis täglich 2000 mg Symptome: Unruhe, Angstgefühl, Harndrang, zentrale Erregung, psychische Alterationen, Tremor der Hände, zentrale und myogene Tachykardie, Blutdruckanstieg, Extrasystolie, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Fieber, illusionäre Verkennungen, optische und akustische Halluzinationen, Krämpfe, Hyperthermie, Herz- und Kreislaufkollaps, Atemlähmung. Therapie: Bei Überdosierung sofort Kohle-Pulvis, Klinikeinweisung unter Monitorkontrolle, Magenspülung, Kohle, Monitorkontrolle, Plasmaexpander. Bei Amphetaminentzug steht ein Dauerschlaf abgelöst von Heißhunger im Vordergrund. Schutz vor Selbstmordgefahr (Bezugsperson).
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Drogen
Amobarbital
III–3.3
Amobarbital ( Barbiturate) Synonyme: Amylobarbital; 5-Aethyl-5-isopentyl-barbitursäure Chemische Formel:
Vorkommen: Nur in Mischpräparaten. Verwendung: Schlafmittel, Dosierung oral 15–200 mg, i.v. oder i.m. 65–500 mg pro Tag, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Kurz- bis mittellang wirkendes Barbiturat, Halbwertszeit 15–40 Stunden: Wird in der Leber abgebaut. Hauptmetaboliten sind 3-Hydroxyamobarbital und N-Glycosylamobarbital, die 1/3 der narkotischen Wirkung von Amobarbital besitzen. 9 2 % werden im Urin ausgeschieden. Der Rest im Stuhl (GROVE; TANG; KALOW; BALDEO).
Plasmaproteinbindung 5 9 % . Plasmahalbwertzeit 30 Std. Renale Ausscheidung 2–9 mg/h. Hohe Fettaffinität, Effektivität HD : PD : FD = 4 : 1 : 1 Toxizität: therap. Dosis: Serum 1,8–8,7 mg/l (8–21 mg/l chron. Gebrauch) tox. Dosis: Serum 43–66 mg/l LD 1500 mg (40 mg/kg) oder 13–96 mg/l (GUPTA 1966) Symptome: Koma, Miosis (Anisocorie), Atemdepression, Schock, Herzrhythmusstörungen Nachweis: UV (GOLDBAUM 1948) GC (STREET 1971)
Therapie: Beatmung; Magenspülung, Kohle-Pulvis, Natriumsulfat; alkalisierende forcierte Diurese (Clearance 10– 50 mg/Std.); Hämodialyse (Dialysance 100 ml/min); Hämoperfusion (Komplikationen, Niereninsuff.); Plasmaexpander im Schock; Peritonealdialyse (nur bei Niereninsuffizienz und Schock sowie Möglichkeit einer Hämodialyse).
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III—3.3
Amobarbital
Drogen
Bei Schlafmittelabhängigkeit kann der Entzug mit einem lebensbedrohlichen Entzugskrampf beginnen, der nicht verhindert werden kann (nicht durch Ausschleichen, nicht durch Antiepileptika). Beim anschließenden Delir ist eine stationäre Beobachtung nötig, wegen Gefahr der Selbstbeschädigung und evtl. Selbstmordgefahr. Dann Wiedererlernen einer regelmäßigen Schlafzeit ohne jegliche Chemikalien. Viel Trinken (Obstsäfte) und Kohlehydrate (Zucker) zur Entgiftung. Amalgam-Antidot DMPS.
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Amphetamine
III–3.3
Amphetamine Synonyme / Vertreter: Amfepramon: 2-Diethylaminopropiophenon Amfetaminil: 2-(a-Methylphenethylamino)-2-phenylacetonitril Ephedrin: (1R,2S)-2-Methylamino-1phenylpropanol Fenetyllin: N-[ß-(7-Theophyllinyl)-ethyl]amphetamin Mefenorex: N-(3-Chlorpropyl)-a-methyl-phenethylaminhydrochlorid Metamfepramon: 2-Dimethylaminopropiophenon Metamphetamin: N,a-Dimethylphenethylamin Methylphenidat: Methyl-[a-phenyl-a-(2-piperidyl)acetat] Norpseudoephedrin: (1S,2S)-2-Amino-1-phenylpropanol Im Drogenjargon benutzte Ausdrücke: Bennies, black and white, black birds, black bomber, blues, Captas, Christmas trees, Co-pilots, Dex, Dexies, Dixies, Dixis, drivers, French blue (blaue AmphetaminTabletten), girl, go fulls, meth, mother’s little helpers, Pep pills, pepper cyper, Prelus, Purple hearts (mit Amobarbital), Speed, sweeties, truck driver, Ups, Uppers, Wake ups, West-coast- turnarounds. Beschaffenheit: Zu den chemischen und pharmakologischen Vorfahren der Amphetamine gehören Ephedrin (gehörte schon vor 5000 Jahren als Ma Huang „gelbes Adstringens“ aus Ephedra vulgaris zum chinesischen Arzneischatz), und die biogenen Katecholamine. Das gemeinsame chemische Grundgerüst ist Phenylethylemin. Mit dem Verlust der Hydroxylgruppen nimmt die periphere Wirkung ab, die zentrale Wirkung nimmt zu, da der Hyproxylrest die Polarität erhöht und dadurch der Durchgang durch die Blut-Hirn-Schranke gebremst ist. Da die zentralen Effekte für das Abhängigkeitspotential und somit für den Sucht-Mißbrauch maßgebend sind, zeichnen sich die hier genannten Amphetamine durch einen hydroxylfreien Sechsring aus. Vorkommen: Ephedrin aus Ephedra vulgaris. Norpseudoephedrin als Kathin im Kathstrauch (Catha edulis Forsk) in SW-Arabien, Somalia und in der Ephedrapflanze und Maytenus krukoori besonders in Südamerika. In der BRD ausnahmslos synthetischen Ursprungs; auch illegale Herstellung (Waschküchenlabors). Präparate: Amfepramon: Regenon® Kapseln, Temmler Pharma
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III–3.3
Amphetamine
Drogen
Regenon® retard Retardkapseln, Temmler Pharma Tenuate® Retard Retardkapseln, Artegodan Amfetaminil: AN 1® Dragees, Krugmann Ephedrin: Asthma 6-N-flüssig®, Hobein Ephepect® Pastillen, Bolder Equisil® Saft, Klein Fomagrippin N® Dragees, Michallik Hevertopect® Saft, Hevert Medigel® Gel, Medice Perdiphen® Dragees, Schwabe/Spitzner Pulmocordio forte® Saft, Hevert Rhinoguttae® pro infantibus SR Nasentropfen, Leyh Stipo® Nasenspray, Repha Vencipon® Dragees, Artesan Wick MediNait® Erkältungs-Saft für die Nacht (Wick Pharma) Fenetyllin: Captagon® Filmtabletten, Asta Medica Metamfepramon: Tempil® N Kapseln, Temmler Pharma Metamphetamin:
Methylphenidat: Medikinet® Tabletten, Medice Ritalin® Tabletten, Novartis Pharma Norpseudoephedrin: Antiadipositum X-112 S® Dragees, Hänseler Antiadipositum X-112 S® Lösung, Hänseler Fasupond® Dragees, Eu Rho Arznei Mirapront N® Kapseln, Mack, Illert. Vita-Schlanktropfen®, Schuck Verwendung: - Als Abmagerungsmittel, Kreislaufanaleptika, Psychoanaleptika, Weckamine, Dopingmittel, Narkoleptikum. Indikationen: Nicht als Dauermedikament (!), vorübergehend bei Leistungsschwäche in der Rekonvaleszenz, evtl. Narkolepsie und Hypersomnie. Eine möglicherweise noch vertretbare Indikation für Amphetamine könnte die jugendliche Hyperkinesie mit Lernschwierigkeiten darstellen, bei der mit Amphetamin und Methylphenidat gewisse Erfolge erzielt wurden (SINGH, KOLATA). Diese Indikation war zuerst ein für U S A spezifisches Problem, wird jetzt aber auch anderwärts aktuell. - Als Rauschmittel: Schlucken in kleinen Dosen über den ganzen Tag verteilt oder Schlucken in großen Dosen auf einmal („Stöße„), oder die Tabletten werden in Wasser aufgelöst und nach primitiver Filterung
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Amphetamine
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durch ein Wattestück intravenös injiziert („geschossen“, „gefixt“). Zur Leistungssteigerung (als „Wachbleibe- oder Durchhaltemittel“) Einzelkonsum in kleinen Mengen; zur Rauscherzeugung oft Gemeinschaftskonsum (10–40 und mehr Tabletten auf einmal). Mitunter Dauerkonsum bis zum Zusammenbruch („speed run“, „crash down“). – Verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Oral gegebenes Amphetamin wird aufgrund der guten Lipidlöslichkeit nahezu vollständig aus dem Dünndarm resorbiert. Im Organismus wird es nicht gleichmäßig verteilt. Die geringste Konzentration findet sich im Plasma und überraschenderweise im Fettgewebe. Nach Erreichen des Gleichgewichtes verläuft die Amphetaminkonzentration im Gehirn und im Plasma über mehrere Stunden parallel. Der Gehalt ist jedoch im Gehirn etwa 8mal höher. Amphetamin wird sowohl unverändert als auch nach Hydroxilierung in der Leber konjugiert mit Glucuronsäure über die Niere ausgeschieden. Aus dem p-OH-Amphetamin kann in den synaptischen Vesikeln p-OH-Norephedrin gebildet werden. Mit steigendem pH des Urins wächst der metabolisierte Anteil. Die Halbwertszeit von Amphetamin beträgt 5–6 Stunden bei saurem Harn und 20–30 Stunden bei alkalischem Harn. Amfetaminil, Fenetyllin, Methylphenidat, Metamphetamin, Ephedrin und Norpseudoephedrin werden im Organismus teilweise zu Amphetamin umgewandelt oder ähnlich wie dieses inaktiviert. Amphetamine sind indirekt wirkende Sympathomimetika. Sie wirken sowohl zentral als auch peripher über folgende Mechanismen: Sie fördern die agonistischen Wirkungen an Adrenozeptoren, v.a. durch Freisetzung von Noradrenalin aus den Speichervesikeln noradrenerger Neuronen (Verdrängung infolge ähnlicher chemischer Konstitution). Sie hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin in die präsynaptische Membran und den enzymatischen Abbau der Amine durch die Monoaminooxidase. Bei wiederholter und langdauernder Applikation tritt in zunehmendem Maße ein Wirkungsverlust auf (Tachyphylaxie). Dieser kann mit einer Abnahme der Noradrenalinkonzentration in den Speichervesikeln der noradrenergen Neurone erklärt werden und mit Aufnahme von weniger wirkungsvollen Amphetaminmetaboliten in die Speicher. Sie werden nach sympathischer Stimulierung freigesetzt und wirken, weil sie schwächer wirksam sind als Noradrenalin, als falsche Transmitter. Dies ist der Grund, daß indirekt wirkende Sympathomimetika bei längerdauernder Zufuhr paradoxerweise antisympathotone Wirkung haben. Nach anfänglich nicht-medizinischem Gebrauch von Amphetamin in Tablettenform wird gewöhnlich rasch zur intravenösen Applikation übergegangen. Infolge der Entwicklung einer Toleranz, von der besonders die gesuchten zentralen Effekte betroffen sind, kann die Tagesmenge bald ein Mehrhundertfaches der Anfangsdosis erreichen. So kann es zu einer Situation kommen, in der ununterbrochen im Abstand weniger Stunden steigende Mengen injiziert werden. Nach etwa einer Woche ohne Schlaf, bei steigender Spannung und reduzierter Nahrungsaufnahme kommt es, im Zustand höchster Erschöpfung, zum plötzlichen totalen Zusammenbruch – „crash down“ – mit Aussetzen des Mittels, tiefem Schlaf und später Heißhunger. Fortbestehende Müdigkeit und Lethargie sind dann der Anstoß zu einem neuen „run“. Die während der Intoxikation gesteigerte psychische und motorische Aktivität kann sich in stundenlanger stereotyper Wiederholung sinnloser Tätigkeiten äußern. Oft entwickelt sich eine toxische paranoide Psychose mit von Halluzinationen geprägten und oft in Aggression umschlagenden Verfolgungsideen. Dabei kann ihr ursächlicher Zusammenhang mit der Intoxikation dem Betroffenen manchmal noch bewußt sein. In der Regel klärt sich die Psychose nach dem Entzug spontan. – Wirkungen auf das ZNS: Unter den sympathomimetischen Aminen gehören die Amphetamine als „Weckamine“ zu den stärksten Erregern des ZNS. Die Weckwirkung einer – individuell verschiedenen – oralen Gabe von 5–30 mg Amphetamin äußert sich in erhöhter Wachsamkeit und vermindertem Schlafbedürfnis; verstärktem Antrieb, Selbstvertrauen und Konzentrationsvermögen, Assoziations-, Sprach- und Bewegungsbeschleunigung; gehobener Stimmung, Selbstüberschätzung und Euphorie. Hohe Dosen können die Empfindungsschwelle für optische, akustische, taktile und Geruchsreize herabsetzen. Es folgen, besonders nach wiederholt hohen Dosen, Müdigkeit und psychische Depression. In Einzelfällen kann eine Depression der Erregung vorangehen, unter Umständen begleitet von Angst, Verwirrtheit, Agitation, Aggressivität. Der Dauergebrauch von Amphetaminen führt zu einer starken psychischen Abhängigkeit vom Ampheta-
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mintyp sowie zur Toleranzbildung, die sich hauptsächlich gegen die zentralen Wirkungen richtet, es kann zu einer Steigerung bis zum Hundertfachen der therapeutischen Dosis und darüber kommen. Von Polytoxikomanen werden Amphetamine oft eingenommen, um sich am Morgen „aufzuputschen“. Die anorektische Wirkung der Amphetamine wird einem dämpfenden Einfluß auf ein hypothalamisches Hungerzentrum zugeschrieben. - Wirkungen auf den Kreislauf: Periphere Vasokonstriktion; nach Aktivierung von a- und ß-Rezeptoren steigen systolischer und in geringem Maß auch diastolischer Blutdruck, begleitet von reflektorischer Bradykardie, die bei wieder fallendem Druck in Tachykardie umschlägt. Nach hohen Dosen tritt gelegentlich eine Arrhythmie auf. - Wirkungen auf die Atmung: Frequenz und Volumen der Atmung werden erst bei höherer Dosierung erhöht. Bronchospasmolytische Wirkung. - Weitere sympathomimetische Wirkungen: Mydriasis, Hyperthermie, Tonisierung glatter Muskulatur, z.B. des Blasensphinkters, gesteigerter Sexualtrieb. - für die Behandlung einzelner hyperaktiver Kinder sind Stimulanzien geeignet, vor allem dann, wenn eine Störung der Aufmerksamkeit im Vordergrund steht. Die Behandlung mit Stimulanzien sollte jedoch nur in sorgfältig ausgewählten Fällen und mit niedriger Anfangsdosierung erfolgen. Bei Kindern unter fünf Jahren sollte eine solche Behandlung nicht in Betracht gezogen werden. Wenn ein Kind über mehr als sechs Monate behandelt werden muß, ist eine sorgfältige regelmäßige Kontrolle durch einen Spezialisten mit besonderen Kenntnissen auf diesem Gebiet, der außerdem über Möglichkeiten zur psychologischen Testuntersuchung verfügt, unabdingbar. Die besten Ergebnisse scheinen in den Fällen erzielt zu werden, wo Stimulanzien zur Unterstützung anderer Behandlungsformen, wie Verhaltenstherapie und Durchführung von Erziehungsprogrammen, falls diese allein nicht ausreichen, eingesetzt werden. Bei Schulkindern sollten Stimulanzien nur dann verordnet werden, wenn sich das Syndrom als wirkliches Handikap für die Entwicklung des Kindes erweist und nichtmedikamentöse Maßnahmen erfolglos sind. Trotz, Aggressivität, leichtere Verhaltensstörungen oder Schulversagen allein berechtigen nicht zur Anwendung von Stimulanzien (STAMK, 1986). - Nehmen Frauen in den ersten Wochen der Gravidität Amphetamine ein, besteht für die Frucht die Gefahr, daß Herzmißbildungen und andere Malformationen auftreten: Spina bifida, Hydrozephalus, Transposition der großen Gefäße, Lippenspalten, Polydaktylien und weitere Gliederformitäten. - Nach intravenösem Amphetaminabusus wurden Fälle schnell fortschreitender, tödlich verlaufender zerebraler Mukormykosis mit Abszeßbildung bei gleichzeitig vorhandener Immunschwäche (AIDS) beobachtet. - Durch Phenylpropanolemin Nierenversagen, toxische Muskelschäden, Hypertonie und ZNS-Schäden ( A M A News Release, 10.9.82). Tab. 1: Interaktionen (ESTLER)
Stimulans
kann interferieren mit
Amphetamine z.B. Metamphetamin und seine Derivate
ansäuernde Pharmaka, Abschwächung der z.B. Ammoniumchlorid Wirkung der Acetazolamid (z.B. Dia- Weckamine mox®) Ascorbinsäure in hohen Dosen (z.B. Cebion®)
beschleunigte renale Ausscheidung der Wekkamine infolge verminderter tubulärer Rückresorption bei erniedrigtem pH des Primärharns
alkalisierende Pharmaka, Verstärkung der Weckz.B. Natriumbikarbonat amin-Wirkung Trispuffer (THAM, Tris)
verzögerte renale Ausscheidung der Weckamine infolge vermehrter tubulärer Rückresorption in der Niere bei erhöhtem pH des Primärharns
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Resultat
wahrscheinlich Ursache der Interferenz
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Tab. 1: Fortsetzung „ . . Stimulans
Methylphenidat (Ritalin®)
kann interferieren mit
Resultat
Sympathomimetika
Verstärkung der sympa- Synergismus thomimetischen Wirkung beider Pharmakagruppen
Dextropropoxyphen (z.B. Develin® retard)
Verstärkung der zentral erregenden Wirkung der Weckamine durch toxische Dosen von Propoxyphen, Krämpfe
Neuroleptika, z.B. Phenothiazine Reserpin
Abschwächung der zentral erregenden und sympathomimetischen Wirkung der Weckamine
Phenytoin (Epanutin, Ci- Verstärkung der Phenytrullamon, Phenhydan, toin-Wirkung Thilophenyt), Zentropil
wahrscheinlich Ursache . , der TInterferenz
Antagonismus; Blockierung von Dopamin- und sympathischen Alpharezeptoren, bzw. Katecholamin-Verarmung Hemmung von arzneimittelabbauenden Enzymen durch Methylphenidat
Toxizität: ED: 3 bis 9 mg Gewöhnte nehmen ca. die 10fache Menge als Einzeldosis und bis zu 2000 mg und mehr pro Tag ein. DL: Erwachsene: 10-20 mg/kg KG Kinder: 5 mg/kg KG bei Nichtgewöhnten Amfepramon: Beobachtete kleinste Letaldosis (3jährigesKind): 165 mg; beobachtete überlebte Maximaldosis: 1100 mg (Kind), 2250 mg (Erwachsener). LD,„ oral Maus 160 mg/kg [RTECS] 50
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Amfetaminil: Tagesdosis ED 3-10 mg, schnelle Toleranzentwicklung, bei Drogenabhängigen bis tägl. 2000 mg Amphetamin: TDL 0 oral Kind: 7500 mg/kg U
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LDL0 oral Ratte: 50 mg/kg U
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LD 50 intraperitoneal Ratte: 125 mg/kg Amphetamin-Cl: LD 50 subkutan Maus: 12 mg/kg Ephedrin: LDL0 unbestimmt Mann: 9 mg/kg LD 50 oral Ratte: 600 mg/kg LDL0 intraperitoneal Ratte: 170 mg/kg Fenetyllin-Hydrochlorid: LD,„ oral Ratte: 100 mg/kg 50
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LD,„ oral Maus: 347 mg/kg 50
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LD,„ intravenös Maus: 55 mg/kg 50
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Amphetamine
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Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Mydriasis, Tachykardie, Hypertonie (mit Gefahr einer Hirnblutung, Hyperthermie, Brechreiz, extrem trockener Mund, motorische Unruhe, Tremor, Palpitationen, Kopfschmerzen, Nystagmus, Kreislaufzusammenbruch, Atemlähmung. Bei chronischem Mißbrauch: Psychisch: Anfangs gesteigerte Konzentrations- und Assoziationsfähigkeit, vermehrte Aktivität, Logorrhoe, Silbenstolpern, Bewegungsstereotypien (Ulkus an Lippe und Zunge), gesteigerter Sexualtrieb (bei i.v. Injektionen kommt es zu einem „run“ mit einem „flash“, einer orgiastischen Euphorie mit dem Gefühl der Omnipotenz; danach treten Entzugssymptome auf), Aggressivität, Ideenflucht, verminderte Kritikfähigkeit, optische und akustische Halluzinationen, paranoide Psychose mit Beziehungswahn, Verfolgungswahn bei klarer Bewußtseinslage. Verwechslung möglich mit Halluzinationen beim AlkoholSchlafmittelentzugsdelir. Dauer in der Regel eine Woche (solange auch positiver Giftnachweis). Abnorme Persönlichkeit, Instabilität, häufig mit Alkohol-, Schlafmittel- oder anderer Drogenabhängigkeit vergesellschaftet. Im Gegensatz zur alkoholbedingten Psychose, die erst nach langem exzessivem Alkoholgenuß auftritt, kann eine Amphetaminpsychose nach einer einmaligen großen Dosis auftreten. Komplikationen bei chronischem Gebrauch: Gewichtsverlust, nekrotisierende Angiitis, Hypertension, Nierenschädigung, Neuropathie, Lungenödem, Drogenabhängigkeit. Psychische Symptomatik: Nach Abklingen der erwünschten Wirkung überwacht, aufgedreht und müde zugleich; vermeintlich gesteigerte Einsichtsfülle; nervös, verstimmt, unruhig, fahrig, rastlos, gereizt bis aggressiv; Angstzustände; unproduktive Überaktivität, Konzentrationsabfall (verhängnisvoll bei Prüfungen, wenn der Zeitpunkt der Einnahme falsch gewählt wurde); herabgesetztes Urteilsvermögen, Kritiklosigkeit; Benommenheit; Redefluß, Selbstüberschätzung; Zwangslachen, Verwirrtheitszustände, Ideenflucht; Depersonalisationsund Derealisationsgefühle; paranoide Ideen, illusionäre Verkennungen, akustische, haptische und vor allem optische Halluzinationen (Drogenpsychose). Körperliche Symptomatik: Nystagmus, Mydriasis; Mundtrockenheit; Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Magen-Darm-Krämpfe; Hypertonie (besonders Lungenkreislauf) und Blutdruckabfall; motorische Stereotypien; pulsierender Kopfschmerz; Schwitzen; Erhöhung der Körpertemperatur; Händezittern; Anstieg von Puls- und Atemfrequenz; Herzrhythmusstörungen u.a. Bei Überdosierung ernstere Herz- und Kreislaufstörungen mit Gefahr von Kollaps (Doping), Herzversagen oder Gehirnblutung. Entziehungssymptome: Apathisch-depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, verstärkte Suizidalität u.a. Das klinische Bild einer Amphetaminvergiftung erscheint als paranoide Psychose mit Beziehungsideen, Verfolgungswahn, visuellen und akustischen Halluzinationen bei klarer Bewußtseinslage. Es gibt keine relevanten körperlichen Intoxikationszeichen für die Intoxikation mit Amphetaminen. Das psychische Bild kann u.U. nicht von akuter oder chronischer Paranoia unterschieden werden. Das psychische Bild kann mit Halluzinationen beim Alkoholentzugsdelir verwechselt werden, wenn von einer Alkoholabhängigkeit nichts bekannt ist. Patienten mit Amphetamin-Psychose genesen innerhalb einer Woche, es sei denn, es bestünde ein deutlicher Grund für die Fortdauer der Symptome wie z.B.: andauernde Fortdauer der Giftausscheidung oder hysterische Verlängerung der Symptome. Falls die Symptomatik noch nach Drogenfreiheit im Urin vorliegt, sollte man eine Schizophrenie vermuten. Der Drogennachweis ist zur Differentialdiagnose unerläßlich bei den geschilderten paranoiden Reaktionen, um Amphetaminintoxikation auch bei Patienten aufzudecken, die eine Abhängigkeit leugnen. Eine große Zahl von Patienten mit Amphetaminpsychose wurden als Schizophrene fehldiagnostiziert und könnten mit Insulinschock therapiert worden sein, wobei die Anzahl der „Heilungen durch Insulin“ bei Schizophrenen erhöht wäre.
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Die Rückfallquote ist hoch, entsprechend dem starken Rückfall in die Abhängigkeit. Patienten, die eine Amphetamin-Psychose entwickeln, zeigen in hohem Maße eine abnorme Persönlichkeit und Instabilität sowie Alkoholismus und Abhängigkeit von anderen Drogen. Dies soll nicht heißen, daß nicht auch normal erscheinende und angepaßte Individuen diese Reaktion entwickeln könnten, oder daß die Abnormitäten, wenn vorhanden, oft so geartet sind, daß sie von den meisten Allgemeinmedizinern, Internisten und Chirurgen nicht diagnostiziert werden und deshalb keine Kontraindikation gesehen wird, das Präparat zu verschreiben. Bei manchen Patienten besteht ein deutliches Selbstmordrisiko während des Entzuges. Viele Patienten erhalten das Gift aus Inhalationsmitteln, die ohne Rezept erhältlich sind. Es steht zu hoffen, daß die gefundenen Beweise zu einem Verkaufsverbot solcher Mittel führen. Spezifische Behandlung ist während der psychotischen Phase nicht indiziert. Weitere Behandlung sollte sich auf die Entwöhnung richten. Jeder Patient, der nach Aufnahme einer großen Amphetamindosis in klinische Behandlung kommt, sollte sofort stationär aufgenommen werden, da Patienten während der psychotischen Phase potentiell gefährlich sind. Drogenfreiheitskontrollen sind ein wertvolles Hilfsmittel in der unterstützenden Therapie im Versuch, einen Rückfall zu vermeiden. Bei der medizinischen Verschreibung von Amphetaminen ist Vorsicht geboten, besonders bei Klagen über Depression und Müdigkeit. Abhängigkeitsgefährdete Patienten sind nicht leicht zu diagnostizieren. Amphetamin ist als echtes Halluzinogen zu betrachten, da bereits bei einer einzigen größeren Dosis Halluzinationen auftreten können. Nachweis: G C , D C , H P L C , Massenspektrometrie, UV-Absorption, IR-Absorption, Emit, T D X , Ria Durch die Untersuchung einzelner Segmente von Haaren, Finger- und Zehennägeln kann auch ein lange zurückliegender Amphetaminmißbrauch festgestellt und zeitlich zumindest grob eingeordnet werden. Therapie: Akut: Antidot Physostigmin bei anticholinerger Wirkung (JANOWSKY) Bei Amphetaminentzug steht ein Dauerschlaf abgelöst von Heißhunger im Vordergrund. Schutz vor Selbstmordgefahr (Bezugsperson). Entzug wegen Selbstmordgefahr (toxische Psychose durch Überdosierung!) möglichst auf geschlossener Station. Falls nötig Sedierung mit Doxepin (selten nötig): maximal 10 Tage, saure Mineralwässer oder Obstsäfte zur Urinansäuerung. Tagelanger Tiefschlaf, dann Freßsucht. Bei Polytoxikomanie (meist!) initiale Diagnostik (Barbiturate, Benzodiazepine: Entzugsdelir kann hier erst am 10. Tag beginnen!), Therapie siehe Barbiturate. Besonderheiten: Eine gefährliche Blutdrucksteigerung kann auftreten, wenn der Abbau der freigesetzten Katecholamine durch Monoaminoxidase-Hemmstoffe, z.B. Tranylcypromin, verhindert wird. Auslösung und längeres Bestehenbleiben einer Angstsymptomatik, ähnelt manchmal dem Bild einer Schizophrenie.
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Chemikalien
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Anilin Synonyma: Amidobenzol, Aminobenzol, Anilinöl, Benzidam, Kyanol, Krystallin, Phenylamin Chemische Formel: NHo
Vorkommen: Im Steinkohlenteer, Zigarettenrauch, in den Abwässern und der Abluft von anilinverarbeitenden Betrieben. Anilin wird in großen Mengen synthetisch hergestellt (IARC). Anilinvergiftungen kommen seit dem Beginn der technischen Herstellung vor über 100 Jahren bis heute vor allem beim gewerblichen Umgang vor. Anilin kann dabei durch Inhalation, Ingestion, aber auch durch Resorption über die Haut aufgenommen werden. Die Hautresorption spielt bei Vergiftungen durch frisch gefärbte Lederwaren oder frisch gestempelte Wäsche (Säuglinge) eine Rolle, wenn Anilin als Lösungsmittel für die Anilinfarben verwendet wurde. In der Vergangenheit kamen Vergiftungen auch bei der Verwendung von Anilin in der Therapie von Tuberkulose, Epilepsie und Psoriasis vor (Kiese). Verwendung: In großem Ausmaß als Zwischenprodukt bei der Herstellung von Chemikalien für die Gummiindustrie, von Kunststoffen (Isocyanate), Farbstoffen, Fotochemikalien, Pestiziden und Arzneimitteln. In der Forschung als Muttersubstanz der aromatischen Amine. Beschaffenheit: In reinem Zustand farblose, ölige Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch, die sich an der Luft und im Licht braun färbt. Molekulargewicht 93,13, Schmelzpunkt-6,5° C, Siedepunkt 184 bis 186° C, Dampfdruck (20° C) 40 Pa, pKb 9,3. Löslich in den meisten organischen Lösungsmitteln, 1 g löst sich in 28,6 ml Wasser (IARC). Wirkungscharakter: Akute Erscheinungen werden vor allem in den Erythrozyten beobachtet. Dort kommt es zur Bildung von Methämoglobin, von Heinz-Körpern und zur Hämolyse. Daneben müssen auch andere Wirkungen, insbesondere am Zentralnervensystem und am Herzen, angenommen werden. Das zweiwertige Eisen im Hämoglobin wird auch normalerweise durch Sauerstoff oxidiert. Das dreiwertige Eisen enthaltende Methämoglobin wird jedoch durch eine NADH-abhängige Diaphorase ständig wieder reduziert, wahrscheinlich über die Reduktion von Cytochrom BJ} so daß der Methämoglobinspiegel im Blut ohne äußere Belastung bei 1 bis 2 % gehalten wird. Durch Methämoglobinbildner wird er erhöht. Im Falle des Anilins erzeugt ganz überwiegend in der Leber gebildetes Phenylhydroxylamin im Zuge einer Kooxidationsreaktion Methämoglobin und wird dabei selbst zu Nitrosobenzol oxidiert. Dieses kann durch eine NADPH- abhängige Diaphorase wieder reduziert werden. Auf diese Weise kann 1 mol Phenylhydroxylamin mehrere mol Methämoglobin erzeugen. Nitrosobenzol reagiert zu einem Teil aber auch mit der SH-Gruppe von Glutathion und wird über dieses Addukt zu Anilin reduziert (Eyer), zu einem anderen Teil reagiert es mit den SH- Gruppen im Hämoglobin und liefert ein beständiges Addukt in Form eines Sulfinsäureamids (Albrecht). Die Höhe des Methämoglobinspiegels resultiert danach im wesentlichen aus der Anflutungsgeschwindigkeit des Phenylhydroxylamins, dem Reduktionsvermögen der Erythrozyten und der Weiterreaktion von Nitrosobenzol.
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Chemikalien
Das dreiwertige Eisen im Methämoglobin vermag den Sauerstoff nicht mehr zu binden, dadurch kommt es zu einer Minderversorgung der Gewebe mit Sauerstoff. Damit lassen sich die meisten Vergiftungserscheinungen erklären. Die Aktivität der Diaphorase-NAD ist bei Säuglingen vorübergehend, bei bestimmten Erwachsenen kongenital erniedrigt. Beide sind deshalb besonders empfindlich. Ein weiterer vererbbarer Enzymmangel betrifft die Glucose-6-phosphat-dehydrogenase. Sie stellt die Reduktionsäquivalente für die Diaphorase-NADP im Erythrozyten zur Verfügung. Diese reduziert zwar Methämoglobin praktisch nicht, dafür aber oxidiertes Glutathion, und spielt deshalb als Schutz gegen oxidative Hämolyse eine besondere Rolle. Sie reduziert auch das bei der Therapie verwendete Methylenblau, das dann nichtenzymetisch Methämoglobin reduziert. Die Träger dieses Enzymmangels sind gegenüber der durch Anilin ausgelösten Hämolyse besonders empfindlich und können bei Vergiftungen nicht mit Methylenblau behandelt werden (Kiese, Doull). Bei den im Mikroskop als dunkle und mit der Zellmembran verbundene Ausfällungen erkennbaren Heinz- Körpern handelt es sich wahrscheinlich um denaturiertes Hämoglobin. Ihre Bildung beeinträchtigt Membranfunktionen und führt zum vorzeitigen Abbau der Erythrozyten. Anilin wird nach oraler Aufnahme, aber auch über die Haut rasch resorbiert. Seine Metaboliten werden innerhalb von 24 bis 48 Stunden vorwiegend über die Nieren und fast vollständig ausgeschieden. Sie werden lediglich in der Bindung an Hämoglobin und infolge des Erythrozytenabbaus in der Milz festgehalten. Anilin unterliegt einem enterogastralen Kreislauf (Irons). Der Hauptstoffwechselweg verläuft über Acetanilid zum N-Acetyl-aminophenol. Dieses wird bei Schaf und Schwein vor allem als Glucuronid (60 bzw.66 % der Dosis), bei der Ratte als Sulfat (56 % der Dosis) ausgeschieden. Außerdem werden O- Konjugate von o- und p-Aminophenol (20 %), Acetanilid (3 %) und N-Acetylamino- phenol (10 %) im Harn gefunden. Phenylhydroxylamin und Nitrosobenzol entstehen nur in geringer Menge und werden nicht ausgeschieden (Kao). Besonders deutliche Unterschiede im Metabolitenmuster werden beim Menschen zwischen starken und schwachen Acetylierern beobachtet. Bei letzteren soll sogar freies Anilin im Harn nachweisbar sein. Schwache Acetylierer sind besonders empfindlich. Die bei Anilinarbeitern beobachteten Blasentumoren wurden früher als Anilinkrebs bezeichnet. Dieser wurde später mit dem Gehalt an anderen aromatischen Aminen erklärt. Die Frage nach der krebserzeugenden Wirkung von Anilin ist jedoch durch neuere Untersuchungen wieder aufgeworfen worden. Nach Verabfolgung von Anilinhydrochlorid an Ratten, die in einem Versuch als höchste Dosis 1600 ppm, in einem anderen Versuch 3000 und 6000 ppm im Futter über zwei Jahre erhalten haben, entstanden ganz überwiegend bei den männlichen Tieren Tumoren, vor allem Hämangiosarkome und Fibrosarkome in der Milz. Zusammen mit Befunden, wonach Anilin in Mäuse-, Ratten- und menschlichen Fibroblasten Sisterchromatid exchange verusacht (Parodi, Wilmer, Cunningham) und unter bestimmten Bedingungen bei Bakterien mutagen wirkt (Nagao), muß daraus auf ein kanzerogenes Potential der Verbindung geschlossen werden. Gleichartige hypoxische Erscheinungen treten auch bei der Kohlenmonoxidvergiftung auf (s. dort) und werden bei vielen anderen Methämoglobinbildnern beobachtet. Darunter sind direkt wirkende Substanzen, wie Nitrit und Chlorate, und indirekt wirkende, vor allem aromatische Amine und Nitroverbindungen. Der Mangel an Diaphorase-NAD und Glucose-6-phosphat- dehydrogenase verstärkt die Anilinwirkung, ebenso die Einnahme methämoglobinbildender Arzneimittel, wie Phenacetin und Sulfonamide. Bei leichten Vergiftungen reicht die körpereigene Reduktionskapazität aus. Methämoglobin wird mit 10 %/Stunde reduziert. Bei oralen Vergiftungen ist jedoch mit Nachresorption zu rechnen. Nach Injektion von Redoxfarbstoffen meist dramatische Besserung der Methämoglobinspiegel und der Symptome. Toxizität: Kennzeichnend für die akute Toxizität ist die Bildung von Methämoglobin. Da es sich dabei um einen stoffwechselbedingten, reversiblen Vorgang handelt, ist die Höhe der Methämoglobinspiegel im Blut stark speziesabhängig und zeigt große individuelle Schwankungen. Bei Katzen erzeugen 24 mg/kg oral über 50 % Methämoglobin, bei Ratten sind 20 mg/kg praktisch unwirksam. Nach oraler Aufnahme von etwa 1 mg/ kg werden beim Menschen 10 bis 15 % Methämoglobin beobachtet (Kiese, Jenkins). Gramm-Mengen sind letal. Der MAK-Wert liegt bei 8 mg/m3. Bei dieser Konzentration wird eine stündliche Aufnahme von 11 mg Anilin geschätzt, die beim Gesunden den Methämoglobinspiegel nicht erhöhen soll (Henschler). Nachweis: Dünnschichtchromatographisch, photometrisch, gaschromatographisch, hochdruckflüssigchromatogra-
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phisch (IARC, Zozyla, Guenthner). Die vom Menschen aufgenommene und metabolisierte Menge kann über die kovalente Bindung eines Metaboliten an Hämoglobin ermittelt werden (Albrecht). Symptome: Bei der akuten Vergiftung aufgrund der Methämoglobinbildung werden Lippen, Nase, Ohren, und Nägel blau (Blausucht). Nach zentraler Erregung (Anilinpips) bei stärkerer Vergiftung Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Schwindel (10-20 % Methämoglobin), Bewußtseinseinschränkung (20-30 %), Beschleunigung von Atem und Puls, Bewußtseinsschwund (30-^0 %), Bewußtlosigkeit (40-60 %), Koma und innere Erstickung (>60 %). Bei Methämoglobinspiegeln von 5 bis 10 % ist der Visus gerade meßbar eingeschränkt. Bei der chronischen Anilinvergiftung werden häufig zunächst nur subjektive Beschwerden angegeben: Müdigkeit, Appetitmangel, allgemeine Magenbeschwerden, Schwäche, Schwindelgefühl, depressive Verstimmung. Erst im weiteren Verlauf kommt es dann zu hämolytischer Anämie, werden HeinzKörper beobachtet. Dabei muß der Methämoglobinspiegel nicht erhöht sein. Die anderen Schädigungen können davon unabhängig kumulieren (Henschler, Doull). Therapie: A 2 Seitenlage - Guedel-Tubus Bewußtlose werden in stabile Seitenlage gebracht, wobei der Kopf tiefer als der Oberkörper liegen und dabei überstreckt werden sollte, damit nicht Erbrochenes oder der Zungengrund die Atemwege verlegen kann. Bewußtlosen sollte möglichst ein (angefeuchteter) Guedel-Tubus in die Mundhöhle eingelegt werden, damit der zurückfallende Zungengrund die Atemwege nicht verlegen und zur Erstickung führen kann. Beim Einlegen zeigt der Bogen des Tubus zunächst (konkav) auf den oberen Gaumenbogen und wird bei Erreichen des Zäpfchens gedreht, so daß er sich der Zunge anlegt. A 3 Rettung aus Gasmilieu Zur Rettung von bewußtlosen Vergifteten aus gasverseuchten oder verrauchten Räumen möglichst vorher Brandschutzkleidung (Wolle statt Kunststoff) und Atemschutzmaske anlegen und anseilen, die Sicherungen herausdrehen (Explosionsgefahr), sofort Fenster aufreißen oder einschlagen, kein Licht machen und den Vergifteten rasch aus dem Raum entfernen. Bei Bränden zum Schutz vor giftigem Rauch und zur besseren Orientierung mit dem Kopf nahe am Boden (30 cm) kriechen. Bei Bergung aus Gruben und Silos unbedingt vorheriges Anlegen von schwerem Atemschutz beim Retter und anseilen. Kontaminierte Kleidung sofort entfernen, Haut mit warmem Wasser duschen oder PEG 400 auftragen, Augen spülen. B 1 Frischluft Sofort Frischluft, besser mit Sauerstoff angereicherte Luft, zuführen. B 2 Künstliche Beatmung Bei Patienten mit blauen Lippen sofort mit der künstlichen Beatmung beginnen, am besten mit einem Beatmungsbeutel; nur im Notfall durch Mund-zu-Mund- oder Mund- zu-Nase-Beatmung. Der Retter vermeidet einen Kontakt mit der Ausatmungsluft des Vergifteten. Die Beatmungsfrequenz beträgt bei Erwachsenen 15-10 mal pro Minute, bei Kindern 30mal pro Minute. Am Ende des Beutels kann eine Sauerstoffleitung angeschlossen werden, falls mit sauerstoff-angereicherter Luft beatmet werden soll. Richtige Maskengröße wählen! Der Arzt wird Bewußtlose intubieren und bei geblockter Manschette mit dem Atembeutel beatmen. In der Klinik wird die Beatmung maschinell, z. B. mit PEEP durchgeführt. C 1 Herz-Lungen-Wiederbelebung Sowohl toxisch als auch anoxisch können Herzrhythmusstörungen auftreten. Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Atropin (G 6) oder Orciprenalin (G 2), tachykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Lidocain (G 61) oder Phenytoin (G 71) therapiert.
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Anilin III-2.3
Chemikalien
Ein Herzstillstand liegt vor bei: a) plötzlicher Bewußtlosigkeit b) weiten, lichtstarren Pupillen c) Fehlen des Pulses (am Hals oder in der Schenkelbeuge) d) Schnappatmung, dann Atemstillstand Herzmassage und Beatmung werden von einem oder von zwei Helfern durchgeführt. Den Erfolg der Herzdruckmassage stellt man durch folgendes fest: a) tastbarer Puls b) Reagieren der Pupillen auf Licht c) Wiederauftreten spontaner Atembewegungen Intratracheal oder i.v. Injektion von Adrenalin (G 56) bis 0,5 mg. C 5 Hirnödemtherapie (anoxisch) HES 10 % (G 70) „Trockenlegen" bei der Infusionstherapie (niedriger ZVD), zusätzlich Triamcinolonacetonid (G 53) gegen das zytotoxische Hirnödem. E 1 Haut Bei Verätzungen sofort unter die lauwarme Dusche gehen oder ein Vollbad nehmen, in jedem Fall benetzte Kleider entfernen, sofort Wasser trinken. Benetzte Haut mit Wasser und Seife reinigen. Möglichst sollte Polyethylenglykol 400 (G 33) verwandt werden. In keinem Fall Benzin oder andere Lösungsmittel, die die Resorption des Giftes fördern könnten, verwenden! Das volle Ausmaß der Hautschäden kann erst nach Stunden sichtbar werden. Nach Verätzungen Grad I und II Flumetason Schaum auftragen (G 31). Bei Verbrennungen ebenfalls sofort mit Kleidern in kaltes Wasser springen bzw. Extremitäten unter fließendes kaltes Wasser mindestens 15 (!) Minuten halten; dabei Kleider entfernen. Dann in Rettungsdecke (Aluminiumfolie, s. H 14) einwikkeln und wie unter C 2 (Schocktherapie) angegeben verfahren. Viel trinken lassen; Volumina notieren, keine Hautcremes, -puder oder -salben auftragen, steril verbinden. Als Schmerzmittel kann Metamizol G 42 oder, nur durch den Arzt, Morphin (G 18) gegeben werden. E 2 Augen Mit beiden Händen das Auge weit aufhalten und ca. 10 Min. unter fließendem Wasser oder mit der Augenspülflasche oder mit einer Plastikspritzflasche, die mit Leitungswasser oder physiologischer Kochsalzlösung gefüllt ist oder mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) spülen. Bei Schmerzen in das betroffene Auge zur Schmerzlinderung Chibro-Kerakain (G13) tropfen und anschließend zur Pufferung bei Säuren und Laugen mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) beide Augen spülen. Anschließend wird ein Deckverband (Taschentuch oder Halstuch) über das vergiftete Auge gelegt und der Verletzte möglichst bald zum Augenarzt geführt. E 3 Erbrechen, provoziertes Alternative für jegliche Art von Erbrechen ist die Gabe von Medizinalkohle, Kohle-Pulvis (G 25), die die Gifte im Magen sofort bindet (E 4). Ein Erbrechen ist nicht angezeigt bei: • Bewußtseinstrübung • Atem- oder Kreislaufschwäche (vor Behandlung) • bei Krampfenden oder fehlenden Würgereflexen (Bewußtlose) • Ätzmitteln Bei verschluckten Giften wird zunächst viel Flüssigkeit (jede Flüssigkeit außer Alkohol und Milch!) zu trinken gegeben (Kindern Himbeersaftwasser) und dann durch Reizung der Rachenhinterwand ein Erbrechen herbeigeführt. Keinesfalls sollte im Sitzen, sondern in Kopftieflage erbrochen werden. Das Erbrechen wird so lange wiederholt (ca. 4-10 mal), bis das Erbrochene frei von Giftbeimengungen ist (d. h. kein Unterschied zwischen erbrochener und getrunkener Flüssigkeit mehr feststellbar). Das Erbrochene mit in die Klinik bringen.
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E 4 Entgiftung verschluckter Gifte durch Kohle Bei jeder Vergiftung durch geschluckte Gifte sollte - auch im Anschluß an ein Erbrechen oder eine Magenspülung - ein Fertigbecher Kohle-Pulvis (G 25) in Wasser aufgelöst getrunken werden. Kohle bindet das Gift, und es kann dann evtl. nach Gabe eines Abführmittels (Natriumsulfat; G 27) den Darm verlassen. E 8 Magenspülung (Arzt) Die sicherste und schonendste Art der Giftentfernung ist die Magenspülung. Da ein Arzt nur mit Unterstützung von 1-2 Helfern eine Magenspülung durchführen kann, ist wichtig, daß diese vorher wissen, wie diese durchgeführt wird. Angezeigt ist die Magenspülung bei allen lebensgefährlichen Giftmengen, auch nach vorausgegangenem Erbrechen sowie bei allen Bewußtlosen (nach Intubation) ohne Zeitgrenze. Bei Krämpfen sollte vorher als krampflösendes Medikament 1 Amp. Diazepam i.v. (s. G 60) injiziert werden. Bewußtlose können vorher intubiert werden. Eine Atem- und Kreislaufinsuffizienz sollte vorher behandelt werden (C 1,3). Vor jeder Magenspülung unbedingt Atropin (0,001 g i.v. oder i.m., s. G 6) injizieren zur Vermeidung eines vagalen Reflexes (Herz-, Atemstillstand). Bei Hypotonie vorherige Infusion eines Plasma(ersatz)präparates (G 39), bei Azidose Infusion von Natriumbikarbonat (G 35). Asservierung der ersten Spülportion. Ca. 30 Liter Leitungswasser als Spülmittel. Instillation von Medizinalkohle (G 25) und Abführmittel (G 37). E 12 Peritonealdialyse Indikation - Forcierte Diurese zur Giftelimination nicht ausreichend oder zunehmende Verschlechterung des Krankheitsbildes trotz intensiver Therapie (wie forcierter Diurese). - Undurchführbarkeit einer forcierten Diurese (z. B. bei Niereninsuffizienz). - Undurchführbarkeit einer Hämodialyse-Hämoperfusion wegen eines Schocks, schlechter Gefäßverhältnisse, technischer-organisatorischer Schwierigkeiten oder Unmöglichkeit einer Heparinisierung. - Massenvergiftungen , da auch unter primitiven Voraussetzungen möglich. Kon train dika tion en - Verwachsungen nach Bauchoperationen - Entzündliche Vorgänge im Bereich der Bauchorgane - Schwerste Blutgerinnungsstörungen Vorteile 1. Gerade zur Behandlung eines Schockzustandes geeignet (forcierte Diurese unmöglich, Dialyse beschränkt möglich), so daß nach Normalisierung des Kreislaufs eine Dialyse angeschlossen werden kann. 2. Geeignet zur Behandlung im Säuglingsalter. 3. Geringer technischer und personeller Aufwand. 4. Möglichkeit des Ausgleichs einer Hypothermie (z. B. bei Schlafmittelvergiftungen) und Störungen des Elektrolyt- und Säuren-Basen- Haushalts. 5. Schonende Giftelimination. Nachteile 1. Langsame Giftelimination im Vergleich zur Dialyse. 2. Lange Behandlungsdauer (mindestens 4mal so lang wie mit der Dialyse). E 13-E 14 Hämoperfusion - Hämodialyse Bei Vergiftungen hat sich zur Giftelimination die Kombination von Hämodialyse und Hämoperfusion oft bewährt, da einerseits mit alleiniger Hämoperfusion kein genügender Elektrolyt-, Säuren-Basen-HaushaltAusgleich oder Volumenauffüllung zur Therapie eines Schocks möglich ist und andererseits die Hämoperfusion die Entgiftung bei vielen Giften sehr beschleunigt. Indikation • 1.Potentiell letale aufgenommene Giftmenge eines dialysablen Giftes 2. Bei gefährlichen Giftkonzentrationen Ineffizienz anderer Gifteliminationsmaßnahmen (z. B. forcierte Diurese) oder Auftreten schwerer Begleiterkrankungen (wie Pneumonie). 3. Wenn durch nephrotoxische Substanzen ein Nierenversagen eingetreten ist.
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Vora ussetzungen 1. Das Gift muß bekannt sein. 2. Das Gift muß dialysabel sein. 3. Zu Beginn der Dialyse soll eine gefährliche Blutkonzentration vorliegen, bei der durch die Dialyse ein signifikanter Abfall zu erwarten ist. 4. Es müssen geeignete Gefäßverhältnisse für eine Punktion bzw. einen Shunt vorliegen. 5. Es dürfen keine erheblichen Blutgerinnungsstörungen (Thrombozytopenie, Verbrauchskoagulopathie) vorliegen. Bevorzugung der Hämodialyse bei: 1. Elektrolytentgleisung 2. Ausgeprägter Azidose 3. Hypothermie 4. Gerinnungsstörungen 5. Akutem Nierenversagen F 5 Spätschäden Nachkontrolle der Leberwerte (Cholinesterase, Gamma GT, GPT, Quickwert, Blutgerinnungsfaktoren), der Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff, Kalium, Natrium, Phosphor), des Blutbildes, der Lungenfunktion des Röntgenbildes und des EEG's bei ZNS-Schäden drei bzw. 10 Tage nach einer Vergiftung, die zu möglichen Spätschäden führen kann. Medikament G 57
Dosierung Toluidinblau (Köhler) Amp.l0ml3%ig
2 mg/kg KG z. B. 5 ml i.v. (Seit 1.11.83 3%ig,vorher4%ig!)
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Chemikalien
Anilin III-2.3
NAGAO, M., YANAGI, T., HONDA, M., SEINO, Y., MATSUSHFMA , T., SUGIMURA, T.: Demonstration of mutagenicity of aniline and o-toluidine by norharman. Proc. Jpn. Acad., Ser. B, 53, 34-37 (1977). National Cancer Institute: Bioassay of aniline hydrochloride for possible carcinogenicity. NCI-Bioassay Report No 130, US DHEW, Bethesda, Md/USA, 1978. NEUMANN, H.-G.: Anilin. Dtsch. Apoth. Zeitg. 125/16, 807-808 (1985). PARODI, S., PALA, M., RUSSO, P., ZUNINO, A., BALBI, C, ALBINI, A., VALERIO, F., QMBERLE, M., SANTI, L.: DNA damage in liver, kidney, bone marrow and spieen of rats and mice treated with commercial and purified aniline as determined by alkaline elution assay and sisterchromatid exchange induction. Cancer Res. 42, 2277-2283 (1982). WiLMER, J. L., KLIGERMAN, A.D., EREXSON, G. L.: Sisterchromatid exchange induction and cell cycle inhibition by aniline and its metabolites in human fibroblasts, Environm. Mutagen. 3, 627-638 (1981). ZOZULYA, A. P., MIKHAILOVA, L. I..- Photometrie determination of aniline and m-chloraniline in waste waters of m-chloraniline produetion, Khim. Promst. 43, 511 (1967).
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Drogen
Apomorphin
III–3.3
Apomorphin Synonyme: 6aß-Aporphin-10, 11-diol; (6aR)-5,6,6a,7 Tetrahydro-6-methyl-4H dibenzo [de,g] chinolin-10, 11-diol Chemische Formel: C 17 H 17 NO 0
17 17 2
Beschaffenheit: MG: 267,35 Apomorphin entsteht durch Einwirken anorganischer Säuren auf das Morphinmolekül und besitzt zwei phenolische Hydroxylgruppen am gleichen Benzolkern. Es handelt sich um ein farbloses oder grau-weißes, geruchloses Pulver, das unter Grün- und Schwarzfärbung der Lösungen sehr leicht oxidiert. Löslich in Wasser (1:50), in Alkohol (1:50); schlecht löslich in Chloroform und Ether. Vorkommen: Apomorphin-Teclapharm Injektionslösung, Teclapharm Verwendung: Opiat. Als Emetikum und Sedativum bei tobenden Alkoholikern in einer Mischspritze mit Dihydroergotamin (1 mg) tief i.m. (Abbau von aggressiven Verhaltensweisen). In Ausnahmefällen evtl. auch als Emetikum unmittelbar nach Aufnahme einer tödlichen, oral aufgenommenen anderen Giftmenge in einer Mischspritze mit Dihydroergotamin tief i.m. Hier muß sich jedoch eine baldige Magenspülung in der Klinik anschließen. Zur Behandlung einer giftbedingten und zusätzlich Apomorphin-bedingten Schocksymptomatik Anlegen einer Infusion mit Plasmaexpandern. Rauschmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Eine orale Aufnahme von Apomorphin ist nicht sicher wirksam, da die Substanz zum Teil bei Resorption im Darmepithel inaktiviert wird und zum Teil durch Metabolisierung in der Leber („Firstpass-Effekt“) unwirksam gemacht wird. Der übliche Applikationsweg ist die subkutane oder intramuskuläre Injektion. Der Effekt von Apomorphin korreliert (im Tierversuch) mit der zerebralen Konzentration. Maximale zerebrale Konzentrationen findet man nach 10 bis 20 Minuten. Dann erfolgt ein rascher Konzentrationsabfall. Nach ca. 1 Stunde sind nur noch geringste Dosen intrazerebral nachweisbar. Die Metabolisierung erfolgt hauptsächlich in der Leber durch Glukuronidierung. Ein Teil der Substanz kann auch durch die Katecholamin-o-Methyltransferase (COMT) im synaptischen Spalt direkt abgebaut werden. In großen Dosen wirkt Apomorphin zentral erregend bzw. euphorisierend. In kleinen Dosen reizt es nur die „Trigger-Zone“ der medulla oblongata, von wo aus dann das Brechzentrum aktiviert wird. Spritzt man 5-10 mg subkutan, tritt nach einer kurzen Nausea im Laufe weniger Minuten das Erbrechen ein.
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III–3.3
Apomorphin
Drogen
Apomorphin hat einen zentralnervösen, dopaminergen Wirkungsmechanismus. Das bedeutet, es beeinflußt die Steuerung der Muskelbewegungen von mentalen Funktionen und übt eine hemmende Funktion auf endokrine Zentren aus. Die Substanz ist gleichzeitig ein Opiatabkömmling und hat sowohl agonistische Wirkungen zum Morphin (u.a. Übelkeit, Erbrechen, respiratorische Störungen) als auch antagonistische Effekte (u.a. KatecholaminSynthese im Gehirn). Entsprechend seinen Wirkungsmechanismen können Apomorphin-Effekte durch Dopamin-Antagonisten (Neuroleptika, Metoclopramid) aufgehoben werden. Die opiatähnlichen Wirkungen werden durch Naloxon antagonisiert. Der emetische Effekt kann durch Zerstörung der sog. „Chemorezeptor-Triggerzone“ z.B. durch Neuroleptika blockiert werden. Apomorphin ruft eine aronsal-reaction im EEG hervor. Auftreten motorischer Stereotypien als Folge einer dopaminerg wirksamen Substanz. Ausgeprägter hypotensiver Effekt, der tierexperimentell Vasodilatation an A. renalis und mesenterica nachgewiesen wurde und ebenfalls als dopaminerge Stimulation interpretiert wurde. Eine periphere Vasodilatation an Haut und Muskulatur bei Menschen wurde beobachtet. Bei Versuchen an gesunden Studenten waren trotz kontinuierlicher Registrierung verschiedener Kreislauffunktionen abrupte hypotensive Krisen so wenig vorhersehbar, daß die Versuche abgebrochen werden mußten. Apomorphin führt zur Provokation von Übelkeit und Erbrechen. Gleichzeitig kommt es aber auch zu deutlicher Blutdrucksenkung und Kollapsneigung sowie Bradykardie. Anstiege der Körpertemperatur und des Blutzuckers sind möglich. Klinisch wurde im Anschluß an die Injektion bei Alkoholintoxikationen mehrmals ein hypoglykämischer Schock beobachtet. Zentralnervöse Übererregbarkeit kann auftreten. Toxizität: LDL0 intravenös Ratte: 40 mg/kg LD 50 intraperitoneal Maus: 160 mg/kg LD 50 intravenös Maus: 56 mg/kg Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Unaufhörliches Erbrechen, Mydriasis, Bradykardie, Hypoglykämie, Hypotonie, Schock, Cheyne-StokesAtmung, Krämpfe, Erregungszustände bis zum Koma, Euphorie, Ruhelosigkeit. Bei chronischem Mißbrauch: Obstipation, Marasmus, Impotenz, Amenorrhö. Es kommt zu einem extremen Tonusverlust des Parasympathikus mit Blutdruckabfall und Bradykardie, penetranter Schlafstörung, ständiger Müdigkeit, Miosis, Gewichtsverlust bis zur Kachexie, Inappetenz, Obstipation, Impotenz-Frösteln, Zittern, Ataxie, undeutliche Sprache, trockene fahl-graue und gelbliche Haut, Haarausfall. Auf psychischem Gebiet kommt es zu: Leistungsabfall, Affektlabilität, Stimmungsschwankungen, Antriebserlahmung. Entzug: Verlangen nach Drogen, Ängstlichkeit, Rastlosigkeit, Gähnen, laufende Nase, Tränenfluß, Niesen, Schwitzen, Juckreiz, Zunahme der genannten Symptome, Mydriasis, Gänsehaut, Muskelzuckungen, heiße und kalte Schauer, Unruhe, Knochen- und Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit. Zunahme der genannten Symptomatik, Hypertonie, Hyperthermie, Tachykardie, Tachypnoe, Schlaflosigkeit, Übelkeit. Zunahme der genannten Symptomatik, fiebriges Aussehen, Muskelkrämpfe, Diarrhoe, Erbrechen, Schock, Hyperglykämie, spontane Ejakulation oder Orgasmus, evtl. Tod durch Kreislaufversagen. Nachweis: DC, GC
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Drogen
Apomorphin
III–3.3
Therapie: Abruptes Absetzen, keine medikamentöse Therapie nötig. Verhaltenstherapie (Ablenken, neue Ziele setzen, Arbeit, Rückfallprophylaxe) Lebenslanges Vermeiden aller psychotropen Substanzen. Bei Rauschmitteln steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmißbrauch führten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen. Besonderheiten: Mit Ausnahme einer Gabe beim tobenden Alkoholiker in einer Mischspritze mit Dihydroergotamin tief i.m. gilt das medikamentöse Erbrechen mittels Apomorphin wegen seiner breiten Gefahrenpalette und seiner geringen Effizienz bei Medikamentenvergiftungen (Magen wird vorher nicht ausreichend gefüllt, Adsorbens Kohle kann erst sehrviel später gegeben werden) heute als obsolet. Der mögliche Volumenmangelschock trotz gleichzeitiger Gabe eines Kreislaufmittels und der anschließende Morphinschlaf können die ursprüngliche Vergiftungssymptomatik verschleiern. Apomorphin wurde auch zur Bekämpfung von Suchtphänomenen in sog. „subemetischer“ Dosis (unter 1 mg) angewendet. Aber auch in dieser Dosierung kommt es zu erheblichen Nebenwirkungen: Schwindelgefühl, Schwächeanfälle, Schläfrigkeit, Hypotonie, Bradykardie, Verzögerung der Magenentleerung (BEIL). Aufgrund dieser Nebenwirkungen ist ein Einsatz in der Therapie nicht erfolgt. Alte Ampullen sind wirkungslos!
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Drogen
Atropin
III–3.3
Atropin Synonyme: Atropa belladonna DL-Hyoscyamin, DL-Tropyltropat, Daturin, Atropisol 3a(1aH,5aH)-Tropanyl-(R,S)-tropat, ß-Phenyl-y-oxypropionsäure-tropylester 3-Hydroxy-2-phenyl-propionsäure-3a-(8-methyl-8-azabicyclo[3,2,1]octyl)-ester Chemische Formel: C17H0C!NO
17 23 3
Beschaffenheit: Atropin ist ein Tropinester der Tropasäure. Es enthält L- und D-Hyoscyamin zu gleichen Teilen und entsteht durch spontane Razemisierung von L-Hyoscyamin beim Aufarbeitungsprozeß. L-Hyoscyamin ist peripher etwa zweifach und zentral 8- bis 50mal wirkungsstärker als die D-Form. Bitter schmeckende, in Wasser schwer, in Chloroform leicht lösliche Substanz, die in Prismen kristallisiert. Schmelzpunkt bei ca. 105 °C. MG: 289,4 Vorkommen: Atropin ist ein Solanacee-Alkaloid und kommt in verschiedenen Nachtschattengewächsen wie z.B. Atropa belladonna (Tollkirsche), Datura stramonium (Stechapfel), Hyoscyamus niger (schwarzes Bilsenkraut) und Mandragora atropa (Alraune) sowie in unreifer (grüner) Tomate oder Kartoffel vor. Atropin 0,5%/1% Dispersa® Augentropfen, CIBA Vision Atropin 1 % Dispersa® Augensalbe, CIBA Vision Atropin EDO® Augentropfen, Mann Atropinol® SI Augentropfen, Winzer Atropin-POS® 0,5%, 1% Augentropfen, Ursapharm Atropin-POS® 1% Augensalbe, Ursapharm Atropinsulfat 0,5 mg/5 ml/-1 mg/10 ml Min-I-Jet System Injektionslösung, B/Braun Atropinsulfat®-100 mg Injektionslösung, Köhler Atropinsulfat Braun® 0,5 mg Injektionslösung (B/Braun) Atropinum sulfuricum AWD® Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden
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III–3.3
Atropin
Drogen
Atropinum sulfuricum „Eifelfango“ Injektionslösung, Eifelfango Dysurgal N® Dragees, Galenika Hetterich Dysurgal N® Tropfen, Galenika Hetterich Noxenur S® Tropfen, Galenika Hetterich Verwendung: Als Parasympatholytikum und Anticholinergikum Therapeutische
Anwendung:
Atropin wird bei spastischen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, der Gallen- und der Harnwege verwendet. Weiterhin wird es zur Prämedikation bei Narkosen, als Mydriatikum und Zyklophlegikum in der Augenheilkunde, in Form von Belladonna-Extrakten zur broncholytischen Therapie und bei Parkinsonismus und als Antidot bei Vergiftungen mit parasympathikomimetisch wirkenden Verbindungen eingesetzt. Mißbrauch: Von Jugendlichen wurden Asthmazigaretten bestimmungswidrig gekaut oder als Teeaufguß getrunken. Das in den Asthmazigaretten enthaltene Stechapfelkraut (Fol. stramonii) hat pro Zigarette einen Alkaloidgehalt von ca. 1,4 mg Hyoscyamin, das spontan und durch Wärmeeinwirkung in das Racemat Atropin übergeht. Asthmazigaretten sind in der BRD nicht mehr im Handel. In der DDR wurden sie mit einem Gehalt an Stechapfelkraut von 0,435 g pro Zigarette von dem VEB Pharmazeutischen Werk in Halle/Saale hergestellt. Aufgüsse atropinhaltiger Gewächse werden als Tee zur berauschenden Wirkung getrunken - genau so wie früher zum Hexensabbat. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Atropin wird bei oraler Applikation und nach subkutaner Injektion schnell und vollständig resorbiert. Auch bei rektaler Verabreichung erfolgt eine gute Aufnahme. Von der Konjunktivalschleimhaut ist die Resorption verzögert. Bei intravenöser Injektion schließen sich nach einer sehr schnellen ersten Verteilungsphase (t = 1 min) zwei langsamere Phasen mit Eliminationshalbwertszeiten von 2-3 h sowie 12,5-38 h an. Atropin verteilt sich vorwiegend auf das Körperwasser. Im ZNS ist es in wirksamer Konzentration vorhanden. Wie alle Ester wird Atropin im Organismus schnell hydrolytisch gespalten und dann weiter metabolisiert. Ein Teil wird unverändert über die Niere ausgeschieden. Atropin gelangt in die Muttermilch und durchdringt die Plazentaschranke. Atropin ist ein kompetitiver Antagonist des Acetylcholins. Der Antagonismus betrifft normalerweise nur die Antimuscarinwirkung. In sehr hohen Dosen können auch nikotinähnliche ganglienblockierende und kurareähnliche muskelrelaxierende Effekte sowie zentralmotorische Wirkungen und psychische Erregungen vorkommen. Tab. 1: Wirkungen und Nebenwirkungen von Atropin Organe
Wirkungen
Konsequenzen
Speicheldrüsen
Hemmung der Sekretion
Mundtrockenheit, Durstgefühl, verschlechterte Prothesenhaftung
Schweißdrüsen
Hemmung der Sekretion
trockene Haut, Wärmestau, Hyperthermie
Magen
Verminderung der Sekretion von Salzsäure und Pepsin Senkung von Tonus u. Motilität
reduzierte Produktion von fermentreichem Magensaft, Verdauungsstörungen verzögerte Magenentleerung, Spasmolyse (Beseitigung auch von Kardia- u. Pylorospasmus)
Pankreas
Hemmung der Sekretion
Verdauungsstörungen
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Drogen
Atropin III–3.3
Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Kardinalsymptome: Rötung des Gesichts, Trockenheit der Schleimhäute, Tachykardie, Mydriasis. Ferner: Harnsperre, Delirien, motorische Unruhe, Hyperpyrexie, Erschöpfung, Schlaf. Therapie: Akute Intoxikation: Zur Giftentfernung Magensonde einölen! Bei Krämpfen Diazepam, kurzwirkende Barbiturate i.v., Phenobarbital. Bei positivem Physostigmintest Physostigminsalicylat, u. U. Atemhilfe. Bei Hyperpyrexie Kühlung durch nasse Tücher und Föngebläse. Bei Psychopharmakaentzug: Gegengift Physostigmin (1/2 Amp. i.m.), bei bedrohlichen tachykarden Herzrhythmusstörungen, Erregungszuständen, Angst bzw. Schlafstörungen, Depressionen und Selbstmordphantasien. Viel körperliche Bewegung und täglich 2 Liter Flüssigkeit zur Entgiftung. Kohlehydratreiche Ernährung.
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Drogen
Baclofen
III–3.3
Baclofen Synonyma: Y-Amino-ß-(4-chlorphenyl)-buttersäurehydrochlorid; chlorid, 4-Amino-3-(4-chlorphenyl)-Buttersäure
4-Amino-2-(p-chlorphenyl)-buttersäure-hydro-
Chemische Formel: C i n H i a Cl 2 NO 2 1 0
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Beschaffenheit: MG: 250,14 Vorkommen: Baclofen AWD® Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden Baclofen-ratiopharm® Tabletten, ratiopharm LEBIC® Tabletten, Alpharma-ISIS Lioresal® Intrathecal Injektions-/Infusionslösung, Novartis Pharma / DuPont Pharma Lioresal® Tabletten, Novartis Pharma / DuPont Pharma Verwendung: Das Muskelrelaxans wird von Neurologen gegen Spastizität der Skelettmuskulatur als Folge von apoplektischen Insulten mit Paraplegie oder Paraparese und bei Rückenmarkserkrankungen wie Multiple Sklerose angewendet, um den Muskeltonus zu senken. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Baclofen ist mit der gamma-Aminobuttersäure (GABA) chemisch verwandt. Diese Substanz wirkt als inhibitorisch wirkende Transmittersubstanz im ZNS und hemmt außerdem die mono- und polysynaptische Reflexleitung auf spinaler Ebene. Mitte der 70er Jahre wurden erfolgreiche Behandlungsversuche bei Schizophrenie beschrieben. Kontrollierte Studien bestätigten diese günstigen Effekte jedoch nicht. Mit Baclofen zusammen benötigt man bedeutend geringere Alkoholmengen als gewöhnlich, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Bei drei Patienten eines Provinzkrankenhauses in Schweden (Vasteras) wurde der eindeutige Mißbrauch von Baclofen nachverfolgt; er hatte zu Persönlichkeitsveränderungen geführt, die in zwei Fällen zur Verdachtsdiagnose einer manischen Psychose geführt hatten, und doch eindeutig auf den Baclofen-Mißbrauch zurückgingen. Wechselwirkungen: Mit anderen Muskelrelaxanzien oder zentralsedierenden Medikamenten: gegenseitige Wirkungsverstärkung, insbesondere bei gleichzeitigem Alkoholgenuß. Rauschmittel-Abhängigkeit. Mit Antihypertensiva: verstärkte Blutdrucksenkung.
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III–3.3
Baclofen
Drogen
Toxizität: LD 50 intraperitoneal Maus: 1200 mg/kg Dosen bis 150 mg werden toleriert, ab 500 mg Krämpfe, Koma, eine Vergiftung mit 1500 mg wurde überlebt. Symptome und klinische Befunde: Baclofen vermag Euphorie zu erzeugen. Entzugssymptomatik, Halluzinationen und Verwirrtheit sowie Leberfunktionsstörungen gehören zu seinen anerkannten Störwirkungen. Drogenabhängige wenden Baclofen an, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Nachweis: DC, GC Therapie: Nach Verschlucken Kohle-Pulvis (10 g) oral, evtl. Magenspülung. Beatmen. Bei anticholinerger Wirkung Antidot Physostigmin (Anticholium®). Kontrolle der Blutgerinnung und der Leberwerte. Nach drei Tagen Kontrolle der Nierenwerte. Bei Rauschmitteln steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmißbrauch führten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen. Besonderheiten: Das verschreibungspflichtige Medikament wird in Schweden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Man zahlt bis zu 40 Kronen (11,50 DM).
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Drogen
Barbital
III–3.3
Barbital Synonym: 5,5-Diethyl-barbitursäure Chemische Formel:
Vorkommen: Seit 1903 als Schlafmittel im Handel; z.Zt. keine deutschen Präparate, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Halbwertzeit 2 Tage (bei Vergiftg.). 3 3 % werden unverändert über den Urin ausgeschieden, Spuren werden auch noch nach 16 Tagen nach einer einmaligen Dosis im Urin gefunden. Toxizität: Letale Dosis 2 g (90 ml/l Serumkonz.), jedoch wurden 22 g mit Therapie überlebt (Serum 500 mg/l, Urin 240 mg/l, Yatzidis). Es wurden Serumkonzentrationen bis 1202 mg/l überlebt. Symptome: Koma, Miosis (Anisocorie), Atemdepression, Schock, Herzrhythmusstörungen. Nachweis: DC, GC, UV Therapie: Beatmung; Magenspülung, Kohle-Pulvis, Natriumsulfat; Hämodialyse, Hämoperfusion; alkalisierende forcierte Diurese; Plasmaexpander im Schock; weiter siehe Barbiturate. Bei Schlafmittelabhängigkeit kann der Entzug mit einem lebensbedrohlichen Entzugskrampf beginnen, der nicht verhindert werden kann (nicht durch Ausschleichen, nicht durch Antiepileptika). Beim anschließenden Delir ist eine stationäre Beobachtung nötig, wegen Gefahr der Selbstbeschädigung und evtl. Selbstmordgefahr. Dann Wiedererlernen einer regelmäßigen Schlafzeit ohne jegliche Chemikalien. Viel Trinken (Obstsäfte) und Kohlehydrate (Zucker) zur Entgiftung. Amalgam-Antidot DMPS.
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Drogen
Benzodiazepinderivate
III–3.3
Benzodiazepinderivate Vertreter und Synonyme: Bromazepam: Chlordiazepoxid: Clobazam: Clonazepam: Clotiazepam: Diazepam: Dikaliumchlorazepat: Flunitrazepam: Flurazepam: Lorazepam: Lormetazepam: Medazepam: Nitrazepam: Opipramol: Oxazepam: Prazepam: Temazepam: Tetrazepam: Triazolam:
7-Brom-5-(2-pyridyl)-lH-l,4 benzodiazepin-2(3H)-on 7-Chlor-2-methylamino-5-phenyl-3H-l,4- benzodiazepin-4-oxid 7-Chlor-l-methyl-5-phenyl-l H-l,5-benzodiazepin-2,4(3H,5H)-dion 5-(4-Chlorphenyl)-7-nitro-lH-l,4-benzodiazepin-2(3H)- on 5-(2-Chlorphenyl)-7-ethyl-l-methyl-l H-thieno[2,3-e][l,4]diazepin-2(3H)-on 7-Chlor-l,3-dihydro-l-methyl-5phenyl-2H-l,4-benzodiazepin 2 7-Chlor-2,3-dihydro-2,2-dihydroxy-5-phenyl-lH-l,4-benzodiazepin-3-carbonsäure, Dikaliumsalz 5-(2-Fluorphenyl)-l-methyl-7-nitro-lH-l,4- benzodiazepin-2(3H)-on 7-Chlor-l-2-(diethylamino)ethyl-5-(2-fluorphenyl)lH-l,4-benzodiazepin-2(3H)-on 7-Chlor-5-(2-chlorphenyl-3-hydroxy-lH-l,4-benzodiazepin- 2(3H)-on (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-3-hydroxy-l-methyl-l H- 1,4-benzodiazepin2(3H)-on 7-Chlor-2,3-dihydro-l-methyl-5-phenyl-lH-l,4-benzodiazepin l,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl-2H-l,4 benzodiazepin-2-on 2-{4-[3-(5H-Dibenz[b,f]azepin-5-yl)propyl]-l-piperazinyl} ethanol 7-Chlor-l,3-dihydro-3-hydroxy-5-phenyl-2H-l,4- benzodiazepin-2-on 7-Chlor-l-(cyclopropylmethyl)-5-phenyl-lH-l,4- benzodiazepin-2(3H)-on 7-Chlor-3-hydroxy-l-methyl-5-phenyl-l H- l,4-benzodiazepin-2(3H)-on 7-Chlor-5-(l-cyclohexenyl)-l-methyl-l H-l,4-benzodiazepin-2(3H)-on 8-Chlor-6-(2-chlorphenyl)-l-methyl-4H-l,2,4-triazolo[4,3-a][l,4]benzodiazepin
Chemische Formel:
Beschaffenheit: 2-Keto-Abkömmlinge: Diazepam-Prototyp der Benzodiazepine der 2-Keto- Kategorie 3-Hydroxy-Abkömmlinge: Prototyp-Oxazepam 7-Nitro-Abkömmlinge: Prototyp-Clonazepam Chlordiazepoxid: strukturell einzigartig, weist einen 2-Methyl-Amino- und einen 5-Nitro-Substituenten auf. Vorkommen: Bromazepam: Bromaz 6-1A Pharma Tabletten, 1A Pharma Bromazanil® 3/6 Tabletten, Hexal/Neuro Hexal bromazep® 6 von et Tabletten, et-Arzneimittel Bromazepam 6 Heumann Tabletten, Heumann Bromazepam AL 6 Tabletten, Aliud Pharma Bromazepam beta 6 Tabletten, betapharm Bromazepam-neuraxpharm® 6 Tabletten, neuraxpharm
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Benzodiazepinderivate
durazanil® 6 Tabletten, Merck dura Gityl® 6 Tabletten, Krewel Meuselbach Lexostad® 6 Tabletten, Stada Bromazepam-ratiopharm 6 mg Tabletten, ratiopharm Lexotanil® 6 Tabletten, Roche neo OPT® Tabletten, Optimed Normoc® Tabletten, Merckle Chlordiazepoxid: Multum® 5 / - 1 0 / - 2 5 Tabletten, Rosen Pharma Radepur® 10 Dragees, Arzneimittelwerk Dresden Librium Tabs Filmtabletten, ICN Clobazam: Frisium® 10/20 Tabs Tabletten, Aventis Pharma Clonazepam: Antelepsin® 0,25/-l Tabletten, Desitin Rivotril® Injektionslösung und Verdünnungsmittel, Roche Rivotril® Lösung, Roche Rivotril® Tabletten 0,5 mg/2 mg, Roche Clotiazepam: Diazep 5 mg/10 mg AbZ Tabletten, Ampullen Injektionslsg., Tropfen, AbZ Pharma Diazepam: diazep 2/5/10 von et Tabletten, ct-Arzneimittel Diazepam 5 Stada® 7-10 Stada Tabletten, Stada Diazepam Desitin® Injektionslösung 10 mg, Desitin Diazepam Desitin® rectal tube 5 mg/10 mg Lösung, Desitin Diazepam®-Lipuro Emulsion zur Injektion, B/Braun Diazepam-ratiopharm® 5/-10 Zäpfchen, ratiopharm Diazepam-ratiopharm® Injektionslösung, ratiopharm Diazepam-ratiopharm® Tabletten, ratiopharm Diazepam-ratiopharm® Tropfen, ratiopharm diazep von et Ampullen Injektionslösung, ct-Arzneimittel Faustan® 5 Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden/Temmler Pharma Faustan® Injektionslösung, Arzneimittelwerk Dresden/Temmler Pharma Faustan® Suppositorien, Arzneimittelwerk Dresden/Temmler Pharma Lamra® 10 mg Tabletten, Merckle Stesolid® Emulsion zur Injektion 5 mg/ml, DUMEX Stesolid® Rectal Tube 5 mg/10 mg, DUMEX Tranquase® 5/-10 Tabletten, Azupharma Valiquid® 0,3 Tropfen, Roche Valium® 2/5/10 Roche Tabletten, Roche Valium® 10 Roche Injektionslösung, Roche Valium® MM Roche Injektionslösung, Roche Valocordin-Diazepam Tropfen, Krewel Meuselbach Dikaliumclorazepat: Tranxilium® 5/10/20 Kapsel, Sanofi Synthelabo Tranxilium® 50 Filmtabletten, Sanofi Synthelabo
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Drogen
Benzodiazepinderivate
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Tranxilium® Injizierbar 50 mg/100 mg Trockensubstanz und Lösungsmittel zur i.v. und i.m. Injektion, Sanofi Synthelabo Tranxilium® Tabs Filmtabletten, Sanofi Synthelabo Flunitrazepam: Fluni 1-1A Pharma Tabletten, 1A Pharma Flunimerck® 1 mg Tabletten, Merck dura Fluninoc® 1 Tabletten, Hexal/Neuro Hexal Flunitrazepam-neuraxpharm® 1 Tabletten, neuraxpharm Flunitrazepam-ratiopharm® 1 Tabletten, ratiopharm Flunitrazepam-TEVA Tabletten, TEVA Generics Rohypnol® 1 Filmtabletten, Roche Rohypnol® Lösung + Verdünnungsmittel, Roche Flurazepam: Dalmadorm® Lacktabletten, ICN Flurazepam® 15/30 Riker Kapseln, 3M Medica Staurodorm® Neu Tabletten, Dolorgiet Lorazepam: duralozam® 1,0/2,5 Tabletten, Merck dura Laubeel® 1,0/2,5 Tabletten, Desitin Lorazepam-neuraxpharm® l/-2,5 Tabletten, neuraxpharm Lorazepam-ratiopharm 1/2,5 Tabletten, ratiopharm Somagerol® 1,0/2,5 Tabletten, Riemser Tavor® 0,5/1,0/2,5 Tabletten, Wyeth Tavor® l,0/-2,5 Expidel lyophilisierte Plättchen, Wyeth Tavor® pro injectione 2 mg Lösung zur i.m. Injektion und i.v. Injektion/Infusion nach Verdünnung, Wyeth Tavor® Tabs 2,0 Tabletten, Wyeth Tolid® 1,0/2,5 Tabletten, Dolorgiet Lormetazepam: Ergocalm 1,0 Tabletten, Teofarma Ergocalm 2,0 Tabs Tabletten, Teofarma Loretam 0,5/-l,0/-2,0 Weichgelatinekapseln, ICN Lormetazepam AL 1/2 Tabletten, Aliud Pharma Lormetazepam-ratiopharm 0,5/1,0/2,0 Tabletten, ratiopharm Lormetazepam-TEVA 1/2 Tabletten, TEVA Generics Noctamid -0,5/-l/-2 Tabletten, Schering/Asche Medazepam: Medazepam AWD Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden/Temmler Pharma Rudotel Tabletten, OPW Nitrazepam: Dormalon Nitrazepam Tabletten, Pharma Wernigerode Dormalon Nitrazepam Tropfen, Pharma Wernigerode DORMO-PUREN Tabletten, Alpharma-Isis Eatan N Tabletten, Desitin imeson Tabletten, Taurus Pharma Mogadan Tabletten, ICN nitrazep 5 von et Tabletten, ct-Arzneimittel
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Benzodiazepinderivate
Nitrazepam AL 5/-10 Tabletten, Aliud Pharma Nitrazepam-neuraxpharm 5/-10 Tabletten, neuraxpharm Novanox/-forte Tabletten, Pfleger Radedorm 5 Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden Opipramol: Insidon Dragees, Novartis Pharma Oxazepam: Adumbran forte Tabletten, Boehringer Ingelheim Adumbran Tabletten, Boehringer Ingelheim Azutranquil Tabletten, Azupharma durazepam/forte Tabletten, Merck dura Mirfudorm 10 Tabletten, Merckle Noctazepam Tabletten, Hexal/Neuro Hexal oxa 10/-50 von ct Tabletten, ct-Arzneimittel Oxazepam 10 Stada Tabletten, Stada Oxazepam AL 10 Tabletten, Aliud Pharma Oxazepam-neuraxpharm 10 Tabletten, neuraxpharm Oxazepam-neuraxpharm 50 Tabletten, neuraxpharm Oxazepam-ratiopharm 10/50 Tabletten, ratiopharm Oxazepam retard-ratiopharm 30 Retardkapsel, ratiopharm Praxiten /-10/-forte Tabletten, Teofarma Sigacalm forte Tabletten, Dumex Sigacalm Tabletten, Dumex Uskan 10/-20 Tabletten, Desitin Prazepam: Demetrin Tabletten, Parke-Davis Mono Demetrin Tabletten, Parke-Davis Temazepam: Norkotral Tema Kapseln, Desitin Planum/-mite Kapseln, Pharmacia Pronervon T 10 / T 20 Kapseln, Scheffler Remestan / -mite Kapseln, ICN temazep 10/-20 von ct Kapseln, ct-Arzneimittel Tetrazepam: Mobiforton Filmtabletten, Sanofi Synthelabo Musapam Tabletten, Krewel Meuselbach Musaril Filmtabletten, Sanofi Synthelabo Musaril primo Filmtabletten, Sanofi Synthelabo Muskelat Tabletten, Azupharma Myospasmal Tabletten, TAD Pharma Rilex Tabletten, Lindopharm Tethexal Filmtabletten, Hexal Tetramdura Filmtabletten, Merck dura Tetra-saar Tabletten, Chephasaar Tetrazepam-ratiopharm Filmtabletten, ratiopharm tetrazep von ct Tabletten, ct-Arzneimittel Tetrazep-1A Pharma Tabletten, 1A Pharma
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Drogen
Benzodiazepinderivate
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Tetrazep 50 mg AbZ Filmtabletten, AbZ-Pharma Tetrazepam 50 Heumann Tabletten, Heumann Tetrazepam AL 50 Tabletten, Aliud Pharma Tetrazepam beta Tabletten, betapharm Tetrazepam-neuraxpharm Tabletten, neuraxpharm Tetrazepam Stada Filmtabletten, Stada Tetrazepam-TEVA Filmtabletten, TEVA Generics Verwendung: Therapeutische Zur Zur Zur Zur
Anwendung:
Therapie von Schlafstörungen anxiolytischen Therapie Therapie des Status epilepticus und akuter Enzugssyndrome Narkoseprämedikation
Mißbrauch: Meist Schlucken in kleinen Dosen zur Beruhigung; Konsum zur Selbstbehandlung bei Mißbrauch von Stimulanzen und anderen Drogen, auch i.v., verschreibungsfähiges Betäubungsmittel Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepine werden gut und schnell resorbiert. Die höchste Serumkonzentration ist 1-2h (Diazepam 4 h) nach oraler Gabe erreicht. Eine Einteilung der Benzodiazepine nach dem pharmakokinetischen Parameter der Eliminationshalbwertszeit bietet sich an in – langwirkende Benzodiazepine: Halbwertszeit 24 h, z.B. Chlordiazepoxid, Diazepam, Dikaliumchlorazepat, Prazepam – mittellangwirkende Benzodiazepine: Halbwertszeit 6-24 h, z.B. Bromazepam, Lorazepam, Oxazepam, Nitrazepam, Flunitrazepam – kurzwirkende Benzodiazepine: Halbwertszeit 2-5 h, z.B. Midazolam, Triazolam. Das Ausmaß der Bindung an Plasmaalbumin variiert in Abhängigkeit von der Lipidlöslichkeit der Derivate. Je lipophiler das Benzodiazepin, desto größer das Verteilungsvolumen, desto umfangreicher wird die Substanz in das periphere Fettgewebe »wegdiffundieren«. Diazepam ist von allen Benzodiazepamderivaten die lipophilste Substanz und weist deshalb ein großes Verteilungsvolumen auf. Durch die raschen Verteilungsvorgänge mit entsprechendem Konzentrationsabfall am Rezeptor ließe sich möglicherweise das Diazepamparadoxon erklären: relativ kurze Wirkdauer nach Einmalgabe trotz längerer Halbwertszeit. Somit bestimmen überwiegend die Verteilungsvorgänge die Wirkdauer und nicht so sehr die Eliminationsvorgänge.
Abb. 1: Korrelation zwischen der Plasmahalbwertszeit und dem Lebensalter eines Patienten. Hier am Beispiel der Einnahme von Diazepam.
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Benzodiazepinderivate
Drogen
Die metabolische Inaktivierung erfolgt im endoplasmatischen Retikulum in der Leber. Zahlreiche Benzodiazepine werden oxidativ (insbesondere N-Demethylierung oder Hydroxylierung) abgebaut. Häufig führt der Oxidationsprozeß zu pharmakologisch aktiven Substanzen. Dies wird besonders deutlich beim Chlordiazepoxid, das wenigstens zwei, und beim Diazepam, das im wesentlichen einen aktiven Metaboliten (Desmethyldiazepam) aufweist. Zwei Benzodiazepine – Chlorazepat und Prazepam – sind »Vorläufer« der eigentlich wirksamen Substanz: Sie werden überwiegend, wenn nicht gar vollständig, zu Desmethyldiazepam umgewandelt, bevor sie den großen Kreislauf erreichen. Ebenso ist Flurazepam ein »Vorläufer« der eigentlich wirksamen Substanz Alkylflurazepam. Innerhalb dieser Gruppe schwanken die Eliminationshalbwertszeiten erheblich. Außerdem ist zu beachten, daß die oxidativen Abbauwege durch Faktoren wie Alter, Lebererkrankungen und Gabe von oxidationsfördernden und -hemmenden Arzneimitteln beeinflußt werden. Benzodiazepine, deren metabolischer Abbau durch Konjugation erfolgt, weisen keine aktiven Metabolite auf. Die klinische Wirkung ist also an die Ausgangssubstanz gebunden. Die Eliminationshalbwertszeiten liegen im kurzen bis mittellangen Bereich. 7-Nitro-Derivate (z.B. Nitrazepam, Clonazepam) werden zu 7-Amino-Abkömmlingen abgebaut. Anschließend erfolgt eine Acetylierung zu 7-Acetamido-Analogen. Beide Metaboliten sind pharmakologisch inaktiv. Die Elimination von Flunitrazepam ist komplizierter, da diese Substanz gleichzeitig durch oxidative Stickstoff-Demethylierung zu Desmethyl-Flunitrazepam und durch Nitro-Reduktion metabolisiert wird. Alle pharmakologischen und klinischen Wirkungen der Benzodiazepinderivate werden an einem für diese Substanzen spezifischen Rezeptorkomplex ausgelöst. Eine Aktivierung des Rezeptors durch Benzodiazepine hat nun keinen eigenen Effekt auf die neuronale Aktivität, sondern bewirkt nur eine Verstärkung GABAerger inhibitorischer Impulse, ausgelöst durch eine Freisetzung des inhibitorischen Transmitters GABA-Rezeptor des gehemmten Neurons. Die molekularbiologischen Verhältnisse ähneln denen der Opiatrezeptoren; es sind zwar noch keine endogenen Liganden identifiziert, es gibt aber bereits kompetitive Benzodiazepin-Antagonisten. Die Benzodiazepine unterscheiden sich deutlich in ihrer Affinität zu dem Rezeptor, was für die jeweilige Dosis der einzelnen Substanzen eine Rolle spielt, für die klinische Anwendung ist ein Vor- oder Nachteil hoher oder niedriger Rezeptoraffinität nicht bekannt. Die neuropharmakologischen Eigenschaften der Benzodiazepine sind sehr ähnlich. Sie wirken grundsätzlich in steigender Dosierung angstlösend, sedativ-schlaffördernd, antikonvulsiv und muskelrelaxierend. Für die entsprechenden sedativen und anxiolytischen Effekte während der Applikation und für das Anhalten der Wirkung nach Beendigung der Therapie ist das Ausmaß der Benzodiazepinakkumulation verantwortlich. Bei Benzodiazepinen kurzer Halbwertszeit ist die Akkumulation gering, es dürfen keine kumulativen Sedierungseffekte auftreten; es kann aber durch die rasche Elimination der aktiv wirksamen Substanzen nach der letzten Dosis ein Rebound-Phänomen ausgelöst werden, das von folgenden Symptomen begleitet wird: Angstzustände, Schwindel, Schwächegefühl, vorübergehende Schlafstörungen. Bei Benzodiazepinen mit langer Halbwertszeit erfolgt die Akkumulation langsamer und ausgiebig. Es kann zu kumulativ sedativen Wirkungen kommen, zu »Hang over«-Effekten, die sich in Schläfrigkeit, Verschlechterung von intellektuellen und motorischen Leistungen sowie verlängerter Reaktionszeit äußern. Es ist aber zu bedenken, daß partielle oder vollständige Adaptations- und Toleranzphänomene zum Tragen kommen, die eine eventuelle Übersedation ausgleichen können. Sowohl bei der akuten wie auch bei der Langzeitbehandlung mit Benzodiazepinen sind die Übergänge von medizinisch indiziert hin bis zum iatrogenen Mißbrauch fließend. Nicht nur die angeblich »zu Mißbrauch und Suchtverhalten disponierte Risikopersönlichkeit«, sondern auch der eigentlich ungefährdete »Entlastungskonsument« kann ganz unauffällig in eine psychophysische Gewöhnung geraten. Der klassische Mißbrauch von Benzodiazepinen, also die Einnahme von Benzodiazepinen wegen zusätzlicher psychotroper Effekte, z.B. im Sinne von Euphorisierung, kommt zwar vor, ist aber nicht sehr häufig. Dies gilt allerdings nur für den isolierten Benzodiazepinmißbrauch (primärer Benzodiazepinmißbrauch). Beim kombinierten Medikamentenabusus oder bei Alkoholikern treten solche zusätzlichen Wirkungen offensichtlich häufiger auf, und die Kombination von Benzodiazepinen mit anderen Medikamenten und vor allen Dingen mit Alkohol ist relativ häufig (sekundärer Benzodiazepinmißbrauch). Diese Patienten sind primär meist nicht benzodiazepinabhängig, sondern abhängig von Alkohol oder anderen Medikamenten, z.B. Barbituraten.
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Benzodiazepinderivate
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Abb. 2: Vorteile und Nachteile der Wahl von Benzodiazepinen kurzer Eliminationshalbwertszeit für die Indikation Schlafstörungen und deren Verschiebung beim Ausweichen auf Benzodiazepine mit längerer Verweildauer im Organismus
Große Eliminationshalbwertszeit – Entzugssymptome erst nach einigen Tagen* Auch Patienten, die über längere Zeit nur mit therapeutischen Dosen von Benzodiazepinen behandelt wurden, können beim abrupten Absetzen der Therapie mit somatischen Entzugssymptomen reagieren. Da das Auftreten solcher Entzugssymptome mit dem Absinken der jeweiligen Plasmaspiegel korreliert ist, können solche Entzugssymptome bei Benzodiazepinderivaten mit sehr langen Eliminationshalbwertszeiten (z.B. Diazepam) mit einer Latenz von einigen Tagen auftreten, woran im Einzelfall bei der diagnostischen Abklärung einer solchen Symptomatik gedacht werden muß. Während die Eliminationshalbwertszeit sonst für die meisten Indikationen der Benzodiazepine keine direkte Bedeutung hat und sich, wie schon erwähnt, nur in unterschiedlichen Tagesdosen und unterschiedlichen Dosierungsintervallen niederschlägt, wissen wir heute, daß die Eliminationshalbwertszeit bei der Auswahl einzelner Benzodiazepinderivate als Hypnotika eine wichtige Rolle spielen kann. Es gibt heute viele Hinweise dafür, daß bei einem Teil der Patienten die hypnotische Wirkung der Benzodiazepine nach einiger Zeit so weit nachgelassen hat, daß der Patient Benzodiazepine eigentlich nur noch deshalb nimmt, um die durch ein Absetzen der Substanzen bedingte Rebound-Schalflosigkeit zu bekämpfen. Darüber hinaus gibt es Hinweise, daß es unter langfristiger Therapie mit Benzodiazepinhypnotika sogar zu einer Verschlechterung der Schlaflosigkeit unter den Ausgangszustand kommen kann. Die zehn Gebote der Benzodiazepin-Verordnung* 1) sorgfältige Indikationsstellung (nur in Ausnahmesituationen bzw. wenn das ärztliche Gespräch nicht ausreicht) 2) keine Verschreibung bei Abhängigkeitsanamnese 3) kleinste Packungseinheit verordnen 4) möglichst niedrige Dosis verordnen 5) von Beginn an Therapieende festlegen 6) möglichst bald Dosis schrittweise reduzieren 7) Dosis- und Indikations-Richtlinien strikt beachten 8) Aufklärung des Patienten über Nichtweitergabe des Medikaments 9) Abhängigkeitsfälle an Arzneimittelkommission melden 10) Benzodiazepinrezepte eigenhändig ausfertigen Oswald riet zu Substanzen mit einer HWZ von acht bis zehn Stunden. Noch längere Eliminationszeiten hätten wiederum ein zu großes Kumulationsrisiko und seien nur für wenige Indikationen sinnvoll.
* Quelle: Müller, W.G.; Dt. Apoth. Ztg., 18/1991, S. 885-889 * Quelle: Ärztl. Prax. Nr. 61 (1989), S. 2102 Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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Benzodiazepinderivate
Drogen
Neben diesen Begriffen der primären und sekundärer Abhängigkeit kann man hinsichtlich der Entstehungsbedingungen, der Erscheinungsformen, des Verlaufs und der Prognose zwei weitere Abhängigkeitsgruppen am Benzodiazepinbeispiel unterscheiden: 1. Die relativ seltene Hochdosis-Abhängigkeit, charakterisiert durch die mißbräuchliche Einnahme therapeutisch unüblicher, exzessiver Dosen bei meist bestehender Polytoxikomanie und primärer Abhängigkeitsdisposition, ausgeprägtem Neurotizismus, sozialer Desintegration und eher schlechter Prognose. 2. Die wesentlich häufigere Niedrigdosis-Abhängigkeit, charakterisiert durch Absetzschwierigkeiten infolge des Auftretens von Rebound-Phänomenen (es können auch Entzugssymptome wie Ohrensausen, unwillkürliche Bewegungen, Parästhesien und Wahrnehmungsstörungen vorkommen) nach Langzeittherapie und durchaus ambulanzüblichen Dosen, Symptomfreiheit bei Weiterführung der Therapie, daraus resultierende mangelnde spontane Bereitschaft des Patienten, auf die Einnahme zu verzichten, in aller Regel dennoch erhaltene Einsicht und Motivierbarkeit zu einer Beendigung der Therapie und gute Prognose. Die Wirkung zahlreicher Pharmaka, speziell Alkohol, Hypnotika, aber auch Analgetika und Stimulantien wird durch Benzodiazepine verstärkt. Benzodiazepine verstärken den hemmenden Effekt von y-aminobuttersäure auf Nervenzellen Die Benzodiazepine wirken im zentralen Nervensystem (und nur dort wirken sie) über einen Angriff an für diese Substanzen spezifischen Haftstellen. Diese Benzodiazepinrezeptoren sind Teil einer multifunktionellen Einheit, die postsynaptisch innerhalb von Synapsen lokalisiert ist, an denen der inhibitorische Neurotransmitter 8-aminobuttersäure (GABA) freigesetzt wird. Über eine Bindung an den Benzodiazepinrezeptor fascillisieren Benzodiazepine den hemmenden Effekt von GABA auf Nervenzellen. Benzodiazepine verstärken damit die Effektivität des wichtigsten Bremsmechanismus unseres zentralen Nervensystems, nämlich die GABAerge Neurotransmission. Rezeptoraffinität der Benzodiazepine unterschiedlich Auf dieser Ebene wirken alle bis heute bei uns im Handel befindlichen Benzodiazepinderivate qualitativ gleich. Sie unterscheiden sich allerdings sehr deutlich im Hinblick auf die Affinität, mit der sie an den Benzodiazepinrezeptor binden. Das heißt, vom einen Derivat wird nur eine sehr geringe Konzentration benötigt, um ein gewisses Ausmaß an Rezeptorbesetzung zu erreichen, während man von der anderen Verbindung eine wesentlich höhere Konzentration benötigt, um das gleiche Ausmaß zu erreichen. Diese unterschiedliche Affinität zum Benzodiazepinrezeptor schlägt sich sehr deutlich in der unterschiedlichen täglichen Dosis nieder, die man von den einzelnen Benzodiazepinderivaten zum Erreichen einer bestimmten Wirkung benötigt. Mit Ausnahme dieser direkten Korrelation zur benötigten Dosis ist es pharmakologisch irrelevant, ob ein bestimmtes Benzodiazepinderivat eine hohe oder eine niedrige Affinität zum Rezeptor aufweist. Werbestrategien, die entweder eine besonders hohe oder eine besonders niedrige Affinität zum Benzodiazepinrezeptor als besonders wertvoll herausstellen, entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage. Hinweise auf eine Abhängigkeit können aus einem auffälligen Umgang der Patienten mit Benzodiazepinen gewonnen werden (z.B. Rezeptwiederholungen; telefonisches Erbitten von Rezepten; Schicken von Verwandten oder Bekannten; vage Beschwerden neuer Patienten, die auf der Verschreibung bestehen; gleichzeitiges Verschreiben durch mehrere Ärzte; ständige Mitführung der Tabletten, Vorratswirtschaft). Neben der psychischen Abhängigkeit in Form einer Fixierung auf oder sogar Gier nach dem gewünschten Mittel lassen sich vielfach Hinweise auf das Bestehen einer körperlichen Abhängigkeit finden. Darauf deuten chronische Intoxikationen (z.B. Stürze, Gang- oder Sprachstörungen, Wesensänderung), eine Toleranzentwicklung bezüglich der Dosis und Entzugserscheinungen hin. Milde Entzugserscheinigungen z.B. Angst, Unruhe, Schlafstörungen, Tremor, Schwitzen, Tachykardie treten unter Bedingung abrupten Absetzens immerhin bei ca. 50 % der Patienten auf. Schwere Entzugserscheinungen wie charakteristische perzeptuelle Störungen bis hin zu Entzugspsychosen (Delir, Halluzinationen) und cerebralen Krampfanfällen sollen entsprechend bei ca. 10-20 % der Patienten vorkommen.
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Tabelle 1: Die pharmakologischen Eigenschaften der Benzodiazepine als Grundlage ihrer therapeutischen Einsatzmöglichkeiten, aber auch als Grundlage der wichtigen unerwünschten Wirkungen. Alle hier beschriebenen Wirkungen und Nebenwirkungen werden über einen Angriff an zentralen Benzodiazepinrezeptoren ausgelöst und können daher durch einen Benzodiazepinrezeptorantagonisten (z.B. Flumazenil) terminiert werden. Pharmakologische Eigenschaften
Therapeutischer Einsatz
Unerwünschte Wirkungen
Sedativ, hypnotisch
Schlafstörungen Prämedikation in der Anästhesie
Antikonvulsiv
Zentral ausgelöste Krampfzustände Epilepsie Verschiedene Anwendungen in der Anästhesie Zentrale Spastik Muskelverspannungen Tetanus Angst- und Spannungszustände verschiedene Genese -
Amnestisch Zentral muskelrelaxierend Anxiolytisch
- Tagessedation - Schläfrigkeit Eingeschränkte Aufmerksamkeit
Amnesie (anterograd), z.B. bei der Anwendung als Hypnotikum Muskelschwäche, Ataxie Gangstörungen Atemdepression Gleichgültigkeit Realitätsflucht Affektabflachung
Wechselwirkungen: Gegenseitige Wirkungsverstärkung mit zentralwirksamen Pharmaka und Alkohol. Wirkungsverstärkung von Muskelrelaxanzien, Analgetika und Lachgas. Durch Cimetidin kann die Wirkung bestimmter Benzodiazepine durch verzögerten Abbau verstärkt und verlängert werden. Wechselwirkungen mit zentral wirkenden Antihypertonika, Betablockern und Antikoagulanzien möglich. Toxizität: Flunitrazepam (Rohypnol®) ist sehr toxisch (Todesfälle). Potenzierung von Alkohol. Entstehung einer Abhängigkeit weniger abhängig von der Halbwertszeit als von der persönlichen Disposition (Alkoholismus, endogene Dopaminkonzentration). Benzodiazepine allein sind als Mittel zum Suizid extrem selten (Dosiserhöhung bewirkt i.d.R. nur eine Wirkungsverlängerung). Bromazepam: LD,„ oral Ratte: 3 050 mg/kg er
50
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LD,„ oral Maus: 2 350 mg/kg er
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LD,„ intraperitoneal Maus: 550 mg/kg 50
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Chlorazepat: LD,„ oral Maus: 700 mg/kg er
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LD,„ intraperitoneal Maus: 290 mg/kg er
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Chlordiazepoxid: TDL0 oral Frau: 4 mg/kg LD,„ oral Ratte: 548 mg/kg er
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LD,„ intravenös Ratte: 165 mg/kg er
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Clonazepam: TDL 0 oral Maus: 3 300 ug/kg 0
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D a u n d e r e r – Klinische Toxikologie – 1 6 3 . Erg.-Lfg. 6/03
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Benzodiazepinderivate
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Diazepam: TDL0 intravenös Kind: 150 u,g/kg TDL 0 oral Mann: 143 ug/kg ö
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LD,„ oral Ratte: 710 mg/kg ey
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Flunitrazepam: LD,„ oral Ratte: 485 mg/kg 5U
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Flurazepam: TDL0 oral Mensch: 430 g/kg LD,„ oral Ratte: 1 300 mg/kg 5U
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Lorazepam: TDL0 oral Kind: 71 ig/kg LD,„ oral Ratte: 4 500 mg/kg 5U
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LD 50 oral Maus: 1 810 mg/kg Nitrazepam: LD,„ oral Ratte: 825 mg/kg 5U
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LD 50 intraperitoneal Ratte: 733 mg/kg LD 50 oral Maus: 1 800 mg/kg Cbcazepam: TDL 0 oral Kind: 8 mg/kg U
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TDL0 oral Maus: 16 mg/kg LD,„ oral Maus: 525 mg/kg 5U
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Prazepam: LD,„ intraperitoneal Maus: 1 020 me/ke 50
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Symptome und klinische Befunde: hang-over: Je nach den pharmakokinetischen Eigenschaften des gewählten Präparates und der Disposition des Patienten (z.B. Alter, Leberzirrhose) kann am Tag noch eine mehr oder weniger ausgeprägte sedierende oder anxiolytische Wirkung des Präparates bestehen. Diese kann therapeutisch nutzbar oder für den täglichen Ablauf des Patienten störend sein. Rebound-Schlaflosigkeit: Nach kurzfristiger, unter Umständen sogar nur einmaliger Behandlung, vor allem aber nach monatelanger oder jahrelanger Gabe von Benzodiazepinen sind nach Absetzen der Präparate nach Tagen bis Wochen sehr starke Schlafstörungen im Sinne von hyposomnischen Syndromen zu beobachten. Diese verführen den Patienten immer wieder zur Einnahme von Schlafmitteln. Dosissteigerung: Nach 3-6 Wochen ist auch bei Benzodiazepinen eine Wirkungsabnahme zu beobachten, die häufig zur Steigerung der Dosis führt. Mißbrauch: Von der Dosissteigerung bis zur mißbräuchlichen Verwendung bestehen fließende Übergänge.
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Benzodiazepinderivate
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Abhängigkeit: Entzugssymptome körperlicher, vor allem psychischer Art werden beschrieben. Sie reichen von deliranten bis zu paranoid-halluzinatorischen Symptomen bzw. zu Entzugskrampfanfällen. Schon geringe Dosen können ohne Dosissteigerung zur Abhängigkeit führen (Niedrigdosis-Abhängigkeit). Polytoxikomanie: Benzodiazepine werden oft im Zusammenhang mit anderen Suchtmitteln, vor allem aber mit Alkohol angewandt, insbesondere bei allen Drogenabhängigen, Fixern. Neurologische und psychische Symptome: Hier ist vor allem auf die anterograde Amnesie hinzuweisen; die Patienten haben am nächsten Tag keine Erinnerung mehr an den Zeitraum zwischen Tabletteneinnahme und Einschlafen. Deswegen sollten Benzodiazepine nur unmittelbar vor dem Einschlafen eingenommen werden. – Bei akuter Intoxikation: Schläfrigkeit, Muskelhypotonie (Zurückfallen des Zungengrundes kann zur Erstickung führen!), Schwindel, Ataxie, verwaschene Sprache, Schock, Atemdepression, Atemstillstand. – Chronischer Gebrauch: Die Abhängigkeit äußert sich im Auftreten von Entzugserscheinungen: ca. 10 Tage nach dem Absetzen können folgende Symptome auftreten: Rebound: Angst, Schlafstörungen Leichte Syndrome: Tremor, Tachykardie, Schwitzen Spezifische Syndrome: sensorische Perzeptionsstörungen, Depersonalisation, Derealisation, Fahrigkeit, Zerstreutheit Schwere Syndrome: Delir, Anfälle, Psychosen, epileptiforme Krämpfe. Sie dauern 2-4 Wochen an. Säuglinge hochgradig Benzodiazepin-abhängiger Mütter (Benzodiazepine) gehen in beträchtlichem Ausmaß in den fötalen Kreislauf und die Mutermilch über) können ein sogenanntes »floppy infant«-Syndrom (Muskelrelaxation und Hypotonie, Atem- und Saugstörungen, Hypothermie) entwickeln, ebenso sind ausgeprägte vegetative Entzugssymptome (Tremor, Hyperreflexie, Durchfall, Erbrechen, Tachypnoe) bei plötzlichem Absetzen beobachtet worden. Im Vordergrund der somatischen Entzugsbeschwerden stehen Schlafstörungen (100 % ) , Schwitzen (95 % ) , Tremor (90 % ) , Kopfschmerzen und Herzklopfen (75 %) sowie Schwindelgefühle (60 %) und abdominale Beschwerden (ca. 50 % ) . Bei den psychischen Entzugssymptomen fallen besonders die Agitiertheit (95 % ) , depressive Verstimmung (80 % ) , Konzentrationsstörungen (80 % ) , Gedächtnisstörungen (50 %) und Angstgefühle (70 %) bis hin zu panikartigen Ängsten (30 %) ins Gewicht. Benzodiazepin-Mißbrauch und -Abhängigkeit: Definition* Auf der Grundlage des Klassifikationssystems DSM-III-R der American Psychiatric Association ist ein Benzodiazepin-Mißbrauch anzunehmen, wenn folgende Faktoren gegeben sind: – Unfähigkeit, die Dosis zu reduzieren oder abzusetzen; Intoxikation am Tage: häufige Anwendung eines Äquivalents von 60 mg Secobarbital oder mehr bzw. 60 mg Diazepam oder mehr: Amnesien für Ereignisse während der Intoxikation; – Einschränkung der sozialen und beruflichen Anpassung durch die Substanzanwendung (z.B. Streit, Verlust der Freunde, Fortbleiben von der Arbeit, Verlust der Anstellung) oder strafrechtliche Schwierigkeiten (außer einmaliger Haft wegen Besitz, Erwerb oder Verkauf der Substanz); – Dauer der Störung mindestens einen Monat. Von einer Benzodiazepin-Abhängigkeit darf laut DSM-III-R erst gesprochen werden, wenn es: – zu einer Toleranzentwicklung gekommen ist, d. h. ein Bedürfnis nach wesentlich gesteigerten Substanzmengen besteht, um die gewünschte Wirkung zu erreichen, oder wenn diese Substanzen bei regelmäßigem Gebrauch der gleichen Menge vermindert wirken; – Entzugssymptome nach Absetzen oder Dosisreduktion aufgetreten sind. Ging man früher noch davon aus, daß nur hohe Benzodiazepin-Dosen zur Abhängigkeit führen können, * Quelle: SOYKA M . ; Nervenarzt, 59 (1988), S. 744-748
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Benzodiazepinderivate
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weiß man heute, daß eine derartige Entwicklung bereits in niedrigen oder therapeutischen Dosen möglich ist. PETURSSON u. LADER prägten den Begriff low dose dependency oder normal dose dependency. Die Niedrig- oder Normaldosisabhängigkeit verläuft oft bis zu mehreren Jahrzehnten lang ohne Progressionstendenz. Übergänge zu einer Hochdosisabhängigkeit sind möglich. Nachweis: G C , H P L C , Spektrofluorimetrie, R I A , Emit Diagnostik einer Abhängigkeit mit dem spezifischen Benzodiazepin-Antagonisten Flumazenil (Anexate®, 0,3-1 mg i.v.) Therapie: Spricht ein schwer sedierter oder komatöser Patient mit einer Medikamentenvergiftung nicht innerhalb von etwa 40 Sekunden auf den Benzodiazepinantagonisten Flumazenil an, sind auch andere Drogen als Benzodiazepine an dem klinischen Bild beteiligt. Schnellentzug In unserer toxikologischen Praxis hat sich in über 200 Fällen eine Schnellentgiftung mit dem Benzodiazepinantagonisten Flumazenil (Anexate®) bewährt. Nach ausführlicher Aufklärung über die Symptome eines Benzodiazepinentzugs [Unruhe, Angst, Schlafstörungen] enthält der Patient 0,5 mg (1/4 Ampulle) Anexate® langsam intravenös. Die gleiche Dosis wird bei Bedarf am nächsten Tag, nach 8 Tagen und nach 3 Wochen wiederholt. Außer Verhaltenstherapie (s. Alkoholentzug) wird keine Therapie, insbesondere kein Medikament erforderlich. Abruptes Absetzen (nur in 5 % der schwersten Fälle Auftreten eines Entzugsdelirs). Bei Entzugskrämpfen Phenytoin i.v. (2 x tgl. 3 Tage) oder besser Physostigmin i.v. Bei Entzugsdelir Physostigmin (Anticholium 2 mg, wiederholen) oder besser Flumazenil. Psychotherapie zur Entwöhnung wie beim chronischen Alkoholismus (Verhaltenstherapie in Gruppen, Autogenes Training, Sport) Strikte Alkoholkarenz. Schrittweiser Entzug für Ängstliche: CLARK* ersetzt die Tabletten durch ein Diazepamelixier (5 ml enthalten 2 mg Diazepam). Dieses Elixier wird in eine 300 bis 500 ml große Flasche gefüllt. Aus dieser Flasche entnimmt der Patient seine Diazepamdosen. Jedesmal, wenn er seine Dosis entnommen hat, füllt er die gleiche Menge Wasser nach. Um Kristallisation zu vermeiden, muß anschließend die Flasche kräftig geschüttelt werden. Auf diese Weise wird die Lösung immer stärker verdünnt. Da der Patient aber immer nur die gleiche Menge Lösung entnehmen darf, erhält er immer weniger Wirkstoff. Nach der Erfahrung von Dr. Clark hören die Patienten mit der Diazepameinnahme auf, sobald die Konzentration der Lösung bei 0,4 mg pro 5 ml angelangt ist. Bis zur Entwöhnung dauert es im Mittel 60 bis 90 Tage. Dr. Clark hat das Verfahren bisher bei 30 Patienten, die 25 bis 45 mg Tagesdosen Benzodiazepine 2 bis 7 Jahre genommen hatten, ausprobiert. In allen Fällen konnte er damit die Tablettensucht erfolgreich, d.h. ohne Nebenwirkungen, angehen. Bei leichten Entzugssyndromen besteht die Möglichkeit, die Ausgangsdosis erneut zu verabreichen und die angestrebte Dosisreduktion langsamer vorzunehmen. In manchen Fällen kann die Dosis unverändert fortgeführt werden, da die Absetzerscheinungen für die Betroffenen erträglich sind. Eine weitere Dosisreduktion sollte dann erst später erfolgen. Hier sind aber verstärkte stützende Gespräche und unter Umständen Entspannungsverfahren sowie physikalische Maßnahmen hilfreich. Bei leichten Benzodiazepin-Entzugssyndromen können niederpotente Neuroleptika, das Antidepressivum Doxepin oder vereinzelt Betablocker, wie z.B. Ptropanolol, ebenfalls Absetzerscheinungen mildern. Bei schweren BenzodiazepinEntzugssyndromen ist es sinnvoll, Clomethiazol zu verordnen, um es nach Abklingen der Entzugssymptomatik langsam abzusetzen. Eine längerfristige, die akute Entzugsbehandlung überdauernde ClomethiazolTherapie ist wegen der substanzeigenen suchterzeugenden Wirkung kontraindiziert. In schwersten Delirien wird man neben den selbstverständlichen intensivmedizinischen Maßnahmen (Überwachen von Puls, Blutdruck, Elektrolyt-Haushalt und Nierenwerten, Flüssigkeitszufuhr etc.) intravenös mit Diazepam * Quelle: Clark, W.J.C.; Lancet, 8669/1989 986-987
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ggf. in Kombination mit Haloperidol - behandeln. Später erfolgt wiederum die Umstellung auf orale Verabreichung und die sehr langsame Dosisminderung. Häufigste Entzugssymptome sind: Schlafstörungen, Agitiertheit, Konzentrationsstörungen Lange Zeit wurde das Abhängigkeitspotential der Tranquillanzien unterschätzt. Doch in den letzten Jahren häufen sich Berichte über teils schwere Entzugssymptome nach abruptem Absetzen von Benzodiazepinen, sofern diese über längere Zeit genommen wurden. Eine Untersuchung an der Psychiatrischen Klinik der Universität München zeigt: Auch bei schrittweisem Absetzen treten Entzugserscheinungen auf, wobei Patienten mit High-Dose-Dependence schwerere Symptome haben als Patienten mit Low-DoseDependence. Der Entzug kann aber Schritt für Schritt durchgehalten werden. Bei den 20 untersuchten Patienten wurde die Medikation in jeweils fünftägigen Abständen auf 50 Prozent, 25 Prozent und 12 Prozent der Ausgangsdosis reduziert und schließlich ganz abgesetzt. Bei 7 der Patienten lag eine High- Dose-Dependence mit einer Einnahme von mehr als 30 mg Diazepam-Äquivalent vor (im Mittel 80 mg); die übrigen waren von therapeutischen Dosen abhängig (im Mittel 20 mg/d). Alle Patienten beendeten die Entzugsbehandlung. Wie bei anderen Suchterkrankungen ist auch hier eine weitere stationäre oder ambulante Betreuung der Patienten erforderlich. Neben Patienten mit einer weiteren Suchterkrankung (Alkohol) handelt es sich vorwiegend um neurotische und psychosomatische, mit chronischen Schlafstörungen und Ängsten behaftete Patienten, die einen Medikamentenmißbrauch betreiben. Gerade bei diesen Patienten muß die Indikation zur Verordnung von Benzodiazepinen gut überdacht werden. Der wachsenden Anzahl von Patienten mit einer Benzodiazepinabhängigkeit wurde an der Nervenklinik der Universität München mittlerweile durch die Einrichtung einer speziellen Suchtambulanz Rechnung getragen.* Frühere Benzodiazepin Ausscbleicb-Therapie** Behandlungen mit Benzodiazepinen werden vielfach nicht rechtzeitig beendet. So ist nur wenig bekannt, daß bereits nach 4-6wöchiger Einnahme Abhängigkeitssymptome auftreten können. Andererseits sind häufig ältere Patienten betroffen, die langjährig Benzodiazepine in kleinen Dosen einnehmen, ohne daß es zu Dosissteigerung, anderen Nebenwirkungen oder einer Charakterveränderung kommt. Zwar erscheint es beim gegenwärtigen Kenntnisstand um die Risiken als nicht begründet, Langzeitpatienten in ein Entzugsprogramm zu zwingen, wenn diese nicht kooperieren wollen. In der Regel soll aber der Arzt die Motivation der Patienten fördern, bei bestehender Abhängigkeit einen Entzug durchzuführen. Die Indikation zur stationären Entzugsbehandlung ist gegeben bei gescheiterten ambulanten Entzugsversuchen in der Vorgeschichte oder wenn diese vital bedrohlich verliefen. Ferner ist eine Krankenhausbehandlung von Vorteil, wenn hohe Dosierungen eingenommen wurden, die Einnahme über viele Jahre ging, eine Polytoxikomanie vorliegt oder das soziale Netz fehlt. Vorgehensweise beim ambulanten Entzug: a) Grundsätzlich sollte schrittweise ausgeschlichen werden, um zu erwartende Entzugserscheinungen abzuschwächen. Über die Art der Entzugserscheinungen soll der Patient informiert werden. b) Die Zeitdauer der Entzugsbehandlung ist individuell zu wählen. Sie kann zwischen 10 Tagen bei einem jungen, hochmotivierten Mann und einem Jahr bei einer hochbetagten Patientin liegen. c) Das Reduktionsschema ist ebenfalls individuell anzupassen, und zwar in der Weise, daß die jeweilige Dosis an den noch erträglichen Entzugserscheinungen »heruntertitriert« wird. Bei höheren Dosen kann man in der Regel mit größeren Reduktionsschritten beginnen (z.B. tägl. 1/2 Tabl. des eingenommenen Benzodiazepins weniger). Bei einer täglichen Einnahme von 2 Tabletten kann innerhalb von 4 Wochen auf 1 Tablette pro Tag reduziert werden. Der Schritt von 1 Tablette auf 1/2 Tablette kann ebenfalls 4 Wochen benötigen. Danach sollen Tage, an denen 1/2 Tabletten eingenommen werden, mit tablettenfreien Tagen abwechseln; schließlich sollen die tablettenfreien Tage immer häufiger werden. Erfahrungsgemäß fällt der Verzicht auf die letzte 1/2 oder 1/4 Tablette besonders schwer. d) Eine Substitution mit langwirksamen Präparaten kann notwendig werden, um quälende Entzugserscheinungen weiter abzumildern. Dabei sind kurzwirksame oder hochpotente (Halcion®, Rohypnol®, * Quelle: SOYKA M. et. al.: Entzugsphänomene bei schrittweisem Benzodiazepinentzug. Nervenarzt 59 (1988), 7 4 4 - 7 4 8 ** Quelle: SCHMIDT L . G . : Arzneither. 7, 1988, 7 8 - 7 9 .
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Benzodiazepinderivate
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Tavor®, Lexotanil®) durch langwirksame Präparate (z.B. Valium®, Demetrin®, Tranxilium®) auszutauschen. Dabei sind Äquivalenzdosen zu beachten (0,5 mg Halcion®, 1 mg Rohypnol®, 2 mg Tavor®, 6 mg Bromazepam® entsprechen ca. 10 mg Valium®). Nimmt ein Patient gleichzeitig mehrere Benzodiazepine, sollen zuerst die kurzwirksamen oder hochpotenten Präparate abgesetzt werden. e) Die Begleittherapie besteht in der Gewährung besonderer ärztlicher Zuwendung in dieser Zeit. Es können tägliche Gespräche notwendig werden, in deren Rahmen auch die jeweilige Zuteilung der Medikation erfolgen kann. Überbrückend kann bei vegetativen Symptomen Dociton® (10-40 mg), bei Schlafstörungen Neurocil® (12,5-50 mg) und bei Angst-, Unruhe- oder Depressionszuständen Aponal® oder Sinquan® (25-75 mg) pro Tag eingesetzt werden. Heutige Entzugstherapie: Bei Benzodiazepinabhängigkeit sofortiger Expositionsstop. Jeden zweiten Tag Gegengift Flumazenil (0,1 mg Anexate i.m.), danach Fortsetzung in kleinsten Dosen, wenn die Entzugserscheinungen wieder auftreten (Angst, Halluzinationen). Die quälende Schlaflosigkeit als Entzugssymptom kann bis zu 6 Monaten dauern; verhaltenstherapeutische Empfehlungen (Wasseranwendungen, aufstehen, ablenken, keinerlei Chemie), Amalgamentgiftung mit DMPS. Besonderheiten: In Zuhälterkreisen wird in Alkoholika aufgelöstes Lexotanil® als k.o.-Tropfen verwendet. Statistik: Zum Zeitpunkt* als sich Benzodiazepinverordnungen auf einem Höhepunkt befanden, wurde in einer repräsentativen Untersuchung, nämlich der Münchner Blutdruck-Studie I (1980/81), festgestellt, daß im Mittel 6,6 Prozent der 30- bis 69jährigen Befragten in der letzten Woche vor der Befragung zumindest einmal einen Tranquilizer eingenommen hatten. Etwa die Hälfte davon gab an, dies regelmäßig zu tun. Bei der Wiederholungsuntersuchung ein Jahr später hatten jedoch nur acht Prozent von dieser letzteren Gruppe eine regelmäßige Einnahme angegeben. Wie häufig bei diesen sechs von über 2 000 Probanden eine nichtinduzierte Verordnung oder Abhängigkeit bestand, ist nicht bekannt (Europ. J. Clin. Pharmacol. 32,1987,43). Kasuistik: Erst heute bin ich wieder im Besitz meiner geistigen Kräfte, ich schreibe Ihnen, Herr Rechtsanwalt, folgendes: 1973 überwies mich mein damaliger Hausarzt A. zu einer nervenärztlichen Behandlung zu Frau Dr. X. Frau Dr. X verschrieb mir während der Behandlungsdauer von 1 1/2 Jahren in Folge das Präparat Valium. Anschließend überwies sie mich zurück an Herrn Dr. A. Mein nervlicher Zustand hatte sich nicht gebessert. Mein Hausarzt Herr A. verschrieb mir Valium weiter. Ca. 1976 Beginn mit Tavor, Librium, Lexotanil, dann zusätzlich Psyton. Von 1976 an war ich Psychopharmaka-abhängig, 1978 nahm ich eine Geschäftsführung an. Die erste Zeit konnte ich der Verantwortung dieser Tätigkeit gerecht werden. Nach ca. 1 Jahr, es stellte sich starke Vergeßlichkeit, großer Persönlichkeitsverlust, starke Ängste, Desinteresse und teilweise Verwirrtheit ein, entließ man mich als Geschäftsführer. Ich arbeitete als Verkäufer weiter. Mein Chef schloß am Anfang meiner Tätigkeit eine Lebensversicherung in Höhe von DM 200 000,- ab, er war in der Hoffnung und dem Glauben, endlich die richtige Kraft gefunden zu haben. Nur unter größter körperlicher und geistiger Anstrengung konnte ich meine Arbeit verrichten, 1982 drängte er mich, doch endlich zu kündigen. In dieser Zeit konnte ich weder eine Zeitung lesen noch fernsehen. Ich war in einem ständigen Tablettenrausch. Ich bewegte mich immer am Rande einer Ohnmacht. Mein Tablettenkonsum hatte wöchentlich die 100 überschritten. Ich bekam von Herrn Dr. A. Tavor 2,5 und Psyton verschrieben. Oft mußte ich meine Fahrt von der Arbeit nach Hause auf einem Waldweg unterbrechen. Ich schlief dann 4 Stunden im Wagen. Ich hatte keine Kraft, in einem Stück die 35 km durchzufahren. Mein Gewicht betrug damals ca. 67 kg bei einer Körpergröße von 1,87 m. * Müller-Oerlinghausen, B.; Deut. Ärztebl., 10/1989, 52
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Wahnsinnige Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und offene Unterschenkel plagten mich. Nach langem fand ich einen Beinspezialisten, der mir die Beine heilen konnte. Privatkosten DM 3 000,–. Vorher überwies mich Dr. A. zu einer Venenoperation. Von dort wurde ich wieder nach Hause geschickt. Man konnte die offenen Beine ja nicht operieren. 1981/82 konnte man beide Beine dann operieren. Vor der Operation erlitt ich in der Klinik einen Herzstillstand. In der Zeit konnte ich Gut und Böse nicht mehr unterscheiden. Meine liebe Frau und meine beiden Kinder litten stark. Ich gab viel Geld mit vollen Händen aus, machte hohe Schulden. Ich hatte jegliches Maß verloren. Ich war total hilflos in allem geworden. Ich war hochgradig süchtig. Ich bin seit 1960 verheiratet. Ich konnte all die Jahre meine Kinder erziehen und sah sie wachsen. Ab 1980 war ich impotent. Herr Dr. A. unterschrieb weiter meine Rezepte, ein Anruf bei der Sprechstundenhilfe genügte. 1979 1. schwerer Autounfall. Ich zeigte keine Reaktion bei glatter Straße. 1981 2. Autounfall, beide mit Totalschaden. Ich blieb unverletzt. 1982 wechselte ich dann die Arbeitsstelle. Ich war damals froh, überhaupt eine Anstellung gefunden zu haben. Ich hatte schon früher mal dort gearbeitet. Er war damals sehr zufrieden mit mir und hoffte abermals auf gute Zusammenarbeit. Gehalt DM 4 500,–. Nach kurzer Zeit strich er mir meine Umsatzprovision von DM 500,– sowie die vereinbarten 2 % vom Mehrumsatz. Außerdem stellte er einen neuen Geschäftsführer ein. Ich fristete dann mein Dasein als Verkäufer bis 1985. Ich war nicht mehr in der Lage, ein vernünftiges Verkaufsgespräch zu führen, geschweige denn etwas zu verkaufen. 1983 bei einer Verkehrskontrolle hätte ich beinahe einen Verkehrspolizisten überfahren. 3 950,– DM Geldstrafe und 11 Monate Führerscheinentzug waren die Folge. Als ich dann 1985 im Frühjahr vor dem Selbstmord stand, geistig total verwirrt, Körpergewicht nur noch 61 kg, seelisch total am Ende, erkannte Dr. B., der als Kunde bei mir war, sofort meinen Zustand. Und er half mir. Ich ging auf Entzug zu ihm. Mein Tablettenkonsum hatte ca. 600 Tabletten im Monat erreicht. Nach 4wöchiger Entgiftung (während meines Jahresurlaubs) setzten starke Entzugserscheinungen ein. Nach fast 6monatiger Behandlung, die Behandlung war praktisch schon abgeschlossen, bekam ich wieder starke Ängste, Ängste vor meiner Frau. Auch verliebte ich mich in eine Mitpatientin. Verkehr war bei einem Versuch unmöglich. Man überwies mich in die Nervenheilanstalt, zwangsweise. Am 2. 4.86 wurde ich entlassen. Ich kehrte nach Hause zurück. Mein Arbeitgeber stellte mich als Verkäufer mit einem Gehalt von DM 3 000,– brutto wieder ein in dem Glauben und der Hoffnung, ich sei wieder gesund. Ich war zwar körperlich wieder gesund, aber mein Geist und meine Seele waren noch schwer krank. Mein Arbeitgeber sah, daß ich gedankenverloren im Raum stand und schwer verkaufen konnte. Er strich wiederum mein Gehalt um DM 500,–. Ich durfte schließlich bis zum 1.12.86 bei ihm bleiben, danach lösten wir unser Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen beidseits. Nun war ich arbeitslos! Seit meiner Entlassung aus der Klinik bin ich in ständiger nervenärztlicher Behandlung. 1987 hatte ich eine schwere Psychose. Mein derzeit behandelnder Arzt ist Dr. B. Nach wie vor leide ich heute unter einem starken Summton im Kopf, Nervenkopfschmerz. Bei leichten Streßzuständen leichte Verkrampfung des Gehirns. Behandelt wurde ich mit Neurocil, Lithium wurde jetzt abgesetzt, Akineton. Es ist heute nicht abzusehen, bis wann ich wieder völlig gesund bin. Seit 1 1/4 Jahren arbeite ich als Verkäufer und befinde mich noch in der Probezeit. Gehalt DM 3 500,–. Ich komme nicht umhin, Herrn Dr. A. der schweren fahrlässigen Körperverletzung zu beschuldigen. Mein Forderung: DM 50 000,– für Verdienstausfall und Schmerzensgeld für mich sowie für meine liebe Frau, da ich seit Jahren keinen ehelichen Verkehr mehr haben kann. P.S. Auf meine Frage, ob dieses Tavor abhängig machte, versicherte mir Herr Dr. A. »auf keinen Fall«. Als ich Herrn Dr. A. 1985 um eine Überweisung in das Krankenhaus T. bat, bekam er einen Wutanfall und schrie mich an, es könne ihn seine Praxis kosten. Erst da bemerkte ich meine Abhängigkeit.
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Biperiden
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Biperiden Synonym: 1-(Norborn-5-en-2-yl)-1-phenyl-3-piperidino-1-propanol Vorkommen: Akineton Ampullen Injektionslösung, Knoll Deutschland Akineton retard Retardtabletten, Knoll Deutschland Akineton Tabletten, Knoll Deutschland biperiden 2 von ct Tabletten, ct-Arzneimittel Biperiden-neuraxpharm 2/-4 Tabletten, neuraxpharm Biperiden-ratiopharm Tabletten, ratiopharm Biperiden-TEVA 2 mg Tabletten, TEVA Generics Norakin N Tabletten, Hexal/Neuro Hexal Wirkungscharakter: Biperiden ist ein Derivat von Trihexyphenidyl (Piperidin-Derivat mit tertiärer Aminstruktur, gute Passage der Blut-Hirn-Schranke). Durch die zentrale anticholinerge Wirkung schwächt es die Symptome des Parkinsonismus ab. Die peripheren anticholinergen Wirkungen sind im Vergleich zu Atropin geringer ausgeprägt. Dosierung: 1–2 mg 2–4 mal/die. 1 mg Biperiden entspricht in den Wirkungen auf den Nikotinrezeptor 6 mg Atropin bzw. 5 mg Trihexphenidyl. Eine gefahrlose Anwendung während der Schwangerschaft und Stillperiode ist nicht erwiesen. Symptome: Mundtrockenheit, Sehstörungen, Koordinationsstörungen, Euphorie (Gefahr der Abhängigkeit!), Schock, Herzrhythmusstörungen, Atemdepression, Hämaturie, Abnahme der Urinmenge. Abhängigkeit vom Amphetamintyp Therapie: Bei Amphetaminentzug steht ein Dauerschlaf abgelöst von Heißhunger im Vordergrund. Schutz vor Selbstmordgefahr (Bezugsperson).
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Drogen
Bisacodyl
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Bisacodyl Synonym: 4,4’-(2-Pyridylmethylen)-diphenyldiacetat Vorkommen: Agaroletten 5 mg magensaftresistente Tabletten, Warner-Lambert Bekunis Bisacodyl Dragees, roha Bisco-Zitron magensaftresistente Dragees, Biscova Darmol Bisacodyl-Dragees, Omegin Drix N Bisacodyl-Dragees, Hermes Dulcolax Dragees, Boehringer Ingelheim Dulcolax Suppositorien, Boehringer Ingelheim Laxagetten Abführtabletten Lacktabletten, ct-Arzneimittel Laxanin N Bisacodyl-Dragees 5 mg, Schwarzhaupt Laxans-ratiopharm Lacktabletten, ratiopharm Laxans-ratiopharm Suppositorien, ratiopharm Laxbene N Lacktabletten, Merckle Laxbene Suppositorien, Merckle Laxoberal Bisa Abführdragees, Boehringer Ingelheim Laxysat Bürger magensaftresistente Dragees, Ysatfabrik Marienbader Pillen N magensaftresistente Dragees, Riemser Mediolax Medice Filmtabletten, Medice Pyrilax magensaftresistente Abführdragees, Berlin-Chemie Pyrilax Zäpfchen, Berlin-Chemie Stadalax Dragees, Stada Tirgon Tabletten, Woelm Pharma Vinco Abführ-Perlen Bisacodyl-Dragees 5 mg, OTW Verwendung: Abführmittel Pharmakokinetik: Bisacodyl wird im Darm zu bis-(p-hydroxyphenyl)-pyridyl-2-methan hydrolisiert. Diese Substanz ist für die laxierende Wirkung verantwortlich. Sie wird vorwiegend mit den Faeces ausgeschieden, nur ein kleiner Anteil (bis 5%) wird resorbiert und als Gluturonid im Urin ausgeschieden. Wirkungseintritt nach p.o. Gabe innerhalb von 6–8 h (– 12 h) nach rectaler Gabe innerhalb von 15–60 min. Rectal wird Bisacodyl nicht nennenswert resorbiert. Wirkungscharakter und Toxizität: Es wirkt vorwiegend am Dickdarm. Es hemmt die Resorption von Flüssigkeit und Elektrolyten aus dem Darmlumen und begünstigt andererseits den Einstrom von Elektrolyten und Wasser aus der Blutbahn in das Darmlumen. Die Vermehrung von Wasser und Elektrolyten führt zur Faecesaufweichung und zur Anregung der Peristaltik. Dosierung: 5–10 mg oral (0,3 mg/kg), rectal 10 mg (Kinder bis 2 Jhr. 5 mg). Bei Überdosierung Gefahr der Hyperkaliämie und Dehydratation bei Kleinkindern bereits ab 15–20 mg toxische Erscheinungen! Leichtes Krampfgift.
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Bisacodyl
Drogen
Symptome: meist relativ rasch einsetzendes Erbrechen, das mehrere Stunden anhalten kann. Diarrhoe, kolikartige Bauchschmerzen, Hypokaliämie, Exsiccose, Proktitis. Bei Abhängigkeit von diesem Krampfgift genügt im Entzug in der Regel eine verhaltenstherapeutische Empfehlung zur Normalisierung der Lebensführung, Abbau von Extrembelastung, gesunde Ernährung, viel Trinken (Obstsäfte), viel Schlafen, Amalgamentgiftung mit DMPS. Nachweis: Dünnschichtchromatografie Gaschromatografie Therapie: Magenentleerung (bei größeren Mengen d. h. mehr als 10 Drg. auch noch bis zu 3–4 h nach Ingestion) bei häufigen Durchfällen u. Erbrechen: vermehrtes Flüssigkeitsangebot mit Elektrolyten (z. B. Oralpädon) bei unstillbarem Erbrechen Infusionstherapie Cave: Hypokaliämie bei digitalisierten Patienten.
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Bromazepam
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Bromazepam (—> Benzodiazepinderivate) Synonym: 7-Brom-5-(2-pyridyl)-1H-1,4benzodiazepin-2(3H)-on Chemische Formel:
Vorkommen: Bromaz 6-1A Pharma Tabletten, 1A Pharma Bromazanil® 3/6 Tabletten, Hexal/Neuro Hexal Bromazep 6 von ct Tabletten, ct-Arzneimittel Bromazepam 6 Heumann Tabletten, Heumann Bromazepam AL 6 Tabletten, Aliud Pharma Bromazepam beta 6 Tabletten, betapharm Bromazepam-ratiopharm 6 mg Tabletten, ratiopharm Bromazepam-neuraxpharm 6 Tabletten, neuraxpharm durazanil® 6 Tabletten, Merck dura Gityl® 6 Tabletten, Krewel Meuselbach Lexostad® 6 Tabletten, Stada Lexotanil® 6 Tabletten, Roche neo OPT® Tabletten, Optimed Normoc® Tabletten, Merckle Verwendung: Tranquilizer, Angst, Spannung, Unruhe, Schlaflosigkeit, Stimmungsbeeinträchtigung und Antriebsstörungen bei nervösen Reiz-, Überforderungs- und Erschöpfungszuständen, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Eiweißbindung 70 %. Metabolisierung durch Hydroxylierung und Glukuronidierung. Halbwertzeit 8-19 Std. Keine aktiven Metaboliten (3-Hydroxybromazepam). 2 % werden unverändert über den Urin in 72 Std. ausgeschieden. Clearance 30-50 ml/min. Von allen Benzodiazepinen größtes Abhängigkeitsrisiko (nicht dosisabhängig). Benzodiazepinabhängigkeit. Symptome: Schläfrigkeit, Atemdepression, Muskelerschlaffung. Bei Absetzen nach chronischem Gebrauch nach 10 Tagen: Halluzinationen möglich, Schweißausbrüche, innere Unruhe, Tremor, Schlaflosigkeit, Depression, Suizidgefahr.
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Bromazepam
Drogen
Nachweis: DC GC Therapie: Kohle-Pulvis, Magenspülung, evtl. Antidot Physostigmin (Anticholium®) bei akuter Intoxikation und anticholinerger Symptomatik bzw. bei Entzugssymptomatik (2 mg i.m.). Bei Benzodiazepinabhängigkeit sofortiger Expositionsstop. Jeden zweiten Tag Gegengift Flumazenil (0,1 mg Anexate i.m.), danach Fortsetzung in kleinsten Dosen, wenn die Entzugserscheinungen wieder auftreten (Angst, Halluzinationen). Die quälende Schlaflosigkeit als Entzugssymptom kann bis zu 6 Monaten dauern; verhaltenstherapeutische Empfehlungen (Wasseranwendungen, aufstehen, ablenken, keinerlei Chemie), Amalgamentgiftung mit DMPS. Kasuistik: 1. Fall:* H.Z., geb. 10.4.26, w. Diagnosen: 1. Lexotanil-Intoxikation mit initialer Atemdepression und vorübergehender Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung. 2. Nach Extubation Stridor als Folge von Larynxödem mit Notwendigkeit einer Tracheotomie. Verlauf und Therapie: Die Patientin wurde bewußtlos in Erbrochenem liegend aufgefunden. Dabei war sie zuletzt 48 Stunden vor diesem Ereignis gesehen worden. Bei Eintreffen des Notarztes war Frau Z. komatös. Aufgrund der vorhandenen Tablettenschachtel muß die Patientin ca. 50-70 Tabletten Lexotanil eingenommen haben, wahrscheinlich reaktiv, nach Tod des Ehemannes vor 4 Wochen. Eine Untersuchung von Magensaft und Urin erbrachte noch Nachweis von Lexotanil im Magen und Urin, im Serum fanden sich noch 0,75 mg/l Lexotanil. Da die Patientin weiterhin komatös war, erhielt sie von uns Anexate. Durch die Gabe von 1 Ampulle Anexate konnte die Patientin die Augen öffnen und Spontanbewegungen mit den Beinen und dem rechten Arm ausführen. Zusätzlich waren danach die Muskeleigenreflexe auslösbar ohne Nachweis von pathologischen Reflexen. Wir versuchten durch die zusätzliche Gabe einer weiteren Ampulle das Bewußtsein und die Ansprechbarkeit weiter aufzuhellen. Dies gelang nicht. Die Wirkung des Anexate hielt kurzfristig über 15 Minuten an mit erneut tiefkomatösem Zustand ohne Auslösbarkeit von Fluchtreflexen nach 30 Minuten. Daraufhin erhielt die Patientin Physostigmin. Nach einer Ampulle Physostigmin hatte die Patientin wieder die Augen offen, zeigte Spontanbewegungen. Die Wirkung von Physostigmin hielt ca. 1 Stunde nach der i.v.-Injektion an, so daß die Wirkung von Physostigmin eine halbe Stunde länger anhielt als von Anexate. Nach der dritten Ampulle Physostigmin i.v. war eine weitere Gabe nicht erforderlich, da die Patientin danach im Hinblick auf die neurologische Symptomatik und Herzkreislauf stabil war und nicht mehr in einen erneut komatösen Zustand verfiel. Wegen eines Larynxödems mußte eine Tracheostomie durchgeführt werden. Die Patientin ist jetzt voll bewußtseinsklar. Es ist möglich mit ihr schriftlich normal zu kommunizieren. Neurologische Ausfälle bestehen nicht mehr. 2. Fall: Aus einem toxikologischen Gutachten: Auf Ihren schriftlichen Auftrag vom 2.3.1989 zur Frage einer Persönlichkeitsveränderung, die zu einer Testamentsumkehr führte, bei einer Mandantin, die zuletzt täglich 2 Tbl. Lexotanil einnahm, nehme ich wie folgt Stellung: Lexotanil®, Wirkstoff Bromazepam, enthält pro Tablette 6 mg, Halbwertzeit 8-19 Std., 2 % werden * Priv. Doz. Dr. Röhl, Chefarzt Klinik Bad Soden
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Bromazepam
III—3.3
innerhalb von 72 Stunden unverändert über den Urin ausgeschieden. Von allen Benzodiazepinen größtes Abhängigkeitsrisiko, nicht dosisabhängig. Wir kennen Abhängigkeitsfälle mit 1/4 Tablette (Bruchrille), wobei einmal täglich eingenommen wurde. Bei Absetzen schwere Entzugsdelirien mit Wahnvorstellungen, Selbstmordgefahr, Schweißausbrüchen, Angst, monatelange Schlafstörungen. Erst nach einem halben Jahr besserten sich die Beschwerden ohne Therapie. Ein Jurist verweigerte bis heute die Bezahlung der Behandlungskosten im Entzug, weil er nicht im vorhinein über die lange Leidenszeit aufgeklärt wurde; außerdem klagte er den Kardiologen an, der ihm (täglich 1/4 Tabl.) Lexotanil wegen nervöser Herzrhythmusstörungen verschrieben hatte. Im Entzug, d. h. Absetzversuch des Patienten, der spontan immer wieder unternommen wird, um sich aus der Fessel der Abhängigkeit mit Entscheidungsunfähigkeit zu lösen, kann es zu massiven Depersonalitätserscheinungen mit unbegründeten Angstzuständen kommen. Der Patient ist sicher nicht testierfähig.
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Drogen
Brotizolam
III–3.3
Brotizolam (—> Benzodiazepinderivate) Synonym: 2-Brom-4-(2-chlorphenyl)-9-methyl-6H-thieno[3,2-f][1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]diazepin Vorkommen: Lendormin®, Boehringer Ingelheim Verwendung: Sedativum Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat. Brotizolam ist wie Clotiazepam ein Thienodiazepin-Derivat. Der Metabolismus beim Menschen ist bisher nicht vollständig untersucht; vorläufige Ergebnisse lassen jedoch darauf schließen, daß ein oder mehrere Oxydationsreaktionen in Frage kommen. Nicht konjugierte metabolische Produkte erscheinen im Plasma jedoch nicht in höheren Konzentrationen. Erste Untersuchungen mit Brotizolam lassen darauf schließen, daß die Halbwertzeit zwischen 2 und 7 Stunden liegt. Die Kinetik verhält sich dosisunabhängig. Benzodiazepin-Abhängigkeit. Symptome: ZNS: Benommenheit, Schwindelgefühl, Koordinationsstörungen; Somnolenz und andere Zeichen zentraler Dämpfung (Atemdepression). Kopfschmerzen, Sehstörungen, Geschmacksalterationen; Amnesie; selten Verhaltensstörungen wie depressive Stimmungslage, plötzlich aggressive Anwandlungen, Verwirrung und suizidale Neigungen. gastointestinal: Oberbauchbeschwerden, Diarrhoe allergisch: Pruritus, Urtikaria Nachweis: Chromatographisch weist Brotizolam ähnliche Eigenschaften wie Alprazolam und Triazolam auf und kann deswegen gaschromatographisch mit Elektronen-Einfangdetktor gut bestimmt werden. Therapie: Primäre Giftentfernung durch Kohle-Pulvis-Gabe oder Magenspülung, Gabe von Medizinalkohle und Glaubersalz; Freihalten der Atemwege und ggf. künstliche Beatmung; intravenöse Flüssigkeitszufuhr. In weniger schweren Fällen unter engmaschiger Kontrolle der Vitalfunktionen ausschlafen lassen. Bei Benzodiazepinabhängigkeit sofortiger Expositionsstop. Jeden zweiten Tag Gegengift Flumazenil (0,1 mg Anexate i.m.), danach Fortsetzung in kleinsten Dosen, wenn die Entzugserscheinungen wieder auftreten (Angst, Halluzinationen). Die quälende Schlaflosigkeit als Entzugssymptom kann bis zu 6 Monaten dauern; verhaltenstherapeutische Empfehlungen (Wasseranwendungen, aufstehen, ablenken, keinerlei Chemie), Amalgamentgiftung mit DMPS.
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Kampfstoffe
Bufotenin ffl-6.3
Bufotenin
Synonyma: 5-Hydroxy-3(ß-dimethylaminoethyl)-indol, 5-Hydroxy-N,N-dimethyltryptamin Formel:
HO
CH2----- CH2-------N—CH3
CH3
wird aus dem Hautsekret von Kröten und aus dem Samen verschiedener Leguminosen isoliert. Gehört zur Gruppe der psychotoxischen Tryptaminderivate. Beschaffenheit: kristalline Substanz mit einem Schmelzpunkt zwischen 146° C und 147° C. Molekulargewicht: 203,26 g/mol. Verwendung: als Kampfstoff wegen der kurzen Wirkdauer ungeeignet. Stoffwechselverhalten: Ist per os unwirksam, weil es im Magendarmtrakt desaminiert wird. Wirkungscharakter: nicht genau geklärt; hemmt vermutlich die 5-Hydroxytryptamin-Autorezeptoren der Neuronen und verringert den 5-Hydroxytryptamin-Umsatz. Toxizität: PD = < 100-500 ng/kg LD50 (Mensch) = 16 mg; t, = 20 Min. W = nach 2 Std. max
ICT50: 3,0 mg • min/1 Symptome: Halluzinationen wie bei LSD setzen schnell ein, halten jedoch nur Minuten an. Nachweis: DC Therapie: Kohle-Pulvis®-Gabe (10 g oral) (Fa. Köhler). Aponal® oder Diazepam (Valium®) i.v. oder i.m. bei Erregung. Evtl. Atem- und Kreislaufhilfe.
Daundcrer - Klinische Toxikologie - 65. Erg.-Lfg. 4/91
Bufotenin ffl6.3
Kampfstoffe
Literatur: FRANKE, S.: Lehrbuch der Militärchemie, Bd. 1. Berlin, Militärverlag der DDR (VEB), 1977 HELM, U.: Psychokampfstoffe. Walhalla und Practoria-Verlag, Regensburg/München, 1964 HELM, U., WEGER, N.: Grundzüge der Wehrtoxikologie. Wehrmedizin, Rebentisch, U.S.-Verlag, München, 1980 JACOBSEN, U.: Chemische Kampfstoffe. Geo-Verlag, Bonn, 1969 LOHS, K.-H.: Synthetische Gifte. 4. Auflage, Militärverlag der DDR (VEB), Berlin, 1974 SCHULZE, H.: ABC-Abwehr, chemische Sabotagegifte. Z. Zivilschutz, Heft 7/8, 1965 WALLENFELS, K., ERTEL, W.: Zivile Kampfstoffe. BMI-Schutzkommission, Bonn, 1973
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Bulbocapnin Chemische Forme!: C19H19N04
Beschaffenheit: Molekulargewicht 325,35; loslich in Ethanol, Chloroform und Ether, unloslich in Wasser
Verwendung: Als Halluzinogen. Rauschmittel-Abhangigkeit.
LD: 0,2 glkg KG D-Form LDso (Maus): 195 mglkg (subcutan) Symptome und klinische Befunde: Mydriasis, Brechreiz, Schwindel, Erregung, optische Halluzinationen, Trance, Furchtlosigkeit, Anasthesie, Euphorie, Halluzinationen (wie LSD), Katalepsie, Katatonie, tonisch-klonische Krampfe, Atemlahmung. Therapie: Giftelimination durch Erbrechen oder Magenspiilung, sedieren mit Doxepin, bei Krampfen Diazepam, evtl. Schocktherapie, Beatmung. Bei Rauschmittel steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmi/Sbrauch fiihrten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen.
Drogen
Buprenorphin
ID-3.3
Buprenorphin (-»Morphin) Synonyma: 17-Cyclopropylmethyl-7a-(2-(S)-3,3-dimethyl-2-hydroxy-but-2-yl)-4/5a-epoxy-6,14a-ethano-3-hydroxy-6ß-methoxy-morphinan; N-Cyclopropylmethyl-7a-(l-(S)-l-hydroxy-l,2,2-trimethylpropyl)-6,14endo-ethano-6,7,8,14-tetra-hydronororipavin Chemische Formel: C 2 9 H 4 1 N0 4
HXÖ OH HoC-V- CH. CH. Beschaffenheit: Weißes kristallines Pulver, schwach basische Reaktion; mäßig löslich in Wasser; MG: 467,33; Schmelzpunkt 209° C. Vorkommen: Temgesic® forte sublingual Sublingualtabletten, Boehringer, Mannheim Temgesic® Injektionslösung, Boehringer Mannheim Temgesic® sublingual Sublingualtabletten, Boehringer Mannheim Verwendung: Starkes Analgetikum; Mißbrauch durch Drogenabhängige vom Morphintyp. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: 1980 neu eingeführtes, stark wirkendes Opiat-Analgetikum, das aus dem halbsynthetischen Thebainderivat Oripavin weiterentwickelt wurde. Die analgetische Wirkung beruht auf der Interaktion mit spezifischen Opiatrezeptoren im ZNS, die relativ lange Wirkungsdauer von 6—8 Stunden auf einer hohen Rezeptoraffinität. Die analgetische Potenz ist 25-50 mal so hoch wie von Morphin; 0,3 mg entsprechen ca. 12 mg Morphin. Neben der morphinähnlichen agonistischen Wirkung besitzt B. auch ausgeprägte morphinantagonistische Eigenschaften, d. h., bei einem Einsatz nach Opiaten hebt es deren Wirkungen und Nebenwirkungen auf, aber die Analgesie bleibt. Die therapeutische Breite ist groß; 10-20fache Überdosierung wird ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen. Herz-Kreislauf-Wirkung; Blutdruck und Herzfrequenz sinken um etwa 10-15%. Die Atemdepression entspricht der von äquianalgetischen Morphindosen (relative Stärke 44 : 1). Ferner wirkt B. antitussiv und antidiuretisch; der Tonus der glatten Muskulatur (außer der von Blutgefäßen) kann gesteigert werden. Daunderer - Klinische Toxikologie - 120. Erg.-Lfg. 9/97
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III—3.3
Buprenorphin
Drogen
In terferenzen: Die Wirkung von Analgetika, zentral dämpfenden und atemdepressiv wirkenden Pharmaka und von Alkohol kann verstärkt werden. Bei chronischem Gebrauch und bei Drogenabhängigen führt es zu Entzugssymptomen beim Absetzen. Stoffwechselverhalten Aufnahme: Bei parenteraler Verabreichung von 0,3 mg B. werden maximale mittlere Plasmakonzentrationen von 1,5 mg/ml erreicht. Die Plasmaproteinbindung (hauptsächlich alpha- und beta-Globuline) beträgt 96%. Meta bolismus: Buprenorphin wird in der Leber N-dealkyliert und O- und/oder N-glukuronidiert Ausscheidung: Innerhalb von 7 Tagen wird B. zu 71 % mit den Faeces (hauptsächlich unverändertes Buprenorphin) und zu 28% renal (Glukuronid-Konjugate) ausgeschieden. Die langsame fäkale Ausscheidung verweist auf einen enterohepatischen Zyklus. Tachyphylaxie, d.h. schnelle Gewöhnung mit Dosissteigerung. Toxizität: LD 50 Maus
i.v. i.p. oral i.v. i.p.
24-29 mg/kg 90-97 mg/kg 260 mg/kg LD J0 Ratte 31-38 mg/kg 197-207 mg/kg oral über 600 mg/kg Der Tod tritt meistens nach 24 Stunden infolge der Atemdepression ein. Chronische Toxizität: Bei intramuskulärer Applikation von bis zu 5 mg/kg/d über 6 Monate traten außer dosisabhängiger Verminderung des Körpergewichts und lokalen Nekrosen am Injektionsort keine Effekte auf. Gewöhn ungspoten tial: Die Abhängigkeit erzeugende Kapazität von Buprenorphin (3,5 mg/kg) ist geringer als die von 40 mg/kg Pentazocin. Beim Menschen treten nach 8 mg Buprenorphin über 40-50 Tagen nur milde Abstinenzerscheinungen auf. Vergiftungen sind bisher beim Menschen nicht bekannt geworden. Symptome und klinische Befunde: ZNS: Sedierung, Schläfrigkeit; Übelkeit, Erbrechen, Schwindel; Atemdepression; Stimmungsaufhellung Herz-Kreisla uf: Bradykardie, Blutdruckabfall Nachweis: Dünnschichtchromatographie (qualitativ) Gaschromatographie (quantitativ) Therapie: Akut: Bei schweren Atemdepressionen künstliche Beatmung. Morphin-Antagonisten wie Levallorphan und
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Daunderer - Klinische Toxikologie - 120. Erg.-Lfg. 9197
Drogen
Buprenorphin
III—3.3
Nalorphin sind als Antidot nicht, Naloxon (Narcanti®, Winthrop) nur teilweise geeignet. Medizinalkohle vierstündlich zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs. Chronisch: Entwöhnung wie Heroin. Beim Opiatentzug hilft in schweren Fällen die Injektion des Antidot Naloxon (Naranti) in kleinen Dosen, täglich wiederholt (z.B. 0,01 mg/kg). Zudem sollte der Patient viel schlafen, bei Bedarf Rohrzucker essen und viel trinken (Obstsäfte).
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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Drogen
Butobarbital
III–3.3
Butobarbital ( Barbiturate) Synonym: 5-Ethyl-5-n-butylbarbitursäure, Butethal Chemische Formel:
Vorkommen: Seit 1931 im Handel, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Mittellang wirksames Schlafmittel. Halbwertzeit 33–41 Std. Bei chronischem Gebrauch Verminderung der Halbwertzeit um 25 % durch Enzyminduktion. 54 % werden im Urin innerhalb von 9 Tagen unverändert ausgeschieden, 27 % hydroxyliert, 14 % oxydiert (GILBERT 1974). Barbiturat-Abhängigkeit. Toxizität: Therapeutische Dosis: 2,9–4,1 mg/l; Toxische Dosis: 50 mg/l; Letale Dosis: 100 mg/l Symptome: Koma, Atemdepression, Schock (s. Barbiturate) Nachweis: DC, GC
Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme Magenspülung, Medizinalkohle, Natriumsulfat Plasmaexpander im Schock Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich Alkalisierende forcierte Diurese Bei vitaler Bedrohung Hämoperfusion, Hämodialyse Bei Niereninsuffizienz oder Schock Peritonealdialyse Entwöhnung, siehe Barbiturate Bei Schlafmittelabhängigkeit kann der Entzug mit einem lebensbedrohlichen Entzugskrampf beginnen, der nicht verhindert werden kann (nicht durch Ausschleichen, nicht durch Antiepileptika). Beim anschließenden Delir ist eine stationäre Beobachtung nötig, wegen Gefahr der Selbstbeschädigung und evtl. Selbstmordgefahr.
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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III—3.3
Butobarbital
Dann Wiedererlernen einer regelmäßigen Schlafzeit ohne jegliche Chemikalien. Viel Trinken (Obstsäfte) und Kohlehydrate (Zucker) zur Entgiftung. Amalgam-Antidot CMPS.
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Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
Drogen
Drogen
Camazepam
III–3.3
Camazepam Synonym: 7-Chlor-1,3-dihydro-3-hydroxy-1-methyl-5-phenyl-2H-1,4-benzodiazepin-2-on-dimethylcarbamat Verwendung: Psychische Dysregulationen und psychisch bedingte Überforderungssymptome, wie Unruhe, Erregung, gesteigerte Reizbarkeit, Stimmungslabilität und Angstzustände, psychosomatische Störungen. Dosierung: Erwachsene: 20–60 mg pro Tag, verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Wirkungscharakter: Lipophil, hohe und stabile Eiweißbindung. Indikationen: Angst- und Spannungszustände, Erregung und Unruhe, Stimmungslabilität, Schlafstörungen, funktionelle Organbeschwerden, psychosomatische Störungen, Epilepsie. Metabolismus: Schnelle Resorption aus dem Interstinum. Wird in der Leber hydroxyliert und demethyliert. Einige Metabolite sind pharmakologisch noch aktiv und haben ähnliche Wirkungen wie die Ausgangssubstanz, werden aber in der Regel weitaus langsamer eliminiert. Keine aktiven Metaboliten. Keine oder nur minimal ausgeprägte antagonistische Wirkung gegenüber Apomorphin und Histamin (im Gegensatz zu den Neuroleptika). Einfluss auf die zentral cholinerge Reizübertragung (anticholinergische Wirkung) wahrscheinlich. Nebenwirkungen: Muskelrelaxation, Schwindel, Appetitzunahme, Abnahme der Libido, Menstruationsstörungen, geringe Atem- und Kreislaufdepression. Selten anticholinergische Symptome wie Harnretention, Obstipation und Mundtrockenheit. Bei chronischem Missbrauch Abhängigkeit vom Schlafmitteltyp (oft in Kombination mit chronischem Alkholismus). Abhängigkeitsentstehung dosisunabhängig. Wechselwirkungen: Bei Kombination mit zentraldämpfenden Pharmaka und Alkohol gegenseitige Wirkungsverstärkung. Toxische Dosis zwischen 30 mg und 150 mg/die. Abhängigkeit vom Benzodiazepintyp. Symptome: – Bewusstseinsstörungen (Benommenheit, Somnolenz, Schlaf, Bewusstlosigkeit, Koma) – psychische Störungen (Erregung, Verwirrung, Amnesie, Schlaflosigkeit, Dysphorie und Euphorie, Halluzinationen) – neuromuskuläre Störungen (Muskelhypotonie, Ataxie, Hyporeflexie, Sprachstörungen: Dysarthrie, verwaschene Sprache, Dysphasie) – kardiovaskuläre Störungen (Hypotonie, Tachykardie, Bradykardie bei schweren ZNS-Depressionen) – selten Atemdepressionen – Mydriasis – Nausea, Erbrechen – 10 Tage nach Absetzen bei chronischem Missbrauch Einsetzen eines Entzugsdelirs mit Agitation, Schweißausbrüchen, optischen und akustischen Halluzinationen.
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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III–3.3
Camazepam
Drogen
Nachweis: qual. Dünnschichtchromatografie oder EMIT Benzodiazepine quant. Gaschromatografie, photometrisch n. Frings und Cohen Therapie: – primäre Giftelimination: Kohle-Pulvis-Gabe, Magenspülung, Kohle, Glaubersalz – bei anticholinerger Symptomatik: Physostigminsalizylat als Antidot, gut wirksam beim Entzugsdelir Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat. Keine forcierte Diurese! Minimale Giftelimination durch eine Hämoperfusion. Beatmen! Bei Benzodiazepinabhängigkeit sofortiger Expositionsstop. Jeden zweiten Tag Gegengift Flumazenil (0,1 mg Anexate i.m.), danach Fortsetzung in kleinsten Dosen, wenn die Entzugserscheinungen wieder auftreten (Angst, Halluzinationen). Die quälende Schlaflosigkeit als Entzugssymptom kann bis zu 6 Monaten dauern; verhaltenstherapeutische Empfehlungen (Wasseranwendungen, aufstehen, ablenken, keinerlei Chemie), Amalgamentgiftung mit DMPS. Besonderheiten: Infolge einer langen Halbwertzeit kann die Wirkung einer am Abend zuvor eingenommenen Tablette am nächsten Tag eventuell noch nicht abgeklungen sein. Für Verkehrsteilnehmer ist es wichtig, am Tage keine sedierenden Medikamente einzunehmen, die zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit führen. Es ist ferner wichtig, mit der Nachwirkung eines am Abend oder gar erst spät in der Nacht eingenommenen Schlafmittels zu rechnen.
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Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
Drogen
Campher
III–3.3
Campher Synonyma: DL-2-Bornanon; 1,7,7-Trimethylbicyclo[2.2.1]heptan-2-on Beschaffenheit: Farblose, durchsichtige Kristalle oder Pulver mit durchdringendem, charakteristischem aromatischem Geruch und scharfem aromatischem Geschmack; gut löslich in Alkohol und fetten Ölen, schlecht in Wasser; MG = 152,2; kalt aufbewahren! Handelspräparate: Li-iL: Camphoderm Scheffler: Mulmicor Riemser: Pectocor Rheunervol Wirkungscharakter: Zentrales Analeptikum, Stimulation des Atem- und Vasomotorenzentrums, Excitans der Großhirnrinde; erregend auf Uterusmuskulatur, lähmend auf Muskulatur von Darm, Gallenblase, Bronchien und Arterien; lokalanästhetisch; in hohen Dosen Krampfgift! Stoffwechselverhalten: Campher wird über Schleimhäute und durch Inhalation resorbiert! Gute Depotwirkung im Gewebe, aber unsichere Resorptionsquote. Metabolismus: Campher wird schnell in der Leber abgebaut durch Oxidation und Glucuronidierung. Indikationen: Schmerzhafte rheumatische Gelenk- und Weichteilerkrankungen sowie bei Schmerzen nach übermäßiger Belastung des Bewegungsapparates. Sportverletzungen, Einreibung und Badezusatz bei katarrhalischen Erkrankungen der Luftwege. Kontraindikationen: Geschädigte Haut. Toxizität: 10–20 g oral führen zu schweren Vergiftungen, 6 g s.c. sind tödlich, bei Kindern kann schon 1 g tödlich wirken! Nebenwirkungen: Kontaktekzem Symptome bei Überdosierung: Vergiftungen entstehen häufig nach Einnahme von Campheröl oder campherhaltiger Salbe oder durch Einreiben der Nasenschleimhäute bei Kindern!
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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III–3.3
Campher
Drogen
Übelkeit, Erbrechen, Koliken Kopfschmerz, Schwindel, Rauschzustand ähnlich dem Alkoholrausch mit Sinnestäuschungen und Wahnideen (Delirium) Epileptische Krämpfe, Lähmungen, Atemnot, Atemluft mit charakteristischem aromatischem Geruch Anurie Nachweis: UV-Spektrometrie, GC Therapie: Magenspülung, Paraffinöl, Na 2 SO 4 , Kohle-Pulvis keine Fette oder Öle! (wirken resorptionsfördernd) Diazepam bei Krämpfen bei Schock Plasmaexpander, Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat Beatmung bei Anurie Hämodialyse Hämoperfusion mit Kohle
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Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
Drogen
Cannabis III—3.3
Cannabis Synonyma: a. b. c. d.
y-Hydroxy-Ai-THC Öa-Hydroxy-A^THC A^THC^-säure A^THC-Glucuronat
Haschisch, Marihuana, Tetrahydrocannabinole. Im Szenenjargon: Bar (fester Marihuana-Block, bestehend aus Marihuana, Zucker, Cola), bendsch (in der arabischen Sprache gebräuchliche Bezeichnung für Haschisch), Bhang (arabische Bezeichnung für Haschisch, auch für Haschisch-Zubereitungen und Verarbeitungen), brock (1 kg gepreßtes Haschisch), brown, brown stuff, Canape (italienische Bezeichnung), Charas, chauvre indian (französische Bezeichnung), Chicago grün (Marihuana grüngefärbt), Churrus (indische Bezeichnung), Dagga (mittelafrikanische Bezeichnung), dinky dows (Marihuana-Zigaretten), dope, gage, gandscha (indischer Hanf), Ganja (indische Bezeichnung), gate, Gras, Grass, greenstuff, griffs, Hasch, hash, Hay (minderwertiges Marihuana), hemp, Heu, key, Kif (nordafrikanische Bezeichnung), Kiff, khiff, Lady, Mary jane, Machona, Maconha (südamerikanische Bezeichnung), manicure (hochwertiges Marihuana), Marie-Johanna, matchbox (auf der Straße gehandelte Menge von Marihuana, für ca. 6 Zigaretten ausreichend), Mexican brown (reines Marihuana aus Mexiko), muggles (Marihuana-Zigaretten), Mussolini (stark wirkende Haschisch-Sorten), Panama red (Marihuana aus Mittelamerika), piece, pot, pott, Reefer (Haschisch-Zigarette), Sahara Nr. 1 (geringwertiges Haschisch), shit, splim, stick, Stoff, sweet lucy, tea, Texas tea, weed. Chemische Formel: a. b. c. d.
y-Hydroxy-A^THC Öa-Hydroxy-A^THC A^THC^-säure A^THC-Glucuronat
Beschaffenheit: Die in den einzelnen Zubereitungen in wechselnden Mengen enthaltenen Inhaltsstoffe werden als Cannanbinoide bezeichnet, deren Bildung in der Pflanze weitgehend beeinflußt wird von Klima und WachstumsDaunderer - Klinische Toxikologie - 120. Erg.-Lfg. 9/97
Drogen
III—3.3 Cannabis
bedingungen. (3R,4R-)-Tetrahydrocannabinol (-THC) ist der Hauptträger der psychotropen Wirkung. Tetrahydrocannabino (-THC) ist ebenfalls psychotrop, entsteht aber erst bei der Lagerung von Haschisch als Artefakt. Cannabidiol (CBD) kann als Vorstufe von -THC betrachtet werden, und Cannabinol (CBN) ist das endgültige Oxydationsprodukt von - und -THC. Sein Gehalt nimmt bei der Alterung der Droge zu, der THC-Gehalt sinkt. CBD und CBN sind psychisch inaktiv. Neben diesen vier Hauptkomponenten enthält Haschisch etwa 30 weitere, chemisch ähnlich gebaute Cannabinoide, eine Reihe von Zuckern, Flavoiden und Alkaloiden, die nur in geringen Mengen vorkommen und für die psychotrope Wirkung der Droge bedeutungslos sind. Die vorstehend genannten Cannabinoide sind praktisch wasserunlöslich, sehr leicht löslich in unpolaren Lösungsmitteln (AL., A., Chlf., Ac, Egester) sind die Cannabinoide ebenfalls gut löslich. Schmelzpunkt-Bestimmungen sind kaum möglich, da die vorgenannten Hauptwirkstoffe nie völlig rein aus Haschisch isoliert werden können. Vorkommen: Verarbeitungen der Hanfpflanze (heimisch in Südindien: Cannabis sativa/indica), die auf verschiedenen Stengeln weibliche und männliche Blüten trägt; bei den weiblichen Blüten bilden sich zur Zeit der Blüte Drüsenhaare, die ein Harz mit dem Wirkstoff Cannabiol absondern. (Auch die männlichen Pflanzen produzieren das Harz, aber nur in sehr geringer Menge.) Anbau in jeder gemäßigten bis heißen Zone möglich. In Amerika als Marihuana: Blätter, obere Abschnitte der Blüten, Stengel, Samen, grob zerkleinert (»flower top«), Spitzenerzeugnis: Sinsemilla; »Thaisticks«. In Asien und Afrika als Haschisch: Verpreßtes Cannabis-Harz in Platten, als Pulver, Haschisch-Öl; 7-10 mal so stark wie Marihuana (mit Alkohol oder Benzin hergestellter Haschischextrakt, der bis zu 80% A 1-THC enthält, Haschischöl kann in nichtwäßriger Lösung als injizierbare Substanz dienen). Haschischarten: Starke und milde Sorten; je Anbaugebiet erhebliche Unterschiede im Wirkstoffgehalt (3-35%) Marih uanaarten: „Kongo-Gras", „Kenia-Gras", „Acapulco Gold" Mexiko. Schwächere Wirkung als Haschisch.
Tab. 1: Canabis-Arten Name
Herkunft
Verpackung/Bemerkungen
Grüner Türke bzw. heller
Hochland der Türkei Nordafrika, Kolumbien
in Klarsichtfolien; Farbe: grünlich-grau (wie getr. Minze)
Roter Libanese
Libanon-Gebirge
in flachgepreßten Leinenbeuteln; Farbe: rötlichbraun; Harzgehalt doppelt wie Grüner Türke
Schwarzer Afghane
Indien, Pakistan, Afghanistan wie vor
nicht festgelegt; Farbe: schwarz (schwarz-braun) Harzgehalt vierfach wie Grüner Türke wie vor; Farbe: grau-schwarz-braun, durch toxikologischen Schimmelpilz
SchimmelAfghane bzw. dunkelbrauner Pakistani
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Cannabis III—3.3
Drogen
Verwendung: Rauchen in reiner Form oder vermischt in Zigaretten (Joint) oder in einer besonderen Pfeife; Über den Magen-Darm-Trakt: Kauen, Zubereitung als Tee, Zusatz zu Getränken und Speisen (HaschischGebäck-Konfekt) . Selten trotz Wasserunlöslichkeit i.v.-Applikation. Meistens wird die Substanz in Gemeinschaft aufgenommen. Zur therapeutischen Anwendung werden derzeit die Wirkungen der Canabinoide klinisch geprüft: Antiemetische Wirkung bei Zytostatika-induziertem Erbrechen, analgetische, antispastische und antikonvulsive Wirkung sowie die Senkung des Augeninnendruckes bei Glaukom. Das Ziel der CannabinoidForschung ist die Abtrennung spezifischer pharmakologischer Wirkungen vom unerwünschten psychotropen Effekten. Anbau von Hanfpflanzen zur Fasergewinnung. Marih uanaarten: »Kongo-Gras«, »Kenia-Gras«, »Acapulco Gold« Mexiko. Schwächere Wirkung als Haschisch. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Beim Rauchen tritt der Rausch nach wenigen Minuten ein; Plasma-Maximum nach 10-30 Min., Wirkdauer ca. 2-3 Stunden (je nach Dosis aber auch bis zu 12 Stunden). Per os eingenommen Latenz zwischen Vz und 2 Stunden möglich; Wirkdauer ca. 3-5 Stunden. Um einen gleichartigen Rauschzustand zu erzielen, ist bei oraler Aufnahme die benötigte Cannabismenge ca. 2-3mal höher als beim Rauchen. THC ist nahezu wasserunlöslich und kann nicht in unveränderter Form ausgeschieden werden. Die Substanz wird in der Leber (und in anderen Geweben) mono- oder dihydroxyliert, zu THC-Säuren oxidiert und mit Glucuronsäure konjugiert. Der lipophile Charakter von THC führt zu einer Akkumulation im Organismus. THC verschwindet nach anfänglich hohen Konzentrationen rasch aus dem Plasma und sammelt sich in Lunge, Leber und Milz und schließlich in den Fettgeweben, aus denen es langsam wieder abgegeben wird. Diese letzte Phase hat eine Halbwertszeit von 7 Tagen. Ungefähr 80% einer THC-Dosis werden innerhalb von 5 Tagen diminiert, und zwar zu 80% mit den Faeces, der Rest mit dem Urin. Der Mechanismus der psychotropen Wirkung der Droge ist noch unbekannt. Gegenwärtig werden 2 Hypothesen diskutiert: Die Membranhypothese: Nach ihr geht das lipophile A !-THC in der Lipidphase des Neurolemms in Lösung und verändert deren Fluidität und Permeabilität, ein Effekt, der der allgemeinen Theorie der Narkose entspricht. Die Rezeptortheorie: Wechselwirkung mit einem spezifischen neuronalen THC-Rezeptor. Die psychischen Wirkungen bei einmaligem Konsum von Haschisch zeigen i.d.R. einen typischen Rauschverlauf: 1. Gehobene Stimmung, Heiterkeit, Euphorie 2. Verminderter Antrieb, Passivität, Apathie, Lethargie 3. Denkstörungen: bruchstückhaftes Denken, Herabsetzung der gedanklichen Speicherungsfähigkeit, Verlust der Erlebniskontinuität, Ordnung nach assoziativen Gesichtspunkten, ideeflüchtiges Denken 4. Störungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit: erhöhte Ablenkbarkeit, abnorme Reizoffenheit (Störungen des Kurzzeitgedächtnisses) 5. Abnorme Fokussierung der Wahrnehmung: Ausrichtung auf irrelevante Nebenreize 6. Pathologische Wahrnehmungsstörungen: Illusionen, Pseudohalluzinationen, Synästhesien 7. Gedächtnis- und Erinnerungsstörungen (Langzeitgedächtnis) 8. Körperschemastörungen 9. Kritikschwäche (erhöhte Risikobereitschaft) 10. Störungen der Psychomotorik: Verändertes Ausdrucksverhalten (Mimik, Gestik) Daunderer - Klinische Toxikologie - 120. Erg.-Lfg. 9/97
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Drogen
III-3.3 Cannabis
Körperliche Wirkungen bei einmaligem Konsum von Haschisch: Gesteigerte Herzfrequenz,» Herzklopfen « Gesteigerter Blutdruck Vermehrter Hunger/Appetit Vermehrter Durst Schläfrigkeit/Müdigkeit Kalte Akren Kopfschmerz
Übelkeit Brechreiz/Erbrechen Mydriasis Reflexsteigerung Parästhesien Tremor Ataxie
Meist treten jedoch bei cannabisungewohnten Personen beim ersten Konsum keinerlei Drogenwirkungen auf, weil es zunächst nur zu einer sehr langsamen Umsetzung des zugeführten THC im Organismus kommt. Erst bei mehrfachem Konsum sind die Leberzellen imstande, in nennenswertem Ausmaß und in der erforderlichen kurzen Zeit diejenigen Stoffwechselprozesse zu unterhalten, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen einer psychotropen Wirkung herbeizuführen. Bei Dauerkonsum von Cannabis kann eine Abhängigkeit vom Cannabistyp entstehen: psychische Abhängigkeit, geringe Tendenz zur Dosissteigerung, Toleranzbildung gegen die wesentlichen Wirkungen der Droge. Weitere psychische Wirkung: euphorisch gehobene Stimmungslage. Allgemeine Antriebsverminderung (Mangel an Initiative, Spontaneität, Interesse). Störungen des Kurzzeit- und des Langzeitgedächtnisses (Konzentrations- und Gedächtnisstörungen). Kritikschwäche, Scheintiefsinn. Einstellungs- und Haltungsveränderungen (»Wesensänderung«) in Richtung vermehrter Selbstzuwendung, Selbstbeobachtung und Selbstbeschäftigung (Rückzug auf die eigene Person). Mangel an sozialem Interesse, Abwendung von Leistungsverpflichtungen. Körperliche Wirkungen bei Dauerkonsum von Haschisch: Lungen- und Bronchialerkrankungen, Herz-Kreislauf-StÖrungen Veränderungen am Immunsystem Leberschäden EEG-Veränderungen als Ausdruck von Hirnfunktionsstörungen Endokrine Störungen Sexuelle Störungen Auswirkungen auf Schwangerschaft, Geburt und Neugeborene Hirnschäden Chromosomenveränderungen Pharyngitis Konjunktivitis Bronchitis Schläfrigkeit/Müdigkeit Parästhesien Ataxie Von den tatsächlichen Wirkungen bei Dauerkonsum sollte man sogenannte Pseudowirkungen trennen (subjektiv vorhanden, indessen objektiv nicht nachprüfbare Wirkungen): Bewußtseinserweiterung: Erhöhte geistige Produktivität, erhöhte künstlerische Kreativität Anders nicht erlebbare Erkenntnis- und Erfahrungsbereicherung Erhöhte (rationale) Reflexionsfähigkeit, besondere Klarheit des Denkens und Erlebens Politische Solidarisierungseffekte Emanzipatorische Effekte (»Haschisch befreit«) Die Wirkung der Substanz ist dosisabhängig. Wegen der praktisch kaum möglichen exakten Dosierung der
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Substanz kommt es zu einem weiten Spektrum unterschiedlicher Cannabiswirkungen. Offensichtlich sind daran auch schwer meßbare individuelle Faktoren beteiligt. Eine relativ konstante Wirkung der Substanz ist die charakteristische Stimmungsveränderung. Es kommt zu einer gehobenen Stimmungslage, die in Richtung grundloser Heiterkeit und innerer Gelassenheit, allgemeiner Fröhlichkeit und Albernheit geht. Das Gefühl der Erfüllung, Freude und Zufriedenheit tritt hinzu. Dazwischen können leise Angst-, Scham- oder auch Schuldgefühle auftauchen, die sich mit den positiv besetzten Empfindungen eigentümlich durchmischen können. Diese ungewöhnliche Kombination entgegengesetzter Empfindungen wird von Cannabiskonsumenten vielfach als unbeschreiblich bezeichnet. Im Laufe des Rausches kann die ursprünglich gehobene Stimmung in Müdigkeit und Teilnahmslosigkeit übergehen. Die Stimmung wird indifferent. Unlustbetonte Grübeleien können den ausklingenden Rausch begleiten. Während des Rausches kann es auch zu plötzlichen uneinfühlbaren Stimmungsumschwüngen kommen. Eine zweite Wirkung des Haschischs besteht in einer charakteristischen Antriebsverminderung. Die Konsumenten werden passiv, sie verlieren ihre Spontaneität, sie geben sich ihren veränderten Wahrnehmungen hin, machen scheintiefsinnige Bemerkungen, widmen ihre Aufmerksamkeit ganz Ausschnitten der Umgebung, etwa der Musik, und erschöpfen sich im passiven Konsum des Angebotenen, ohne selbst aktiv ins Geschehen einzugreifen. Die Antriebsschwäche hält während der gesamten Wirkdauer der eingenommenen Cannabismenge an. Vielfach reicht sie aber auch darüber hinaus. Dieser Umstand ist vielfach Triebfeder zum Konsum anregender, ihrerseits abhängig machender Substanzen, etwa von Weckmitteln. Eine dritte wesentliche Cannabiswirkung ist die Störung der Denkabläufe; das Denken verliert seinen inneren Zusammenhang, aber auch seine zeitliche und vom Sinn her vorgegebene Kontinuität. Es kommt zum Gedankenabreißen und zu bruchstückhaften Denkabläufen bei gleichzeitiger Herabsetzung der gedanklichen Speicherungsfähigkeit. Ungewollte Gedanken treten auf. Dabei empfinden die Konsumenten selbst ihr Denken als besonders klar, präzise und originell. Die Wirklichkeit stimmt damit vielfach allerdings nicht überein. Oft kommt es zur Verknüpfung verschiedener Erlebnisqualitäten, wie sie bei Geistesgesunden nicht zu beobachten ist. So kann etwa die Musik zu visuellen Vorstellungen führen, optische Eindrücke können mit Gerüchen kombiniert werden u. ä. Während des Haschischrausches nimmt die Fähigkeit zur Verbalisierung des Erlebten ab. Neben Stimmungsveränderungen, Antriebsverminderung und Störungen der Denkabläufe kommt es viertens auch zu Störungen der Wahrnehmung, der Konzentration und der Aufmerksamkeit. Sie lassen sich anhand von psychologischen Testuntersuchungen einwandfrei objektivieren. Sowohl die zeitliche als auch die räumliche Wahrnehmung erleidet Verzerrungen. Die Aufmerksamkeit wird auf irrelevante Nebenreize gerichtet, so daß die Dinge der Umgebung einen neuen Erlebnischarakter annehmen können. Fünftens wird die Fähigkeit zu kritisch abwägender Betrachtung sowohl der eigenen Situation als auch der eigenen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang ist von Kritikschwäche zu sprechen. Vermeintliche Leistungssteigerungen im Cannabisrausch lassen sich nicht objektivieren. Die künstlerische Produktivität und die Kreativität werden nicht positiv beeinflußt. Dies haben entsprechende Untersuchungen ergeben. Die Risikobereitschaft wird im Cannabisrausch dagegen erhöht, wie das auch in gewissen Stadien des Alkoholrausches der Fall ist. Zu einem verwertbaren Erfahrungszuwachs oder einer meßbaren Erkenntnisbereicherung kommt es sechstens im Haschischrausch nicht. Vielfach ist ja in diesem Zusammenhang von Bewußtseinserweiterung gesprochen worden. Damit meinen die Konsumenten das Gefühl, als ob sich ihnen die Sinnzusammenhänge des Lebens und der Welt plötzlich wie beim Blick in den Spiegel öffneten. Diesem Gefühl steht aber kein greifbarer Inhalt gegenüber. Zu tatsächlichen neuen Einsichten kommt es nicht. Praktikable Erkenntnisse verhaltensbestimmenden Gehalts kommen nicht zustande. Aus den Erlebnissen im Cannabisrausch kann kein verwertbarer oder auch nur praxisbezogener Schluß gezogen werden. Der Cannabisrausch mag eine momentan entlastende Funktion haben, kann aber sicher keine erkenntnis- oder erfahrungsfördernde Rolle spielen. Die Erfahrungen im Cannabisrausch bleiben bei den Konsumenten ohne Auswirkung auf ihren Lebensalltag. Im Konflikt- oder Problemfall sind sie als Hilfsmittel nicht mobilisierbar. Neben Veränderungen der Grundeinstellung gegenüber Problemen und Anforderungen des Alltags führt der Dauerkonsum von Cannabis bei manchen Konsumenten auch zur Deformation ihrer Persönlichkeitsstruktur. Wir wissen bislang nicht, ob solche Veränderungen reversibel sind, und ggf. in welchem Umfange dies möglich ist. Hirnorganische Veränderungen wurden bei Cannabiskonsumenten indessen bislang nicht beobachtet.
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Störungen des Denkens, der Wahrnehmung, der Merkfähigkeit: Bei Cannabiskonsumenten finden wir objektivierbare Leistungseinbußen nicht nur im Cannabisrausch, sondern auch beim chronischen Konsum der Droge. Die Fähigkeit zu differenzierendem Denken und Urteilen ist in beiden Fällen reduziert. Dem Gefühl erhöhter Leistungsfähigkeit geht ein objektiver Verfall derselben parallel. Scheintiefsinn tritt an die Stelle logisch geordneten schlußfolgernden Denkens. Erleuchtungserlebnisse ersetzen rational zustandegekommene Einsichten. Besonders psychische Sorgfaltsleistungen sind am stärksten von solchen Einschränkungen betroffen. Das Kurzzeitgedächtnis und die zeitliche Wahrnehmung werden verändert. Zeitgitterstörungen treten hinzu. Insgesamt wird die psychische Leistungsfähigkeit deutlich vermindert. Umsteigeeffekt, Cannabis als Einstiegsdroge: Von Cannabisprobierern stellen die meisten den Konsum der Droge spontan wieder ein, ohne daß es zur Eröffnung einer Drogenkarriere kommt. Befragt man aber Heroinsüchtige bzw. Mehrfachabhängige, so stellt sich in der Mehrzahl der Fälle heraus, daß am Anfang ihre Drogenkarriere das Haschisch stand, wenn es auch vielfach nur kurzzeitig und sporadisch benutzt wurde. Sind wir danach berechtigt, das Cannabis eine Einstiegsdroge zu nennen? Nach allen bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen scheint es unstrittig, daß längerdauernder Konsum einer zentral wirksamen Substanz von der Art des Haschischs gewohnheitsbildend wirkt und abhängige Verhaltensweisen bahnt und festigt. Cannabiskonsum verstärkt ein auf Manipulation der eigenen Befindlichkeit und auf Ausweichen vor den Belastungen des Alltags gerichtetes Verhalten, besonders bei jungen, unzureichend stabilisierten Menschen. Der Wunsch nach Verstärkung der Wirkung des Haschischs und die im Verlauf als nachlassend empfundene Wirkung dieses Stoffes führen die Konsumenten auf die Suche nach stärker wirkenden Substanzen. Als solche erweisen sich zunächst Halluzinogene, später Weckmittel, schließlich Opiate. Die Dosissteigerung allein reicht bei Haschisch nur kurze Zeit aus, um die Wirkung weiter zu steigern. An seine Stelle müssen vielmehr neue Substanzen mit stärkeren substanzeigenen Wirkungsspektren treten. Durch den Dauerkonsum von Haschisch wird eine Disposition für eine spätere Opiatsucht geschaffen. Sicher müssen zur Eröffnung einer Drogenkarriere in Richtung Opiatsucht noch individuelle und möglicherweise weitere Faktoren treten, die wir nicht genau kennen. Es steht aber fest, daß Cannabis den Weg zum Heroi ebnet und wahrscheinlich in vielen Fällen ohne Cannabiskonsum kein Heroinkonsum zustande käme. Aus dem Umgang mit Opiatsüchtigen bestätigt sich dieser Zusammenhang täglich. Dabei soll hier außer Betracht bleiben, ob es noch andere, vergleichbar wirksame Einstiegsdrogen gibt. Atypische Rauschverläufe, pathologischer Cannabis-Rausch: Anhand der unsicheren Dosierbarkeit des Haschischs ist die Wirkung einer konsumierten Einzeldosis nur schwer kalkulierbar. Unter verschiedenartigen Begleitumständen ist bei verschiedenen Personen mit unterschiedlichen Rauschverläufen zu rechnen. Da die Ausgangssituation des Konsumenten beim Konsum einer Einzeldosis Haschischs eine Grundlage des Rauscherlebens ist, kann z. B. eine — vom Konsumenten u. U gar nicht realisierte - depressive Verstimmung, eine situativ bedingte Niedergeschlagenheit oder ein vorangegangenes Mißerfolgserlebnis den Cannabisrausch negativ beeinflussen. Die Umgebung während des Cannabiskonsums und des Cannabisrausches sowie das Verhalten eventuell mitkonsumierender Personen können ebenfalls den Rauschverlauf entscheidend mitbeeinflussen. Ist der Rausch einmal in Gang gekommen, so ist er durch den Berauschten nur schwer steuerbar. Hierdurch entstehen Risiken für den Konsumenten, die er vorher nur schwer abschätzen kann. Schließlich können jederzeit atypische Rauschverläufe (sogenannte »bad trips«) auftreten. Horror- und Panikerlebnisse, Angst und Entsetzen, depressive Verstimmung und Neigung zu unvorhersehbarem Fehlverhalten beherrschen dann das Bild. Die Cannabiskonsumenten sind während eines solchen Zustandes vielfach hochgradig gefährdet. In Einzelfällen kommen solche Bilder in der Klinik zur Beobachtung. Vielfach ist die Suizidgefahr dabei erhöht. Die Realität wird verzerrt und angstgefärbt wahrgenommen. Aus diesem Grunde ist auch mit aggressiven Fehlverhaltensweisen gegen die Umgebung zu rechnen. In solchen Fällen muß gezielte psychiatrische Behandlung einsetzen, um den Rausch bzw. die Vergiftung zu beherrschen. Deshalb stellen gerade die atypischen Rauschverläufe, mit denen im Grunde jederzeit gerechnet werden muß, ein wesentliches Gefährdungsmoment des Cannabiskonsums dar. Nachrausch (»flash back«): Unter einem Nachrausch verstehen wir das Auftreten von subjektiv erlebten Zustandsbildern, wie sie sonst nur im Rausch beobachtet werden können, ohne daß hier allerdings erneut Haschisch zugeführt worden
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wäre. Solche Nachräusche können noch etwa 6 Monate nach der letzten Drogeneinnahme autreten. In manchen Fällen können sie noch später vielfach ohne ersichtlichen Anlaß wieder auftauchen. Wir erklären uns das Zustandekommen solcher Zustandsbilder dadurch, daß es durch den früher andauernden Konsum der Droge zu einer Bahnung abnormer Wahrnehmungsmuster auf bestimmte Nervenzellverbindungen im Gehirn gekommen ist. Der genaue Entstehungsmechanismus von Nachräuschen ist bis heute allerdings nicht bekannt. Das plötzliche unvorhersehbare Eintreten solcher Wahrnehmungs- und Erlebnisstörungen birgt erhebliche Gefährdungsmomente für den Konsumenten, u. U. auch für seine Umgebung. Sehwere Cannabis-Intoxikation: Werden große Mengen Cannabis (beim Haschischrauchen 200 bis 250 ug Delta-9-THC/kg) konsumiert, können Desorientiertheit, verworrenes Denken, Depersonalisations- und Derealisationserleben, optische und akustische Halluzinationen auftreten. Die Konsumenten fühlen sich häufig erschöpft und sind als Folge der Intoxikation dysarthrisch und ataktisch. Die schwere Cannabis-Intoxikation ist im Gegensatz zum pathologischen Rausch rein toxisch bedingt, klingt mit nachlassender Drogenwirkung in der Regel innerhalb von drei bis vier Stunden ab und endet mit Sedierung und Schlaf. Ob Erkrankungen, wie z.B. Leberfunktionsstörungen, die sonst rasche Metabolisierung des Delta-9-THC verzögern und damit längerdauernde Inteoxikationen verursachen können, ist unklar. Die meisten Konsumenten sind in der Lage, den Grad der Intoxikation über die Geschwindigkeit, mit der Haschisch oder Marihuana geraucht wird, recht gut zu steuern. Eine solche Steuerungsmöglichkeit entfällt allerdings bei oraler Cannabis-Aufnahme. Bei der schweren Intoxikation ist ein beruhigendes Gespräch meist hilfeich, nur selten (hochgradige Angst oder Unruhe) ist eine Sedierung mit Diazepam (5-10 mg oral, i.m. oder langsam i.v.) erforderlich. Patienten mit schweren Cannabis-Intoxikationen sollten bis zum Abklingen der Symptomatik unter Beobachtung bleiben; die Einweisung in eine psychiatrische Klinik ist nicht indiziert. Psychosen: Akute Cannabis-Psychose: Die Einteilung der längerdauernden psychotischen Reaktionen nach Cannabis-Konsum wird im Gegensatz zur Einteilung der Rauschzustände kontrovers diskutiert. Als akute Cannabis-Psychosen werden alle psychotischen Zustandsbilder bezeichnet, die nach Cannabis-Konsum aufgetreten sind, aber bis zu 14 Tagen nach Abklingen des Rausches bestehen bleiben. Bei diesen Patienten ist zur differentialdiagnostischen Abgrenzung von endogenen, organischen oder exogenen Psychosen eine gründliche psychiatrische Anamnese und Untersuchung erforderlich. Deshalb sollte bei diesen Patienten frühzeitig eine psychiatrisiche Mitbetreuung eingeleitet werden. Wenn sich nach wenigen Tagen keine spontane Besserung eisntellt, kann wegen des im Einzelfall nicht vorhersagbaren Verlaufs eine Neuroleptika-Behandlung (z. B. mit 5—10 mg Haloperidol) begonnen werden. Ob die akuten Cannabis-Psychosen ein eigenständiges Krankheitsbild sind und welche Rolle der Cannabis-Mißbrauch dabei spielt, ist umstritten. Die Meinungen reichen von der Auffassung, diese Patienten seien endogen psychotisch und betrieben einen sekundären Cannabis-Abusus, bis hin zu der Annahme, akute Cannabis-Psychosen seien durch psychiatrische Überversorgung pathologischer Intoxikationen und eine dadurch bedingte Symptomfixierung iatrogen hervorgerufen. Von Schizophrenien sollen sich akute Cannabis-Psychosen durch Zunahme des Konsums kurz vor Beginn der Symptomatik, fehlende hereditäre Belastung mit endogenen Psychosen, fehlende prämorbide Auffälligkeiten und einen akuten Beginn, typischerweise mit maniformer Symptomatik (Größenideen), unterscheiden. Zur Beurteilung des Einzelfalls sind diese Merkmale kaum hilfreich. Subakute und chronische Cannabis-Psychosen: Berichte über subakute und chronische Cannabis-Psychosen („Haschischpsychosen") stammen überwiegend aus Nordafrika und Indien. Diese Psychosen sollen nach langdauerndem, schweren CannabisMißbrauch auftreten und gekennzeichnet sein durch zeitliche und räumliche Orientierungsstörungen, Konzentrations-, Auffassungs-, und Gedächntnisstörungen, konkretistisches Denken, Größen- und Verfolgungswahn, Halluzinationen sowie Lethargie mit autistischem Rückzug im Wechsel mit Erregung und Aggressivität. Cannabis und Schizophrenie: Unabhängig von nosologischen Problemen ist das Zusammentreffen von psychotischer Erkrankung und Cannabis-Mißbrauch ein bei jungen Patienten häufiges, aber noch wenig verstandenes Phänomen in der
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klinischen Psychiatrie. Denkbar wäre, daß der Cannabis-Konsum zufällig mit einer schizophrenen Psychose koinzidiert, daß er einen Selbstbehandlungsversuch bei beginnender oder manifesten schizophrenen Symptomen darstellt oder daß er bei bestehender Vulnerabilität ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer Schizophrenie ist. Die vorliegenen Forschungsergebnisse lassen keine eindeutige Beantwortung dieser Frage zu. Die Befunde, daß Cannabiskonsumenten häufiger und früher als Nichtkonsumenten an einer Schizophrenie erkranken und daß sie prämorbid unauffälliger als die Nichtkonsumenten sind, deuten in die Richtung, daß ein Cannabis-Mißbrauch als Risikofaktor für die Entwicklung einer Schizophrenie aufgefaßt werden könnte. Außer Zweifel ist aber, daß erneuter Cannabis-Konsum bei remittierten Schizophrenen floride Symptome hervorrufen kann. Allein diese Tatsache sollte ausreichen, allen schizophrenen Erkrankten dringend vom Cannabis-Gebrauch abzuraten. Residualsyndrome: Nach langjährigem Cannabis-Konsum wurde ein Symptomkomplex aus Antriebs- und Interessenverlust, Abnahme oder Verlust sozialer Strebungen, persönlicher Beziehungen und sexueller Interessen, affektiver Abstumpfung und Beeinträchtigung intellektueller Funktionen beschrieben. Ob dieses, als Amotivationssyndrom bezeichnete Zustandsbild, das bei einigen Cannabis-Konsumenten zu beobachten ist, allein auf den Cannabis-Konsum zurückzuführen ist oder ob nicht vorbestehende hirnorganische Schäden oder kulturelle Einflüsse eine wesentliche Rolle bei der Entstehung spielen, ist ebenso wie die Frage der Reversibilität ungeklärt. Zu den Residualsyndromen zahlen auch Nachrauschphanomene^ sog. Flash-backs, in denen Rauscherlebnisse auftreten, ohne daß die Droge erneut konsumiert wurde. Manche Konsumenten sollen Flash-backs sogar willendich hervorrufen können. Diese Phänomene sind bei Personen, die ausschließlich Cannabis konsumieren, selten und als harmlos zu betrachten. Eine Therapie ist nicht erforderlich. Organschäden: Chronischer Cannabiskonsum kann Lungenschäden herbeiführen, da der Teergehalt der Substanz bei Rauchen weitaus höher als der von Tabak ist. Dies ist das Ergebnis neuerer Untersuchungen. Darüber hinaus haben sich andere Organschäden bei Haschischkonsumenten bislang nicht sicher nachweisen lassen. Berichte über Veränderungen im Hormonhaushalt, im Enzym- und Immunsystem und am genetischen Material des Menschen haben Nachprüfungen bis heute nicht standgehalten. Dies gilt auch für Berichte über Hirnschäden durch Cannabiskonsum, die wir bisher nur aus orientalischen Ländern haben. Trotzdem bleiben Verdachtsmomente in dieser Richtung weiter im Raum stehen, die noch vollständig entkräftet werden müssen. Hierzu werden allerdings längere Erfahrungen aus dem Umgang mit dieser Substanz erforderlich sein. Zusammenfassung: Die vorstehenden acht Gefährdungsmomente lassen es nicht zu, vom Haschisch als von einer harmlosen Droge zu sprechen. Wenn wir die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zugrunde legen, dann dürfen nur unbedenkliche Substanzen überhaupt als Arzneimittel zugelassen werden (TÄSCHNER, 1981). Interaktion: Es kann zu starken Wechselwirkungen zwischen THC und zufällig im Organismus vorhandenen Medikamenten kommen, etwa dem in vielen Schmerz- und fiebersenkenden Mitteln enthaltenen Aminopyrin. Diese Interaktionen des THC mit anderen Substanzen sind noch weitgehend unaufgeklärt. Toxizität: TDL0 oral Mensch: 60 mg/kg (20 Tage) LD50 oral Ratte: 1380 mg/kg TDL0 intraperitoneal Ratte 25 mg/kg ED: 5-15 mg Die akute Letaldosis bei oraler Verabreichung liegt bei der Maus bei 0,5 g/kg, bei der Ratte bei 0,67 g/kg. Die akute Toxizität ist relativ gering, d. h., der Abstand zwischen der rauscherzeugenden und der toxischen Dosis scheint groß zu sein. Dies trifft auf die pflanzlichen Formen der Droge zu. Gefährlicher ist de Konsum von »Haschisch-Öl«, weil wesentlich höhere Dosierungen möglich sind.
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Symptome und klinische Befunde: Akute Intoxikation: Tachykardie, Konjunktivitis, evtl. Mydriasis, Uvulaödem, Hungergefühl, Hypothermie, Brennen im Hals, Reizhusten, Tränenfluß, Kopfschmerzen, Hypotomie, Analgesie, Katalepsie, Brechreiz, Koordinationsstörungen, Atemdepression, Schock. Psychisch: Inhaltloses Glücksempfinden, Gefühl des Schwebens, Logorrhoe, Bewegungslust, träge Reaktion, Lachsalven, Tränenausbrüche, innere Unruhe, Angst, Einengung der Wahrnehmungsfähigkeit auf ein Detail, verändertes Raum- und Zeitgefühl, Entfremdungsgefühle, Abnahme der Kritikfähigkeit, paranoid-halluzinatorisches Syndrom, bei hoher Dosierung (0,5 bis 1 g) Verlust der Selbstbeherrschung (Autooder Fremdaggression), Rausch, kein Kater, volle Erinnerung an alle Vorgänge während des Rauchens. Die psychischen Symptome sind sehr stark gefärbt von der Persönlichkeit und gegenwärtigen Stimmungslage des Konsumenten. Chronischer Gebrauch: Bronchitis, (eitrige) Entzündungen im Mund-Rachen-Bereich, Leberschaden, kolikartige Oberbauchbeschwerden, migränoide Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Sensibilitätsstörungen. Entzug: Dysphorie (nur bei langem, chronischem Mißbrauch), keine körperlichen Entzugssymptome. Nachweis: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Pharmakognostischer Nachweis Duguenois-Levin-Test Reaktion nach Beam Reaktion nach Ghamrawy Echtblausalz B-Test Probe nach Caldas 1970
Quantitative Nachweise: PC, DC, GC, UV-Spektralphotometrie, Infrarotspektralphotometrie, Massenspektrometrie, NMR (Kernresonanz-Spektrometrie), Quantitaive Cannabinol-Bestimmung im Urin auf fluoreszenzoptischem Wege RIA, Emit, TDX: hier kann die Nachweisgrenze auf 5-10 pg/ml gesenkt und damit bei Nichtusern der Nachweis bis zum 73. Tag nach Haschischrauchen erfolgen. Durch eine Haaranalyse kann ein Haschisch/Cannabis-Mißbrauch drei Monate und länger ausgeschlossen werden (rechtsmedizinische Indikation, Führerscheinentzug). Therapie: Bei Erregung Sedieren, z. B. Doxepin (50 mg oral oder 2 Ampullen i.m.) Verhaltenstherapie mit Ablenkung und Belastung, Entspannungstraining (Autogenes Training), Sport. Besonderheiten: Aufklärung über die lange Nachweis- bzw. Wirkungszeit der Droge, in der sich der soziale Abstieg ereignet. Recht: Nach dem Gebrauch von Speiseölen und selbst Shampoos auf Hanfbasis kann im Blut Tetrahydrocannabiol (THC) nachgewiesen werden. Durch diesen Umstand können Benutzer solcher hanfölhaltigen Produkte bei Verkehrskontrollen in den Verdacht kommen, Drogen konsumiert zu haben.
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Verkauf von Haschisch über Apotheken: Fragestunde Plenarprotokoll vom 4.12.96, Geschäftsbereich BMG: (Antwort der Pari. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU)) Wie reagiert die Bundesregierung auf den beabsichtigten Verkauf von Haschisch über Apotheken als Modellvorhaben - wie von der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung beabsichtigt - im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz oder andere Vorschriften, und sind ähnliche Bemühungen hinsichtlich eines Verkaufs von Haschisch aus anderen Bundesländern oder seitens anderer Landesregierungen bekannt? Die Ankündigung des freien Verkaufs von Haschisch und Marihuana über die Apotheken ist nach Auffassung der Bundesregierung eine Verharmlosung und Täuschung über die Risiken von Haschisch und Marihuana, deren nichtmediznischer Gebrauch als Rauschmittel nachweislich gesundheitsschädlich ist. Eine Legalisierung wird die Bundesregierung nicht zulassen. Die Gesundheitsschädlichkeit von Haschisch, insbesondere beim Dauerkonsum, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem sog. Haschischbeschluß vom März 1994 nach eingehender Prüfung der aktuellen Cannabisliteratur festgestellt. An dieser Bewertung wird in der Rechtsprechung festgehalten (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. vom 11. April 1995; BGH, Beschluß vom 20. Dezember 1995). Im Hinblick auf die Gesundheitsrisiken von Haschisch hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, daß die Verbote und Strafvorschriften für Haschisch und Marihuana mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Bundesregierung hat daher ebenso wie jede Landesregierung die Pflicht, den notwendigen Gesundheitsschutz bei Haschisch und Marihuana auch weiterhin sicherzustellen. Hierzu ist zum einen das Angebot an Drogen durch die Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes soweit wie möglich zu beschränken. Zum anderen müssen mögliche Konsumenten durch Verbote, Aufklärung, Vorbeugung und Hilfe vom Drogenkonsum abgehalten werden. Fragestunde Plenarprotokoll vom 4.12.96, Geschäftsbereich BMG: (Antwort der Pari. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl auf die Fragen des Abgeordneten Michael von Schmude (CDU/CSU)) Wie steht die Bundesregierung dazu, den Verkauf von Haschisch und Marihuana über Apotheken zu betreiben? Reichen die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen aus, um eine Quasi-Legalisierung von Haschisch und Marihuana zu unterbinden, und ist die Bundesregierung unter Umständen bereit zu prüfen ob künftig auch eine Begünstigung beim Handel mit Haschisch und Marihuana unter Strafe gestellt werden kann? Nach dem Betäubungsmittelgesetz ist der unerlaubte Verkehr mit Haschisch und Marihuana unter Strafe gestellt. Die Strafvorschriften sollen nach dem Willen des Gesetzgebers zusammen mit den Maßnahmen der Aufklärung Vorbeugung und Hilfe den Schutz der Bevölkerung vor Drogenmißbrauch und Abhängigkeit gewährleisten. Die Bundesregierung hält die Aufrechterhaltung dieses Schutzes für erforderlich und lehnt daher eine Aufweichung, z.B. den Verkauf von Haschisch und Marihuana über Apotheken ab. Zu einer Quasi-Legalisierung von Haschisch und Marihuana oder zu einer straflosen Begünstigung beim Handel mit Haschisch und Marihuana kann es aufgrund der bestehenden umfassenden Verbote und Strafvorschriften nicht kommen. Das Gesetz gebietet ausdrücklich, wenn es nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar ist, den Mißbrauch von Betäubungsmitteln soweit wie möglich auszuschließen. Die Bundesregierung sieht keinen Prüfungsbedarf für eine Verschärfung der einschlägigen Strafvorschriften. Literatur: ABDULLA, A.: Cannabis indica als Volksseuche in Ägypten. Schweiz. Med. Wochenschr. 83,541-543 (1953) ABEL, E.L.: Marihuana and memory: acquisition or retrieval? Science 173 (1971), 1038-1040 ABEL, E.L.: The Scientific Study of Marihuana. Nelson-Hall Publisher, Chicago 1978 ABRUZZI, W.: Drug-induced psychoses... or schizophrenia? Amer. J. Psychoanal. 35 (1975) 329-342 AGURELL, S., GUSTAFSON, B., HOLMSTEDT, B.: Quantitation of A^tetrahydrocannabinol in piasma from cannabis smokers. J. Pharm. Pharmac. 25: 554-558,1973 ANDREASSON, S. et al: Cannabis and schizophrenia. Lancet 1483-1486 (1987) ARZNEIMITTELGESETZ(»Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln«) Govi-Verlag, Frankfurt am Main 1976 10
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Drogen
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III—3.3 Cannabis
Drogen
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Drogen
Cannabis III—3.3
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Clotiazepam III—3.3
Drogen
Clotiazepam (—»Benzodiazepinderivate) Chemische Formel: CH,
I
°
CH3— CH2 v, S^^N----------- / ^• C—N7
Vorkommen: Trecalmo® Tabletten, Bayer Trecalmo® Tabs, Bayer Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat. Halbwertzeit 5-6 Std. (O CHS 1985) Thieno-Diazepin. Rasche Resorption: maximale Plasmakonzentrationen nach 30-60 Minuten. Es wird demethyliert und hydroxyliert, wodurch Desmethyl- und Hydroxy-Derivate entstehen, die pharmakologisch aktiv sind. Hauptausscheidung über die Leber. Geringe Konzentration im ZNS. Deutlich weniger sedierend als Diazepam, jedoch schlaffördernd. Keine muskelrelaxierende Wirkung, antikonvulsiv. Die Proteinbindung ist hoch, mit einer freien Fraktion im Plasma von weniger als 1 %. Die gleichzeitige Einnahme von INH, Cimetidin, oralen Antikonzeptiva oder Alkohol beeinflußt die Kinetik dieser Substanz nicht (O CHS, 1985). Untersuchungen unter Dauertherapie wurden bisher nicht durchgeführt. Neben Wirkungen: Muskelrelaxation, Schwindel, bei Langzeittherapie in hohen Dosen Artikulationsstörungen. Paradoxe Reaktionen, Abhängigkeitsgefahr bei Langzeitmedikation in höherer Dosierung. Trecalmo Tabletten enthalten den Farbstoff Tartrazin, der bei Personen, die dagegen besonders empfindlich sind, allergieartige Reaktionen verursachen kann. Interaktionen: Gegenseitige Wirkungsverstärkung durch Alkohol, Schlaf-, Beruhigungs-, Anregungs- und zentral dämpfende Mittel. Symptome: Schwindel, Müdigkeit, Hypotonie, Atemdepression. Nachweis: DC, GC (ARENDT, 1982) Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme; Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat; Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich; evtl. Antidot Ro 15-1788 (0,3 mg-1 mg i.V.).
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III—3.3 Clotiazeparn
Drogen
Literatur: ARENDT, R., OCHS, H. R., GREENBLATT, D. J.: Arzneimittel-Forsch. 32: 453-455 (1982). LAUX, G.: Neue Benzodiazepin-Tranquilizer. Z. Allg. Med. 58: 813-820 (1982). OCHS, H. R., GREENBLATT, D. J., VERBURG-OCHS, B., HARMATZ, J. S., GREHL, H.: Clotiazeparn disposition: Influence of age, sex, oral contraceptives, Cimetidine, isoniazid and ethanol. Europ. J. Clin. Pharmacol (1985).
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Drogen
Cocain
ffl-3-3
Cocain Chemische Formel: C17H21N04
Synonyma: 2ß-Carbomethoxy-3ß-benzoxytropan;Corin 3-Tropanylbenzoat-2-carbonsäuremethylester,2-Carbomethoxy-3ß-hydroxy-laH,5aH-tropanbenzoat; Benzoesäure-[3ß-(2ß-Carbomethoxy-8-methyl-8-azabicyclo[3.2.1]octyl)]-ester Erytroxilin Als Trivialbezeichnungen in der Szene: Bernice, C. Candy, Charly, Coco, Coke, Corrine, Dana blanca, Leck (eine kleine Prise Cocain), falke, gold dust, Koks, lady, Schnee, schoolboy, show, snow, star dust, Supernose, the pimps drug, the rieh mens drug, weißer Schnee, white stuff. Beschaffenheit: MG: 303,39 Extrakt aus den Blättern des Cocastrauches (Erythroxylon coca). Cocain ist ein Ester des Ekgonins, dessen Säuregruppe mit Methylalkohol und dessen alkoholische OHGruppe mit Benzoesäure verestert ist. Ekgonin ist ein Derivat von Tropan-3-ß-ol, während die Alkaloide der Solanaceae (z.B. Belladonna-Arten, Bilsenkraut, Stechapfel, Mandragora usw.) Derivate des stereoisomeren Tropan-3-a-ols sind. Färb- und geruchtose, transparente Kristalle oder weißer, kristalliner Puder, bitterer Geschmack. Blätter des Cocastrauches, getrocknet. Von Cocain gibt es im wesentlichen nur zwei Herstellungsarten. Nachdem N IEMANN 1859/60 die Reindarstellung der Substanz gelungen war, erfolgte 1923 durch WILLSTÄTTER die Totalsynthese. Heutzutage wird jedoch das für pharmazeutische Zwecke benötigte Cocain nicht synthetisch, sondern durch Extraktion aus Pflanzenmaterial hergestellt. Das Cocain, das illegal im Handel ist, wird zum Hauptteil bereits im Ursprungsland durch Extraktion aus den Cocablättern gewonnen. Auf dem Schwarzmarkt weist das Cocain oft einen Wirkstoffgehalt von 80-95% auf. Jedoch gilt hier die Regel, daß der Reinheitsgrad mit steigender Nähe zum Verbraucher abnimmt. Zur Streckung der Menge werden vor allem Zuckerarten (Milch- und Traubenzucker), Prokain, Coffein, Amphetamine und Chinin verwendet. Auch der Verschnitt von Cocain mit Natriumbicarbonat »Crack« wurde bereits vielerorts nachgewiesen. Crack« - ein Cocainderivat Wann genau »Crack« zum ersten Mal hergestellt wurde, ist nicht genau bekannt. Man vermutet jedoch, daß die Droge zum ersten Mal 1983 als eine Zufallsentdeckung eines Dealers auf den Bahamas und kurze Daunderer - Klinische Toxikologie - 121. Erg.-Lfg. 10/97
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III—3.3 Cocain
Drogen
Zeit später in Los Angeles auftrat. Von dort aus fand sie schnell Verbreitung über ganz Amerika und langsam greift ihr Einflußbereich auch auf andere Länder über. »Crack« wird mit Natriumbicarbonat (Backpulver), Wasser und Cocain ohne großen technischen Aufwand zu kleinen Klümpchen verbacken. Aus einem Gramm Cocain können etwa sechs Portionen »Crack« hergestellt werden. Die schnelle Ausbreitung der »Crack«-Abhängigkeit in den USA hat viele Gründe. Zum einen ist diese Droge mit dem Preis von etwa 10 $ für eine Ration relativ billig. Dadurch wird »Crack« auch für solche Gruppen erschwinglich, denen Cocain wegen des hohen Preises bisher nicht zugänglich war. Zum zweiten ist »Crack« sehr unauffällig in der Öffentlichkeit zu konsumieren. Es wird in einer Pfeife geraucht und ist im Gegensatz zu Haschisch absolut geruchlos. Hier findet man auch die Bedeutung des Namens »Crack«, er rührt von dem knackenden Geräusch her, mit dem die Substanz nach ihrem Entzünden in der Pfeife abbrennt. »Crack« ist außerdem eine in Sekundenschnelle wirkende Droge. Vorkommen: Die Kokapflanze (Aimara: Khoka = der Baum) ist ein pyramidenförmiger Strauch von bis zu fünf Meter Höhe, der jedoch in Kulturen aus Ertragsgründen und um die Ernte zu erleichtern auf einer Höhe unter drei Metern gehalten wird. Von den zweihundert bekannten Arten dieser Pflanze sind nur zwei für die Gewinnung von Kokablättern und Cocain von Bedeutung: Erythroxylon coca und Erythroxylon novogranatense. Der Ertrag dieser Pflanze besteht aus ovalförmigen 6 cm langen und 3 cm breiten Blättern, die im Frischezustand eine dunkelgrüne Farbe besitzen. Diese Blätter haben stachelspitze Enden, sind kurzstielig und glattrandig. Zwei bogenförmige Streifen von der Spitze bis zur Basis auf beiden Seiten der Blätter lassen den Eindruck entstehen, als würde auf jedem Blatt noch ein weiteres Blatt kleben. Im getrockneten Zustand erinnern diese Blätter an Lorbeerblätter und haben einen stark aromatischen Geruch, der von ätherischen ölen stammt. Die traditionellen Anbaugebiete der Kokapflanze sind die zwischen 600 und 1.000 Meter hoch gelegenen Gebirgslandschaften von Peru und Bolivien. Dort findet die Pflanze vor allem an den geschützten Ostabhängen der Anden optimale Lebensbedingungen. Anbauversuche in anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern (Kalifornien, Brasilien, Mexico usw.) brachten nicht die Bedeutung einer wirtschaftlichen Nutzpflanze. Warum Kokapflanzen in ihren Blättern Kokain produzieren, haben amerikanische Neurologen entdeckt: Die Substanz wirkt giftig auf Insektenlarven, die sich von dem Grün ernähren(Proceedings of the National Academy of Sciences, Bd. 90, S. 9645,1993). Schon vor einiger Zeit hatten Forscher festgestellt, daß Kokasträucher selten von Schädlingen befallen werden. Daraufhin untersuchte die amerikanische Arbeitsgruppe die Wirkung von mit Kokain besprühten Blättern auf Insektenlarven. Die Tiere zeigten deutliche „Verhaltensauffälligkeiten"-sie zitterten und krümmten sich-, die auf eine Vergiftung deuteten. Die Wissenschaftler vermuten, daß Kokain in den Stoffwechsel des Octopamins eingreift, welches als Botensubstanz der Nerven Bewegungen und Verhalten der Insektenlarven steuert. Auch beim Menschen beruht die Rauschwirkung darauf, daß die Funktion eines Botenstoffes, des Dopamins, gestört wird. Nach Ansicht der Forscher ist der Rausch daher ein Nebeneffekt der insektiziden Wirkung des Kokains. (SZ 2.12.93) In den südamerikanischen Anbaugebieten werden im wesentlichen zwei Trockenmethoden praktiziert. Bei der einen Art werden die Blätter in der Sonne ausgebreitet und unter häufigem Wenden getrocknet. Je schneller dies geschieht, möglichst in wenigen Stunden, um so teurer und besser wird die Ware. Diese Blätter nennt man »Coca del dia« (an einem Tag getrocknet) oder »Cacha« (grüne Blätter), was auf den Erhalt der grünen Farbe zurückgeht. Bei der anderen Trockenmethode werden die Blätter einem Gärungsprozeß ausgesetzt, indem man sie beim Antrocknen immer wieder anfeuchtet. Danach werden die Blätter in einem Schuppen aufgeschüttet und mit Wolltüchern abgedeckt. Diese Blätter heißen »Coca picada«. Aus 300 Gramm frischen Blättern entstehen etwa 130 Gramm Trockenblätter, deren Haltbarkeit mehrere Jahre betragen kann. Normalerweise werden die Blätter jedoch bald konsumiert oder zu Cocain weiterverarbeitet, da der Alkaloidgehalt schon nach wenigen Monaten abnimmt.
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Cocain III—3 - 3
Verwendung: - Als Lokalanästhetikum am Auge (wenn Mydriasis erwünscht; 1-4%ige Lösungen, manchmal mit Homatropin kombiniert) und in der Nase (Schleimhautanästhesie}. 1879 wurde von dem Wissenschaftler A NREP zum ersten Mal auf die mögliche medizinische Anwendung hingewiesen, nachdem er dessen lokalbetäubende Wirkung festgestellt hatte. 1884 wurde das Cocain dann von K OLLER in die Augenchirurgie und von J ELLINEK als Lokalanästhetikum im Hals-NasenRachen-Raum eingeführt. Vor allem seitdem die Gefährlichkeit des Cocains in bezug auf seine abhängigkeitserzeugende Wirkung bekannt ist, wurde sein Einsatz in der Medizin erheblich eingeschränkt. Heute liegen seine hauptsächlichen Einsätze im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, wo eine lokale Betäubung und eine Gefäßverengung mit daraus resultierender Blutleere benötigt werden. Bisher konnten diese beiden Wirkungen bei keinem synthetisch hergestellten Mittel vereint werden. In Amerika wird Cocain vor allem in der plastischen Chirurgie verwendet (etwa in 80% aller Operationen). Bei einer Befragung von 741 Chirurgen über 93.000 Operationen konnte kein einziger Fall ermittelt werden, in dem es durch Cocain zu Todesfällen oder körperlichen Schäden gekommen war. - Als Rauschmittel: Meist parenterale Applikation bei Drogensüchtigen (als wäßrige Lösung subkutan oder i.v. manchmal zusammen mit einem Opiat (»Speedball«) oder nasale Aufnahme (Schnupfen als Pulver, »koksen«); auch oraler Gebrauch (Einreiben in das Zahnfleisch, Trinken von Kokawein, Kauen von Kokapaste, Kauen von Kokablättern) ist möglich und Inhalation des Rauchs in Form der freien Base. Etwa 60% (lt. Untersuchungen von P HILLIPS und W YNE, 1976) aller Cocainsüchtigen bevorzugen das Schnupfen (»koksen«) des Stoffes. Diese Einnahmeform gilt als weniger gefährlich als z.B. Injektionen und bietet gleichzeitig eine länger anhaltende Wirkung. Zur Ausrüstung des Abhängigen gehört eine Art Saugrohr, das z.B. ein Strohhalm, ein zusammengerolltes Zigarettenpapier oder ein Glasröhrchen sein kann. Viele reiche »Kokser« verwenden Banknoten oder vergoldete Strohhalme, was vor allem darauf beruht, daß Cocain als eine Droge der »High Society« gilt. Ferner wird eine Schnupf dose und ein Meßlöffel benötigt, mit dem die benötigte Menge Cocain abgemessen wird und dann auf einer glatten Fläche zu sogenannten »Straßen« gezogen wird. Danach wird das Saugrohr in das eine Nasenloch eingeführt und während das andere zugehalten wird, wird das Cocain in einem Atemzug inhaliert. Um es in die obere Nasenhöhle an die Schleimhäute zu bringen, bedarf es einiger Übung. Wesentlich weniger Konsumenten (ca. 20%) bevorzugen es, das Cocain zu spritzen (intravenös oder subkutan). Bei dieser Art des Konsums kommt es zu einer stärkeren Drogenwirkung, die meist nach bereits 15 Minuten wieder abklingt. Praktisch unbedeutend in europäischen Ländern ist das Rauchen von Cocain. Diese Form wird meistens in südamerikanischen Ländern durchgeführt, wobei das Cocain mit normalem Tabak gemischt wird. Der Wissenschaftler NOYA hat 1979 solche Abhängigen in Bolivien untersucht und hat zu den übrigen cocainbedingten Krankheiten starke Verfolgungsängste und vermehrt auftretende Magen-DarmStörungen festgestellt. Viele Untersuchte gaben an, daß ein bestimmtes Getränk aus Zitronensaft und Zuckerwasser vor allem die Verfolgungsängste unterbinden würde, was aber wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte. Im Gegensatz zu früher ist auch die orale Konsumform des Cocains heutzutage praktisch unbedeutend (ca. 4% der Abhängigen). Häufig Kombination mit anderen Drogen (Heroin, LSD, Cocain-Cocktail: »Frisco speed ball«; »Crack«, »free-base« aus Cocain, Alkohol und Backpulver) Im übrigen ist im Coca Cola kein Cocain enthalten, da vor der Herstellung des Cocaextraktes den Blättern mit einem Lösungsmittel das Cocain entzogen wurde. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: »Der Wirkungsmechanismus des Cocain im Zentralnervensystem ist noch nicht restlos aufgeklärt. Es scheint aber über eine direkte Wirkung auf die Katecholaminspeicher des Gehirns einen dopaminergen, zentral stimulierenden Effekt zu entfalten, indem es zum einen die Noradrenalinspeicherung blockiert, zum anderen die Noradrenalinabgabe durch die sympathischen Nervenendigungen fördert. Cocain führt weiter zu einem verminderten Anfall von Serotonin an den Nervenendigungen durch Blockierungsvorgänge. Cocain hat in seiner Wirkung Ähnlichkeit mit manchen antidepressiv wirksamen Substanzen, z.B. Desipramin. Umgekehrt hebt Cocain die Wirkung antipsychotischer Medikamente mit antidopaminergem
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Effekt (z.B. Haloperidol) auf. Damit dürfte dem Cocain auch ein psychotogener Effekt innewohnen (TÄSCHNER, 1980).« (Nach T ÄSCHNER und R ICHTBERG, 1988. Koka und Cocain, S. 205) Die Aufnahme im Körper: Die schnellste und stärkste Aufnahme im Körper kommt durch intravenöse Injektion von Cocain zustande. Bei intramuskulärer oder subkutaner Injektion begrenzt der Effekt der Vasokonstriktion die Aufnahme und Ansammlung von Cocain in der Blutbahn. Wird Cocain über Schleimhäute aufgenommen, liegt die maximale Aufnahmekonzentration bei 30 bis 50% der durch intravenöse Injektion erreichten. Hierbei ist es wiederum wichtig, zwischen Rachenschleimhaut und der Oberfläche der Luftröhre, bei der die Resorption stärker ist, zu unterscheiden. Eine intakte Schleimhaut der Harnblase ist cocainundurchlässig. Ist sie jedoch entzündet, kommt es bei der lokalen Anwendung von Cocain zur Resorption. Das ist auch der Grund dafür, warum früher bei Operationen in diesem Bereich manchmal bei Anwendung von Cocain als Anästhetikum Vergiftungen auftraten. Die Aufnahme von Cocain über die Schleimhäute hängt nicht von der Konzentration, sondern von der absoluten Menge ab. Wie auch bei dem Vergleich zwischen Cocainsüchtigen und Cocakauern zu sehen ist, ist eine Aufnahme von Cocain über den Magen-Darm-Trakt zwar möglich, aber begrenzt, da das saure Milieu im Magen zu einer hydrolytischen Spaltung führt. Cocain verschwindet relativ schnell wieder aus den Körperflüssigkeiten und wandert dann bevorzugt in die Milz, die Leber und die Nieren ab. Bei Versuchstieren wurden auch hohe Konzentrationen im Gehirn gefunden. Cocain im Stoffwechsel: Zum Stoffwechsel des Cocains im Organismus gibt es nur wenige Untersuchungen, trotzdem kann vor allem aufgrund von Tierversuchen davon ausgegangen werden, daß es beim Cocain relativ schnell, wie auch bei Heroin, zu hohen Plasmakonzentrationen kommt. Bei Ratten wurde festgestellt, daß die Halbwertszeit von Cocain bei einer einmaligen Zufuhr im Plasma fünf Stunden beträgt. Bei chronischer Zufuhr sinkt sie dann auf 2,9 Stunden ab, was von einer Toleranzbildung gegenüber der Droge herrührt. Cocain wird überwiegend über Harn und Stuhl ausgeschieden (70 bis 87,5%), wobei die Werte bei der chronischen Zufuhr steigen. Ferner kommt es zu einer Ausscheidung von Benzoylekgonin (11,6 bis 14,5%), Benzoylnorekgonin (0,4 bis 0,7%), Ekgonin (1,4 bis 2%) und Ekgoninmethylester (0,6 bis 8,7%). Bei Versuchen mit Hunden konnten im allgemeinen übereinstimmende Ergebnisse mit den Rattenversuchen erzielt werden. Jedoch war die Halbwertszeit im Gehirn nur etwa 1,5 Stunden lang. Mit der toxischen Wirkung des Rauschgifts ist insbesondere bei Injektionen zu rechnen, wobei die Empfindlichkeit gegen diese mit der Zeit ansteigt. Die körperliche Wirkung des Cocains bei Zufuhr einzelner Dosen: Bei Zufuhr kleinerer Dosen Cocains werden vor allem die Geschmacksknospen auf der Zunge betäubt, was zu einem tauben Gefühl in der Nase und am Gaumen führt. Die Atmung wird beschleunigt, der Puls und die Körpertemperatur erhöht, die Blutgefäße verengt und die Pupillen vergrößert. Auch kommt es zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels des Muskeltonus und der Stoffwechsel wird angeregt. Größere Dosen Cocain führen jedoch schnell zu Kopfschmerzen, erhöhtem, aber sehr schwachem Puls, zu kalten Schweißausbrüchen, Zittern, Atemstörungen und Schwindel, was schließlich in starken Krämpfen und Bewußtlosigkeit und dem evtl. Tod des Betreffenden endet. Cocain im Herz-Kreislauf-System: Der Wissenschaftler RESNICK und seine Mitarbeiter fanden bei ihren Versuchen 1979 heraus, daß die Gabe von 25 mg Cocain (geschnupft) nur eine minimale Veränderung des Herzschlags bewirkte. Erst ab einer Gabe von 100 mg Cocain konnte eine deutliche Beschleunigung des Herzschlags festgestellt werden. Interessant ist hierbei, daß eine intravenöse Verabreichung von etwa 10 bis 25 mg den gleichen Anstieg der Herzfrequenz auslöst. FISHMAN ebenso wie POST kamen 1976 zu dem Ergebnis, daß bei einer Gabe von 16 mg Cocain (intravenös) der Pulsschlag von 74 auf 100 Schläge pro Minute anstieg. Die Erhöhung der Pulsfrequenz setzte nach etwa drei Minuten ein. Der Höhepunkt konnte etwa zehn Minuten nach der Einnahme des Cocains festgestellt werden, 46 Minuten später wurde der Ausgangswert durchschnittlich wieder erreicht. Geht man von EKG-Untersuchungen aus, so verbreitet sich der QRS-Komplex, was von einer verlängerten Überleitungszeit am Herzen kommt. Auch die PR- und die QT-Abstände verlängern sich
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im EKG (MOE und ABILDSKOV, 1971). Rhythmusstörungen scheinen nur selten vorzukommen, solange die Anwendung im therapeutisch-klinischen Bereich liegt (V AN DYKE, 1977). Cocain führt in kleinen Mengen zu einer Verengung der Blutgefäße (Vasokonstriktion), in großen Mengen angewendet bewirkt es genau das Gegenteil (Vasodilatation). In seiner Wirkung spricht Cocain jedoch nicht direkt auf das Blutgefäß an, sondern es reizt die sympathischen (adrenergenen) Nervenenden, die an der Gefäßwand sitzen (V AN DYKE, 1977). Ferner wirkt Cocain auch noch auf Zentren im Gehirn, die für die Kreislaufregulation verantwortlich sind (C ALDWELL, 1976). Kleinere Mengen Cocain haben vor allem im Tierversuch eine Blutdruckerhöhung gezeigt, die parallel zur Konzentration des Noradrenalins im Körper steht. Nur besonders hohe Dosen führen zu einer Vasodilatation und damit zu Blutdruckabfall und späterem Kreislaufzusammenbruch oder Tod durch Kreislaufversagen. Wie bei der Herzfrequenz ist auch der Höhepunkt des Blutdruckanstieges etwa 10 Minuten nach Einnahme des Cocains festzustellen. Die Erhöhung liegt etwa bei 10 bis 15%, abgesehen von individuellen Schwankungen ist die Wirkung bei geschnupftem oder gespritztem Cocain gleich (P OST, 1974; F ISHMAN, 1976; VAN DYKE, 1977). Andere Körperfunktionen: Im Tierversuch wie auch beim Menschen führt Cocain zu einem Anstieg der Körpertemperatur. In niedrigen Dosen wird dieses künstliche Fieber als Hitzegefühl registriert. Je weiter die Dosis jedoch ansteigt, wird das Fieber von einem Kältegefühl begleitet. Für dieses Phänomen gibt es zwei Hauptursachen. Zum einen wird das Wärmeregulationszentrum im Hypothalamus direkt angesprochen, zum anderen kommt es durch die Verengung der Blutgefäße zu einem Wärmeanstieg. Die erhöhte Bewegungsaktivität und Muskeltätigkeit hat mit der Erhöhung der Temperatur nichts zu tun, da auch bewegungslos gehaltene Versuchstiere Fieber zeigten (MARSHALL und B ARBOUR, 1931). Bei lokaler Anwendung am Auge führt Cocain zu einer Erweiterung der Pupille (Mydriasis), was auf der Sensibilisierung des sympathischen Nervensystems beruht (SCHULTZ, 1898; G OLD, 1924). Früher hat man diesen Effekt als Lähmung der Muskulatur der Iris gedeutet. Diesen Effekt hat man sich bei der Augenchirurgie zunutze gemacht. Bei der Einnahme von Cocain kommt es zunächst zu einer starken Erhöhung der Atemtätigkeit. Die Lungenfunktion fällt jedoch auch schnell unter ihren Ausgangswert ab. Bei mehrmaligem Gebrauch von Cocain läßt dessen Wirkung auf die Atemtätigkeit ebenso wie auf den Herzschlag signifikant nach. Wird zuviel Cocain zugeführt, kommt es zu einer Lähmung der Zentren im Gehirn, die für die Regulation der Atemtätigkeit zuständig sind. Auch wenn die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit bis heute nicht sicher nachgewiesen werden konnte, so wird sie durch die Droge jedoch auf jeden Fall erleichtert. Dabei spielt sicher die euphorisierende Wirkung ebenso wie der hungerunterdrückende Effekt und die Verdrängung von Erschöpfungs- und Ermüdungsgefühlen eine Rolle. Bis heute wurde kein Fall bekannt, bei dem es nach Cocaineinnahme zu allergischen Reaktionen kam. Bei allen plötzlichen Todesfällen, die zunächst als allergische Reaktionen gedeutet wurden, konnte später festgestellt werden, daß die Personen an einer Vergiftung gestorben waren. Zu Forschungszwecken wurde 1920 bei einer Versuchsperson eine Cocainvergiftung erzeugt. Nach drei bis vier Minuten zeigte sich ein beschleunigter Puls, schnelle Atmung und zunehmende Erregung. Bis auf die Erregung, die sich über Stunden hinzog, verschwanden die Symptome nach ca. 30 Minuten. Seelische Erscheinungen waren eine rauschartige Benommenheit (5. bis 7. Minute) und Euphorie, die nach ca. 30 Minuten durch einen Stimmungsumschwung zu Depressionen und Unzufriedenheit führte. Auch traten Sinnestäuschungen auf, wie z.B. Verfolgungswahn. Es dauerte etwa 12 Stunden, bis der Organismus das ungewohnte Gift verarbeitet hatte. (MAYER-GROSS, 1920). Die psychische Wirkung des Cocains bei Zufuhr einzelner Dosen - der Cocainrausch: Wesentlich stärker als die körperliche Wirkung sind die psychischen Auswirkungen bei der Einnahme von Cocain. Beim entstehenden Rausch handelt es sich um einen Zustand unmittelbarer Drogeneinwirkung. Er ist also sozusagen die Antwort des Organismus auf die Zufuhr von Cocain, es ist charakteristisch für ihn, daß seine Stärke dosisabhängig ist und mit dem Abbau des Cocains abklingt. Zum Rausch gehört im wesentlichen die Bewußtseinsstörung. Die Sinneseindrücke werden nicht mehr kritisch geordnet, oft bleibt der Konsument an unwichtigen Details hängen. Ein Cocainrausch, solange er typisch verläuft, zeigt regelmäßige Züge. Zu Beginn steht das euphorische Stadium, das von positiven Eindrücken geprägt ist. Dann
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folgt das Rauschstadium, in dem die positiven Gefühle langsam ins Gegenteil umschlagen und im letzten, dem depressiven Stadium enden. Bei einem atypischen Cocainrausch wird vor allem das euphorische Stadium übersprungen und der Betreffende erlebt hauptsächlich Angst, Panik und Schrecken. Das euphorische Stadium: »Wenn das Cocain wirkt, hat man alles, was man braucht. Es fehlt einem gar nichts mehr. Man ist glücklich. Alles, was einen bedrückt hat, ist wie weggeflogen. Das kann man vergessen, nein, man hat es schon vergessen. Es ist einfach uninteressant. Nichts macht einem was aus. Man schwätzt und redet und kann mit jedem auskommen. Man merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht, es ist einfach sagenhaft. Am besten wäre es, wenn der Zustand nie vergehen würde. (...)« (Ein Patient, 29 Jahre, von Priv.-Doz. Dr. med. AKRL-LUDWIG TÄSCHNER). In diesem Zitat kommt am besten ein wichtiger Aspekt der Euphorie zutage, die gehobene Stimmung, verbunden mit einem Zustand unendlichen Glücks und Wohlbefinden. Alle Ängste und Befürchtungen treten aus dem Bewußtsein zurück. Das Selbstwertgefühl des Konsumenten steigt, er wird mutig und traut sich Dinge zu, die er früher nie gewagt hatte. Ein Grund, warum gerade Cocain zu einer »Modedroge« geworden ist, ist seine starke antriebs- und leistungssteigemde Wirkung. Cocain vermag die Menschen auf eine Weise zu beflügeln und voranzutreiben, die sie vorher nie gekannt hatten. Ein Nachteil dieser Wirkung ist jedoch, daß der Betroffene oftmals seinen beschleunigten Denkvorgängen nicht folgen kann, das heißt, er kann nicht so schnell sprechen, wie er denkt. Vieles, was er spricht, gibt deshalb nur teilweise das wieder, was er denkt. »Während meine Feder ungeduldig und nicht schnell genug auf dem Papier lief, war ich nicht imstande, neue Ideen zu fassen noch eine Arbeit zur Form zu bringen von nur einigem Wert, die in Einklang mit meinem außergewöhnlichen Geisteszustand stand.« (M ANTEGAZZA, 1924). Bei Gebrauch einer kleinen Dosis Cocain kann sich der antriebssteigernde Effekt so in Grenzen halten, daß er zu einem leistungssteigernden umgewandelt werden kann. Eine Nacht lang kann ohne weiteres durchgearbeitet werden, ohne daß die Qualität der Arbeit merklich sinkt. Zu solchen Einbußen kommt es erst im Verlauf einer eintretenden Abhängigkeit. Bei Gebrauch von Cocain verändert sich auch das Kontaktverhalten der Abhängigen. Im Gegensatz zu Heroin wird Cocain eigentlich immer in einem Kreis von Freunden eingenommen. Unter Cocaineinfluß verliert der Mensch seine innere Scheu und er kann Hemmungen überwinden, auch findet er schnell Gesprächsthemen, hat viele Ideen und wirkt auf seine Umwelt sprudelnd und anregend. Gerade mit diesem Wegfall von Distanz fallen auch oft Schranken in der Sexualität, die ohne Cocain nie überwunden werden könnten. Vor allem am Anfang der Cocainsucht zeigt sich eine starke sexuelle Stimulierung (H OLLISTER, 1975; DERMANGE, 1978). Der Eintritt des Orgasmus wird beim Sexualakt stark verzögert, aber nicht aufgehoben. Anzumerken wäre hierzu auch noch, daß sich in Tierversuchen gezeigt hat, daß die betreffenden Tiere bei einer Gabe von 0,1 bis 1,0 mg Cocain pro Kilogramm Körpergewicht ihre Aggressivität gesteigert haben. Beim Menschen gibt es jedoch bis jetzt noch kein vergleichbares Untersuchungsergebnis. Die Wissenschaftler BYCK und VAN DYKE schlössen sich 1977 der Meinung der Tierforscher an, daß auch beim Menschen die Aggressivität gesteigert wird, konnten jedoch keine Beweise dafür vorweisen. Das Rauschstadium: Das euphorische Stadium geht abhängig von Dosis und individueller Situation des Abhängigen innerhalb von Minuten bis Stunden in das Rauschstadium über. Immer mehr treten nun die positiven Erlebnisse in den Hintergrund und ein paranoid-halluzinatorisches Bild entsteht. Der Süchtige sieht sich nun von allen Seiten bedroht. Er entwickelt Ängste und eine innere Unruhe und steht mit der Realität nur noch lose in Zusammenhang. In diesem Stadium treten nun oft starke Halluzinationen auf. Der sich im Cocainrausch Befindende hat oft das Gefühl, Personen zu sehen oder zu hören, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. In vielen Fällen haben sie auch das Gefühl, Objekte auf oder unter der Haut zu fühlen, oder bei Berührungen tritt das Gefühl auf, die Haut werde abgezogen. Oftmals glaubt sich der Berauschte auch von allen Seiten beobachtet und bezieht Ereignisse auf sich, die gar nichts mit ihm zu tun haben. Das Ich-bezogene Denken steht ganz im Vordergrund. Das depressive Stadium: Im letzten Stadium des Cocainrauschs kommt es zu einem raschen Antriebsverlust, zu Ermüdung und Depressionen. Zu diesem Zeitpunkt entstehen oft Schuldgefühle und das Bedürfnis und der Drang, erneut Cocain zu konsumieren, steigt. Ist es dem Betroffenen aus finanziellen Gründen nicht möglich, sich sofort
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neues Cocain zu beschaffen, entsteht hier oft Drogenbeschaffungskriminalität. Aus diesem Grund sind Cocainabhängige im depressiven Stadium stark suizidgefährdet, da ihre Gedanken nur um die Suchtmittelbeschaffung kreisen. Die körperliche Wirkung des Cocains bei chronischer Zufuhr: Eine der ersten Veränderungen bei chronischem Cocainschnupfen ist die sogenannte »Koksnase«. Sie entsteht durch eine Schädigung der Schleimhaut in der Nase, die im allgemeinen aber nicht wahrgenommen wird, da Cocain betäubend wirkt. Nach dieser Reizung kommt es bald zu einer Geschwürsbildung, die im allgemeinen nicht abheilen kann, da es immer wieder zu erneutem Cocainkonsum kommt. Im knorpeligen Teil der Nase kommt es oft zu Perforationen, die am Ende ein Einsinken des Profils des Nasenrückens hervorrufen. Bei einer Untersuchung von N ATANSOHN (1921) wurden 86 Cocainschnupfer untersucht, wobei 78 von ihnen Perforationen aufwiesen. Fünf von ihnen wiesen eine Geschwürsbildung in der Nasenschleimhaut auf und bei sieben war bereits der Nasenrücken eingesunken. Alle litten ständig an eine starken Atembehinderung. Es war auffällig, daß bei einer Untersuchung von M ARKS und C HAPPEL (1976) von 89 untersuchten Cocainund Heroinkonsumenten alle eine Leberveränderung in Richtung einer fettigen Degeneration des Organs aufwiesen. Sechs Patienten hatten eine Gelbsucht und bei allen war eine Reihe von Leberenzymwerten (SGOT, SGPT, alkalische Phosphatase) erhöht. Es gibt noch keine genauen Untersuchungen dafür, daß diese Krankheiten nach Aufgabe des Cocainkonsums rückbildungsfähig sind. So wie es bei einer einmaligen Einnahme von Cocain zu einer akuten Vergiftung kommt, kommt es bei chronischer Einnahme zu einer chronischen Vergiftung. Aus dieser Vergiftung heraus kommt es, vor allem wenn Cocain intravenös gespritzt wird, oft zu epileptischen Krampfanfällen. Wie auch die Kokablätter unterdrückt Cocain das Hunger- und Durstgefühl und macht so gleichgültig gegenüber den< banalsten Gegebenheiten. Deshalb sind Cocainabhängige im allgemeinen stark abgemagert, ungefähr 10 bis 14 kg Gewichtsverlust bei einem vorher normalgewichtigen Menschen. Weiterhin bedingt die Abhängigkeit auch eine starke körperliche Verwahrlosung. Die Körperpflege wird völlig vernachlässigt. Es zeigt sich Zahnverfall, ungepflegtes Haar, der Süchtige zeigt eine schmutzige Erscheinung. Daneben kommt es auch oft zu einem Läuse- oder Krätzmilbenbefall. Abhängige, die das Cocain spritzen, haben häufig schlecht heilende Geschwüre. Auch bei ihrer Kleidung kommt es zu Desinteresse. Oft wird auch festgestellt, daß durch die Verwahrlosung auch die allgemeine Abwehrfähigkeit des Organismus abnimmt, wobei auch leichte Infektionskrankheiten fatale Folgen haben können. Wenn Sklerodermie-Kranke Cocain schnupfen, kann das besonders fatale Folgen haben: Der sympathomimetische Effekt des Cocains kann bei diesen Patienten offenbar ein akutes Nierenversagen induzieren. Anlaß für diese Annahme ist die Krankengeschichte einer 33jährigen, bei der im Januar 1991 im MetroHealth Medical Center, Cleveland/USA, eine Sklerodermie mit typischen Hautindurationen, RaynaudPhänomenen und ösophagealer Dysfunktion diagnostiziert wurde. Zwei Monate später mußte die Patientin wegen extremer Kurzatmigkeit bei Blutdruckwerten von 230/150 mm Hg erneut ins Krankenhaus. Wie sich herausstellte, hatte sie wenige Stunden vor Beginn der Atembeschwerden Cocain geschnupft. Ihr Zustand verschlechterte sich, das Serum-Kreatinin stieg bis auf Werte von 708 umol/1. Trotz der Behandlung mit Enalapril und später Prostaglandin E mußte nach drei Wochen bei sich weiter verschlechternder Nierenfunktion dialysiert werden. Unter dieser Therapie wurde die Patientin im Laufe von vier Wochen ohne weitere Medikation normotensiv. Das Serum-Kreatinin ging auf 1 77 u.mol/1 zurück - die Dialyse konnte abgesetzt werden. Die amerikanischen Kliniker weisen darauf hin, daß bei Sklerodermie eine ungewöhnliche Gefäßreaktivität - auch der Nierengefäße - besteht. Vasokonstriktorische Faktoren, zu denen der Genuß von Cocain gehört, spielen offensichtlich eine entscheidende Rolle bei einer renalen Krise von Sklerodermikern. (M. L AM et al.: N. Engl. J. Med. 326 [1992] 1435) Cocainmißbrauch schwangerer Frauen verringert deutlich das Geburtsgewicht, erhöht die Rate an Totgeburten im Zusammenhang mit Plazentaablösungen und ist auch mit einer gesteigerten Rate von kongenitalen Mißbildungen verbunden. Wahrscheinlich wird durch Vasokonstriktion, plötzlichen Hochdruck oder Herzarrhythmien die Blutversorgung des fetalen Gewebes unterbrochen, wenn Frauen Cocain nehmen. Cocainaufnahme ist auch durch die Muttermilch möglich (Symptome beim Baby: Erbrechen und Durchfall). Da die Kinder cocainabhängiger Männer häufig Fehlentwicklungen zeigen, wurde in einer Studie untersucht, ob Cocain mit menschlichen Spermien Interaktionen eingeht. Dabei konnte eine spezifische Bindung des Rauschgiftes an Samenzellen nachgewiesen werden.
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Spermien von Säugetieren können fremde Substanzen, wie virale DNS oder Arzneistoffe, binden. Cocain seinerseits bindet sich an die Zellen verschiedener Organe, jedoch gibt es über irgendwelche Interaktionen mit menschlichen Spermien keine Berichte. Die erhöhte Mißbildungsrate, die bei Kindern cocainabhängiger Männer auftritt, legt den Schluß nahe, daß Cocain das männliche Genitalsystem oder auch die Spermien direkt beeinflußt. Allerdings könnte ein Spermium auch bei der Befruchtung Cocain in die Eizelle einschleusen und somit die normale Embryonalentwicklung stören. Um dies zu untersuchen, wurden männliche Spermien mit tritiummarkiertem Cocain inkubiert. Die Bindungsrate war bei einer Inkubationszeit von 20 Minuten und einer Temperatur von 23°C am höchsten. Eine längere Inkubationszeit führte wieder zu einer Abnahme an gebundenem Cocain. Auf den Samenzellen scheinen dabei spezifische Bindungsstellen für die Droge vorhanden zu sein. Selbst bei Cocainkonzentrationen bis zu 670 umol/1 und langen Inkubationszeiten war die Beweglichkeit und Lebensfähigkeit der Spermien nicht beeinträchtigt. Dieser Befund schließt aus, daß Cocain die Spermien direkt in ihrer Funktion schädigt. Ein Süchtiger nimmt pro Dosis etwa 16 mg Cocain zu sich, womit im Gehirn Konzentrationen bis 0,8 umol/1 und Plasmakonzentrationen von 1,5 bis 3,0 fimol/1 erreicht werden. Somit sind die in der Studie verwendeten Cocainmengen durchaus als realistisch anzusehen. Ob Cocain im Samen von Cocainkonsumenten vorkommt, ist nicht bekannt. Methadon dagegen konnte in der Samenflüssigkeit in l,8fach höherer Konzentration als im Plasma nachgewiesen werden. Falls für Cocain ein entsprechender Ausscheidungsweg besteht, könnte es sich an die Spermien binden und bei der Befruchtung in die Eizelle eingeschleust werden. Dadurch kann schon in einem sehr frühen Stadium, nämlich schon vor der Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut, eine Embryopathie verursacht werden. (GRIEB, G.; Dt. Apoth. Ztg., 12 [1992], 578) Wer bisher glaubte, nur massive Dosen Cocain würden schwerwiegende kardiale Komplikationen hervorrufen, der muß sich nun eines Besseren belehren lassen. Wie DR. SAURABH K. CHOKSHI, Tufts University School of Medicine, Boston, auf dem Meeting »New Strategies in Cardiology« 1989 betonte, können selbst scheinbar »harmlose« Koksmengen lebensgefährlich werden. Das gilt auch für Personen mit organisch gesundem Herzen und für solche, die ihre allererste Bekanntschaft mit der Droge machen. DR. C HOKSHI berichtet über 2 Fälle von Wolff-Parkinson-White-Syndrom, zu dem es im Zusammenhang mit dem Schnupfen kleiner Cocaindosen gekommen war. Diese hatten offenbar elektrophysiologisch stille akzessorische Leitungsbahnen demaskiert und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst. Neben den Rhythmusstörungen sind aber auch Fälle von Myokarditis, Kardiomyopathie und sogar Myokardinfarkte im Zusammenhang mit Cocainmißbrauch beobachtet worden. In der englischsprachigen Literatur wurden bisher allein 58 Infarkte der Droge angelastet. 12% der ausnahmslos jungen Patienten starben daran. Als mögliche Ursachen für einen cocainbedingten Infarkt kommen, so DR. CHOKSHI, mehrere Möglichkeiten in Frage. Zum einen kann das Cocain eine Vasokonstriktion und eine Tachykardie hervorrufen und auf diesem Wege bei vorgeschädigten Koronararterien ein Sauerstoffdefizit des Herzens verursachen. Zum anderen werden bei ansonsten gesunden Koronarien ein cocaininduzierter Koronarspasmus, aber auch eine durch die Droge ausgelöste Koagulopathie vermutet. (Med. Trib., 27 [1989] 25) Die psychische Wirkung des Cocains bei chronischer Zufuhr: DieDepravation: Bei chronischem Cocainkonsum kommt es bald zu einer Umformung der Persönlichkeit, die wahrscheinlich eine hirnorganische Grundlage hat. Der Betroffene kennt bald kein anderes Interesse mehr als den Erwerb und den Konsum der Droge. Er verliert jegliches Interesse an seiner eigenen Person und Gesundheit, an beruflichen Dingen und seiner Familie. Die einzige ihm wichtige Zukunft ist der Zeitraum bis zur nächsten Einnahme der Droge. Am Ende steht der soziale Abstieg, der sich durch Bedenkenlosigkeit gegenüber anderen Menschen und Kriminalität auswirkt. Halluzinationen: Je länger der Cocainkonsum andauert, desto stärker treten bei den Betreffenden Halluzinationen verschiedenster Art auf. Der Wissenschaftler S IEGEL betonte 1978, daß Halluzinationen vor allem in der Zeit auftreten, in der besonders hohe Dosen Cocain eingenommen werden. Sie sind also nicht als Entzugszeichen zu werten. Allerdings kann es nach Absetzen der Droge noch zu kurzzeitigen Halluzinationen kommen (»Flashbacks«), die auf die Restbestände des Cocains in den Organen zurückzuführen sind.
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Taktile Halluzinationen sind die Wahrnehmung von vermeintlich realen Objekten unter oder auf der Haut, wie z.B. Glassplitter, Sand, aber auch Würmer oder andere Kleintierchen. Daraus entsteht ein starker Juckreiz, der oft zu schweren Hautverletzungen führt. Für die Ärzte sind diese Hautveränderungen häufig das erste offensichtliche Zeichen einer Cocainabhängigkeit. Von den 85 von S IEGEL untersuchten Abhängigen zeigten 13 optische Halluzinationen. Sie sahen am Rande des Gesichtsfeldes sich bewegende Objekte oder Personen. Es wurde ihnen jedoch sehr bald klar, daß diese Objekte nicht real waren, und deshalb blieben Reaktionen darauf aus. Bei geschlossenen Augen konnten die Personen sogenannte »snow Ughts« wahrnehmen. Sie wurden mit dem reflektierten Sonnenlicht auf Schnee verglichen. Auch geometrische Figuren wurden wahrgenommen. Daneben gibt es auch ein sogenanntes Doppelt- oder Vielfachsehen (Polyopsie), Verzerrungen von Dimensionen (Dysmorphopsie) und verkleinertes und vergrößertes Sehen (Mikropsie und Makropsie). Neun Patienten von S IEGEL hatten Wahrnehmungen von nicht vorhandenen Gerüchen und Geschmackshalluzinationen, die von der Schädigung der Nasenschleimhaut hervorgerufen wurden. Selten wurden auch Gehörshalluzinationen, vor allem Stimmen und Geflüster, festgestellt, die vor allem dann auftraten, wenn der Konsument alleine war. Antriebsstörungen und Konzentrationsschwächen: Während der chronischen Cocainsucht entstehen erhebliche Störungen im Antrieb bei dem Konsumenten. Dies macht sich vor allem in Nervosität, Unruhe und Unzufriedenheit bemerkbar. Der Betroffene ist mit nichts mehr zufrieden, braucht ständig Hektik und Bewegung und hält es nirgendwo länger aus. Alle möglichen Unternehmungen werden begonnen, aber nicht zu Ende gebracht. Die einzige Handlung, bei der der Antrieb nicht gestört ist, sondern eher verstärkt, ist die Suche und der Drang nach neuem Cocain. Ebenfalls zu den Auswirkungen einer Cocainsucht gehört eine starke Konzentrationsschwäche. Dem Süchtigen fällt es schwer, einen Gegenstand geordnet und ausdauernd zu betrachten. Seine Wahrnehmungen werden unbeständig und sein Denken verliert den Zusammenhang. Daher rührt auch seine bruchstückhafte, ungenaue Sprache (ideenflüchtiges Denken). Sie resultiert aus der starken inneren Unruhe und hohen Ablenkbarkeit durch Außenreize bei den Betroffenen. Sexualität: Obwohl im Cocainrausch die Substanz stark sexuell anregend wirkt, nimmt diese Wirkung im Laufe der chronischen Abhängigkeit ab. Libido und Potenz kommen zum Erliegen, obwohl in ganz seltenen Fällen auch beobachtet wurde, daß es zu einer Abänderung des Sexualtriebs von heterophiler in homophile Richtung kam. Ob hierbei jedoch ein Zusammenhang zwischen der Sucht und der Veränderung in der Sexualität besteht, wurde noch nicht wissenschaftlich erwiesen. Crack: Im Gegensatz zu reinem Cocain, das seine Wirkung erst nach einigen Minuten entfaltet, wirkt der »Crack«-Rausch schon nach wenigen Sekunden auf die Nervenzellen im Gehirn ein. Bereits Erstkonsumenten werden im Gegensatz zu allen anderen Drogen zu Dauerabhängigen, da »Crack« sehr schnell süchtig macht. Die Wirkung von »Crack« entspricht weitgehend der von Cocain. Nur die Erscheinungen sind unkontrollierbarer. Zu Beginn erlebt der Süchtige ein etwa 20 Minuten anhaltendes Gefühl von Euphorie, der danach eintretende Zustand ist genau das Gegenteil des eigentlich erstrebten Gefühls: innere Leere und langanhaltende Depressionen. Der Wunsch nach Wiederherstellung des erlebten Hochgefühls läßt die Anzahl der Trips oft auf 20 bis 30 täglich steigen. Die Betroffenen leiden unter Halluzinationen, Depressionen, wahnhaften Angstgefühlen, Schlafstörungen und körperlicher Auszehrung. Nach einiger Zeit sind sie nicht einmal mehr in der Lage, diese Symptome durch das »Crack«-Rauchen zu überdecken. Ähnlich wirkende Stoffe: Aufgrund der gesundheitsabträglichen Wirkung von Cocain begann eine Suche nach Substanzen, die die gleichen therapeutischen Eigenschaften ohne die negativen Nebenwirkungen beinhalten. In diesem Zusammenhang wurde vor allem das Procain hergestellt. Es wirkt kurzfristig und wird durch Injektion dem Körper zugeführt. Ein anderes Mittel dieser Gruppe ist das Lidocain, das im Gegensatz zu Procain länger wirkt und auch als Oberflächenanästhetikum eingesetzt werden kann. Weitere cocainähnliche
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und haben gesteigerte Darmgeräusche. Typisch für die Cocainintoxikation ist der kurze Verlauf, in dem Zustände tiefer Bewußtlosigkeit über länger als ein bis zwei Stunden selten sind. Bei höheren Dosen kommt es zu Unruhezuständen, Zittern, Mydriasis (differentialdiagnostische Abgrenzung zur Heroinvergiftung) und Einschränkungen der Wahrnehmungsfähigkeit. Dabei treten Halluzinationen verschiedenen Charakters auf. Derartige Zustände halten meist nur kurz an (differentialdiagnostische Abgrenzung zur akuten endogenen Psychose). Später kommt es zu Bewußlosigkeit und Koma. Der Patient hat gesteigerte Reflexe und ist wie in der hier geschilderten Situation »krampfbereit«. Eine Identifikation der Vergiftung kann anhand der Urinuntersuchung (Nachweis des Hauptmetaboliten Benzoylecgonin) gelingen und hätte bei unserem Patienten vorgenommen werden sollen. (MMW, 37, S. 47-48 [1991]) Tab. 1: Differentialdiagnose der Cocain-Intoxikation Differentialdiagnose Amphetamin-Intoxikation Cannabis-Halluzinogene zentrales anticholinerges Syndrom (zum Beispiel trizyklische Antidepressiva) Heroin-Intoxikation endogene Psychose Mischintoxikationen
Unterscheidungsmerkmale Abgrenzung schwierig, längere Halbwertszeit geringere kardiozirkulatorische Veränderungen, Normotonie trockener Mund, Darmparalyse Miosis, Hypothermie, Atemdepression, Injektionsmarken Abgrenzung initial oft nicht möglich, zeitlich längerer Verlauf Abgrenzung schwierig
(Ärztl.Prax.,57[1990],6) Bei chronischer Intoxikation: Herzklopfen, Ohnmachtsanfälle, Schlaflosigkeit, Lungenschäden, Pneumomedichastinum, Pneumoperikard, sexuelle Störungen, Verlust des Geruchsinnes, Atrophie der Nasenschleimhaut, Nekrose und Perforation des Nasenseptums, leichenartige Gesichtsfarbe, Abnahme von Gedächtnis und Willenskraft, Euphorie, Dysphorie, Depression, paranoide Psychose, körperlicher und geistiger Verfall. Entzug: Delirium mit Angst, Schlaflosigkeit, Tachykardie, Dyspnoe, Apathie, Gewichtsabnahme (Erbrechen, Durchfälle) Nachweis: Seitdem es in den letzten Jahren zu einer starken Zunahme der Cocainsüchtigen kam, ist es immer häufiger nötig, teils zur Beweissicherung, teils für Notfallbehandlungen, Cocain in Körperflüssigkeiten nachzuweisen. Als die sicherste Methode gilt die Massenspektrometrie, wobei die Cocainmoleküle unter Elektronenbeschuß charakteristisch zerfallen. Dieses Verfahren ist aber relativ aufwendig und für eine routinemäßige Durchführung nicht geeignet. Gerne wird Cocain im Harn nachgewiesen. Dazu wird der Urin mit Salzsäure angesäuert, neutralisiert und bis zu seiner Gelbfärbung mit Uranylazetat versetzt. Nachdem man diese Mischung mit Äther ausgeschüttelt hat, fällt man in mehreren Schritten mit Molybdänphosphatreagens aus. Mit dieser Methode kann Cocain in einer Menge bis zu 100 u.g/1 nachgewiesen werden. Allerdings ist der Nachweis nur wenige Stunden nach der Einnahme des Cocains möglich. Auch die Papier- und Dünnschichtchromatographie sind grundsätzlich geeignet, Cocain nachzuweisen. Allerdings sind sie ebenfalls sehr aufwendig und eine gewisse Erfahrung des Testers ist unbedingt erforderlich. Um Cocain aus Körperflüssigkeiten heraus nachzuweisen, wird vor allem die EMIT-Methode (eine enzymatisch-immunologische Methode) verwendet. Mit diesem Nachweis können auch beliebige andere Substanzen wie Opiate, Amphetamine und Barbiturate festgestellt werden. Ein großer Vorteil liegt beim
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EMIT-Verfahren darin, daß praktisch keine Interferenzen zwischen den Rauschmitteln auftreten und so eine hohe Nachweisspezifität gewährleistet ist. Chemische Nachweisreaktionen sind z.B. Pikrinsäure, die unter Verbindung mit Cocain ebenso wie Kaliumpermanganat zu Kristallbildung führt. Bei der vitalischen Probe wird Cocain mit Schwefelsäure erhitzt. Setzt man nun Kaliumjodat zu, färbt sich die Mischung grün und nach einiger Zeit rot-violett. Auch bei der martinischen Probe bildet Cocain in Wasser mit einer Lösung aus Bleijodit und Jodkalium typische kleine Kristalle. Therapie: Akut: Künstliche Beatmung, eventuell Intubation nach Diazepam oder Kurare Plasma (expander) im Schock, evtl. anaphylaktischer Schock Magenspülung, Medizinalkohle Bei Halluzinationen Antidot Physostigmin (Anticholium® 2 mg i.m.), Wiederholung bei Bedarf. Bei Entzug wegen Selbstmordgefahr überwachen (eventuell geschlossene Station), Doxepin (50-200 mg oral) Bei Hirnödem Haes 10% und Corticoide. Der Schwerpunkt der Ersttherapie gilt der Vermeidung hypoxischer Komplikationen durch Unterbrechung zerebraler Krämpfe, der Beseitigung einer Ateminsuffizienz und der Schaffung stabiler Kreislaufverhältnisse. Typisch sind im Verlauf zunächst gesteigerte, später deprimierte Atmung, initialer Blutdruckanstieg und Tachykardie sowie ventrikuläre Extrasystolen (eventuell bis hin zum Kammerflimmern). Durch die Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauches können auch bei anscheinend nicht disponierten Personen Symptome der koronaren Herzerkrankung ausgelöst werden. Die Behandlung ist primär rein symptomatisch auf die Sicherung der Vitalfunktionen und die Vermeidung von Komplikationen ausgerichtet. Beobachtung der Atmung, Puls- und Blutdrucküberwachung sowie EKG-Monitoring bilden die Grundlage der Behandlung außerhalb der Klinik. Sinustachykardie und ventrikuläre Extrasystolie sprechen wegen ihrer Genese besonders gut auf Sympathikolytika an. Die Gabe von 1 mg Propranolol alle 5 min. i.v. bis zur Beseitigung der Störung oder bis zum Erreichen einer Maximaldosis von 0,1 mg/kg KG wird vielfach empfohlen. Dabei bleibt die durch Cocain ebenfalls bewirkte Alpharezeptoren-Stimulation mit zum Teil krisenhaften Blutdruckanstiegen unbeeinflußt. Dies begründet die Empfehlung einer kombinierten Alpha- und Betablockade z.B. mit Labetalol. Die praktischen Erfahrungen hiermit sind bisher aber gering. Psychotische Zustände werden durch Benzodiazepine deutlich besser beeinflußt als durch Butyrophenone und Phenothiazine, die außerdem die Krampfschwelle vermindern. Die fraktionierte Gabe von Diazepam gilt deshalb als Therapie der Wahl bei Cocain-induzierten Erregungszuständen und bei Krämpfen. Die Körpertemperatur sollte regelmäßig gemessen werden, da hypertherme Zustände, analog dem Hitzschlag, Krämpfe induzieren können. Die Kühlungsbehandlung erfolgt ausschließlich extern. Phenothiazine sind kontraindiziert (MMW, 37 [1991], S. 48). Schon in frühen Berichten über toxische Wirkungen des Cocains (M ATTISON, 1891) wurde darauf hingewiesen, daß der Tod von verschiedenen Menschen auch bei verschieden hohen Dosen von Cocain eintritt, was auf deren unterschiedlichen Stoffwechsel und körperlichen Zustand zurückzuführen ist. Er referierte über Todesfälle bzw. Vergiftungen, in denen Konzentrationen zwischen 60 und 1.000 mg Cocain zugeführt wurden. Bei einigen Patienten konnten bereits bei 60 bis 100 mg schwerste Vergiftungen festgestellt werden, wobei andere wiederum die Höchstmenge relativ gut zu vertragen schienen. Obwohl im allgemeinen sehr niedrige statistische Werte über Cocain-Todesf alle existieren, sollte man sich dadurch nicht in die Irre führen lassen. Viele Cocainabhängige nehmen auch Opiate oder Barbiturate etc. zu sich, worauf dann anschließend die Todesfälle gerne zurückgeführt werden. Konsumenten, die eine Cocainvergiftung überlebt haben, schilderten, daß sie sich in einem Zustand der »Agonie« befunden hatten. Vor allem das starke Herzrasen vermittelte ihnen den Eindruck ihres nahen Todes. Weiter traten Schwindel, Schweißausbrüche, Herzklopfen, Beklemmungszustände (ähnlich der Angina pectoris) und Atemstörungen ein. GRINSPOON berichtete 1976 über eine 22jährige Amerikanerin, der bei einer Spiegelung der Atemwege versehentlich eine 10- statt einer l%igen Cocainlösung verabreicht wurde. Nach einem Herzstillstand wurde sie zwar wiederbelebt, behielt aber einen schweren Gehirnschaden, der ihr bei einem Prozeß die Rekordentschädigung von über 2 Mio. US-Dollar einbrachte. Solche Fälle von Vergiftungen sind jedoch
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vor allem in der heutigen Zeit sehr selten geworden, da Cocain, abgesehen von der plastischen Chirurgie, nur noch sehr selten verwendet wird. Vergiftungen entstehen viel eher in Fällen, wo es zum Schmuggeln i kleinen Päckchen verschluckt wird. So berichtete S UAREZ 1977 über drei Fälle von Schmugglern, die das Cocain in Kondome einfüllten, die sie verschlossen und dann verschluckten. Normalerweise würden die Kondome nach einiger Zeit auf natürlichem Wege wieder ausgeschieden. Zwei der Schmuggler wurden jedoch später tot aufgefunden, wobei die Autopsie ergab, daß bei dem einen eines der 53 Kondome im Dünndarm gerissen war. Bei dem anderen fand man 75 Päckchen Cocain im Magen-Darm-Trakt, von denen acht aufgeplatzt waren. Im dritten Fall wurde der Patient mit Vergiftungserscheinungen in ein Krankenhaus eingeliefert, wo zuerst versucht wurde, die Cocainpakete durch Abführmittel auszuscheiden. Als dieser Versuch mißlang, wagten die Ärzte, trotz des schlechten Zustandes des Patienten, einen Eingriff und entfernten das Cocain auf diese Weise. Besonderheiten: Besonders gefährdet sind Personen mit Pseudocholinesterasemagel, da dieses Enzym essentiell für die Verstoffwechslung von Cocain ist. Lebenslänglich Vorsicht bei Alkohol und Sedativa wegen Gefahr der Suchtverlagerung! Ursachen für die Entstehung der Abhängigkeit: Am häufigsten anzutreffen ist eine Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen, die besonders leicht dem Rauschgift verfallen. Sei es zum einen, weil sie von Freunden dazu animiert wurden und aus Gruppenbewußtsein mitgemacht haben, sei es zum anderen der Wunsch nach Flucht vor Problemen mit ihrer Umwelt. Oft werden ihnen auch Drogen in versteckter Form angeboten, z.B. LSD auf Bonbons. Teilweise geht der Drogenkonsum auch darauf zurück, daß sich der Betreffende eine Leistungssteigerung verspricht, z.B. Aufputschmittel. Der Verlauf und die Behandlung der Abhängigkeit: Ist der Betreffende durch leichte Drogen, wie z.B. Haschisch, Konsument geworden, gerät er über kurz oder lang auch an stärkere Stoffe, die ihn geistig und körperlich bald beherrschen. Sein weiteres Leben wird dann nur noch von seiner seelischen und körperlichen Abhängigkeit bestimmt. Oft bringt die Sucht auch sehr bald kriminalistische Aktivitäten mit sich, da der Tagesbedarf der Droge rasch ansteigt. Erst wenn der Abhängige eine innere Bereitschaft zum Entzug und zur Entwöhnung hat, ist es möglich, die Sucht zu behandeln. Nach der körperlichen Entgiftung beginnt der problematischere Teil, die psychische Entwöhnung. Sie wird meist über mehrere Monate in stationären Einrichtungen vorgenommen. Ihr wichtigstes Ziel ist es, die soziale Selbständigkeit des Betroffenen wiederherzustellen, er soll wieder aus eigener Entscheidung und Verantwortung heraus handeln können. Beispiele: Lisa B., 15 Jahre, Schülerin. Lisa hatte mit 14 Jahren zum ersten Mal durch ihren Freundeskreis Kontakt zu Haschisch. Bedingt durch Schwierigkeiten mit ihrem Stiefvater und ihrer Mutter zog ihre ältere Schwester von zuhause aus. Sämtliche Familienstreitigkeiten blieben nun an Lisa hängen, dazu kam noch ein großer Leistungsdruck durch die Mutter, die von ihrer Tochter beste Tennisleistungen erwartete. Schließlich wurde Lisa von einem Freund Cocain angeboten, mit der Bemerkung, es würde über alle Probleme hinweghelfen. Im Laufe der Zeit nahm sie in immer kleineren Abständen Cocain ein, da sie eine Leistungssteigerung verspürte. Als diese schließlich ausblieb, war es ihr nicht möglich, das Cocain abzusetzen. Nachdem eine Entwöhnung durchgeführt wurde, kam sie in ihren alten Freundeskreis zurück und nahm auch den Cocainkonsum wieder auf. E.R., 23 Jahre, Zeichner. Die Mutter des Betroffenen wurde als übernervös eingestuft, der Vater war ein starker Trinker und er selbs wurde als scheu und furchtsam beschrieben. Als E.R. während einer Krankenhausbehandlung morphiumsüchtig wurde, hatte er den Wunsch, auch Cocain zu probieren. Er fing an, täglich etwa ein halbes Gramm zu schnupfen, was ihm eine »kolossale Anregung« verschaffte. Er verfaßte Gedichte und Abhandlungen über das »zweite Ich«. Bereits nach kurzer Zeit bestanden starke Verfolgungsängste. Als er nach etwa drei
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Monaten bei einer Tagesdosis von etwa zwei Gramm angekommen war, wurde er nach einem Zusammenbruch in ein Krankenhaus eingeliefert, mußte aber nach acht Wochen als ungeheilt entlassen werden. T.H., 33 Jahre, Pfleger. Sein Vater war alkoholabhängig, er selbst galt als geistig stabil und als guter Schüler. Er wurde Pfleger in einem kleinen Sanatorium und spritzte sich dort erst aus Neugier, später um Übermüdungen zu überwinden, eine Mischung aus Morphium und Cocain. Erst nach drei Jahren wurde er abhängig und ba darauf Cocainhändler. Aus seiner ersten Entziehung in einem Privatsanatorium konnte er flüchten, wurde aber kurz darauf in eine Irrenanstalt zum erneuten Entzug eingeliefert. Nach neun Monaten wurde er bereits am Tag der Entlassung wieder rückfällig. Literatur: AMBRE, J., F ISHMAN, M., R UO, T.: Urinary excretion of ecgonine methyl ester, a major metabolite of cocaine in humans. J Anal Tox 8, 23-5 (1984) BARNETT, G., HAWKS, R., RESNICK, R.: Cocaine pharmacokinetic in humans. J. Ethnopharm, 3, 353-366 (1981) Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.) Drogenreport: Ein Bericht über Gründe, Mißbrauch, Wirkung, Folgen. München, 6. Auflage (1986) BEDNARCZYK, L.R., GRESSMANN, E.A., WYMER, R.L.: Two cocaine-induced fatalities. J. Anal. Tox., 4,263-265 (1980) BEYER, K.-H., MARTZ, S.: Cocainnachweis im Urin. D. Apot. Z., 41, 2037-2039 (1987) BINGOL, N., FUCHS, M., DIAZ, V.: Teratogenicity of cocaine in humans. J, Pediatr., 110, 93-96 (1987) CAPLAN, Y.H.: Analytical techniques. In: CRAVEY R.H., BASELT R.C., eds. Introduction to forensic toxicology. Davis, CA.: Biomedical Publications 161 (1981) COPER, H.: Cocain and Cocainismus. D. Ä., 5,173-180 (1981) CREGLER, L.L., MARK, HL: Medical Complication of Cocaine Abuse. N. Engl. J. Vol. 315 (1986) Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.). Drogenabhängigkeit - Eine Information für Ärzte. Hamm (1988) DIMAIO, V.J.M., G ARRIOTT, J.C: Four deaths due to intravenous injection of cocaine. For. Sei. Int., 12, 119—125 (1978) DOGOLOFF, L.I., ANGAROLA, R.T.: Urine testing in the workplace. Rockville, M.D.: The American Council for Drug Education20(1985) FINKLE, B.S., MCCLOSKEY, K.L.: The forensic toxicology of Cocaine (1971-1976). J. For. Sei., 23,173-189 (1978) GAY, CR.: Clinical management of acute and chronic cocaine poisoning. Ann. Emerg. Med. 11, 562 (1982) GERKIN, jr., R.D.: Cocaine. In: TINTINALLI, J.E., KROME, R.L., Ruiz, E.: Emergency Medicine. A comprehensive study guide. McGraw-Hill Book Company, New York (1988) GOLDFRANK, L.R., L EWIN, N., W EISMAN, R.S.: Toxicological emergencies, 2nd Edition. New York, NY: AppletonCentury-Croft, 179-88 (1982) GRINSPOON, L., BAHALAR, J.B.: Adverse effects of cocaine. Ann. N.Y. Acad. Sei. 362,125 (1981) HOLMSTEDT, B., LINDGREN, J., RIVIER, L., PLOWMAN, T: Cocaine in blood of coca chewers. J. Ethnopharm., 1, 69-78 (1979) JAFFE, J.H.: Drug addiction and drug abuse. In: Goodman and Gilman's: The pharmacological basis of therapeutics; 8th ed.; Pergamon Press, New York (1985) JAFFE, J., P ETERSEN, R., HODGSON, R.: Sucht und Abhängigkeit - Flucht aus dem Alltag. Weinheim und Basel, Beltz Verlag (1981) JATLOW, P.I., V AN DYKE, C, BARASH, P., BYCK, R.: Measurement of benzoylecgonine und cocaine in urine, Separation of various cocaine metabolites using reversed-phase high-performance liquid chromatography. J Chromatog 152 115-21 (1978) JAVAID, J.I., FISCHMAN, M.W., S CHUSTER, CR., et al.: Cocaine plasma concentrations: reaction to physiological and subjeetive effects in humans. Science 202, 227-228 (1978) JINDAL, S.P., LUTZ, T., VESTERGAARD, P.: Mass spectrometric determination of cocaine and its biologically active metabolite, norcocaine, in human urine. Biomed. Mass. Spec. 5, 65^-663 (1978) KEUP, W., WEIDIG, W.: Erste Meldungen über »Crack«-Mißbrauch in der Bundesrepublik. In: Suchtgefahren, 32. Jahrgang, Dez. Heft 6. Hamburg, Neuland-Verlagsgesellschaft mbH (1986) KOSSOWSKY, W.A., LYON, A.F., CHOV, S.: Cocaine and ischemic heart disease. Pract. Cardiol. 12, 375 (1986) LOCKOT, R.: Opiatabhängige in der ärztlichen Praxis. Z. Allg. Med. 55, 1852-1858 (1979) LUDEWIG, R., LOHS, K.: Akute Vergiftungen; 7. erw., neubearb. Aufl. VEB Gustav Fischer Verlag, Jena (1988) LUNDBERG, G.D., GARRIOTT, J.C. REYNOLDS, P.C., et al.: Cocaine-related death. J. For. Sei., 22, 402-408 (1977) LUTZ, F.U.: Medizinisch-Forensische Analyse von tödlichen und nicht tödlichen Zwischenfällen nach ärztlicher Anwendung von Lokalanästhesie, Inaugural-Dissertation, Juris Druck + Verlag Zürich (1970) MCCARRON, M.M., WOOD, J.D.: The cocaine body packer Syndrome. Diagnosis and treatment. J. Amer. med. Ass. 150,417(1983)
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Drogen
Cocain III-3.3
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Stoffe
Codein III -8.3
CODEIN Name: Codein Synonyma: Kodein Codeinum Methylmorphin Morphinmethyläther Morphin-e-methyläther 7,8-Didehydro-4,5a-epoxy-3 -methoxy-17-methylmorphinan-6a-ol Strukturformel:
Summenformel: Ci 8 H 2 iN0 3 Molekulargewicht: 299,36 Beschaffenheit Codein, der Methyläther des Morphins, ist ein feines weißes Pulver mit kristalliner Struktur (Oktaeder); Schmelzpunkt 154-156 °C; in Alkohol und Äther ziemlich leicht, in kaltem Wasser ziemlich schwer (1:100) löslich. Die wässrige Lösung reagiert alkalisch (pKa = 6,0) und schmeckt bitter. Codein bildet mit Säuren neutral reagierende, in Wasser leicht lösliche Salze, von denen in der Medizin am häufigsten Codeinphosphat (Codeinum phosphoricum; C 18 H 2 iN0 3 • H3PO4 • 1,5 H 2 0) verwendet wird, ein weißes Kristallpulver, das sich in der vierfachen Wassermenge mit schwach sauerer Reaktion löst. Verwendung Codein besitzt analgetische, antitussive, narkotische und spasmogene Wirksamkeit und ist in allen diesen Bereichen schwächer wirksam als Morphin. 1
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Codein gelangt als Codein-Phosphat (Codeini phosphas), als CodeinHydrochlorid (Codeinum hydrochloricum) oder als Codein-Nicotinat (Nicocodein,INN) zur Anwendung. Handeslpräparate: Codeinum phosphoricum Compretten "MBK": Phosphat (Cascan) Codeinum phosph. Tab. Hageda: Phosphat (Hageda) Codeinum phosph. Tab. Woelm: Phosphat (Woelm) Codicept® (Sanol) Codiperiussin®: geb. an Polystryroldivinylbenzolsulfonsäure (Taeschner) Tricodein Solco: Phosphat (Solco) Analgeticum Compretten®: Phosphat (Cascan) Andralgin®: Phosphat (Chemipharm) Anti-Opt®,-N: Phosphat (Braun & Herberg) Astapect® Kodein (Asta) Azur® comp.: Phosphat (Steiner & Co. Deutsche Arzneimittel-Gesellschaft) Baldicap® mit Codein: Phosphat (Giulini) Baralgin® comp.: Phosphat (Albert-Roussel) Benadryl® Hustenkaps., -Hustentrpf. mit Codein, -Expect. mit Codein: Phosphat (Parke, Davis) Bersicaran® : Phosphat (Janssen) Bisolvomed® mit Codein: Phosphat (Thomae) Bisolvon-Gribletten®, -K: Phosphat (Thomae) Bomapect forte: Phosphat i.h.V. (Hevert) Bronchicum® Tropfen mit Codein: Phosphat (Nattermann) Bronchovalun®: HCL (Dr. Auf dem Kampe) Cibalen®, -Kl., -S: Phosphat (Ciba) Codein-Thymodrosin® (Gimborn) Codeo Petrin®: Phosphat (Petri) Codicaps®, -Saft„-Saft K (Dr. Thiemann) Codipront® Kaps., Saft: anhydricum geb. an Ionenaustauscher (Mack) Codipront® cum Expectorans: anhydricum geb. an Ionenaustauscher (Mack) Codyl® Sirup, -c. expectorans: HCL (Dt. Abbott; Vertr.: Boehringer, Ingelheim) Contraneural, N: Phosphat (Pfleger) Contrapect® : Phosphat (Krewel-Werke) Crevotuss c. Codein: Phosphat (Crevo-chem) Dicton® retard Kaps., -retard 30: anhydricum geb. an Ionenaustauscher (Dolorgiet) Dicton® retard Saft: geb. an Ionenaustauscher (Dolorgiet) Discusregan® forte: Phosphat (Pharmawerk Schmiden) Dolo-Adamon® Darg., Suppos.: Phosphat (Asta)
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Stoffe
Codein 111-8.3
Dolo-Buscopan®: Phosphat (Boehringer, Ingelheim) Dolo-Eupaco®: Phosphat (Cascan) Dolofugin®: Phosphat (Sanol) Dolomo®: Phosphat (Klinge) Dolo Visano: Phosphat (Dr. Kade) Dolviran: Phosphat (Bayer) Epidosin comp.: Phosphat (Kali-Chemie) Ergo-Lonarid: Phosphat (Boehringer, Ingelheim) Eucalyptine Le Brun Sirup (Le Brun, Paris; Vertr.: Chemipharm) Eucalyptine Le Brun Gluten-Kapseln (Le Brun, Paris; Vertr.: Chemipharm) Exneural: Phosphat (Sagitta) Expectal Sirup, Tropfen (Troponwerke) Expectorans-Solucampher; Kampfersulfonat (Delalande) Expectussin Tropfen mit Codein: Phosphat (AG für med. Produkte) Fenipectum: Phosphat (Zyma-Blaes) Fensum Kindersupp., -Tabl. c. Codein: Phosphat (Merckle) Fortalidon: Phosphat (Sandoz) Gehamint m. Codein: Phosphat (Stada) Gelonida: Phosphat (Gödecke) Gentarol: Phosphat (UCB) Guakalin c. Codein: Base (Stada) Guakalin Tropfen mit Codein: Base (Stada( Ichtho-Spasmin: Phosphat (Ichthyol-Ges.) Ipalat c. Codein Sirup: Phosphat (Pfleger) Ipalat c. Codein Tropfen (Pfleger) Ipesandrin N: Phosphat (Sandoz) Ircodenyl: Phosphat (Ciba-Geigy) Kassiodon (Nacht-Dragees): Phosphat (Klinger) Linctifed: Phosphat (Dt. Wellcome) Lonarid: Phosphat (Boehringer, Ingelheim) Longtussin duplex: sicc. (Taeschner) Makathorin F: Phosphat (Makara) Marament Dragees: Phosphat (Dr. Wider) Mega-Dolor "Lorenz": Phosphat (Lorenz) Melrosum mit Codein: Phosphat (Nattermann) Migraeflux: Phosphat, orange Tabl. + grüne Tabl. (Hennig, Flörsheim) Migraeflux-orange: Phosphat (Hennig, Flörsheim) Migräne-Dolviran (Bayer) Migralave; Phosphat (Temmler) Mintusin c. Codein Trpf.: Phosphat (Braun & Herberg) Miophen: Phosphat (Robugen) 3
111-8.3 Codein
Stoffe
Mirfusot Hustensirup mit Kodein, -Hustentrpf. mit Kodein: Phosphat (Merckle) Muskel-Trancopal cum Codeino: Phosphat (Winthrop) Neo-Dodion: Kampfersulfonat (Saarstickstoff-Fatol) Neo-Siran m. Codein: Phosphat (Temmler) Neuralgica-Tablinen: Phosphat (Sanorania) Neuramag: Phosphat (Tempelhof) Novacetol: HCl (Ortscheit) Optipect Trpf. mit Codein (Dr. Thiemann) Optipect Sirup mit Codein: Phosphat (Dr. Thiemann) Optipyrin: Phosphat (Dr. Pfleger) Pectamed m. Codein: HCl (Merck) Pectinfant: Phosphat (Dr. Rentschier) Pectolitan Tropfen m. Codein (Kettelhack Riker) Perussin Sirup m. codein, Konzentrat: Phosphat (Taeschner) Pluscillin -A: Phosphat (Bayropharm) Polyneurol: Phosphat (Polymedia) Ponopasin Supp., Tabl.: Phosphat (Roland) Praecipect mit Codein Sirup,—Tropfen: Phosphat (Molimin) Praecimed: Phosphat (Molimin) Primotussan mit Codein: Phosphat (Galenika Dr. Hetterich) Pro-Pecton c. Codein: Phosphat (Produpharm) Puraeton Hustensaft m. Codein: Phosphat (Dolorgiet) Pyraforte-Rectiole: HCl (Dentinox) Resyl mit Codein: Phosphat (Ciba) Ribbeck Sirup c. Codein, -Trpf.: Phosphat (Ribbeck) Rukebon-C: Phosphat (Kettelhack Riker) Salicodein ret.: Phosphat (Asche) Silibronchin: Phosphat (Steigerwald) Soledum Saft mit Codein, -Tropfen mit Codein: Phosphat (Soledum) Spasmalfher Drag., Suppos.: Phosphat (Dt. Abbott; Vertr.: Boehringer, Ingelheim) Spasmo-Cibalgin comp.: Phosphat (Ciba) Spasmo-Dolviran (Bayer) Spasmo-Gentarol: Phosphat (Bayer) Spasmo-Gentil: Phosphat (Spitzner) Thymusyl mit Kodein: Base (Stada) Tolusot Tropfen c. Codein: Phosphat (Heumann) Toximer Supp., -Tabl.: Phosphat (Merckle) Treupel , -N: Phosphat (Homburg) Tricodein-Expektorans Sirup: Phosphat (Solco) Tussa-Gujaphenyl: Phosphat (Galactina)
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Codein 111-8.3
Stoffe
Tussaval Hustensaft: Phosphat (Dr. Thilo) Tussipect mit Codein: Phosphat (Beiersdorf) Tussoretard: Phosphat (Klinge) Ultratussin: sicc. (Taeschner) Veralgit c. Codein: Phosphat (Krewel) Dosierung: Es sollte jeweils die kleinste wirksame Dosis so selten als möglich gegeben werden, um die Gefahr der Toleranzentwicklung und der physischen Abhängigkeit möglichst klein zu halten. Die Verabreichung von Codeinpräparaten an Kinder sollte vermieden werden. Durchschnittliche Einzeldosis 0 , 5 - 1 mg/kg KG Erwachsene: als Analgetikum 15-60 mg alle 4-6 h (p.o., i.m., s.c.) als Antitussivum o. Antidiarrhoikum 5 - 1 5 (-30) mg alle 4-6 h Kinder: als Analgetikum 0,5 mg/kg KG 4-6 mal tgl. als Antitussivum 0,2-0,3 mg/kg KG alle 6-8 h Bei Niereninsuffizienz ist keine Dosisreduzierung erforderlich. Bei sehr jungen und sehr alten Patienten sollte die Dosis reduziert werden. Umrechnung von Codeinsalzen im Verhältnis zur reinen Codeinbase 1 mg wasserfreie Codeinbase = 1,0601 mg Codeinbase mit 1 H 2 0 oder 1,2422 mg Codeinhydrochlorid mit 2 oder 1,1637 mg wasserfreies Codeinsulfat oder 1,3141 mg Codeinsulfat mit 5 H 2 0 oder 1,3274 mg wasserfreies Codeinphosphat oder 1,4175 mg Codeinphosphat mit 1 1/2 H 2 0 1 g wasserfreie Base
= 0,9531 g Morphin
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111-8.3 Codein
Stoffe
Toxizität: Codein ist eine Base. Es wird nach peroraler Gabe gut resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden in 1-2 h erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 7%. Codein wird in der Leber metabolisiert und so langsam zu Morphin demethyliert, daß bei normaler Anwendung in therapeutischen Dosen keine MorphinWirkungen auftreten. Daneben bildet sich Noreodein. Insgesamt werden ca. 70% einer Einzeldosis unverändert, ca. 10% als Gesamtmorphin (frei und konjugiert) sowie ca. 9% Noreodein und ca. 4% Normorphin im Urin ausgeschieden. Geringe Menge erscheinen in der Faeces. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 3-4 h, bei Überdosierung 6 h. Bei akuten Lebererkrankungen ist sie verlängert. Die Wirkung und auch erste Intoxikationssymptome treten bereits (15)-30-45 Min. nach Applikation ein (auch bei Depotpräparaten). Das Wirkungsmaximum ist im Regelfall nach 1-2 h erreicht. Die Wirkungsdauer beträgt 4-6 h. Codein ist plazentagängig und kann möglicherweise nach langdauernder Anwendung in hohen Dosen während der Schwangerschaft beim Neugeborenen zu einem Entzugssyndrom führen. Codein erscheint in der Muttermilch, allerdings bewirkten therapeutische Dosen während der Stillperiode bisher keine toxischen Symptome beim Säugling. Langdauernde Einnahme hoher Dosen kann auch bei Codein zu physischer und psychischer Abhängigkeit vom Morphintyp führen. Codein ist aber auch in hohen Dosen nicht so wirksam wie eine Standarddosis Morphin. Hohe Codeindosen (> 60 mg als ED) führen eher zu einer Zunahme der Wirkungsdauer als der Wirkungsstärke. Für Erwachsene liegt die Letaldosis bei ca. 0,5-1 g mögliche LD für Kinder: ab 5 mg/kg KG Orale Letaldosis (LDso) bei verschiedenen Tierspezies: 237-640 mg/kg KG. Die Infusion von 660 mg während 11h hat bei Versuchspersonen keine bedrohlichen Symptome hervorgerufen. Symptome: Somnolenz, Erytheme, Urtikaria, Pruritus, Eosinophilie, Quincke-Ödem, Dermatitis exfoliativa, Schwindel, Miosis, Brechreiz, Erbrechen, Magenschmerzen, Durst, Obstipation (schon bei therapeutischen Dosen), Atemdepression, Hypothermie, Ataxie, Kopfschmerzen. Bei Kindern können auch Krampfanfälle (Konvulsionen, Streckkrämpfe) und ante finem Cheyne-Stokes'sche Atmung auftreten. In extremen Fällen geht die Somnolenz in Erregung über, die Pupillen werden weit und lichtstarr, die Atmung flach und unregelmäßig. Man beobachtet Cyanose, Areflexie, Bradykardie, Hypothermie, Sphincterspasmen "stilles Abdomen", Koma. Unter Atemlähmung tritt der Tod ein. 6
Stoffe
Codein 111-8.3
Nachweis: a) UV-Absorptions-Spektrometrie b) IR-Absorptions-Spektrometrie c) Papier-, Dünnschicht- oder Gaschromatographie d) Farbtests: - Schwefelsäure-Formaldehyd-Test - Ammonium-Molybdat-Test - Ammonium-Vanadat-Test Behandlung: a) Bei peroralen Dosen unter 2 mg/kg KG keine Magenentleerung b) Bei Dosen von 2 - 5 mg/kg KG Magenentleerung bis ca. 90 min. nach Ingestion, c) Bei Dosen über 5 mg/kg KG Magenentleerung auch noch nach mehreren Stunden d) In allen Fällen Gabe von Kohlekompretten (50 Stück) und Natrium sulfuricum (2 Eßl.), Wiederholung alle 6 Stunden e) Levallorphan oder besser Naloxonhydrochlorid nur bei manifester Atemdepression! 0 Bei Dosen über 2 mg/kg KG und klin. Symptomatik Überwachung der Atmung in Reanimationsbereitschaft bis zum Abklingen aller Symptome, bei Fehlen von Symptomen mindestens während der ersten 6 Stunden nach Ingestion.
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Coffein III-3.3
Drogen
Coffein Chemische Formel: C8H10N4O2
CK Synonyma: l,3,7-Trimethyl-2,6-dioxopurin, Koffein, Kaffein, 7-Methyltheophyllin, 1,3,7-Trimethylxanthin
Caffein, Guaranin, Thein, 1-Methyltheobromin,
Bechaffenheit: 1-3-7-Trimethylxanthin, weiß-kristallines, geruchloses Pulver von bitterem Geschmack, löslich in Wasser, Ethanol, Aceton, Chloroform; leicht löslich in Pyrrol, Tetrahydrofuran. Seine Lösungen reagieren neutral und schmecken schwach bitter. MG: 194,19 Schmelzpunkt: 238° C, sublimiert bei 78° C Vorkommen: Kaffeestrauch (Coffea arabica und andere Arten), in Abessinien einheimisch; wird überall in den Tropen kultiviert und enthält in den Samen (»Kaffeebohnen«) durchschnittlich 1-2% Coffein. Teestrauch (Thea sinensis), in Ostasien einheimisch, enthält in den Blättern ca. 2-5% der Purinbase; im brasilianischen Mate, von Hex paraguariensis, finden sich ähnliche Mengen. Cola acuminata, in Afrika einheimisch, enthält in den Samen (»Kokanüsse«) ca. 2% Coffein. Theobroma Cacao enthält in den Samen (Semen Cacao) 0,05-0,48% Coffein. Paullinia sorbilis, Guaranapaste oder -samen, Brasilien, enthält ca. 6% Coffein. Präparate: autonic 200 Coffein-Tabletten 200 mg, Acusan Coffeinum N 0,2 g Tabletten, Merck Coffeinum purum Tabletten, Berlin-Chemie Percoffedrinol N Tabletten, Passauer Verwendung: Als Genußmittel: Trinken von Kaffee, Tee, Coca-Cola. Eine Tasse Kaffee enthält je nach Stärke der Zubereitung 50,100 bis 150 mg Coffein; eine Tasse Tee durchschnittlich 50 mg Coffein. In dem Erfrischungsgetränk »Coca-Cola« finden sich ca. 25 mg in der 200-ml-Flasche. Als Rauschmittel: Von Jugendlichen werden Mokka, Tee, Coca-Cola sowie Stärkungsmittel, wie Aktivanad, gespritzt, 50 bis 70 g Pulverkaffee gegessen. Daunderer - Klinische Toxikologie - 121. Erg.-Lfg. 10/97
III—3.3 Coffein
Drogen
Zur therapeutischen Anwendung: Bei Herz- und Kreislaufstörungen, Bei Hirndurchblutungsstörungen: Hier müssen zwei verschiedene Indikationsgebiete unterschieden werden. 1. Die therapeutische Anwendung der zerebral vaskulär tonussteigernden Wirkung bei akut auftretenden, auf Vasodilatation und verstärkter Pulsation beruhenden Kopfschmerzen, vor allem im Schmerzstadium der Migräne. Hier wird Coffein vorwiegend in Kombination mit einem weiteren zerebral konstriktorisch wirkenden Pharmakon verwendet (z.B. Cafergot, 0,1 g Coffein + 1 mg Ergotamintartrat). Möglicherweise ist diese Wirkungskomponente des Coffeins neben der zentral erregenden Wirkung für den Kombinationseffekt von Coffein in analgetischen Mischungen von Bedeutung. 2. Die therapeutische Nutzung der Rückwirkung einer Steigerung der Herzauswurfleistung auf die Hirndurchblutung bei Vorliegen einer Zerebralsklerose mit weitgehendem Verlust einer autoregulativen Durchblutungsanpassung. Coffein ist daher in zahlreichen geriatrischen Kombinationspräparaten enthalten, wobei den zentral erregenden Wirkungen eine zusätzliche therapeutische Funktion bei der Behebung von durchblutungsbedingten Konzentrations- und Gedächtnisschwächen zukommt. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Coffein wird im Gastrointestinaltrakt und parenteral rasch resorbiert, in alle Gewebe verteilt und verschieden stark (ca. 60%) an Proteine gebunden. Es wird im Organismus teilweise demethyliert und oxydiert und schließlich entweder als Monomethylxanthine oder als Methylharnsäure ausgeschieden. Nur etwa 10% werden renal unverändert eliminiert. Coffein greift in mehrere molekulare Zellvorgänge ein: Es hat eine adenosinantagonistische Wirkung durch kompetitive Hemmung adenosinerger Rezeptoren, die vor allem im Gehirn bei der Einregulierung der Durchblutung und als Hemmstoffe der Freisetzung erregender Transmitter, ferner in der Autoregulation der Herzdurchblutung sowie bei der Steuerung der peripheren Noradrenalinfreisetzung (Hemmung) und der hormosensitiven Lipase (Hemmung) eine Rolle spielen. Coffein hemmt in hohen Konzentrationen die für den Abbau von cAMP verantwortliche intrazelluläre Phosphodiesterase. Es hat indirekte und direkte Wirkungen auf den transmembralen Ca-Ioneneinstrom und die Freisetzung aus bzw. Rückbindung von Ca-Ionen in intrazelluläre Speicher. Bei den erregenden Wirkungen auf das Zentralnervensystem sind zunächst die Rindengebiete, erst bei höherer Dosierung die Medulla oblongata, bei toxischen Dosen das Rückenmark betroffen. 1-2 Tassen Mokkakaffee, 2—4 Tassen Tee oder 1—1,5 1 Coca-Cola führen zu einer deutlichen Beeinflussung psychischer Grundfunktionen wie Antrieb und Stimmung. Die Willkürmotorik ist gesteigert, das psychische Tempo ist beschleunigt, die Reaktionszeiten verkürzt (Assoziationsbahnung). Die Stimmungslage kann bei lebhafter psychomotorischer Resonanz (gesteigerte Atmung) bis zu ausgesprochener Euphorie angehoben werden. Der Lernprozeß ist erleichtert. Intensität und Dauer der Wirkungen hängen erstens von der Ausgangslage ab; sie sind bei Ermüdung und Schläfrigkeit stärker ausgeprägt (Antiermüdungs- bzw. antihypnotischer Effekt), können jedoch bei starker Ausgangserregung des ZNS kaum nachgewiesen werden. Die Wirkungen sind zweitens toleranzabhängig und treten bei täglicher Mehrfachbelastung wesentlich schwächer als bei gelegentlicher Zufuhr auf. Medulläre Wirkungen werden bei Coffein vor allem nach parenteraler Darreichung (0,15-0,25 g) beobachtet und führen zur Stimulierung des Atemzentrums, der pressorischen Kreislaufzentren und der Vaguskerne, wobei die Reizschwelle gegenüber C02 bzw. intrazellulären H-Ionen herabgesezt wird. Die Wirkung ist besonders stark bei Schädigung des Atemzentrums und unter der atemdepressiven Wirkung von Opiaten ausgeprägt. Rückenmarkswirkungen treten nur nach hohen Dosen (5-10 g) auf. Durch den Konsum koffeinhaltiger Getränke wie Kaffee oder Tee kann offenbar das kognitive Leistungsvermögen dosisabhängig gesteigert werden. Über 7400 Erwachsene wurden hierbei zum Kaffee- und Teekonsum befragt. Bei den Interviewten wurden außerdem kognitive Leistungen wie Reaktionsvermögen, Gedächtnisleistung und visuelles Raumerfassungsvermögen geprüft. Je höher der Kaffeekonsum war, desto besser waren die Testergebnisse, und zwar unabhängig von anderen Faktoren, die die kognitive Leistung möglicherweise beeinflussen wie Bildungsgrad, Alkohol- und Nikotinkonsum sowie Einnahme von Arzneimitteln. So schnitten Personen, die mehr als sechs Tassen pro Tag
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Drogen
Coffein III-3.3
tranken, beim Reaktionstest um sechs Prozent besser ab als Kaffee-Abstinenzler; ein ähnlicher Leistungszuwachs war hinsichtlich der übrigen Parameter erkennbar. Die Ergebnisse wurden vom Lebensalter der Probanden beeinflußt. Hinsichtlich des Reaktionsvermögens und der Gedächtnisleistung macht sich der günstige Einfluß von Kaffee bei älteren Personen stärker bemerkbar als bei jüngeren. JARVIS vermutet, daß ältere Menschen für die anregende Wirkung von Koffein empfänglicher sind. Fraglich ist jedoch, ob Koffein die kognitive Leistungsfähigkeit direkt beeinflußt oder nur als genereller Muntermacher wirkt. Jedenfalls scheint Koffein auch nach langjähriger Einnahme diese Wirkung nicht zu verlieren. Bei den Teetrinkern wurde das kognitive Leistungsvermögen zwar auch gesteigert, jedoch war die Wirkung hier schwächer als bei den Kaffeetrinkern. Dies liegt vermutlich daran, daß Tee weniger Koffein enthält als Kaffee. (Quelle: Ärzte Z. 21.7.93) Coffein wirkt auf das Herz positiv ino-, chrono- und dromotrop, wobei die positiv inotrope Wirkung auch von Stoffwechselwirkungen (Lipolyse, Glycogenolyse und Ansteigen des myokardialen Glucose-6-Phosphat-Gehaltes) begleitet wird. Es hat relaxierende Wirkungen auf die glatte Muskulatur der Gefäße und Bronchien (im Gegensatz zur Wirkung im Bereich anderer Gefäßgebiete erhöht Coffein den zerebralen Gefäßwiderstand). Der Konsum von mehr als 6 Tassen Kaffee am Tag erhöht das Risiko, an koronare Herzerkrankung zu sterben. Diuretische Effekte sowie erregende Wirkungen auf verschiedene Sekretionsvorgänge (HCL-Sekretion im Magen, Katecholaminfreisetzung aus der Nebenniere). Bei Dosierung über 200 mg können Muskeltremor, Kopfschmerzen und Reizbarkeit auftreten. Kaffeekonsum erhöht den Cholesterinspiegel bei Männern: Aus mehreren internationalen epidemiologischen Studien der letzten Jahre wurde bekannt, daß der Konsum von nicht gefiltertem, sondern gebrühtem Kaffee den Cholesterinspiegel im Blut erheblich steigen lassen kann. Kaffeetrinken wurde dabei als Einflußfaktor für einen erhöhten Serumcholesterinspiegel bei Männern gefunden: Starker Kaffeekonsum, mangelnde sportliche Betätigung und eine hohe Körperfettmasse führen bei j ungen Männern zwischen 18 und 24 Jahren zu nennenswert höherem Cholesterinspiegel. Dies geht aus einer epidemiologischen Studie an ca. 800 Personen hervor, davon 184 junge Männer, die das Bundesgesundheitsamt zusammen mit der Universität Heidelberg durchgeführt hat. Das Ergebnis ist vor allem insofern überraschend, als Kaffeekonsum stärker als bisher angenommen zum Anstieg der Cholesterinwerte im Blut führt. Pro täglich getrunkener Tasse Kaffee hat das Bundesgesundheitsamt bei jungen Männern im Schnitt eine Erhöhung des Cholesterinspiegels um 4,2 mg Gesamtcholesterin pro dl Blut gefunden. Bei LDL-Cholesterin betrug die Erhöhung 4,0 mg. Zu dem gleichen Ergebnis führte die Auswertung der umfangreicheren, für die Bundesrepublik repräsentativen Stichprobe des Nationalen Gesundheits-Surveys der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie. Diese Stichprobe enthält Männer der Altersgruppe 25 bis 70 Jahre. In der Stichprobe des Nationalen Gesundheits-Surveys von 2550 Männern dieser Altersgruppe wurde ein Anstieg im Gesamtcholesterin von 1,2 mg/dl pro täglich getrunkener Tasse Kaffee gefunden. Dieser Anstieg ist nicht so ausgeprägt wie bei den jungen Männern. Aber bei einem durchschnittlichen Tageskonsum von 5 Tassen Kaffee oder mehr handelt es sich durchaus um einen wichtigen Einflußfaktor auf den Cholesterinspiegel in dieser Bevölkerungsgruppe, für die der Herzinfarkt die wichtigste Todesursache ist. In beiden Studien war der Zusammenhang für Frauen nicht nachweisbar. Der Einfluß des Kaffee zeigte sich unabhängig von den anderen Faktoren, die das Blutcholesterin erhöhen (fettreiche Ernährung, hohe Cholesterinaufnahme mit der Nahrung, Rauchen, Übergewicht, körperliche Inaktivität). Erhöhtes Cholesterin ist bekanntlich einer der wichtigsten Faktoren bei der Entstehung von Herzinfarkten. Wenn der Einfluß von Kaffee für Männer aller Altersgruppen gilt, kann Kaffeekonsum zum Risikofaktor für Herzinfarkt werden. Ob eine Beziehung zwischen Kaffeekonsum und Herzkreislauferkrankungen unter unseren Lebensbedingungen besteht, ist bisher unerforscht. Immer mehr epidemiologische Studien aus anderen Ländern zeigen einen Zusammenhang zwischen hohem Kaffeekonsum und dem Risiko eines Herzinfarktes, obwohl dieser Effekt nicht in allen Studien festgestellt werden konnte. Wegen der nationalen Besonderheiten beim Kaffeetrinken wäre eine epidemiologische Studie in Deutschland nötig, um dieses mögliche Risiko zu quantifizieren. Bis dahin muß von exzessivem Kaffeegenuß abgeraten werden. (Quelle: BGA-Pressemitteilung vom 23.4.1991)
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III-3.3 Coffein
Drogen
Auf den Blutdruck von Hypertonikern hat regelmäßiger Kaffeegenuß offensichtlich keinen Einfluß. In einer doppelblinden, randomisierten und Plazebokontrollierten Cross-over-Studie wurde der 24-StundenBlutdruck bei 23 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie während zweier Perioden gemessen: Unter Beibehaltung der üblichen Medikation tranken die Patienten in der einen Periode koffeinfreien, in der anderen koffeinhaltigen Kaffee, jeweils in der gewohnten Menge. Wie gut die Compliance war, zeigten die mittleren Serum-Koffeinkonzentrationen mit 8,9 bzw. 0,2 umol/1 in der jeweiligen Periode. Die Blutdruckwerte waren in den beiden Perioden weder insgesamt noch aufgeschlüsselt nach Tag und Nacht signifikant voneinander verschieden. Dasselbe ergab sich auch bei Herzfrequenz, Plasmaeninaktivität, Aldosteron und Angiotensin II. Lediglich das atriale natriuretische Peptid (ANP) war in der KoffeinPeriode signifikant höher, ein Befund, über dessen Bedeutung man bislang nur Vermutungen anstellen kann. Sollte er überhaupt eine Rolle spielen, so ergäben sich daraus eher positive Auswirkungen für den Hypertoniker. (Quelle: EGGERTSENR. et al.: Effect of coffee on ambulatory blood pressure in patients with treated hypertensio intern. Med. 233 (1993) 4, 351-355.) Es gibt Hinweise darauf, daß ein Coffeingenuß von über 600 mg/Tag bei Schwangeren zu einer Erhöhung der Abort- und Frühgeburtsrate führt. Eine übermäßige Coffeinaufnahme während der Schwangerschaft kann beim Fetus auch zu einer Wachstumsretardierung führen und damit zu einem erniedrigten Geburtsgewicht, auch wenn am Termin entbunden wird. Im Tierversuch konnte eine schwach teratogene Wirkung sehr hoher Coffeindosen nachgewiesen werden. Schon mäßige Coffeinmengen könne Phobien und Panikzustände bei Patienten mit derartigen Leiden auslösen oder verstärken. Wechselwirkungen: Sympathomimetika oder Schilddrüsenhormone: verstärkte tachykarde Wirkung. Orale Kontrazeptiva, Cimetidin oder Disulfiram vermindern, Barbiturate beschleunigen den Coffein-Abbau. Gyrasehemmer verzögern die Coffein-Elimination. Durch zentralwirksame Sympathomimetika wird das Abhängigkeitspotential erhöht. Bei gleichzeitiger Einnahme von Theophyllin wird die Theophyllinausscheidung verzögert. Abhängigkeit: Auch wer täglich nur zwei bis drei Tassen Kaffee trinkt, kann bei plötzlichem Verzicht auf das belebende Getränk leiden. Daß somit nicht nur starke Kaffeegenießer süchtig werden können, fanden Wissenschaftler von der John Hopkins Universität in Baltimore heraus {New England Journal of Mediane, Bd. 327, Nr. 16, S. 1109). Knapp über die Hälfte der 62 Testpersonen litt unter mittelschweren bis starken Kopfschmerzen, nachdem sie ganz plötzlich ihre gewohnte Tagesration von 235 Milligramm Koffein abgesetzt hatten. Diese Menge entspricht etwa drei Tassen Kaffee oder sechs Tassen Tee. Jeder zehnte entwickelte Depressionen und ängstliche Beklemmungen. Acht Prozent der untersuchten Frauen und Männer fühlten sich müde und klagten über Konzentrationsmangel und eine gestörte Bewegungskoordination. Aus der Gruppe der Testpersonen, die Placebo erhielten, berichteten 13 Prozent, daß sie während der Studie unerlaubterweise Schmerzmittel eingenommen hatten. Dagegen griffen nur zwei Prozent der Kaffeetrinker heimlich zu solchen Medikamenten. Alle Entwöhnungszeichen traten am zweiten Tag des Entzugs am stärksten auf und klangen nach etwa einer Woche wieder ab. Bisherige Studien hatten sich auf Menschen konzentriert, die erheblich größere Mengen an Kaffee zu sich nahmen. Kaffee-Entzug sollte nach Meinung der amerikanischen Wissenschaftler in die Liste der Krankheitssymptome aufgenommen werden. Die Forscher empfehlen Ärzten, daran zu denken, daß bestimmte Beschwerden ihrer Patienten, zum Beispiel nach Operationen oder endoskopischen Untersuchungen, mit dem plötzlichen Verzicht auf ihr gewohntes Stimulans zu tun haben können. Toxizität: TDL0 intravenös Mensch: 7 mg/kg l.DL0 intravenös Frau: 57 mg/kg
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Coffein III-3.3
Drogen
LDL0 oral Mensch: 192 mg/kg LDL0 oral Kind: 320 mg/kg DL: 60 mg/kg KG i.V., oral ab 1 g. Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Schwindel, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Unruhe, Angst, Zittern, Dyspnoe, Tachykardie, Arrhythmie, Palpitationen, Hypertonie, Polyurie, Albuminurie, Hämaturie. Bei höherer Dosierung: Starke Erregung, Halluzinationen, Verwirrtheit, Photophobie, Muskelzittern, Koordinationsstörungen, epileptiforme Krämpfe, Lähmungen, Hyperthermie, Schock, Tachypnoe, Dyspnoe, Allergie, Herz- und Kreislaufversagen, Atemlähmung. Chronisches Vergiftungsbild: Ruhe- und Schlaflosigkeit, Tachykardie, Extrasystolie. Bei chronischem Abusus coffeinhaltiger Getränke oder Arzneimittel (Coffeinismus) kann eine Abhängigkeit mit milden Entzugserscheinungen (Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Gereiztheit, Depression) und Exsikkose auftreten. Nachweis: Qualitative Nachweise: Murexid-Reaktion, Mikrokristalltests Quantitative Nachweise: PC, DC, GC, HPLC, UV-Absorption, IR-Absorption, Massenspektroskopie, NMR-Spektrum Therapie: Akut: Giftentfernung (Medizinalkohle 10 g oral) Bei Erregung, Krämpfen: Diazepan oder Doxepin. Eventuell künstliche Beamtung Schockprophylaxe, Plasma (expander) Monitorkontrolle (EKG) Chronisch: Abrupt absetzen, viel trinken, ausschlafen lassen, bei Depression Verhaltenstherapie (beschäftigen), physikalische Therapie, Gymnastik. Besonderheiten: Nur in extremen Fällen ist eine ärztliche Betreuung bzw. Aufklärung nötig. Literatur: ALDRIGE, A., ARANDA, J.V., NEIMS, A.H.: Caffeine metabolism in the newborn. Clin. Pharm. Ther., 25, 447-453 (1 ALSTOTT, A.L., MILLER, A.J., FORNEY, R.B.: Report of a human fatality due to caffeine. J. For. Sei., 18,135-137 (1973 AXELROD, J,, REICHENTHAL, J.: The fate of caffeine in man and a method for its estimation in biological materia J. Pharm. Exp. Ther., 107, 519-523 (1953) BAILEY, D.G., DAVIS, H.L., JOHNSON, G.E.: Improved theophylline serum analysis by an appropriate internal Stan ard for gas chromatography. J. Chrom., 121, 263—268 (1976) BASELT, R.C.: Unpublished results (1980) BI.ANCHARD, J., MOHAMMADI. J.D., CONRAD, K.A.: Improved liquid-chromatographic determination of caffeine plasma. Clin. Chem., 26,1351-1354 (1980)
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III-3.3 Coffein
Drogen
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Drogen
Designer Drogen III—3.3
Designer Drogen Synonyma: Synthetische Drogen, Waschküchenlabor-Drogen Beschaffenheit: Neben Naturdrogen und deren wirksamen Alkaloiden gibt es auch künstlich entwickelte (synthetische) Drogen. Durch abgewandelte Syntheseverfahren und Einfügung neuer chemischer Bausteine läßt sich die Molekularstruktur eines Ausgangsstoffes und somit sein Wirkungsprofil fast beliebig und für die Exekutive unüberschaubar variieren oder entwerfen. Dies hat den Stoffen ihren Namen als sogenannte Designerdrogen gegeben. Prinzipiell werden hier drei Gruppen unterschieden: 1. Aufputschmittel (Amphetamine), meist als Ephedrin- oder Phenylacetonabkömmlinge. 2. Halluzinogene meist LSD-Verwandte wie MDA, MDMA, C, 2-CB, oder PCP, PCB, PCE und PCM. 3. Opiate wie vollsynthetisches Morphium, das 200mal stärker als das herkömmliche Heroin wirkt. Vorkommen: Synthetische Droge ist die Bezeichnung für eine Droge, die auf der Grundlage verschiedener chemisch bekannter Grundstoffe seit Mitte der 80er Jahre in illegalen Labors in Deutschland neu hergestellt werden. Es sind hochwirksame Drogen, die oft nur schwer von polizeilichen Chemieexperten als Droge erkannt und nachgewiesen werden können. Aufgrund der relativ gefahrlosen Herstellung - die Überwachung wichtiger chemischer Grundstoffe ist in Deutschland nicht sehr intensiv und auch der Chemikalienhandel ist nicht wesentlich eingeschränkt- und der besonders billigen Herstellungsmöglichkeit befürchten Drogen- und Polizeiexperten eine »5. Rauschgift welle«. Argumente dafür sind: - Sie können sehr billig hergestellt werden und werfen sehr hohe Profite ab. Zum Beispiel lassen sich mit Chemikalien im Wert von DM 500- Amphetamine im Wert von DM 80.000- herstellen. - Durch die Produktion im Inland entfällt das Risiko des Einschmuggeins. Die Abhängigkeit von drogenproduzierenden Ländern der Dritten Welt reduziert sich. - Die synthetischen Drogen sind häufig hochwirksam, oft chemisch rein - und damit am Markt mehr als konkurrenzfähig. - Die synthetischen Drogen haben bei den Verbrauchern nicht das Negativ-Image der klassischen Betäubungsmittel. Man setzt sie eher mit anregenden Arzneimitteln oder leicht zu kontrollierenden Halluzinogenen gleich. - Die bundesdeutsche Drogenszene hat sich von der »Exotik der Subkultur« (Mitte der 60er Jahre) zum »illegalen, stark privatisierenden Drogenalltag« (Mitte der 80er Jahre) entwickelt. Die Verbraucher sind »bürgerlich« geworden. - Das Angebot synthetischer Drogen zielt aber auch auf einen »neuen Verbraucher-Typen« ab. Ein neuer Konsumentenkreis ist erschlossen worden. - Aus Waschküchenlabors können schnell und leicht perfekte und merkantil ausgerichtete Einrichtungen werden. Das organisierte Verbrechen hat sich auf dieses »Riesengeschäft« eingestellt. Drei Hauptgruppen lassen sich heute in der Welle der »synthetischen Drogen« erkennen: 1. Aufputschmittel (»speed«), insbesondere Amphetamine und Amphetamin-Abkämmlinge (Psychostimulazien, Appetitzügler). Grundstoff ist hier das Phenylaceton. Untergrundchemiker weichen aber auch auf das Ephedrin aus. 2. Auf dem Hintergrund einer »sanften LSD-Renaissance« kommen wieder bekannte, aber auch unbekannte LSD-verwandte, halluzinogene Drogen auf den Markt, beispielsweise MDA, MDMA, auch Daunderer - Klinische Toxikologie - 121. Erg.-Lfg. 10/97
Drogen
III—3.3 Designer Drogen
bekannt als »Ecstasy«, XTC oder »Adam + Eve« und 2-CB, letztere auch verwendet in der halluzinogenunterstützten Psychotherapie. Aber auch halluzinogen wirkende Drogen, die eigentlich nur in der Tier- und Narkosemedizin Anwendung finden, beispielsweise PCP, PCB, PCE und PCM, werden genommen. 3. Sogenannte Designer-Drogen, bislang vornehmlich auf dem US-Markt angeboten, tauchen vereinzelt auf der deutschen Szene auf. Ausgangsstoffe für die Untergrundchemiker sind hier meist die Muster bekannter Betäubungsmittel (BTM). Es sind Hunderte von Variationen der einzelnen BTM und der Abkömmlinge bekannt, aber Tausende möglich. Ein bekanntes BTM-Muster wird durch die Änderung einer chemischen Gruppe »umgebaut«. Die Droge hat nun ein neues Design (designer drugs). Das »neue« BTM wird durch die chemisch nur geringfügige Abwandlung legal, unterliegt nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz. Aus den USA wird aber auch schon von neuem BTM-Einsatz berichtet, der in seiner Potenz bei weitem den natürlichen Verwandten übertrifft. Beispielsweise vollsynthetisches Morphium, das 200mal stärker als herkömmliches Heroin wirkt, synthetische Opiate, die bis 4000mal stärker als natürliche wirken. Auch Verunreinigungen kommen bei den Designer-Drogen vor. Die große Gefahr für die Konsumenten dieser Stoffe besteht darin, daß die neuen Drogen in der Regel weder auf Dosierung, noch auf Giftigkeit untersucht werden. Wirkungscharakter und Stoffwechsel verhalten: Die Wirkung entspricht den Wirkungen der verwendeten Grundstoffe. Sie sind in ihrer Ausprägung eventuell stärker und auch unkalkulierbarer, da die einzelnen »Mixturen« in ihrer genauen Zusammensetzung nicht bekannt sind, damit erst experimentiert wird. Was den Reiz dieser neuen Drogen anscheinend enorm erhöht. Tab. 1: Designer Drogen Noxe Adrenalinabkömmlinge Sympathikomimetika mit schwacher psychostimulierender Wirkung. Antihypotonika, Geriatrika, Schnupfmittel, Ephedrin, {Asthmamittel, Appetitzügler). Oral, i.v., geraucht, geschnupft. Schnelle Resorption, langsame Elimination; zentrale Erregung schwächer als bei Amphetaminen; Lebensgefahr bei gleichzeitiger Einwirkung von Halogenwasserstoffen, Zyklopropan, Hydergin® oder Chlorpromazin. Amanita muscaria Fliegenpilz, ebenso Pantherpilz, roh gegessen, Trinken des Wassers, in dem die Pilze eingeweicht waren. DL: 50 mg. Wirkung tritt in V2 bis 2 Std. ein.
2,
Symptome
Therapie
Übelkeit, Erbrechen, Tremor, Tachykardie, Palpitationen, Hypertonie, Mydriasis, Dyspnoe, Zyanose, Hyperglykämie, Anurie, Hypotonie, Krämpfe, Kammerflimmern, Lungenödem, Herzversagen. Psychisch: Leistungssteigerung, Erregungszustände, Halluzinationen, Psychose.
s. Amphetamine
s. Amphetamine 1 bis 4 Pilze (5 bis 10 mg) Übelkeit, Schwindel, Stupor, Mydriasis, evtl. Euphorie, optische Halluzinationen, verändertes Raum- und Zeitgefühl. S bis 10Pilze (10 bis 15 mg): Ataxie, muskuläre Zuckungen, Verwirrtheit, Erregungszustände, Tiefschlaf. Über 10 Pilze: Miosis, Brechdurchfall, tetanische Krämpfe, Schweißausbruch, Hypotonie, Bradykardie, Anurie, Lungenödem, Kreislaufversagen.
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Designer Drogen III—3.3
Drogen
Tab. 1: Designer Drogen (Fortsetzung) Noxe Bulbokapnin Alkaloid, Knollen des hohlen Lerchensporns. DL: 0,2 g/kg KG. Cyclotrimethylentrinitramin RDX, Cyclonite. Plastiksprengstoff, Rattengift. Oral DL: über 30 g.
Cytisin Alkaloid, Goldregen, Färberginster, Deutscher Ginster, Stechginster. DL: 3 bis 4 Früchte, 15 bis 20 Samen, die Wurzel. Crack wird aus Cocain hergestellt.
DETT9 NN-Dimethyltryptamin. Wirkdauer 3 bis 4 Std. Dextropropoxyphen Develin® retard, Analgetikum. Oral, iv., Potenzierung durch Alkohol: Sucht.
Symptome
Therapie
Euphorie, Halluzinationen (wie LSD), Katalepsie, Katatonie, tonisch-klonische Krämpfe, Atemlähmung.
s. Amphetamine
Rausch, Halluzinationen, epileptiforme Krämpfe, Anurie, Nierenschädigung, graubraune Zyanose (Methämoglobinämie), wochenlange Gedächtnislücken.
s. Amphetamine
wie Nicotin.
wie Nicotin
weitgehend wie Cocain, Wirkung ist s. Cocain aber unkontrollierbarer, macht schneller süchtig. wie DMT.
wie LSD
Euphorie, Erregung, Schwindel, Erbrechen, Obstipation, Kopfschmerzen, Krämpfe, Atemdepression, Schock.
wie Opiate
DMT N,N-Dimethyltryptamin. ED: 0,7 bis 1,0 mg/kg KG im.; Wirkdauer 1 Std.
Rausch (nach 3 Minuten), Farbvisi- wie LSD onen, Bewegungsdrang, Hypertonie, Athetosen.
DPT Dipropyltryptamin.
wie DMT.
DOM/STP 2,5-Dimethoxy-4-methylamphetamin, substituiertes Meskalin. Wesentlich toxischer als Meskalin oder LSD. ED: 2 bis 5 mg; Wirkdauer bis 72 Std.!
Übelkeit, Magenkoliken, Krämpfe, extrapyramidale Symptome, Ataxie, Atemlähmung, Schock. Psychisch: toxische Psychose mit Desorientiertheit, Angst, Halluzinationen.
Ecstasy
siehe dort
wie LSD. wie LSD.
siehe dort
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3
Drogen
III—3.3 Designer Drogen
Tab. 1: Designer Drogen (Fortsetzung) Symptome
Therapie
Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Tremor, Krämpfe, Rausch, farbige Halluzinationen, Schlafbedürfnis, Kater.
wie LSD
Mydriasis, Magenkrämpfe, Obstipation, Gingivitis, Rausch. Psychisch: Euphorie, Appetitlosigkeit, Erregungszustände, vermindertes Kritikvermögen, Libidoverlust.
wie Amphetamine.
SO mg: Aktivitätssteigerung, vermindertes Schlafbedürfnis, Leistungssteigerung. ISObis 200mg: Euphorie, friedliche, erotisch gefärbte Träumerei, Gesprächigkeit, Heißhunger. Über 250 mg; Stupor, Übelkeit, Erbrechen, Tremor, Konjunktivitis, tiefer Schlaf.
wie Amphetamine.
wie Nicotin, rasch abklingend.
wie Nicotin.
MDA 3,4-Methylendioxy amphet-
wie LSD.
wie LSD.
Myristicin Muskatnuß, ähnelt chemisch dem Meskalin. Mit Tabak, vermischt geraucht, Pulver in Wasser aufgeschwemmt getrunken. ED: 5 bis 30 g; DL: 2 Nüsse (Kind); Wirkdauer 10 bis 30 Minuten.
Übelkeit, Magenschmerzen, starke Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Tremor, Katatonie, Atemlähmung. Psychisch: Haschischähnliche halluzinogene Wirkung, verstärkte Sinnesempfindungen, Gefühl des Schwebens, Angst.
Noxe Harmin Alkaloid aus Lianen und Steppenraute.
KAT 1-Ephedrin und Alkaloide, Amphetamin, Appetitzügler, Adstringens, antiinfektiös, Diuretikum. Kauen der Blätter, Tee, rauchen, essen. KAWA Wurzel des Rauchpfeffers, Kavaform®, Alkaloid. Kauen, Absud trinken. Gering toxisch; Schleimhautanästhesie.
Lobelin Alkaloid, Atemanaleptikum. Toxische Dosis parenteral ab 10 mg, oral harmloser.
Oliluqui Lysergsäureamid, Samen aus mexikanischen Trichterwinden. Trinken des Absuds. ED: 0,4 bis 1,0 mg (50 bis 100 Samenkörner).
4
wie LSD; stärkere Bewußtseinstrübung.
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wie LSD.
Designer Drogen III—3.3
Drogen
Tab. 1: Designer Drogen (Fortsetzung) Noxe
Symptome
Therapie
Psilocybin Pilz, Indocypin. ED: 4 bis 12 mg; Wirkdauer 5 Stunden.
Symptome Wie LSD.
wie LSD.
Serenyl 1 -1 -Phenylcy clohexy lpiperindinhy drochlorid.
wie LSD.
Serotonin 5 -Hydroxy tryptamin. Bananenschalen, getrocknet mit Tabak geraucht, innere Schale gekocht.
LSD.
Euphorie, Kontraktion der glatten Muskulatur, Wärmegefühl, Wechsel zwischen Hypertonie und Hypotonie.
Deseril-retard®, sedieren mit Aponal® (50 mg oral), Plasmaexpander, keine MAO-Hemmer und kein Reserpin gegen die Hypertonie!
Starke Erregung, Halluzinationen, Euphorie, Angst, Ziehen in der Kiefer- und Nackenmuskulatur, Zittern, generalisierte tonische Krampfanfälle mit Opisthotonus (Wirbelbrüche), gestreckte Extremitäten (Muskelrisse), Trismus, Risus sardonicus, Protrusio bulbi, Dyspnoe, Zyanose, Hypertonie, sehr schmerzhaft bei voll erhaltenem Bewußtsein, Krampfauslösung durch minimale sensorische Reize, Tod durch Erstickung oder im HerzKreislauf-Versagen (Erschöpfung).
Hausarzt: Erbrechen, Valium® oder Evipan® oder irgendein anderes starkes Sedativum (Barbiturat) iv., beatmen. Klinik: Kurarisierung, Intubation (Tracheotomie) und künstliche Beatmung über mehrere Tage (leichte Narkose), Magenspülung mit Kaliumpermanganatlösung, Kohleinstillation, später Ruhe (dunkles Zimmer), bei Fieber Eiswickel, forcierte Diurese, hochkalorische Infusionen (Traubenzucker); keine Phenothiazine, keine Analeptika!
THC Thiocarbanadin.
wie LSD.
wie LSD
TMA 2,4,5-Trimethoxyamphetamin.
wie LSD.
wie LSD.
Vlll p-Bromomethylamphetamin
wie LSD.
wie LSD.
Strychnin Brechnuß und andere Strychnosarten. Nagetiergift, Analeptikum, Roborans DL: 30 mg.
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III—3.3 Designer Drogen
Drogen
Tab. 1: Designer Drogen (Fortsetzung) Noxe
Symptome
Xanthin Coffein Von Jugendlichen werden Mokka, Tee, Coca-Cola sowie Stärkungsmittel, wie Aktivanad®, gefixt, 50 bis 70 g Pulverkaffee gegessen. DL: 60 mg/kg KG i.V., oral ab 1 g.
Schwindel, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Unruhe, Angst, Dyspnoe, Tachykardie, Arrhythmie, Palpitationen, Hypertonie, Polyurie, Albuminurie, Hämaturie. Bei höherer Dosierung: Starke Erregung, Halluzinationen, Verwirrtheit, Photophobie, Muskelzittern, Koordinationsstörungen, epileptiforme Krämpfe, Lähmungen, Hyperthermie, Schock, Tachypnoe, Dyspnoe, Allergie, Herz-KreislaufVersagen, Atemlähmung.
Therapie
Theophyllin Antiasthmatikum, Diuretikum, Herz-Kreislaufmittel, Euphyllin®, Solosin®, Mischpräparate, wie Peripherin und Cordalin. Rasche Resorption und renale Elimination. Theophyllin ist in der Wirkung etwas stärker als Coffein, kein qualitativer Unterschied. Yohimbin Alkaloid, z.B. in Puamin. Aphrodisiakum, sympathikolytisch (Genitalregion). ED: 0,03; DL: ab lg.
Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Hypertonie, Tachykardie, Erregungszustände, Parästhesien, Koma, Schock, Zyanose, epileptiforme Krämpfe, Blasensphinkterspasmus.
s. Amphetamine
Nachweis: Der Nachweis ist außerordentlich schwierig, in der Regel nur in hochspezialisierten Kriminallabors (Landeskriminalamt) mit BC und MS möglich (s. jeweiliges Gift).
6
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Diazepam III—3.3
Drogen
Diazepam (-» Benzodiazepine) Synonym: 7-Chlor-l,3-dihydro-l-methyl-5-phenyl-2H-l,4-benzodiazepin-2-on Chemische Formel:
Vorkommen: Seit 1963 im Handel. diazep 2/5/10 von et Tabletten, et-Arzneimittel Diazepam 5 Stada/-10 Stada Tabletten, Stada Diazepam Desitin Injektionslösung 10 mg, Desitin Diazepam Desitin rectal tube 5 mg/10 mg Lösung, Desitin Diazepam-Lipuro Emulsion zur Injektion, Braun Melsungen Diazepam-ratiopharm 5/-10 Zäpfchen, ratiopharm Diazepam-ratiopharm Injektionslösung, ratiopharm Diazepam-ratiopharm Tabletten, ratiopharm Diazepam-ratiopharm Tropfen, ratiopharm Diazepam Weimer 5 mg Tabletten, Weimer diazep von et Ampullen Injektionslösung, ct-Arzneimittel Faustan 5 Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden Faustan Injektionslösung, Arzneimittelwerk Dresden Faustan Suppositorien, Arzneimittelwerk Dresden Lamra 10 mg Tabletten, Merckle Stesolid Emulsion zur Injektion 5 mg/ml, DUMEX Stesolid Rectal Tube 5 mg/10 mg, DUMEX Tranquase-5/-10 Tabletten, Azupharma Valiquid 0,3 Tropfen, Roche Valium 2/5/10 Roche Tabletten, Roche Valium 10 Roche Injektionslösung, Roche Valium MM Roche Injektionslösung, Roche Valocordin-Diazepam Tropfen, Krewel Meuselbach Verwendung: Psychopharmaka Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Diazepam ist ein Benzodiazepin-Derivat mit ausgeprägter sedierender, hypnotischer und antikonvulsiver Wirksamkeit. Daunderer - Klinische Toxikologie - 121. Erg.-Lfg.10/97
III-3.3 Diazepam
Drogen
Darüber hinaus besitzt es »anxiolytische« und gewisse muskelrelaxierende Wirkungen. Pharmakokinetik: Diazepam ist eine Base, der pKa beträgt 3,3. Es wird nach p.o. Gabe leicht resorbiert (orale Bioverfügbarkeit etwa 75%) mit maximalen Plasmaspiegeln in 0,5-1,5 h. Die Resorption nach i.m. Gabe ist schlechter (bei gleicher Dosis nur etwa 60% der oralen Plasmaspiegel) und häufig nicht vorhersagbar, maximale Plasmaspiegel treten in 1-3 h auf. Durch rektale Gabe lassen sich bei gleicher Dosis nur etwa 50% der oralen Plasmaspiegel erreichen, die Resorption ist unzuverlässig, maximale Plasmaspiegel treten erst in 2-5 h auf Die Resorption aus Rektiolen erfolgt allerdings bei Kindern schnell und zuverlässig mit maximalen Plasmaspiegeln in 10-30 min. Das V D beträgt 0,95-1,16 1/kg, bei Leberzirrhose 1,5 1/kg. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 98%. Diazepam wird extensiv in der Leber metabolisiert (98-99%) und unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf. Die Hauptmetaboliten sind N-Desmethyldiazepam (Nordiazepam, Hauptmetabolit im Plasma), Oxazepam (Hauptmetabolit im Urin) und Temazepan. Die Metabolite werden glukuronidiert hauptsächlich im Urin ausgeschieden, 10% in den Fäzes, 0,5-2% einer Dosis erscheinen unverändert im Urin. Totale Clearance 20-60 ml/min. Die Plasma-HWZ bei Erwachsenen beträgt 1-3 Tage. Sie nimmt im Alter bis auf 100 h zu. Sie beträgt bei unreifen Neugeborenen durchschnittlich 75 h, bei reifen Neugeborenen 31h, bei Säuglingen 8-14 h und bei Kindern 18 h. Sie ist bei Patienten mit akuter Hepatitis auf 2-4 Tage verlängert und bei Patienten mit Leberzirrhose verdoppelt. W echselwirkungen: Diazepam verstärkt die Wirkung von Alkohol und anderen das ZNS dämpfenden Pharmaka (z.B. Antihistaminika, Sedativ-Hypnotika, Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva). Es kann möglicherweise die Wirkung von L-Dopa hemmen. Es kann die Wirkung von Muskelrelaxanzien verstärken. In seltenen Fällen Hemmung des Metabolismus von Phenytoin (Wirkungsverstärkung). Omeprazol und Cimetidin, zwei in der Behandlung peptischer Ulzera eingesetzte Wirkstoffe, beeinflussen den Metabolismus von Diazepam. Der Einfluß von Omeprazol und Cimetidin auf den Metabolismus von Diazepam ist durch In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen sowohl am Tier als auch am Menschen belegt (ANDERSON 1990, C HENERY 1988, G UGLER 1985, K LOTZ 1980). Diazepam unterliegt einer Metabolisierung durch das Cytochrom-P-450-Enzymsystem. Durch Omeprazol und Cimetidin oder ihre Metabolite werden einzelne Enzyme dieses Systems gehemmt. So kommt es bei der Gabe von Diazepam während einer Behandlung mit Omeprazol oder Cimetidin zu einer Verlangsamung der Demethylierung von Diazepam und nachfolgend zu einer späteren Hydroxylierung des ebenfalls wirksamen Hauptmetaboliten Desmethyldiazepam. Die Folge ist eine Verzögerung der Elimination dieser Substanzen aus dem Plasma, was zu einer Verstärkung oder Verlängerung der Benzodiazepin-Wirkung führen kann. Toxizität: Therapeutische Dosis: 0,148-1 mg/1 im Blut ( VANDER KLEIJN Toxische Dosis: 2-20 mg/1 im Blut Letale Dosis: 4-30 mg/1 im Blut (67 Fälle: D INOVO 1976) Beachte: Chronische Einnahme kann letale Konzentrationen vortäuschen. Symptome: - Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit - Müdigkeit bis zum Koma - Ataxie, Muskelschwäche - Dysarthrie - Sehstörungen - Hypothermie - Hypotonie 2
Daunderer - Klinische Toxikologie - 121. Erg.-Lfg. 10/97
Diazepam III—3 .3
Drogen
- Atemdepression, Herzstillstand (BERGER 1975) - Kumulation und Abhängigkeit bei chronischem Gebrauch, bei Absetzen Entzugskrampf und Delir möglich (in 15% der Abhängigkeitsfälle). Nachweis: EMIT (quäl, quant.), UV (DE S ILVA 1970), GC (D HAR 1979, BASELT 1977) Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat, Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich. Keine forcierte Diurese! Minimale Giftelimination durch eine Hämoperfusion. Bei ausgeprägter anticholinerger Symptomatik (z.B. Mischintoxikatio mit Alkohol) Antidot Physostigminsalicylat (Anticholium 2 mg i.m.) oder Benzodiazepinantagoni Flumazenil (Anexate 0,5 mg i.v.). Literatur: ANDERSSON , T. et al.: Eur. J. Clin. Pharmacol. 19: 51-54 (1990) ARNOLD , E.: A simple method for determining diazepam and its major metabolites in biological fluids: application bioavailability studies. Acta Pharm. Tox. 36: 335-352 (1975) B ASELT , R.C., S TEWART , C.B., F RANCH , S.J.: Toxicological determination of benzodiazepines in biological fluids and tissues by flame-ionization gas chromatography. J. Anal. Tox. 1: 10-13 (1977) B ERGER , R., G REEN , G., M ELNICK, A.: Cardiac arrest caused by oral diazepam intoxication. Clin. Pediat. 14: 842-844 (1975) C ARDAUNS , H., I FFLAND , R.: Über eine tödliche Diazepam (Valium) Vergiftung bei einem drogenabhängigen Jugendlichen. Arch. Tox. 31: 147-151 (1973) C HENERY , R.J. etal.: Biochemical Pharmacology 37: 1407-1414 (1988) C OTLER , S., P UGUSI , C.V., G USTAFSON , HJ.: Determination of diazepam and its major metabolites in man and in the ca by high-performance liquid chromatography. J. Chrom. 222: 95-106 (1981) D E S ILVA , J.A.F., S CHWARTZ , M.A., S TEFANOVIC , V. et al.: Determination of diazepam (Valium) in blond by gas liquid chromatography. Anal. Chem. 36: 2099-2105 (1964) D E S ILVA , J.A.F., KOECHLIN, B.A., B ADER , G.: Blood level distribution patterns of diazepam and its major metabolite in man. J. Pharm. Sei. 55: 692-702 (1966) D E S ILVA , J.A.F., PUGLISI , C.V.: Determination of medazepam (Nobrium), diazepam (Valium) and their major biotransformation produets in blood and urine by electron capture gas-liquid chromatography. Anal. Chem. 42: 1725-1736 (1970) D HAR , A.K., K UTT , H.: Monitoring diazepam and desmethyldiazepam concentrations in plasma by gas-liquid chromatography, with use of a nitrogen-sensitive detector. Clin. Chem. 25: 137-140 (1979) Di L IBERTI , J., O'B RIEN , M.L., T URNER , T.: The use of physostigmine as an antidote in accidental diazepam intoxication. J. Pediatr. 86, 106-107 (1975) D INOVO , E.C., GOTTSCI IALK, L. A., MC GUIRE , F.L. et al.: Analysis of results of toxicological examination perf ormed b coroner's or medical examiner's laboratories in 2000 drug-involved deaths in nine major U.S. cities. Clin. Chem. 22 847-850 (1976) F INKLE , B.S., M C C LOSKEY , K.L., G OODMAN , L.S.: Diazepam and drug-associated deaths. J. Am. Med. Asso. 242: 429434(1979) GREENBLATT , DJ., Woo, E., A LLEN , M.D. et al: Rapid recovery from massive diazepam overdose. J. Am. Med. Asso. 240: 1872-1874(1978) GUGLER , R., JENSEN , C: Gastroenterology 89: 1235-1241 (1985) HILLESTAD , L., H ANSEN , T., M ELSOM , H., D RIVENES , A.: Diazepam metabolism in normal man. Clin. Pharm. Ther. 16: 479-484 (1974) HOWARD , A.G., N ICKLESS , G., H AILEY , D.M.: A rapid gas chromatogtaphic method for the determination of diazepam and metabolites in body fluids. J. Chrom. 90: 325-329 (1974) JATLOW , P., D OBULAR , K., BAILEY , D.: Serum diazepam concentrations in overdose. Am. J. Clin. Path. 72: 571-577 (1979) K ABRA , P.M., S TEVENS , G.L., M ARTON , L.J.: High-pressure liquid Chromatographie analysis of diazepam, oxazepam and N-desmethyldiazepam in human blood. J. Chrom. 150: 355-360 (1978) KANTO , J., SELLMAN , R., HAATAJA , M., HURME , P.: Plasma and urine concentrations of diazepam and its metabolites in children, adults and in diazepam-intoxicated patients. Int. J. Clin. Pharm. 16: 258—264 (1978) KLOTZ , U., REIMANN , I.: New Engl. J. Med. 302:1012-1014 (1980)
Daunderer—Klinische Toxikologie—121.Erg.-Lfg. 10/97 J
Drogen
Dihydroergotamin
III–3.3
Dihydroergotamin Chemische Formel:
C H NO 33
37
5
5
O HN HO H
T"^
N
• CH3
O
\ /
N H
Synonyma: 9,10-Dihydroergotamin(5)-9,10-Dihydro-12-hydroxy-2-methyl-5-(phenylmethyl)-3,6-18ergotamantrion Beschaffenheit: Dihydroergotamin ist ein in 9,10-Stellung, d.h. im Lysergsäure-Teil hydriertes Ergotamin und gehört somit zur Gruppe der hydrierten Mutterkorn-Alkaloide vom Peptid-Typ. Es liegt in der bei Arzneimitteln üblichen Zubereitung als Tartrat oder meist als Methansulfonat (Mesilat) vor. Es handelt sich um eine farblose bis gelbliche, feinkristalline Substanz; löslich in Alkoholen, schwer löslich in Wasser. MG: 583,75 Verwendung: Antihypotonikum, Orthostatische Dysregulation vegetativer Dystonie Vorkommen: Alkaloid des Mutterkorns, Secale cornutum, die hauptsächlich auf Roggen vorkommende große, schwarze, harte Körner bildende Dauerform des kleinen Kernpilzes Claviceps purpurea. Präparate: Agit depot Retardkapseln, Sanol Angionorm depot Retardkapseln, Farmasan Angionorm retard Retardkapseln, Farmasan Angionorm Tropflösung, Farmasan clavigrenin depot Retardkapseln, Hormosan clavigrenin Tropfen, Hormosan DET MS Injektionslösung, Shire Deutschland DET MS retard Retardkapseln, Shire Deutschland DET MS spezial Retardkapseln, Shire Deutschland
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
1
III–3.3
Dihydroergotamin
Drogen
DET MS Tabletten, Shire Deutschland DET MS Tropflösung, Shire Deutschland DHE-PUREN retard Retardkapseln, Alpharma-Isis DHE-PUREN Tropfen, Alpharma-Isis DHE-ratiopharm 2,5/5,0 Retardkapseln, ratiopharm Dihydergot forte Tabletten, Novartis Pharma Dihydergot Injektionslösung s.c, i.m., i.v., Novartis Pharma Dihydergot retard Tabletten, Novartis Pharma Dihydergot Tabletten, Novartis Pharma Dihydergot Tropflösung, Novartis Pharma Dihydroergotamin AL 2,5 Tabletten, Aliud Pharma Dihytamin bukkal Bukkaltabletten, Arzneimittelwerk Dresden/Temmler Pharma Dihytamin Injektionslösung, Arzneimittelwerk Dresden Temmler/Pharma Dihytamin N Tropfen Lösung, Pharma Wernigerode Ergomimet depot Retardkapseln, Klinge Ergomimet Tropfen, Klinge Ergont depot 5 mg Retardtabletten, Desitin Ergont retard 2,5 mg Retardtabletten, Desitin Ergont Tropflösung, Desitin ergotam 2,5/5 von ct Retardkapseln, ct-Arzneimittel Verladyn Tropfen, Verla Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Nach oraler Anwendung von Dihydergot werden etwa 30% resorbiert. Die Resorption erfolgt schnell (Halbwertszeit 10-20 Minuten), maximale Plasmakonzentrationen werden nach ca. 3 Stunden gemessen. Der Wirkstoff unterliegt in der Leber einem hohen first-pass-Effekt von 97%. Bei der Bewertung der daraus resultierenden Bioverfügbarkeit (Größenordnung 1%) ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Hauptmetabolit 8’-Hydroxy-Dihydroergotamin selbst starke pharmakodynamische Effekte analog der Muttersubstanz aufweist und im Plasma in einer 5- bis 7fach höheren Konzentration als diese erscheint. Die aus dem zeitlichen Verlauf der Plasmaspiegel errechneten Halbwertszeiten betragen ca. 2 Stunden für die a-Phase und ca. 21 Stunden für die ß-Phase. Dihydroergotamin wird überwiegend in Form von Metaboliten biliär über die Fäzes ausgeschieden. Der Anteil der renalen Exkretion liegt nach intravenöser Applikation bei 10%, nach oraler Gabe bei 1-3%. Dihydroergotamin zeichnet sich durch antagonistische Wirkungen auf das Gefäßsystem aus: 1. Dämpfung vasomotorischer Impulse in der Medulla oblongata durch Hemmung von a-Rezeptoren mit Vasodilatation; diese Wirkung tritt erst bei sehr hohen Dosen von DRE auf; 2. direkte Vasokonstriktion besonders auf die erschlaffte Venenmuskulatur. Die Wirkung im einzelnen: - venöses System: tonisierende Wirkung besonders im Bereich der Kapazitätsgefäße; Venentonus und ZVD steigen; die venöse Strömungsgeschwindigkeit des Blutes nimmt zu; schon unter Ruhebedingungen wird der venöse Rückstrom zum Herzen vermehrt; - arterielles System: geringere Veränderungen; der arterielle Druck im großen und kleinen Kreislauf steigt leicht an; bei Patienten mit Sympathektomie kommt es zu stärkerem Blutdruckanstieg mit Bradykardie und Abnahme der Muskeldurchblutung; verstärkt wird auch die Ansprechbarkeit der Widerstandsgefäße bei Patienten mit Positionshypotonie, bei denen die sympathische Gefäßinnervation gestört ist. - Uterus: Uteruskontraktionen besonders während der Gravidität
2
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
Drogen
Dihydroergotamin
III–3.3
Toxizität: Spezies
Applikation
LD 50 (mg/kg KG)
Maus
i.v. s.c. peroral
118-160 1170 über 8000
Ratte
i.v. s.c. peroral
110-130 über 500 über 8000
Kaninchen
i.v. s.c. peroral
25-37 über 60 über 1000
Katze
s.c.
68-78
Taube
i.v.
31,5
Subakute Toxizität: Bei einer Dosis von 200 mg/kg KG peroral blieb die körperliche Entwicklung der männlichen Tiere etwas zurück. Teratogenität konnte nicht festgestellt werden. Therapeutische Dosis: Erw. 1,5-3 mg oral, i.m., i.v. TMD Erw. 12 mg Die Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt geschieht unvollständig und unregelmäßig. Die wirksame orale Dosis beträgt daher das 8- bis 10fache der Dosis bei intramuskulärer Injektion. Dihydroergotamin ist weniger toxisch als Ergotamin bei gleichem Wirkungscharakter. Symptome: Ergotismus: Kopfschmerzen, Schwindel- und Angstgefühle, Ataxie, Bewusstlosigkeit; evtl. Erregungszustände, Halluzinationen, Delirien, Sehstörungen, Schlafstörungen, Miosis, Fieber, tonisch-klonische Krämpfe, Hemiplegie, Parästhesien vorwiegend an Extremitäten, Schmerzen, Nekrosen, Gangrän. Tachykardie, Bradykardie, Vorhofflimmern, QT-Verlängerung, Blutdrucksenkung bis zum Kreislaufkollaps; bei massiver Zufuhr ausgedehnte Gefäßspasmen, Raynaud-Symptomatik, zunächst Blutdrucksteigerung, Ischämie, kalte Haut, bei Disponierten Thrombosen (auch Gehirn, Koronararterien); Dyspnoe, Koma, Atemlähmung, Nausea, Erbrechen, Diarrhoe, Leibschmerzen, Mundtrockenheit. Miktionshemmung, Uteruskontraktionen (bis Uterusruptur) Bei chronischen Vergiftungen Kopfschmerzen, pektanginöse Beschwerden, Tremor, Sensibilitätsstörungen, Sehstörungen, Taubheit, Psychosen, Zunahme der uterinen Aktivität. Entzündliche fibrotische Prozesse, z.B. wird DHE als Ursache von retroperitonealer Fibrose diskutiert. Nachweis: DC, RIA, UV-Spektrometrie Therapie: Akut: Kohle-Pulvis, evtl. Magenspülung, Natrium sulfuricum und Aktivkohle. Bei ausgedehnten Gefäßspasmen Natriumnitroprussid-Infusion: Gesamtdosis 20-500 jig/min (0,5-8 jig/kg/min) intraarteriell (rascher Wirkungseintritt) oder intravenös (10–40 Stunden lang). Zur Verhinderung einer Blausäurevergiftung durch Natriumnitroprussid zugleich Natriumthiosulfatgabe (vierstündliche 100 ml der 10%igen Lösung i.v.). In leichten Fällen genügt Nitrolingual-Spray wiederholt. Bei Muskelschmerzen Calcium, bei Krämpfen Diazepam, bei Erbrechen Atropin. Chronisch: Bei Abhängigkeit von diesem Krampfgift genügt im Entzug in der Regel eine verhaltenstherapeutische
Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
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III–3.3
Dihydroergotamin
Drogen
Empfehlung zur Normalisierung der Lebensführung, Abbau von Extrembelastungen, gesunde Ernährung, viel Trinken (Obstsäfte), viel Schlafen, Amalgamentgiftung mit DMPS. Besonderheiten: Bei Ergotismus als Folge einer therapeutischen Migränetherapie zwingen die entzugsbedingten Kopfschmerzen immer wieder zu einer Wiedereinnahme der Noxe. Um einen Rückfall zu verhindern, muss neben einem wirkungsvollen Analgetikum ohne hohem Suchtpotenzial (Metamizol, Acetylsalicylsäure) unbedingt das Autogene Training zur Anfallskupierung erlernt werden. Literatur: ANDERSEN, P . K . , CHRISTENSEN, K . B . , HOLE, P . , JUHL, B . , ROSENDAHL, T . , STOKKE, D . B . : Sodium nitroprusside and
epidural blockade in the treatment of ergotism. New. Engl. J. Med., 296: 1271–1273 (1977) ANDERSSON, P . G . : Ergotamine headache. Headache 15: 118–121 (1975) CARLINER, N . H . , DENUNE, D . P . , FINCH, S . C . , GOLDBERG, L . I . : Sodium nitroprusside treatment of ergotamine-induced
peripheral ischemis. J. Amer. med. Ass. 227: 308–309 (1974) COBAUCH, D . S . : Prazosin treatment of ergotamine-induced peripheral ischemia. J. Amer. med. Ass. 244: 1360 (1980) DICHGANS, J . , DIENER, H . C . , GERBER, W . D . , VERSPOHL, E . J . , KUKIOLKA, H . , KLUCK, M . : Analgetika-induzierter Dauer-
kopfschmerz. Dtsch. Med. Wschr. 109: 369–373 (1984) EURIN, B . , SAMIL, K . , ROUBY, J . J . , GLASER, P . : Ergot and sodium nitroprusside. New. Engl. J. Med. 298: 632–633 (1978) HOKKANEN, E . , WALTIMO, O . , KALLAURANTA, J . : Toxic effects of ergotamine used for migraine. Headache 18: 95–98 (1978) HUSTED, J . W . , RING, E . J . , HIRSH, L . F . : Intraarterial nitroprusside treatment for ergotism. Amer. J. Rosentgenol, 1 3 1 : 1090–1091 (1978) HUSUM, B . , BERTHELSEN, P . , RASMUSSEN, J . P . : Different approaches to the treatment of ergotism: A review of three cases. Angiology 3 1 : 650–653 (1980) MAPLES, M . , MULHERIN, J . L . , HARRIS, J . , DALE, A . : Arterial complication of ergotism. Amer. Surg. 47: 224–227 (1981) D E MARE´ES, H . , WELZEL, D . , D E MARE´ES, A . , KLOTZ, U . , TIEDJEN, K . U . , KNAUP, G . : Relationship Between theVenocon-
strictor Activity of Dihydroergotamine and Its Pharmacokinetica During Acute and Chronic Oral Dosing. Eur. J. Clin. Pharmacol. 30: 685–689 (1986) PIGRAN SERRALLACH, C . : Peripheral gangrene following iatrogenic ergotism. Med. Clin. (Barc.) 77(2): 85–86 (1981) ROWSELL, A . R . , NEYLAN, C . , WILKINSSON, M . : Ergotamine induced headaches in migrainous patients. Headache 13, 65–67 (1973) RUDOFSKY, G . : Nachweis der ganztägigen Wirksamkeit einer s.c. Akutgabe von Dihydroengotamin. Herz/Kreislauf, 1 1 : 616–619 (1985) SCHULZ, V . : Behandlung des Ergotismus. Fortschr. Med. 8: 189–190 (1984) SCHULZE-BERGMANN, G . : Akuter Ergotismus als Ursache schwerer Extremitätenischämie. Herz/Kreisl. 8: 321–325 (1976) SEEMANN, W . - R . , URBANYI, B . , MATHIAS, K . , WALTER, K . : Ergotaminbedingter Extremitätenspasmus mit Fußrücken-
gangrän. Münch. med. Wschr. 125: 506–508 (1983) VAN DE BERG, E . : Ergotim – a severe complication of drug prevention of thromboembolism (letter). Dtsch. Med. Wochenschr. 107(18): 716–718 (1982)
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Daunderer – Klinische Toxikologie – 163. Erg.-Lfg. 6/03
Drogen
Dikaliumclorazepat
III–3.3
Dikaliumclorazepat Synonyma: 7-Chlor-2,3-dihydro-2,2-alihydroxy-5-phenyl-1H-1,4-benzodiazepin-3-carbonsäure, Kaliumsalz Chemische Formel:
Vorkommen: Tranxilium Tranxilium Tranxilium Tranxilium
Kapseln, Sanofi-Synthelabo Filmtabletten, Sanofi-Synthelabo Injizierbar, Sanofi-Synthelabo Tabs Filmtabletten, Sanofi-Synthelabo
Wirkungscharakter: Anxiolytikum, Sedativum; Halbwertszeit: 31-97 Std., Plasmaproteinbindung 97 %. Stabil bei einem pHWert von 7,4; wird bei einem pH-Wert unter 4 rasch zu Nordiazepam metabolisiert, daher wird es oral hauptsächlich als Nordiazepam absorbiert, das zu Oxazepam metabolisiert und glukuronidiert ausgeschieden wird und bis zu 12 Tage nach der Verabreichung noch nachweisbar ist (Raveaux, Brooks). Totale Clearance 8 ml/min. Kontraindinkationen: Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Benzodiazepinen; akute Vergiftungen mit Alkohol, Schlafmitteln sowie Präparaten zur Behandlung geistig-seelischer Störungen (Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium); Myasthenia gravis und akutes Engwinkelglaukom. Im ersten Drittel der Schwangerschaft sollte es nur bei zwingender Indikation eingesetzt werden, da sich die Ergebnisse tierexperimenteller Teratogenitätsuntersuchungen, die kein erhöhtes Risiko gezeigt haben, nicht unbedingt auf den Menschen übertragen lassen. Bei Stillenden ist Vorsicht geboten. Bei schweren Leberfunktionsstörungen kann sich die Wirkung des Präparates verlängern und verstärken; eine schwere Hypalbuminämie kann unerwünschte, zentralvenöse Nebenwirkungen begünstigen. Im höheren Lebensalter und bei Patienten in stark reduziertem Allgemeinzustand ist die Empfindlichkeit gegen Benzodiazepine gelegentlich erhöht, und es empfiehlt sich eine niedrigere Dosierung. Nebenwirkungen: In Abhängigkeit von der Dosis und insbesondere zu Beginn der Behandlung können folgende Nebenwirkungen auftreten: Mattigkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwindelgefühl, Benommenheit, Koordinationsstörungen, paradoxe Reaktionen, unerwünschte, starke Sedierung, Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit, Muskelschwäche, Menstruationsbeschwerden. Diese Erscheinungen klingen im weiteren Verlauf der Behandlung meist spontan ab. Selten ist eine Dosisreduktion oder ein Absetzen des Präparates erforderlich. Es kann zusammen mit anderen zentral wirkenden Stoffen, z. B. Alkohol, unvorhersehbare Reaktionen auslösen. Während einer Behandlung sollte deshalb der Genuss von Alkohol vermieden werden.
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III–3.3
Dikaliumclorazepat
Drogen
Toxizität: Therapeut. Konzentrat. 0,16-0,64 mg/l im Serum bei einmaliger, 1,21-2,64 mg/l bei chronischer Einnahme. Symptome: – – – –
Schläfrigkeit Ataxie Nystagmus Ansprechbarkeit noch nach Dosen bis zu 600 mg
Nachweis: EMIT, RIA, GC Therapie: Kohle-Pulvis, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat. Beatmen; Bei anticholinerger Symptomatik Antidot Physostigmin (Anticholium 2 mg i.m.) Literatur: ABRUZZO, C. W . , BROOKS, M. A . , COTLER, S., KAPLAN, S. A . : Differential pulse polarographic assay procedure and in vitro biopharmaceutical properties of dipotassium clorazepate. J. Pharm. Biopharm. 4: 29-41, 1976 BERTLER, A . , KINDGREN, S., MALMGREN, H . : Pharmacokinetics of dipotassium clorazepate in patients after repeated 50 mg oral doses. Psychopharm 7 1 : 165-167, 1980 BROOKS, M . A . , HACKMAN, M . R . , WEINFELD, R . E . , MACASIEB, T . : Determination of clorazepate and its major metabo-
lites in blood and urine by electron capture gas-liquid chromatography. J. Chrom. 135: 123-131, 1977 CARRIGAN, P. J., CHAO, G. C . , BARKER, W. M. et al.: Steady-state bioavailability of two clorazepate dipotassium dosage forms. J. Clin. Pharm. 17: 18-28, 1977 GREENBLATT, D. J . : Determination of desmethyldiazepam in plasma by electron-capture G L C : application to pharmacokinetic studies of clorazepate. J. Pharm. Sci. 67: 427-429, 1978 HAIDUKEWYCH, D . , RODIN, E. A . , DAVENPORT, R . : Monitoring clorazepate dipotassium as desmethyldiazepam in plasma by electron-capture gas-liquid chromatography. Clin. Chem. 26: 142-133, 1980 HOFFMAN, D. J . , CHUN, A. H. C . : G L C determination of Plasma drug levels after oral administration of clorazepate potassium salts. J. Pharm. Sci. 64: 1668-1671, 1975 RAVFAUX, R . , GROS, P . : Etude de l’excretion du chlorazepate dipotassique et de ses metabolites urinaires. Chim. Ther. 4: 481-487, 1969
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Drogen
Diphenhydramin III–3.3
Diphenhydramin Synonyma: Ethanolamin-Derivat, 2-Benhydryloxy-N,N-diemthylethylamin Chemische Formel:
CH — O — CH2 — CH2—N^ '
CH3
& Verwendung: Antihistaminikum, seit 1946 im Handel; Sedativum, Antiemetikum Vorkommen: Benadryl N Hustensaft, Warner-Lambert Benadryl N Hustentropfen, Warner-Lambert Benadryl N infant Saft, Warner-Lambert Dolestan Tabletten, Whitehall-Much Dormutil N Tabletten, Alpharma-Isis Emesan 50 Tabletten, Lindopharm Emesan E Erwachsenenzäpfchen, Lindopharm Emesan K Kinderzäpfchen, Lindopharm Emesan S Säuglingszäpfchen, Lindopharm Halbmond-Tabletten, Whitehall-Much Hevert-Dorm Tabletten, Hevert nervo OPT N Tabletten, Optimed ratio Allerg Gel, rathiopharm S.8 Tabletten, Chefaro Sedativum-Hevert Injektionslösung, Hevert Sediat Tabletten, Pfleger Sedopretten Tabletten, Schöning-Berlin Sleepia Weichkapseln, Pfizer Wirkungscharakter: Diphenhydramin ist ein Antihistaminikum mit Ethanolaminstruktur. Es hemmt durch Blockade der H1Histaminrezeptoren die kapillarerweiternde und exsudative Wirkung von Histamin; an der Bronchialmuskulatur wird die spasmogene Histaminwirkung abgeschwächt. Es besitzt außerdem ausgeprägte anticholinerge, antiemetische und sedierende Eigenschaften. Darüber hinaus hat es gewisse lokalanästhetische Wirkungen. Diphenhydramin ist eine Base, der pK beträgt 8,3. Diphenhydramin wird nach p.o. Gabe rasch resorbiert, die systemische Bioverfügbarkeit der p.o. Dosis beträgt etwa 50%. Maximale Plasmaspiegel treten 1–4 h nach p.o. Gabe auf. Das VD beträgt 3–4 l/kg. Die Plasmaproteinbindung liegt um 9899 %. Diphenhydramin wird hauptsächlich in der Leber metabolisiert, zusätzlich noch in Lunge und Niere. Geringe Mengen ( Benzodiazepinderivate) Synonyma: ll-Chlor-8,12b-dihydro-2,8-dimethyl-12b-phenyl-4H-[l,3]-oxazino[3,2-d][l,4]benzodiazepin4,7(6H)-dion Chemische Formel: CH 3
Vorkommen: Nicht im Handel. Wirkungscharakter: Mildes Hypnotikum und Anxiolytikum. Benzodiazepinderivat. Halbwertzeit 2 Stunden, des Hauptmetaboliten 34 Stunden. Vier Metaboliten mit einer Halbwertzeit von 6-8 Std. Symptome: Zentrale anticholinerge Symptome: Agitiertheit, Bewegungsdrang, Angst, Halluzinationen, Choreoathetose, positiver Babinsky, Gedächtnisstörungen, Desorientiertheit, Delir, Stupor, Koma, Atemdepression; Periphere anticholinerge Symptome: Flush, heiße und trockene, rote Haut, Mundtrockenheit, Hyperthermie, Fehlen von Darmgeräuschen, Harnverhaltung, zunächst tachykarde, später bradykarde Herzrhythmusstörungen, Mydriasis. Nachweis: Dünnschichtchromatographie (qualitativ) Gaschromatographie (quantitativ) Therapie: Sofort Gabe von Kohle-Pulvis, Magenspülung mit angefeuchtetem Schlauch, Instillation von Kohle-Pulvis (10 g), Natriumsulfat. Bei mindestens einem zentralen und zwei peripheren anticholinergen Symptomen Injektion von Physostigminsalicylat (Anticholium®: 0,04 mg/kg KG, d.h. beim Erwachsenen 2 mg i.m., beim Kind 0,5 mg i.m.). Wirkungseintritt nach 5-15 Minuten. Wirkungsdauer der Antidotwirkung 20 Min. bis 8 Stunden. Wiederholung in gleicher Dosierung. Besser Antidot Flumazenil (Anexate® 0,5 mg i.V.).
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III—3.3
Ketazolam
Literatur: LAUX, G.: Neue Benzodiazepin-Tranquilizer. Z. AUg. Med. 58: 813-820 (1982)
.Z
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Drogen
Khat III–3.3
Drogen
Khat Chemische Formel: C9H1 3 NO
y
k^
l|
CH
CH
I
I
HO
NH2
CH3
Synonyma: Kat, Qat, Kath, d-Nor-Isoephedrin (Cathin, das wirksamste Alkaloid des Khat) Beschaffenheit: Hauptwirkstoffe sind Alkaloide (0,09%); Cathinon, das beim Welken der Blätter in Cathin übergeht; Chathinin; Cathidin; L-Ephedrin und Edulin. Ein Kilo frischer Khat-Blätter enthält ca. 2,7 g Cathin, 3,2 g Cathidin und 1,5 g Cathinin. Vorkommen: Die Hauptanbaugebiete des Khatstrauches liegen in Äthiopien und in den bergigen Gegenden des Jemen in Höhen von 900 bis 1200 m. Der Strauch wächst außerdem in West- und Südafrika, Arabien, Palästina, Turkestan und Afghanistan. Verwendung: Als Rauschdroge und als Genussmittel. Kath wird beispielsweise bei den Jemeniten hauptsächlich gekaut. Mehrere Blätter werden vom Kathbündel gepflückt und als kleiner Kloß in die Backentaschen gesteckt, dazu wird viel getrunken und nach ca. 15 Minuten, wenn die Blätter ausgesaugt sind, ausgespuckt. Pro Person werden 100 bis 200 g konsumiert. In Südafrika bereitet man mit 5 bis 15 g Khat auf 1 l Wasser einen Tee. In anderen Ländern wird Khat getrocknet mit Honig und wenig Wasser bzw. gemahlen mit Zucker und Gewürzen zubereitet. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Die Wirkung gleicht jener der Weckamine: Müdigkeit verschwindet, Euphorie und schwache Erregung stellen sich ein, körperliche Arbeit und Reden werden leichter, das Hungergefühl wird zurückgedrängt. Es entwickelt sich eine mäßige, aber oft anhaltende psychische Abhängigkeit. Körperliche Abhängigkeit fehlt, keine Toleranzentwicklung. Rauschmittel Toxizität: Die gewohnheitsmäßige und insbesondere die übermäßige Anwendung von Khat kann auch wegen der Nicht-Amphetaminbestandteile (Tannine) die Gesundheit des Einzelnen schädigen. Symptome und klinische Befunde: Mydriasis, Magenkrämpfe, Obstipation, Gingivitis, Rausch
Daunderer – Klinische Toxikologie – 168. Erg.-Lfg. 5/04
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III–3.3
Khat
Drogen
Psychisch: Euphorie, Appetitlosigkeit, Erregungszustände, vermindertes Kritikvermögen, Libidoverlust. Nachweis: Dünnschichtchromatographie, Emit oder TDX-Amphetamine. Therapie: Absetzen, Vitaltherapie (Beatmung, Kreislauf), Sedieren (Doxepin), Fürsorge (Schutz vor Selbstgefährdung): Bei starken Kauern treten während des Entzuges paranoide Alpträume und Körperzittern über mehrere Tage hinweg auf. Bei Rauschmitteln steht neben dem Wiederauftreten der Symptome, die zum Medikamentenmissbrauch führten (Kopfschmerzen, Depressionen) der psychische Zwang zur Wiederholung im Vordergrund. Ablenkung, Sport, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen.
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Gase
Lachgas
Synonyma Azooxid, Distickstoffmonoxid, Stickoxidul, Stickstoffoxidul, Stickstoffsuboxid, Distickstoffoxid. Chem, Formel N20 Verwendung Inhalationsnarkotikum; handelsüblich in Druckgasflaschen. Beschaffenheit Farbloses, süßlich schmeckendes Gas mit angenehmem Geruch, etwas schwerer als Luft, wasserlöslich, chemisch stabil; nicht brennbar, aber unterhält die Verbrennung leicht entzündlicher Stoffe unter Freisetzung von Stickstoff. Stickgas! Physikalische Daten: MG 44.0; Gaszustand: Dichte 1,98 g/1, relative Gasdichte 1.5; flüssiger Zustand: Smp. -91° C; Sdp. -89° C Wirkungscharakter Keine toxische Eigenwirkung; Vergiftungserscheinungen bei Zufuhr hoher Lachgaskonzentrationen immer durch Sauerstoffmangel. Nachweis Gaschromatografisch. Symptome Bei Inhalation des verdünnten Gases innerhalb 1 Minute Ohrensausen, Bewußtlosigkeit und Empfindungslosigkeit mit leichter Zyanose. Bei fortgesetzter Inhalation Asphyxie und Tod durch Atemlähmung. Therapie A 3 Rettung aus Gasmilieu Zur Rettung von bewußtlosen Vergifteten aus gasverseuchten oder verrauchten Räumen möglichst vorher Brandschutzkleidung (Wolle statt Kunststoff) und Atemschutzmaske anlegen und anseilen, die Sicherungen herausdrehen (Explosionsgefahr), sofort Fenster aufreißen öder einschlagen, kein Licht machen und den Vergifteten rasch aus dem Raum entfernen. Bei Bränden zum Schutz vor giftigem Rauch und zur besseren Orientierung mit dem Kopf nahe am Boden (30 cm) kriechen. Bei Bergung aus Gruben und Silos unbedingt vorheriges Anlegen von schwerem Atemschutz beim Retter und anseilen. Kontaminierte Kleidung sofort entfernen, Haut mit warmem Wasser duschen oder PEG 400 auftragen, Augen spülen. B 1 Frischluft Sofort Frischluft, besser mit Sauerstoff angereicherte Luft, zuführen.
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Lachgas IH-4.3
Gase
B 2 Künsdiche Beatmung Bei Patienten mit blauen Lippen sofort mit der künstlichen Beatmung beginnen, am besten mit einem Beatmungsbeutel; nur im Notfall durch Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung. Der Retter vermeidet einen Kontakt mit der Ausatmungsluft des Vergifteten. Die Beatmungsfrequenz beträgt bei Erwachsenen 15-10 mal pro Minute, bei Kindern 30mal pro Minute. Am Ende des Beutels kann eine Sauerstoffleitung angeschlossen werden, falls mit sauerstoff-angereicherter Luft beatmet werden soll. Richtige Maskengröße wählen! Der Arzt wird Bewußtlose intubieren und bei geblockter Manschette mit dem Atembeutel beatmen.
C 1 Herz-Lungen-Wiederbelebung Sowohl toxisch als auch anoxisch können Herzrhythmusstörungen auftreten. Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Atropin (G 6) oder Orciprenalin (G 2), tachykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Lidocain {G 61) oder Phenytoin (G 71) therapiert. Ein Herzstillstand liegt vor bei a) plötzlicher Bewußtlosigkeit b) weiten, lichtstarren Pupillen c) Fehlen des Pulses (am Hals oder in der Schenkelbeuge) d) Schnappatmung, dann Atemstillstand Herzmassage und Beatmung werden von einem oder von zwei Helfern durchgeführt. Den Erfolg der Herzdruckmassage stellt man durch folgendes fest: a) tastbarer Puls b) Reagieren der Pupillen auf Licht c) Wiederauftreten spontaner Atembewegungen Intratracheal oder i.v. Injektion von Adrenalin {G 56) bis 0,5 mg. C 2 Schock Zeichen des Schocks: a) aschgraue, kalte Arme und Beine b) kaum tastbarer, schneller Puls (über 100 Schläge pro Minute) c) Schlecht meßbarer Blutdruck (unter 100 mm/Hg) d) oberflächliche, schnelle Atmung e) Ausbleiben einer ausreichenden Urinproduktion (unter 20 ml pro Std.) Der Vergiftete kann im Schock sterben, daher stets dem Schock vorbeugen durch Laienmaßnahmen: a) Ruhe b) Wärme (Unterlage, Zudecke) c) flache Lagerung (Beine hoch, Kopf tief = Körpereigene »Bluttransfusion«) d) warme Getränke (Tee, Kaffee) Schocktherapie (Arzt) a) Als Therapievoraussetzung wird vom Arzt meist ein zentraler Zugang z.B. über eine Subclavia-Anonyma-Punktion gelegt. b) Beim hypovolämischen, dem häufigsten Schock bei Vergiftungen, erfolgen sofortige Infusionen ausreichender Mengen von Gelatine- oder HES-Lösungen (Plasmaexpander). Bei Vergiftungen wird wegen Urineindickung möglichst wenig Dextran infundiert. Keine peripheren Kreislaufmittel, die die Nierendurchblutung drosseln wie Adrenalin- oder Noradrenalinderivate, sondern anschließend Infusion von Dopamin (G19). c) Beim schweren anaphylaktischen Schock kann die initiale Injektion von Adrenalin (0,05 bis 0,1 mg langsam i.V., G 56) indiziert sein; die Dosis kann in Abständen von 1-2 min. wiederholt werden. d) Beim kardiogenen Schock oder nach Auffüllen einer Hypovolämie kann Dopamin (G 19) im Dauertropf gegeben werden (Dosierung: 4 gamma/kg/min, d. h. 50 mg in 500 ml Laevulose, 40 Tropfen pro min. bei 50 hg). 2
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Gase
Lachgas
III-4.3 e) Es folgt die Bekämpfung der Azidose mit Bikarbonatdosen entsprechend wiederholten arteriellen Blutgasanalysen oder im Notfall vorübergehend dem Urin pH (über 7) (G 35). f) Bei Spastik im Bronchialtrakt Theophyllin (G 20) oder Orciprenalin (G 2). C 5 Hirnödemtherapie (anoxisch) HES 10 % (G 70), Trockenlegen bei der Infusionstherapie (niedriger ZVD), zusätzlich Triamcinolonacetonid (G 53) gegen das zytotoxische Hirnödem. Literatur KÜHN, BiRETT: Merkblätter gefährliche Arbeitsstoffe. Ecomed, Landsberg, 1986
Daunderer - Klinische Toxikologie - 33. Erg.-L% 1/88
Drogen
Laxantia
III–3.3
Laxantia Vertreter: Bisacodyl, Phenolphthalein, Paraffin Synonyme: Laxantien, Abführmittel Beschaffenheit: Laxantien lassen sich in Gleitmittel, Hauptrepräsentant Paraffinum liquidum, Gemisch von flüssigen Paraffinen-Kohlenwasserstoffe von der Formel C n H 2n+2 ; n = 1, 2, 3 ...), osmotisch wirkende Substanzen, zu denen salinische Abführmittel (z. B. Glaubersalz-Natriumsulfat) und niedermolekulare Zucker (z. B. Lactulose) gezählt werden, und pflanzliche sowie synthetische schleimhautreizende Stoffe (zu ihnen zählen die pflanzlichen und synthetischen Anthrachinonderivate, Bisacodyl, Phenolphthalein und Oxyphenisatin) unterteilen. Verwendung: – Therapeutisch: Vergiftungen, Operationen und Röntgenuntersuchungen des Magen-Darm-Traktes und der Nieren, Hämorrhoiden, Analfissuren, Hernien, Hypertension, zerebrale und koronare Gefäßsklerose (Apoplexiegefahr). – Missbrauch Vorkommen: Etwa 30 % der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sind Laxantien-Verbraucher. 80–90 % davon sind Frauen. Jährlich werden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 42 Millionen Originalpackungen von Laxantien in öffentlichen Apotheken verkauft. Präparate u.a.: Agaroletten Tabletten (Warner-Lambert) Bekunis Bisacodyl Dragees (roha) Bisco-Zitron magensaftresistente Dragees (Biscova) Darmol Bisacodyl-Dragees (Omegin) Drix N Bisacodyl-Dragees (Hermes) Dulcolax Dragees (Boehringer Ingelheim) Dulcolax Suppositorien (Boehringer Ingelheim) Laxagetten Abführtabletten Lacktabletten (ct-Arzneiminel) Laxanin N Bisacodyl-Dragees 5 mg (Schwarzhaupt) Laxans-ratiopharm Tabletten (ratiopharm) Laxans-ratiopharm Suppositorien (ratiopharm ) Laxbene N Lacktabletten (Merckle) Laxbene Suppositorien (Merckle) Laxoberal Bisa Abführdragees (Boehringer Ingelheim) Laxysat Bürger Dragees (Ysatfabrik) Marienbader Pillen N magensaftresistente Dragees (Riemser) Mediolax Medice Filmtabletten (Medice) Pyrilax Abführdragees (Berlin-Chemie) Pyrilaxzäpfchen (Berlin-Chemie) Stadalax Dragees (Stada)
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III–3.3
Laxantia
Drogen
Tirgon N magensaftresistente Dragees (Woelm Pharma) Vinco Abführ-Perlen Bisacodyl-Dragees 5 mg (OTW) Veneipon Dragees (Artesan) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Laxantien sind Pharmaka, die die Transitzeit des Darminhalts verkürzen und eine Stuhlentleerung herbeiführen. Sie bewirken im wesentlichen eine Volumenzunahme des Darminhalts und verstärken den Füllungsdruck auf die Darmwand. Ein weiteres Wirkungsprinzip stellen Gleitmittel, Netzmittel, Salze bzw. Zucker und Drastika dar. Die Laxantien können auf den Dünndarm oder auf den Dickdarm und auch auf den gesamten Darmtrakt wirken. Es gibt zahlreiche Gruppen von Laxantien mit verschiedenartigsten Wirkungen; z. B. „osmotisch“ wirksame Laxantien, nicht resorbierbare Zucker, Zufuhr großer Mengen einer isotonischen Trinkflüssigkeit, darmirritierenden Laxantien usw. – Paraffinöl hat nur eine schwach laxierende Wirkung, die erst nach mehreren Tagen voll ausgeprägt ist und auf einer verstärkten Gleitfähigkeit des Stuhls beruht. Es kann bei übermäßigem chronischen Gebrauch in geringen Mengen in den Organismus aufgenommen werden und so in den Organen des Bauchraumes Fremdkörper-Granulome verursachen sowie durch eine Hemmung der Resorption von Fett und löslichen Vitaminen zur Malabsorption führen. Kein Missbrauch bekannt! – Rizinusöl: Ricinolsäure wird im Darmlumen enzymatisch aus dem Triglycerid freigesetzt und hemmt die enterozytäre Na-K-ATPase und stimuliert die Adenylatzyklase. Daraus resultiert bereits im Dünndarm die verstärkte Sekretion von Wasser und Elektrolyten sowie die Hemmung der Natriumresorption. Rizinusöl hemmt die passageverlangsamenden Segmentationsbewegungen des Darmes. Die Wirkung tritt nach 2–4 h ein. Bei längerfristiger Gabe werden die Mucosazellen des Dünndarmes geschädigt. – Niedermolekulare Zucker, wie Lactulose, werden im Darm nicht resorbiert und binden aufgrund der erhöhten Osmolarität im Dickdarm Wasser. Kein Missßbrauch bekannt! – Salinische Präparate (Magnesiumsulfat, Magnesiumcitrat, Natriumsulfat) fördern den Stuhlgang ebenfalls über einen Volumen- und Peristaltikeffekt; die Sulfat-Anionen halten eine osmotisch äquivalente Menge Flüssigkeit im Darmlumen zurück und verhindern dadurch eine Eindickung der Fäzes. Die Wirkung tritt nach 2–4 h ein. – Schleimhautreizende Stoffe stimulieren im gesamten Darm die Flüssigkeits- und Elektrolytsekretion. Der wirksame Bestandteil der Anthrachinone sind die Emodine, die nach bakterieller Spaltung im Kolon freigesezt werden. Anthrachinone sind in den meisten Abführmitteln enthalten. Ihre Wirkung setzt etwa 8–10 h nach oraler Gabe ein. Ein Hinweis auf den chronischen Gebrauch von Anthrachinonpräparaten ist das sogenannte „Laxantien-Kolon“: Melanosis coli, das als Präkanzerose diskutiert wird. Die bräunliche Imprägnierung der Kolonschleimhaut rührt von einem Reduktionsprodukt des 1-8-Dihydroanthrachinons her. Der übermäßige Gebrauch antiabsorptiver und hydragogisch wirkender Abführmittel verursacht nicht nur Elektrolytverluste mit sekundären Motilitätsstörungen des Darms, sondern dort auch morphologische Schädigungen. Unter Anthrachinon kommt es zu Schäden des Plexus myentericus (Auerbach) mit Verlust von Neuronen, Ersatz von Ganglienzellen durch Schwann-Zellen und zur Atrophie der glatten Muskulatur. Auch die Kolon-Epithelzellen werden verändert. Im Laufe von Jahren entwickelt sich ein „Abführmittel-Kolon“ mit röhrenartiger Struktur des terminalen Ileum, Klaffen der Valvula ileocoecalis, Dilatation und Haustrenverlust des Kolons und schließlich Verkürzung des Colon ascendens. Bisacodyl wird nach oraler Gabe resorbiert, in der Leber deaztyliert, konjugiert und als Glukuronid über die Galle ausgeschieden. Nach bakterieller Dekonjugation wird es im Dickdarm wirksam. Der langfristige Missbrauch von Laxantien kann komplexe Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes zur Folge haben. Hypokaliämie mit Leistungsminderung und Müdigkeit deutet auf das sogenannte Pseudo-Bartter-Syndrom hin; durch den enteralen Natrium-, Kalium- und Wasserverlust mit folgender Hyponatriämie, Hypokaliämie und Hypovolämie kommt es durch Stimulation des
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Drogen
Laxantia
III–3.3
Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zum Hyperaldosteronismus. Die Hypokaliämie wird verstärkt (Darmatonie) und führt bei den Betroffenen (meist im Medizinbereich tätige Personen oder Angehörige von Patienten mit dem entsprechenden Krankheitsbild, die die Medikamenteneinnahme z. T. hartnäckig leugnen) zur Steigerung der Laxantiendosis. Die normale Stuhlmenge liegt bei westlicher Kost im Durchschnitt bei etwa 100 – 200 g pro Tag, bei einer intestinalen Transitzeit von 60 - 70 Stunden. Der Mangel an Füllstoffen führt somit zu einer Abnahme der Stuhlmenge, aber auch zu einer Änderung der bakteriellen Darmflora, zu einer Druckerhöhung im Dickdarm und somit zu einer verlängerten Transportzeit. Der Wassergehalt des Stuhles macht rund 7 5 % aus. Das normale Stuhlverhalten bei westlicher Ernährung wäre zwei mal täglich bis zwei mal wöchentlich. Die normale Darmpassage 50 - 80 Stunden (erwünscht: 24 - 36 Stunden). Der Weitertransport der Nahrung im Darm erfolgt durch die Peristaltik, die vom Füllungsdruck des Darmes gesteuert wird. Das autonome Nervensystem greift modulierend in die Peristaltik ein. Die Bewegungsabläufe am Kolon erfolgen in zwei Formen, wodurch eine stete Durchmischung des Darminhalts zur Gewährleistung der resorptiven Vorgänge erfolgt und andererseits ein Vorwärtstransport des Darminhalts über größere Darmstrecken. Die glatte Darmmuskulatur weist einen eigenen Grundrhythmus von langsamen Wellen mit aufgepfropften Spitzenpotenzialen auf. Die Defäkation wird reflektorisch über Bahnen des Plexus sacralis ausgelöst. Durch Druckanstieg, Verkürzung des Rektums und aktiver Zuhilfenahme der Bauchpresse – kommt es zu einer Erschlaffung des äußeren Analsphinkters mit nachfolgender Defäkation. Die Obstipation äußert sich in unregelmäßiger, zeitweilig auch stagnierender Darmperistaltik. Hierdurch wird die Transitzeit des Darminhalts in der Regel um das 2- bis 3-fache verlängert, wobei gleichzeitig die Stuhlkonsistenz zunimmt. Die Obstipation wäre wie folgt zu definieren: objektiv zu kleine Stuhlmenge, zu hohe Stuhlkonsistenz, zu lange Transitzeit. subjektiv falsche selbstgesetzte Norm, falsche übertriebene Erwartungen. Alte Menschen leiden – vermeintlich oder auch tatsächlich – häufiger an Obstipation als jüngere Personen. Hierfür lassen sich besondere geriatrische Gründe anführen: tägliches Stuhlgang-Erlebnis aus der Jugendzeit; überlieferte Irrlehre aus früherer Zeit hinsichtlich einer Autointoxikation bei Stuhlträgheit; Immobilisation im Alter: Stuhlgang-Probleme als Kontaktsuche zu einem Arzt. Die Diagnostik der Obstipation erfolgt durch folgende Fragen: Stuhlganghäufigkeit? BlutauflagerungenamStuhl? Stuhlmenge? Hat eine Kostumstellung stattgefunden? Stuhlkonsistenz? Wurden Medikamente eingenommen? Seit wann besteht die Obstipation? Erfolgte ein Ortswechsel? Schleimauflagerungen? Es gibt organische Obstipationstormen und funktionelle Obstipation. Der anfänglich schnelle Erfolg stimulierender Laxantien führt so in einen Teufelskreis, aus dem der Patient aus eigener Kraft oft nicht wieder herausfindet. Allen Laxantien gemeinsam ist, dass sie zur Gewöhnung führen; vor allem die stimulierenden Laxantien jedoch prädisponieren zum Abusus. Dem klinischen Bild des verheimlichten Laxantienabusus liegen psychopathologische Mechanismen zugrunde. Zum einen handelt es sich um eine Form der Drogenabhängigkeit, zum anderen aber um Patienten mit Zwangsvorstellungen und Tendenz zu Selbstmutilation. Wie bei anderen durch masochistische Tendenzen ausgelöste Krankheiten besteht in dieser Patientengruppe ein erhöhtes Suizidrisiko. Abhängigkeit vom Krampfgift-Typ Toxizität: Stark unterschiedlich. Dulcolax wird am häufigsten in Extremfällen wegen seiner starken Wirkung missbraucht (bis 40 Drg. pro Tag). Symptome: Abdominalschmerzen verschiedenster Art und Lokalisation chronische Diarrhoe, Inanition, Erbrechen, Hypokaliämie, Muskelschmerzen, Muskelschwäche, muskuläre Krämpfe, arterielle Hypotonie, intermit-
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Laxantia
Drogen
tierende Ödeme, Gewichtsverlust, rasche körperliche Ermüdbarkeit, Leistungsminderung, Neuropathie, selten kaliopenische Nephropathie, Herzrhythmusstörungen (bei gleichzeitiger Therapie mit Herzglykosiden). Psychische Abhängigkeit Nachweis: DC UV-Spektroskopie Diagnostische Probleme: Äußerst schwierig ist die Diagnose bei Laxantienabusus, wenn dieser vom Patienten bewusst verschwiegen wird. Chronischer exzessiver Laxantienabusus kann zu schweren Krankheitsbildern führen. Die Beschwerden bestehen in Abdominalschmerzen verschiedenster Art und Lokalisation, chronischer Diarrhoe, Erbrechen, Muskelschwäche, Gewichtsverlust und Ödemen. Die meist umfangreiche Symptomatik und der lange Krankheitsverlauf (bis zu 10 Jahren) führen zu breit angelegten, meist frustranen Abklärungen, an deren Ende die Bestimmung seltener Polypeptidhormone oder die operative Suche nach gastrointestinalen Tumoren steht. Dem klinischen Bild des verheimlichten Laxantienabusus liegen psychopathologische Mechanismen zugrunde. Zum einen handelt es sich um eine Form der Drogenabhängigkeit, zum anderen aber um Patienten mit Zwangsvorstellungen und Tendenz zu Selbstmutilation. Wie bei anderen durch masochistische Tendenzen ausgelöste Krankheiten besteht in dieser Patientengruppe ein erhöhtes Suizidrisiko. In jedem Fall scheint es angezeigt, den betroffenen Patienten nach dem Absetzen der Laxantien, Kostumstellung, Kaliumsubstitution, physikalischen Maßnahmen usw. einer psychiatrischen Behandlung mit dem Ziel, ihn von seiner Autoaggression zu befreien, zuzuführen. Therapie: Die Voraussetzung der Therapie ist die Diagnose. Die Obstipation muss bestätigt werden. Die Ursachen festgestellt und beseitigt. Einen wichtigen Faktor spielt das eingehende Kennenlernen des Patienten und die Aufklärung über die Darmtätigkeit und eine stuhlgangförderliche Ernährungsweise. Außerdem müssen weitere Laxantien verboten werden. Behandlung: Umstellung der Ernährung: morgens nüchtern 1 Glas Fruchtsaft, zellulosereiche Kost, Vermehrung der Flüssigkeitszufuhr, körperliche Bewegung, Kolonmassage, Förderung der acidophilen Bifidus-Flora und Stuhlgang-Training. Eine Normalisierung der Stuhlentleerung wird durch dieses Behandlungsprogramm bei Obstipation in aller Regel nach einem individuellen Zeitraum von 1 - 4 Wochen bewirkt. Besonderheiten: Gehäuftes Vorkommen bei Magersüchtigen (Schauspielerinnen, Photomodellen), Masochisten. Fast nur Frauen betroffen, häufig bei chronisch Amalgamvergifteten. Literatur: BITSCH, R . : Die Bedeutung von Ballaststoffen in der Ernährung des Menschen. Leber, Magen, Darm, 9, 300–306 (1979) BÖRSCH, G. et al.: Med. Prax. 79 (1984) 34
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Drogen
Laxantia
III–3.3
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Drogen
Levopropylhexedrin
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Levopropylhexedrin (—> Amphetamine) Synonyma: Na-Dimethylcyclo-hexanmethanamin; 1 -Cyclohexyl-2-methyl-aminopropan; N,a-Dimethylcyclohexanethylamin, Hexahydrodesoxyephedrin, Benzedrex, Propylhexedrin Chemische Formel: C,„H,,N CH 3 HN.
CH3
Beschaffenheit: Base: klare, farblose Flüssigkeit mit aminartigem Geruch; bei Raumtemperatur flüchtig, absorbiert CO2 aus der Luft; lichtgeschützt aufbewahren! SP = 204-205°C Hydrochlorid: weißes, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack Verwendung: Adipositas, psychophysische Erschöpfungszustände mit depressiver Verstimmung, Missbrauch Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Propylhexedrin wirkt ähnlich wie Amphetamin, zählt aber nicht zu den Weckaminen; durch Hydrierung des Benzolrings tritt die Kreislaufwirkung zugunsten der zentral appetithemmenden Wirkung zurück; es gehört in die Gruppe der Neurosympathomimetika; bei therapeutischen Dosen anorexigene Wirkung, pro Woche durchschnittlich 1 kg Gewichtsverlust; in hohen Dosen zentral erregend, atemanaleptisch, Hebung der Stimmungslage, Steigerung der Arbeitslust, erhöhte motorische Aktivität (erst bei 1/3 der LD50) bei sehr hohen Dosen steigt der Blutdruck, Tachykardie und Arrhythmien sind möglich der Magen-Darm-Tonus sinkt, Spasmen werden verringert Wirkungsverstärkung von Alkohol möglich. Wirkungsabschwächung durch Phenylethylbarbiturat und Urethan, Wirkungsverstärkung durch Guanethidin, Amantadin, MAO-Hemmer Missbrauchspatienten: siehe Amphetamine Metabolismus: entspricht etwa dem Ephedrin, schnelle Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt, nach 3 Std. sind 100% resorbiert; schnelle Ausscheidung, nur 0,2-1,8% werden unverändert ausgeschieden; der Abbau erfolgt durch Ringhydroxylierung; HWZ 13 Min., keine Speicherung; maximale Gewebekonzentration 30-60 Min. nach Einnahme
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Levopropylhexedrin
Drogen
Toxizität: LD 50 Maus
304 mg/kg KG peroral 90 mg/kg KG. s.c. 60–80 mg/kg KG intraperitoneal 19,9 mg/kg KG i.v. LD 50 Ratte 80 mg/kg KG peroral Bei chronisch hohen Dosen wurden keine Veränderungen an inneren Organen beobachtet. Ein 3-jähriger Junge überlebte bei adäquater Therapie die Einnahme von 0,375 g. Symptome und klinische Befunde: Bei niederen Dosen Schlaflosigkeit, zentrale Übererregung, Unruhe, Hitzegefühl, Schweißausbruch, motorische Unruhe. Nach höheren Dosen Wutanfälle, Tremor, Krämpfe, Atemnot, Tachykardie, Arrhythmie, Hypertonie, aber auch Hypotonie, Kollaps, Schock. Nachweis: Dünnschicht-, Papierchromatographie Massenspektrometrie UV-Spektrometrie Therapie: Primäre Giftentfernung mit Kohle-Pulvis, evtl. Magenspülung bei zentraler Erregung bzw. bei Krämpfen Diazepam oder Thiopental oder besser Physostigmin bei Schock Plasmaexpander, Azidosetherapie mit Natriumbikarbonat bei tachykarden Arrhythmien Lidocain oder Physostigmin (1 Amp Anticholikum a` 2 mg i.m. oder i.v.) bei chronischer Abhängigkeit Entwöhnung wie bei den Amphetaminen. Bei Amphetaminentzug steht ein Dauerschlaf abgelöst von Heißhunger im Vordergrund. Schutz vor Selbstmordgefahr (Bezugsperson). Literatur: H A M I L T O N , L . H . : Nasal decongestant effect of propylhexedrine. Ann Otol Rhin Laryngol 91 (1Pt); 106–11 (1982) LIGGETT, B . : Propylhexedrine intoxication: Clinical presentation and pharmacology. South Med J 75 (2); 250–1 (1982) RIDDICK, L . : Oral overdose of propylhexedrine. J Forensic Sci 26(4); 834–9 (1981)
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Liquid Ecstasy
Synonym: Gamma-Hydroxy-Buttersaure,
GHB
Beschaffenheit: Farblose, leicht salzig schmeckende Fliissigkeit Verwendung: Narkosemittel, als Rauschdroge in der Partyszene
Wirkungscharakter: Urspriinglich handelt es sich bei GHB urn ein Narkosemittel, das bei chirurgischen Eingriffen mit hohem Anasthesierisiko eingesetzt wird. In der Kombination mit anderen zentralnerviis wirkenden Substanzen kann deren Wirkstoff erheblich gesteigert werden. Von besonderer Bedeutung fur die Drogenszene ist die Wechselwirkung mit Alkohol. Pharmakologische Effekte der GHB sind stark dosisabhangig und reichen bei In-vitro-Applikation von Schlaf iiber Sedierung bis zur Narkose; als Monotherapeutikum wirkt es nicht atemdepressiv. In geringen Dosen wird eine euphorisierende Wirkung beschrieben, in Bodybuilderkreisen wird anekdotenhaft ein anaboler Effekt benannt.
Die Nebenwirkungen bei GHB-Missbrauch im Rahmen der Diskoszene sind sehr stark van der Dosierung, der Konzentration der inkorporierten GHB-Fliissigkeit abhangig und kiinnen zwischen Gliicksgefiihlen und zum Teil bedrohlichen Nebenwirkungen changieren. Geringe bis mittlere Dosierungen verursachen Euphorisierung und Anrriebssteigerung, die die Ahnlichkeit zur MDMA-Wirkung abbildet. Diese Ahnlichkeit findet sich in der Begrifflichkeir ("Liquid Ecstasy"I"Ecstasy") wieder und kann bei den unzureichend informierten Konsumenren zu fataler Verwechslung und Verharmlosung fiihren. Beigrii/SerenDosierungen kiinnen relativ unvermittelt Myalgien und Myokloni auftreten, es kann zu Dbelkeit und Erbrechen kommen. Neben Atemnot ist vor allem das pliitzliche Auftreten van tiefer Bewusstlosigkeit fiir die Berauschten eine Gefahr. 1m Einzelfall kann bereits ein Viertel Gramm GHB zu viel zu solchen Intoxikationen fiihren - wie schon in Zusammenhang mit anderen illegalen Drogen immer wieder betont, wei/Sauch van den GHB-Konsumenten niemand, wie konzenrriert die illegale Droge ist und wie der Einzelne auf diese Substanz reagiert. Die Gefahren der Polypragmasie (Alkohol, andere Drogen, Medikamente) wurden bereits erwahnt. Abschlie/Send muss auch auf das relative Unwissen der arztlichen Kollegen hingewiesen werden, die im Notfall noch nicht ausreichend iiber die Wirkungen und Nebenwirkungen van GHB informiert sind. Auch hier kann es zu der Verwechslung mit "Ecstasy" kommen. Therapie: Irn Bedarfsfall kann versucht werden, die GHB-Wirkung durch die Gabe von Physiostigmin zu antagoniSleren. QueUe, Deutsches
Arzreblatt,
Heft 49, B-2417 (1998)
Drogen
Lofepramin
III–3.3
Lofepramin Synonyma: 4-Chlor-2-’[3-(10,11-dihydro-5H-dibenz[b,f]azepin-5-yl)-propyl]acetophenon Chemische Formel:
CH2 — CH2 — CH 2 —N;f ^CH2 — C
ra
Beschaffenheit: Trizyklisches Grundmolekül, in der Seitenkette ist das Stickstoffatom nur an einem Arm mit einer CHGruppe, am anderen dagegen mit einer längeren Seitenkette substituiert. Dibenzazepinderivat. Verwendung: Indikationen: Alle Formen der Depressionen, Zwangsneurosen, akute Angst- und Erregungszustände, Schlaflosigkeit, Enuresis nocturna. Vorkommen: Seit 1977 im Handel. Dosierung: 70-280 mg/die. Gamonil Lackierte Tabletten 70 mg/35 mg (Merck) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Starke Lipophilie, hohe Eiweißbindung. Metabolismus: Schnelle und vollständige Resorption aus Magen- und Darmtrakt. Hohe Plasmaproteinbindung (3296 %), rascher Abstrom jedoch in die Gewebe. Niedrige Plasmakonzentration auch durch starke Lipophilie bedingt. Schnelle Passage der Zellmembran und intrazelluläre Anreicherung. Bei Intoxikationen Plasma-Gewebekonzntration von 1:100. Elimination erfolgt mit Plasma-HWZ von 44-76 Std. Anreicherung der Substanzen in Lunge, Leber, Milz größer als in Niere und Gehirn, niedrigste Konzentration in Herz und Skelettmuskel. Die lipophilen Ausgangssubstanzen werden in hydrophile Metaboliten überführt. Schritte ihrer metabolischen Umwandlung sind: Demethylierung, Oxydation am Stickstoff, am Ring und an der Seitenkette, Hydroxylierung sowie anschließende Konjugation mit Glucuronsäure. Wird in erheblichem Umfang zu Desipramin umgewandelt. Langsame Ausscheidung in metabolisierter Form über die Niere. Die Wirkung wird mit einer Beeinflussung der biogenen Amine im ZNS in Zusammenhang gebracht. Es hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin in die adrenergen Nervenendigungen, wodurch die Konzentration dieser Substanzen im synaptischen Spalt und somit am Rezeptor erhöht wird. Dadurch Wirkungsverstärkung der biogenen Amine. Beeinflusst sowohl die Psyche als auch das Vegetativum. Außerdem wirkt es stark anticholinerg und membranstabilisierend. An weiteren pharmakologischen Eigenschaften haben die Thymoleptika einen mehr oder weniger ausgeprägten Antihistamin- und Antiapomorphineffekt sowie eine lokalanästhetische und schwache anticholinerge Wirkung.
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III–3.3
Lofepramin
Drogen
Nebenwirkungen: Herz-Kreislauf: Rhythmusstörungen, koronare Komplikationen, Herzinsuffizienz (bei vorgeschädigtem Myokard), Sinustachykardie, Hypotonie. ZNS: Halluzinationen, Erregungszustände, Müdigkeit, Verminderung des REM-Schlafes, Tremor, Rigor, Hypokinesie, Parästhesie, Schwindel, Dysartrie. Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen, epigastrische Schmerzen, Obstipation und Diarrhoe, paralytischer lleus. Leber: Ikterus, SGPT- und AP-Erhöhung. Niere: Harnverhaltung, Polyurie, Ödeme. Blut: Leukopenie, Agranulozytose, Eosinophilie. Endokrinum: Erniedrigung des Blutzuckerspiegels, außerdem bei Frauen Galaktorrhoe, Dysmenorrhoe und bei Männern Gynäkomastie, Potenzstörungen. Haut: Allergische Reaktionen. Wechselwirkungen: Wechselwirkungen durch: Schilddrüsen-Hormone, Cortison, Testosteron, Methylphenidat, Phenothiazine, andere Anticholinergika. Wirkungsminderung durch: Barbiturate in therapeutischen Dosen, dagegen in toxischen Dosen Potenzierung der Nebenwirkungen. Wirkungsverstärkung folgender Pharmaka durch trizyklische Antidepressiva: Sympathikomimetika, Vasodilatoren, Narkotika, Benzodiazepine. Wirkungsminderung folgender Pharmaka durch trizyklische Antidepressiva: Guanethidin, a-Methyldopa, Reserpin. Letaldosis: Bei Erw. ab 600 mg (10 mg/kg); bei Kindern muss ab 7 mg/kg mit lebensbedrohlichen Verläufen und ab 10 mg/kg mit Todesfällen gerechnet werden. Symptome: Zentrale anticholinerge Symptome: Koma, Krämpfe, Myoklonien, Opisthotonus, Choreoathetose, Ataxie, Hyperreflexie, Atemdepression bis Atemstillstand; peripher anticholinerge Erscheinungen: 6, Harnretention, Obstipation, Hyperthermie. Kardiovaskuläre Störungen: EKG-Veränderungen (AV-Block I.–III. Grades, Rechts- oder Linksschenkelblock, intraventrikulärerer Block, Flimmern), Blutdruckabfall, Tachykardie. Nachweis: Qual.: Quant.:
Dünnschichtchromatographie Gaschromatographie
Therapie: Primäre Giftelimination: Kohle-Pulvis-Gabe, dann Magenspülung (auch noch nach Stunden, da atropinartiger Effekt Verlangsamung der Magen-Darm-Peristaltik bewirkt); Gabe von Kohle und Glaubersalz (6-stdl. wegen enterohepatischem Kreislauf), Sekundäre Giftelimination: Ineffektiv: großer Verteilungsraum, relativ geringe Plasmakonzentration), Antidotbehandlung mit Physostigminsalizylat (bei anticholinerger Wirkung): bei Erw. 2 mg i.m. oder langsam i.v.; bei Kdr. 0,5-1 mg i.m. oder langsam i.v., Wiederholung bei Bedarf. Bei Psychopharmakaentzug Gegengift Physostigmin (1/2 Amp. i.m.), bei bedrohlichen tachykarden Herzrhythmusstörungen, Erregungszuständen, Angst bzw. Schlafstörungen, Depressionen und Selbstmordphantasien. Viel körperliche Bewegung und täglich 2 Liter Flüssigkeit zur Entgiftung. Kohlehydratreiche Ernährung.
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Daunderer – Klinische Toxikologie – 168. Erg.-Lfg. 5/04
Lorazepam
Medikamente
III—8.3
Lorazepam
Synonym: 7-Chlor-5-chlorphenyl)-3-hydroxy-lH-l,4-benzodiazepin-2(3H)-on Chemische Formel:
Vorkommen: Seit 1972 im Handel. Dosierung: 1-10 mg. Tavor 10/Tavor 2,5 Tabletten (Wyeth) Wirkungscharakter: Benzodiazepinderivat. Halbwertzeit 9-16 Std., Plasma-Proteinbindung 80 %; starkes Anxiolytikum. Die rasch entstehenden Glukuronide haben eine Halbwertzeit von 16 Stunden und kumulieren im Plasma. Wird zu 75 % in den ersten 5 Tagen über den Urin ausgeschieden. Nur Spuren werden unverändert über den Urin ausgeschieden. Hohes Abhängigkeitspotential (euphorisierend). Totale Clearance 40-80 ml/min. Fiktives Verteilungsvolumen 1,0 1/kg. Toxizität: Therapeut. Dosis: 0,018 mg/1 im Blut (Greenblatt) Therapeut. Dosis (chron.): 0,181 mg/1 im Blut (Kyriakopoulos) Tox. Dosis: 0,3-0,6 mg/1 im Blut (Allen) Symptome: - Bewußtseinsstörungen (Benommenheit, Somnolenz, Schlaf, Bewußtlosigkeit, Koma) - psychische Störungen (Erregung, Euphorie, Verwirrung, Amnesie, Schlaflosigkeit, Dysphorie, Halluzinationen) - neuromuskuläre Störungen (Muskelhypotonie, Ataxie, Hyporeflexie, Sprachstörungen: Dysarthrie, verwaschene Sprache, Dysphasie) - kardiovaskuläre Störungen (Hypotonie, Tachykardie, Bradykardie bei schweren ZNS-Depressionen) - selten Atemdepressionen - Mydriasis - Nausea, Erbrechen. - 1 0 Tage nach Absetzen bei chronischem Mißbrauch Einsetzen eines Entzugsdelirs mit Agitation, Schweißausbrüchen, optischen und akustischen Halluzinationen. Nachweis: EMIT, GC (Greenblatt)
Daunderer - Klinische Toxikologie - 19. Erg.-Lfg. 6/86
III-8.3
Lorazepam
Medikamente
Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat, Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich. Bei anticholinerger Symptomatik: Physostigminsalizylat als Antidot, gut wirksam beim Entzugsdelir oder Antidot Ro 17-1988 (0,3-1 mg i.V.). Keine forcierte Diurese! Minimale Giftelimination durch eine Hämoperfusion. Beatmen! Literatur: ALLEN, M. D., GREENBLATT, D. J., LACASSE, Y., SHADER, R. I.: Pharmacokinetic study of lorazepam overdosage. Am.
J. Psych. 137: 1414-1415,1980. BLITT, C. D., PETTY, W. C: Reversal of lorazepam delirium by physostigmine. Anesth. Anaig. Curr. Res. 54, 607608 (1975). BRADSHAW, E. G., ALI, A. A., MULLEY, B. A., RYE, R. M.: Plasma concentrations and clinical effects of lorazepam after oral administration. Brit, J. Anaesth. 53: 517-522,1981. DE GROOT, G., MAES, R. A. A., LEMMENS, H. H. J.: Determination of lorazepam in plasma by electron capture GLC. Arch. Tox. 35: 229-234,1976. DESILVA, J. A. F., BEKERSKY, L, PUGLISI, C. V., et al.: Determination of 1,4-benzodiazepines and diazepin-2-ones in
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Medikamente
Psychotrope Mittel
III – 8.3
Lormetazepam Synonyma: 7-Chlor-5-(2-Chlorphenyl)-3-hydroxy-1-methyl-1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on
Handelspräparate: AlindPharma: Lormetazepam AL ICN: Loretam ratiopharm: Lormetazepam-ratiopharm Schering/Asche: Noctamid Teofarma: Ergocalm Teva Generics: Lormetazepam-Teva Vorkommen im Trinkwasser: Über den Urin der Anwender gelangen alljährlich große Mengen der Reinsubstanz über das Abwasser in das Grundwasser und von dort in manches Trinkwasser.
Wirkungscharakter: Benzodiazepinderivat, Hypnotikum; Lormetazepam ist ein N1-Methyl-Analog des Oxazepam oder ein 2Chloro-Analog des Temazepam. Halbwertszeit 10–14 Stunden. Stärker sedierend als Diazepam. Eiweißbindung 8 5 % . Der Metabolismus ähnelt sehr dem des Temazepams, wobei die Substanz glukuroniert wird und danach der glukuronidierte Metabolit im Urin erscheint. Die therapeutischen Dosen an Lormetazepam liegen äußerst niedrig, wodurch die entsprechend niedrigen Plasmakonzentrationen resultieren. Bei 5 Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz war die Halbwertzeit im Vergleich zu gesunden Kontrollgruppen nicht verändert. Die totale metabolische Clearance war bei diesen Patienten jedoch um das 4-fache höher als bei den Kontrollpersonen. Eine mögliche Erklärung könnte in der oralen Applikationsweise begründet liegen. Wenn bei Patienten mit Niereninsuffizienz die biologische Verfügbarkeit im Vergleich zu Normalpersonen vermindert sein sollte, so würde dies gewissermaßen als Artefakt die ClearanceWerte bei den Nierenpatienten erhöhen, da die Fläche unter der Serumspiegelkurve vermindert erscheint. Indikationen: Ein- und Durchschlafstörungen, Prämedikation und postoperativ bei operativen oder diagnostischen Eingriffen.
Kontraindikationen: Bekannte Überempfindlichkeit gegen Benzodiazepine Medikamenten-, Drogen-, Alkoholabhängigkeit Kinder und Jugendliche (Ausnahme: Prämedikation vor chirurgischen Eingriffen, Krampfanfälle, Status epilepticus) Akutes Engwinkelglaukom Toxizität: Überdosierung von Benzodiazepinen äußert sich gewöhnlich durch zentralnervöse Dämpfung unterschiedlicher Schweregrade von Benommenheit bis zu komatösen Zuständen.
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III - 8.3
Psychotrope Mittel
Medikamente
Nebenwirkungen: Häufigste Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit und Benommenheit (Reaktionsvermögen!). Bei älteren Patienten kann die Beeinträchtigung des Muskeltonus bedeutsam sein. Haut: Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Allergien) Muskel u. Skelett: Muskelschwäche Bewegungs- und Gangunsicherheit Nervensystem Müdigkeit, Schläfrigkeit, Mattigkeit, Schwindelgefühl, Benommenheit, Kopfund Psyche: schmerzen Verwirrtheit Artikulationsstörungen, Schwindel Paradoxe Reaktionen (z.B. akute Erregungszustände, Wutanfälle) Unerwünschte anterograde Amnesie Abnahme der Libido Menstruationsstörungen Depressive Verstimmungen Cave Abhängigkeit, Entzugssyndrom (bei abruptem Absetzen nach Langzeitbehandlung) Nach längerer Einnahme und plötzlichem Absetzen Schlafstörungen und vermehrtes Träumen, Angst, Spannungszustände, Erregung, innere Unruhe, Zittern, Schwitzen, Erhöhung der Kampfbereitschaft mit Auslösen von Krampfanfällen bzw. symptomatischen Psychosen (sog. Entzugsdelir) Augen: Sehstörungen, Doppelbilder, Nystagmus Gastrointestinaltrakt: Mundtrockenheit Magen-Darm-Beschwerden Leber, Galle: Passagerer Anstieg der Leberwerte Kreislauf: Blutdruckabfall Atemwege: Atemdepression Symptome bei Überdosierung: - ZNS: Benommenheit, Schwindelgefühl, Koordinationsstörungen; Somnolenz und andere Zeichen zentraler Dämpfung (Atemdepression), Kopfschmerzen, Sehstörungen, Geschmacksalterationen; Amnesie; selten Verhaltensstörungen wie depressive Stimmungslage, plötzlich aggressive Anwandlungen, Verwirrung und suizidale Neigungen - gastrointestinal: Oberbauchbeschwerden, Diarrhö - allergisch: Pruritus, Urtikaria Nachweis: Es scheint zurzeit nur der Radio-Immuno-Assay als Bestimmungsmethode in Frage zu kommen. Die Gaschromatografie kann zwar angewandt werden, die Sensitivitätsgrenzen liegen jedoch so niedrig, dass die Methode nur nach hohen Dosen oder nach Erreichen von steady-state-Spiegeln unter Dauertherapie in Frage kommt. Therapie: Meist geringere akute Toxizität. Hypotension kann mit Plasmaersatzflüssigkeit und ggf. mit Sympathomimetika behandelt werden. Hämodialyse/Hämoperfusion unwirksam. Möglichkeit der Antidotbehandlung mit Flumazenil. Primäre Giftentfernung durch Kohle-Pulvis-Gabe oder Magenspülung. Gabe von Medizinalkohle und Glaubersalz; Freihalten der Atemwege und ggf. künstliche Beatmung; intravenöse Flüssigkeitszufuhr. Antidot Ro 17-1988 (Anexat® 0,3-1 mgi.v.) oder Physostigminsalicylat (Anticholium®, 2 mgi.m./i.v.). In weniger schweren Fällen unter engmaschiger Kontrolle der Vitalfunktionen ausschlafen lassen.
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Drogen
Lysergsäurediethylamid
III—3-3
Lysergsäurediethylamid (LSD) Synonyma: LSD, Lysergamid, Acid, Cubes, Delysid, Lysergsäurediethylamid Im Szenenjargon benützte Ausdrücke: Acid, big D, blue acid, blue cheer, Cube, deep purple, Fahrkarte, hawk, Mike, Mikros, paper, Säure, yellow sunshine, white lightening, blue caps, pink wedge. 9,10-Didehydro-N,N-diethyl-6-methyl-ergolin-8ß-carboxamid Chemische Formel: C20H25N3O
Beschaffenheit: MG: 323,48 4-substituiertes Indolderivat; in Wasser schwer löslich (daher oft als leicht wasserlösliches Tartrat verwendet). Verwendung: LSD findet heute wegen der Gefährlichkeit seiner Wirkung keine medizinische Verwendung mehr (früher in der Psychotherapie und zur Behandlung des Alkoholismus angewendet). Mißbrauch: LSD wird fast ausschließlich oral aufgenommen, kann aber auch injiziert werden. Es wird meist in Form sogenannter »Trips« gehandelt, als oft winzige, stecknadelkopfgroße Tabletten oder kleine, gleichmäßig mit LSD präparierte Löschpapier- oder Filzstückchen, als präparierte Blätter aus dünnem, bedrucktem Karton, der durch Perforation in einzelne kleine Quadrate aufgeteilt ist, oder auf Zuckerstückchen aufgeträufelt. Ein »Trip« enthält ca. 20-100 ug LSD. Oft Polytoxikomanie. Vorkommen: Die fast ausschließlich illegale Synthese erfolgt halbsynthetisch aus d-Lysergsäure (aus auf Getreideähren schmarotzendem Pilz Claviceps purpurea). Erstsynthese durch Hofmann, Schweiz. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: LSD gilt heute als das wirksamste aller Halluzinogene; die übliche Einzeldosis von 0,05-0,6 mg liegt ca. um den Faktor 100-1000 unter den wirksamen Dosen anderer Rauschgifte mit vergleichbaren Wirkungen wie z. B. Mescalin. Nach oraler Aufnahme setzt die Wirkung von LSD nach 20-60 Min. ein und hält 1-8 h an. Der Metabolismus beim Menschen ist noch nicht untersucht; bei Tieren findet eine weitgehende Metaboli-
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III—33
Lysergsäurediethylamid
Drogen
sierung statt, LSD wird in geringer Menge unverändert im Urin ausgeschieden; Hauptausscheidungsprodukt ist das Hydroxy-LSD. Im Plasma beträgt die Eiweißbindung 40-70%. Die HWZ beträgt beim Mensch ca. 2 h. Der Wirkungsmechanismus des psychischen Effektes von LSD ist nicht bekannt. Befunde am Tier machen deutlich, daß die Wirkung am Gehirn sehr komplex ist. LSD wirkt offenbar im ZNS auf verschiedenen Ebenen vom Rückenmark bis zum Kortex über verschiedene Mechanismen; es interferiert wahrscheinlich nicht nur mit dem serotonergen, sondern auch mit dem noradrenergen, dem dopaminergen und dem hypothetischen tryptaminergen System, also mit den entsprechenden Reizüberträgerstoffen, und zwar teils als Agonist, teils als Antagonist. Der Wirkort von LSD wird im Bereich der Reizübertragung lokalisiert, an den Synapsen, wo es an Rezeptoren direkt oder indirekt wirken dürfte. Außerdem ist auch ein Einfluß auf die enzymatischen Vorgänge bei der Entstehung und dem Abbau der Neurotransmittersubstanzen nachgewiesen. In weiteren Tierversuchen wurden Verhaltensänderungen nach LSD-Gabe festgestellt, vegetative Effekte, Motorik und periphere Effekte untersucht; infolge der raschen Metabolisierung beim Tier (z. B. HWZ, Maus: 7 Min.) sind aber z. T. sehr hohe Dosen nötig, um Effekte zu erzielen, die Symptome sind uncharakteristisch und nicht mit der halluzinogenen Wirkung beim Menschen zu vergleichen. Beim Mensch treten 15 bis 30 Min. nach der peroralen Aufnahme von Dosen im mittleren Wirkungsbereich zunächst motorische Störungen auf, wie z. B. ataktische Symptome, Gangstörungen, auch undeutliche Sensationen in Körperteilen und ein fremdartiges Leib-Erleben. Der Patellarsehnenreflex ist verstärkt. Dazu gesellen sich bald vegetative Symptome, wie z. B. leichter Brechreiz, Schwindel, Hitze- oder Kältegefühl und Schweißausbruch; außerdem werden objektiv Mydriasis, Temperatursteigerung, Tachykardie, Atemfrequenzzunahme und Blutdrucksteigerung beobachtet. Die »psychotischen Symptome« setzen innerhalb der 1. Std. nach der Einnahme ein und sind von der psychischen Ausgangslage und den Umweltbedingungen abhängig. Optische Sinnestäuschungen stehen im Vordergrund. Synästhesien können auftreten. Die Halluzinationen und Illusionen sind meist Pseudohalluzinationen und Pseudoillusionen, weil die Unwirklichkeit und artifizielle Auslösung bewußt bleiben. Das Zeitgefühl ist verlangsamt oder beschleunigt. Das Persönlichkeitsgefühl wird im Sinne einer Entfremdung, einer Depersonalisation verändert. Die Stimmung ist vorwiegend euphorisch, kann aber auch labil sein und ins Dysphorische umschlagen (bis hin zu suizidalen Wünschen und Fakten). Der Gedankengang ist gestört; Ideenflucht, Konzentrationsschwäche, Perseveration werden auffällig. Die sexuelle Sphäre wird meistens kaum angesprochen. Bei leistungspsychologischen Untersuchungen wird eine Verschlechterung bemerkt. Letztlich tritt Versunkenheit in sich oder in die Ferne ein, so daß Grenzen der Person und der Situation verschwimmen. Das Nachlassen der Wirkung erfolgt häufig wellenförmig, gelegentlich schlagartig. 4 bis 5 Stunden nach der Einnahme (bei sehr hoher Dosierung etwas später) ist die Wirkung in der Regel abgeklungen. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, eventuell Störungen der mnestischen Funktionen können in den folgenden 24 bis 48 Stunden noch bemerkt werden. Die Psychotoxizität von LSD ist beträchtlich. Schon nach einmaliger Einnahme können chronische psychopathologische Zustände auftreten. Manchmal kommt es erst nach Wochen, Monaten oder sogar Jahren zu »flash backs«, zu abnormen Geisteszuständen, als wäre wieder LSD eingenommen worden. Bei wiederholtem Gebrauch stellt sich Toleranz ein, die aber nach einigen halluzinogenfreien Tagen wieder verschwindet. Psychische Abhängigkeit kann entstehen, physische Abhängigkeit fehlt, es treten keine Abstinenzsymptome auf. Daß die psychische Verfassung und der Intelligenzgrad für die Expressivität des Erlebnisgrades nach Einnahme von Halluzinogenen von großer Bedeutung sind, haben die zahlreichen Selbstversuche ergeben. In Tierversuchen konnte festgestellt werden, daß Halluzinogene das Erlernen von bedingten Reflexen negativ beeinflussen (Beeinträchtigung des Lernvermögens, Veränderung der Reaktionszeit etc.). Die Ursache ist aller Wahrscheinlichkeit nach darin zu suchen, daß Störungen der integrativen Funktion in bestimmten Hirnabschnitten eintritt, wobei es zum Verlust des Unterscheidungsvermögens zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen kommt. Die größte Gefahr beim LSD-Gebrauch liegt darin, daß die Konsumenten sich hin und wieder in einem Zustand krankhafter Selbstüberschätzung befinden, in dem sie z. B. aus dem Fenster springen, weil sie glauben, fliegen zu können.
Z.
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Drogen
Lysergsäurediethylamid
III—3.3
Toxizität: TDL 0 intramuskulär Mensch: 750 ng/kg TDL 0 oral Mensch: 0,7 |wg/kg TDL 0 oral Ratte: 90 ug/kg LD 50 intravenös Ratte: 16 mg/kg ED: 0,05-0,6 mg, toxische Wirkung ab 3 mg zu erwarten, 20 mg wurden ohne Therapie überstanden; LD: 0,2 mg/kg Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Mydriasis, Tachykardie, Hypertonie, Hyperthermie, Kältegefühl, Zittern, Erbrechen, Schwindelanfälle, Gefäßkrämpfe (Verschluß der A. carotis!), Hyperglykämie, Hypotonie, Atemlähmung. Nach 40 Minuten: Verzerrung der Sinneswahrnehmung mit verlängerten Nachbildern, Geist und Körper fühlen sich getrennt, Halluzinationen, Synästhesien, Verlust des Zeit- und Raumgefühls, Affektaktivierung, Stimmungsschwankung, Suizidalität, Auslösung einer latenten Schizophrenie. Horror-Trip: Exazerbation einer latenten Angstreaktion. Bei chronischem Mißbrauch: Charakter- und Persönlichkeitsstörungen, Apathie, Psychose. Nachweis: HPLC, RIA, Spektralfluorimetrie LSD-RIA Normalwerte: Der Normalbereich liegt unter 0,2 ng/ml. Allgemeine Information: Der LSD-RIA (J-125) kann sowohl für quantitative Bestimmungen von LSD als auch für schnelle Notfalluntersuchungen eingesetzt werden. Es kann im Serum, Plasma und Urin gemessen werden. Das Antiserum ist hochspezifisch für LSD und zeigt keine Kreuzreaktion mit anderen Medikamenten und Drogen. Die Nachweisgrenze beträgt 0,2 ng/ml. Testprinzip: Der LSD Radioimmunoassay ist ein immunologisches Bestimmungsverfahren, das sich durch hohe Empfindlichkeit auszeichnet. Es reagieren miteinander definierte Mengen LSD-J-125-Tracer, LSD-Antikörper und bestimmte Volumina Untersuchungsmaterial. Die konkurrierenden Antigene besetzen die Antikörper-Bindungsstellen im Verhältnis ihrer relativen Konzentration. Im zweiten Reaktionsschritt wird Antikörpergebundenes-LSD mittels einem 2. Antikörper ausgefällt. Nach einer Zentrifugation wird abgesaugt und das Sediment in einem Gamma-Zähler gemessen. Die Zählrate ist der LSD-Konzentration in der Probe umgekehrt proportional. Therapie: Verhaltenstherapie mit Ablenkung und Belastung. Entspannungstraining (Autogenes Training), bei Psychose wegen Suizidgefahr Überwachung auf geschlossener Station. Besonderheiten: Kreuztoleranz zwischen LSD, Psilocybin, Mescalin und anderen Halluzinogenen mit Ausnahme von Haschisch.
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J
III—3.3
Lysergsäurediethylamid
Drogen
Literatur: BRATZKE, H., KLUG, E.: Gewaltdelikte und LSD-Rausch. Beitr. gerichtl. Med., 43,179-186 (1985) COHEN, S.: Psychotomimetic agents. Ann. Rev. Pharm., 7,301-318 (1967) FYSH, R.R., CON, M.C.H., ROBINSON, R.N., SMITH, R.N., WHITE, P.C., WHITEHOUSE, M.J.: A fatal poisoning with
LSD. Forensic Sei. int., 28,109-113 (1985) HOROWITZ, M.J.: Flashbacks: recurrent intrusive images after the use of LSD. Am. J. Psych., 126,147-151 (1969) KEMALI, M., KEMALI, D.: Lysergic aeid diethylamide: Morphological study of its effects on synapsis. Psychopharmacology, 69, 315-317 (1980) MCDONALD, P.A., MARTIN, C.F., WOODS, DJ., BAKER, P.B., GOUGH, T.A.: An analytical study of illicit lysergide. J. forens. Sei., 29,120-130 (1984) MEGGES, G.: Quantitative Hochdruckflüssigkeitschromatographie von Rauschgiften. Arch. Krim., 164, 25-30 (1979) PEEL, H.W., BOYNTON, A.L.: Analysis of LSD in urine using radioimmunoassay-exeretion and storage effects. Can. Soc. For. Sei. J., 13,23-28 (1980) ROTHLIN, E., CERLETTI, A., KONZETT, H., ScHALCH, W.R., TAESCHLER, W.M.: Zentrale vegetative LSD-Effekte. Experimentia, 12,154-155 (1959) SIEGEL, R.K., BREWSTER, I.M., JAROSK, M.E.: An observational study of halluzinogen-induced behavior in unrestained Mecaca mulatta. Psychopharmacology, 40,211-223 (1974) SMITH, R.N., ROBINSON, K.: Body fluid levels of lysergide (LSD). Forensic Sei. int., 28, 229-237 (1985) STOLL, W.A.: Lysergsäure-diäthylamid, ein Phantastikum aus der Mutterkorngruppe. Schweizer Arch. f. Neurol. und Psychiatrie, 60,1^*5 (1947) SULLIVAN, A.T., TwiTCHETT, P.J., FLETCHER, S.M., MOFFAT, A.C.: The fate of LSD in the body: forensic considerations. J. For. Sei, 18, 89-98 (1978) WASER, P.G., MARTIN, A., HEER-CARCANO, L.: The effect of '-Tetrahydrocannabiol and LSD on the acquisition of an active avoidance response in the rat. Psychopharmacology, 46, 249-254 (1976)
4
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Pestizide
Mais
III-3.3
Mais Synonyma: Zea mays, Welschkorn, Türkischer Weizen Vorkommen: In den Maishaaren, Maisnarben und vor allem im Maisgriffel finden sich bis zu 0,85% Alkaloide unbekannter Zusammensetzung. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Die Alkaloide bewirken nach dem Einatmen Erregungszustände, Delirien und bei längerer Einwirkung Erbrechen, Koliken und Diarrhöe. Therapie: Bei Drogen evtl. Atmungskontrolle, Schockprophylaxe
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Medazepam
Drogen
III—3.3
Medazepam Synonyma: 7- Chlor-2,3 -dihydro-1 -methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin Chemische Formel:
Vorkommen: Seit 1968 im Handel. Dosierung: 10—50 mg Medazepam AWD Tabletten, Arzneimittelwerk Dresden Rudotel Tabletten, OPW Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat Halbwertzeit 1-2 Std., Oxidation zu Diazepam, Nordiazepam und Oxazepam. 55 % einer Einzeldosis werden innerhalb von 8 Tagen über den Urin ausgeschieden - meist als Oxazepam. Eiweißbindung 99 %. Diazepam und Desmethyldiazepam sind aktive Metaboliten, die zur klinischen Wirksamkeit beitragen. Toxizität: Therapeut. Dosis: 0,98 mg/1 im Blut (DESILVA, 1970). Symptome: - Bewußtseinsstörungen (Benommenheit, Somnolenz, Schlaf, Bewußtlosigkeit, Koma) - psychische Störungen (Erregung, Verwirrung, Amnesie, Schlaflosigkeit, Dysphorie und Euphorie, Halluzinationen) - neuromuskuläre Störungen (Muskelhypotonie, Ataxie, Hyporeflexie, Sprachstörungen: Dysarthrie, verwaschene Sprache, Dysphasie) - kardiovaskuläre Störungen (Hypotonie, Tachykardie, Bradykardie bei schweren ZNS-Depressionen) - selten Atemdepressionen - Mydriasis - Nausea, Erbrechen - 1 0 Tage nach Absetzen bei chronischem Mißbrauch Einsetzen eines Entzugsdelirs mit Agitation, Schweißausbrüchen, optischen und akustischen Halluzinationen. Nachweis: EMIT, GC (DESILVA, 1970)
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III-8.3
Medazepam
Drogen
Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat, Plasmaexpander i m ' Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich; bei anticholinerger Symptomatik: Physostigminsalizylat als Antidot, gut w i r k s a m beim Entzugsdelir, oder Imidazodiazepin (Anexat®), Ro 171988 ( 0 , 3 - 1 mg i.v.). Keine forcierte Diurese! Minimale Giftelimination durch eine H ä m o p e r f u s i o n . Literatur: BAIRD, E.S., HAILEY, D.M., MALCOLM, S.: A gas Chromatographie assay for medazepam and its major metabolites in plasma. Clin. Chim. Acta 48: 105-108,1973. BOND, A.J., HAILEY, D.M., LADER, M.H.: Plasma concentrations of Benzodiazepines. Brit. J. Clin. Pharm. 4: 51-56, 1977. DESILVA, J.A.F., PUGLISI, C.V.: Determination of medazepam (Nobrium), diazepam (Valium) and their major biotransformation produets in blood and urine by electron capture gas-liquid chromatography. Anal. Chem. 42: 1 7 2 5 1736,1970). GREAVES, M.S.: Quantitative determination of medazepam, diazepam and nitrazepam in whole blood by flameionization gas-liquid chromatography, Clin. Chem. 20: 141-147, 1974. MALLACH, H J . , MOOSMAYER, A., RUPP, J.M.: Z u r gaschromatographischen Analytik der Benzodiazepine. Arz. Forsch.
23:614-616,1973. SCHWARTZ, M. A., CARBONE, J.J.: Metabolism of 14 C-medazepam hydrochloride in dog, rat and man. Biochem. Pharm. 19: 343-361,1970.
.Z
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Medikamente
Psychotrope Mittel
III - 8.3
Mefenorex Synonym: (RS)-N-(3-Chlorpropyl)-a-methylphenethylamin Handelspräparat: Asta Medica: Rondimen Vorkommen im Trinkwasser: Über den Urin der Anwender gelangen alljährlich große Mengen der Reinsubstanz über das Abwasser in das Grundwasser und von dort in manches Trinkwasser. Wirkungscharakter: Appetitzügler, Sympathomimetikum Indikationen: Gewichtsreduktion bei Übergewicht im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts, das zu einer Verhaltensänderung des Patienten führen soll. Kontraindikationen: Mittelschwere bis schwere Hypertonie, Hyperthyreose, Engwinkelglaukom, vergrößerte Prostata mit Restharnbildung, Magersucht, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, Tachykardie, Arrhythmien, arterielle Verschlusskrankheit, schwere Angina pectoris, endogene Depression, agitierte Psychosen, Angsterkrankungen, Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises, Zustand nach Schlaganfall, während oder bis zu 14 Tagen nach Einnahme von MAO-Hemmstoffen, Drogen-, Arzneimittel- od. Alkoholabusus, auch in d. Anamnese, Phäochromozytom
Toxizität: Unruhe, Angstgefühl, Harndrang, zentrale Erregung, psychische Alterationen, Tremor der Hände, zentrale und myogene Tachykardie, Blutdruckanstieg, Extrasystolie, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Fieber, illusionäre Verkennungen, optische und akustische Halluzinationen, Krämpfe, Hyperthermie, Herz- und Kreislaufkollaps, Atemlähmung. Nebenwirkungen: Haut:
Muskel u. Skelett: Nervensystem:
Schwitzen Hautausschläge, angioneurotische Ödeme Urtikaria Arthralgien Erhöhung der Krampfbereitschaft Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel Psychomotorische Erregungszustände (Unruhe, Übererregbarkeit, Aggressivität) Müdigkeit, Traurigkeit, Ängstlichkeit, Weinerlichkeit Hypersensitivitätsphänomene (wie Kribbelgefühl), orofaziale Dyskinesien Konzentrationsmangel; Angst, Verfolgungsideen, Geräuschempfindlichkeit, vermehrtes Träumen Psychotische Reaktionen (speziell paranoid halluzinatorischer Art) Schizophrene Psychosen Auslösung von Tics und Verhaltensstereotypien Cave psychische Abhängigkeit, Entzugssyndrom
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III - 8.3
Psychotrope Mittel
Augen: Geschmack: Gastrointestinaltrakt: Herz, Kreislauf:
Blut: Urogenitaltrakt: Sonstiges:
Medikamente
Konjunktivitis Unangenehmer Geschmack Stomatitis Mundtrockenheit, Appetitlosigkeit, Magenschmerzen, Diarrhö und Obstipation Herzklopfen, Herzjagen Ventrikuläre Rhythmusstörungen Pektanginöse Beschwerden Hypertonie Gehirnblutungen mit Dauerfolgeschäden od. tödl. Ausgang Thrombozytopenie Impotenz, Libidostörungen Rebound-Phänomene beim plötzlichen Absetzen: erhöhtes Schlafbedürfnis, Heißhunger, Dysphorie, Depressionen, Kreislaufregulationsstörungen
Therapie: Bei Überdosierung sofort Kohle-Pulvis (10 g) schlucken, beobachten. In Extremfällen, Magenspülung, Kohle, Monitorkontrolle, unter Umständen auch forcierte Diurese. Atem- und Kreislaufhilfe, 10-20 mg Diazepam i.v., eventuell Wiederholung nach 10 Minuten. Gleichzeitig a-Rezeptoren-Blocker wie Tolazolin oder Glyceroltrinitrat. Zur Therapie der Weckamin-Paranoia Neuroleptika wie z.B. Fluspirilen (Imap®) 1 Amp. i.m.
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Mescalin
Drogen
III-3.3
Mescalin Synonyma: TMPEA, 3,4,5-Trimethoxybenzolethanamin, l-Amino-2-(3',4',5'-trimethoxyphenyl)-ethan, Meskalin Peyote, Pellote, Peyotl (Lophophora Williamsii)-Kaktee. 3,4,5 -Trimethoxyphenylethylamin 3,4,5-Trimethoxyphenethylamin in der Drogenszene: big chief pawnel Chemische Formel: C„H 1 7 N0 3 H3CO
Beschaffenheit: MG: 211,29 Derivat des Phenylethylamins Schmelzpunkt: 35 °C bitterer Geschmack Verwendung: Als Rauschmittel: Mescalin wird als weißliches Pulver in Kapseln oder als wäßrige Lösung gehandelt. Die Einnahme erfolgt oral oder i.m. Drogeneinnahme meist in Gemeinschaft, kein Dauerkonsum, aber oft häufige Einnahme. Vorkommen: Mescalin ist ein Alkaloid, gewonnen aus Lophophora williamsii-Anhalonium williamsii, einem stachellosen, graugrünen, kugelförmigen Kaktus, der in Mexiko einheimisch ist. Der Kaktus Peyote oder Peyotl enthält noch weitere Alkaloide wie Anhalin, Anhalonidin, Carnegin, Pellotin, Hordenin, Lophophorin und andere, die keine psychotropen Wirkungen enthalten. Mescalin kann auch synthetisch hergestellt werden. Wirkungscharakter und Stoffwechsel verhalten: Im Durchschnitt erscheinen 87% einer oral aufgenommenen Menge Mescalin im 24-Stunden-Urin. Die Ausscheidungsprodukte im Urin bestehen aus Mescalin (55-60%), 3,4,5-trimethoxyphenylsäure (2730%), 3,4,5,-trimethoxybenzosäure (Anteil nicht bestimmt), N-acetylmescalin (0,1%) und N-acetyl-3,4dimethoxy-4-hydroxy-phenethylamin (5%), die wahrscheinlich alle pharmakologisch inaktiv sind. Die psychotrope Wirksamkeit von Mescalin wird z. Z. dahingehend gedeutet, daß es wegen seiner chemischen und biochemischen Ähnlichkeit mit dem Neurotransmitter Noradrenalin (Norepinephrin) an dessen Angriffspunkten zur Wirkung kommt. Dessen Folge ist, daß die psychischen Funktionen, jeweils an den relevanten Hirnstellen lokalisiert, dadurch verändert, stimuliert, modifiziert, gedämpft etc. werden.
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III—3.3
Mescalin
Drogen
Mescalin ist ein Sympathikomimetikum, es vermindert die Proteinsynthese in den Ribosomen. Es besteht Kreuztoleranz zwischen Mescalin, LSD, Psilocybin und anderen Halluzinogenen mit Ausnahme von Haschisch. Nach Einnahme wirksamer Dosen ergibt sich ein komplexes Wirkungsmuster: Nach 15-30 Minuten treten zunächst motorische Störungen auf (ataktische Symptome, Gangstörungen, undeutliche Sensation in Körperteilen und ein fremdartiges Leib-Erleben). Der Patellarsehnenreflex ist verstärkt. Hinzu kommt die vegetative Symptomatik mit Brechreiz, Schwindel, Hitze- oder Kältegefühl und Schweißausbruch. Objektiv wird Mydriasis, Temperatursteigerung, Tachykardie, Atemfrequenzsteigerung und Blutdrucksteigerung beobachtet. Dazu gesellen sich innerhalb der ersten Stunde die sogenannten »psychotischen« Symptome: Störungen der Wahrnehmung im Sinne von Halluzinationen und Illusionen, Denkstörungen, Stimmungsschwankungen, Veränderungen des Persönlichkeits- und Zeitgefühls sowie Entrücktheit. Sie erreichen nach etwa 1-2 Std. ihren Höhepunkt und klingen dann allmählich ab. 4-5 Std. nach der Einnahme ist meist die Wirkung abgeklungen. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, eventuell Störungen der mnestischen Funktionen können innerhalb der folgenden 4-48 Stunden noch beobachtet werden. Wie bei allen Halluzinogenen wird die Art des Erlebnisses von der Persönlichkeit, ihren Erwartungen, ihrer Drogenerfahrung und der Situation geprägt. Positiv empfundene Sensationen können ebenso wie psychische Leerlaufphänomene mit negativen Aspekten bis hin zu Suizid-Wünschen vorkommen. Nicht nur nach wiederholtem, sondern auch nach einmaligen Einnahmen von Mescalin kann es zu chronischen psychopathologischen Zuständen kommen. So können noch Monate danach schwere Angstzustände oder auch plötzlich auftretende psychotische Zustände (flash-backs, Echos) auftreten. Nach wiederholtem Gebrauch stellt sich schnell Toleranz ein. Wenn auch eine psychische Abhängigkeit vielfach bestehen bleibt, so fehlt die physische Abhängigkeit, d. h., es kommt zu keinen Abstinenzsymptomen bei Nichteinnahme. Durch die Einnahme von Mescalin kann es zu einer »Suchtbahnung« im Sinne einer Polytoxikomanie kommen. Toxizität: TDL 0 oral Mensch: 5 mg/kg; TDL 0 intravenös Mensch: 7 mg/kg; TDL 0 intramuskulär Mensch: 214 mg/kg ED 100-200 mg Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Bei vollem Magen zuerst Erbrechen, Mydriasis, Hyperreflexie, Tremor, Schock, Atemlähmung, Tachykardie, Krampfanfälle. Derealisations- und Depersonalisationsphänomene, Veränderungen des Raum- und Zeiterlebens, halluzinatorische und wahnhafte Erlebnisse, Verlust der Ich-Kontrolle, Körperschemastörungen, Angstattacken und Panikreaktionen, depressive Verstimmungen, Suizidimpulse (Horror- und Flash-back-Phänomen). Bei chronischem Mißbrauch: Interesselosigkeit, Apathie, Realitätsverlust, intellektueller Defekt, Gedächtnisstörungen, Depressionen, Suizidalität, Psychose. Wirkt teratogen. Nachweis: DC, HPLC, GC Therapie: Bei akuter Vergiftung Vitaltherapie (Atmung und Kreislauf), Entgiftung (Magenspülung, Medizinalkohle). Bei chronischer Applikation soziale Reintegration und psychische Entwöhnung wie beim chronischen Alkoholismus.
2.
Daunderer - Klinische Toxikologie - 124. Erg.-Lfg. 1/98
Drogen
Mescalin
III—3.3
Besonderheiten: Kein Alkohol oder Sedativa! Literatur: B R O N , B.: Ambulante Behandlung und Notfalltherapie bei jugendlichen Drogenabhängigen. Med. Welt, 18, 6 7 8 683 (1980) CHARALAMPOUS, K.D., O R E N G O , A., WALKER, K.E., W R I G H T , J.K.: Metabolie fate of ß-(3,4,5-trimethoxypheny!)-
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3
Drogen
Metamfepyramon
III—3.3
Metamfepyramon Synonyma: Metamfepramon, Dimepropion; 2-[Dimethyl-amino] propiophenon Chemische Formel:
Beschaffenheit: Cardanat-Tropfen enthalten neben Metamfepyramon noch Kampfer, Tinkturen von Herb. Convallariae, Fruct. Crataegi, Fol. Menthae pip. und Rad. Valerianae in 50%iger alkoholischer Lösung. Cardanat-Kapseln sind ähnlich zusammengesetzt. Verwendung: Wegen seiner sympathomimetischen Wirkung zur Behandlung des »hypotonen Symptomenkomplexes, insbesondere orthostatischer Beschwerden und zerebraler Minderdurchblutung, Kreislaufschwäche nach Infektionskrankheiten und Operationen, Kreislaufstörungen im höheren Alter. Vorkommen: Tempil® N Kapseln, Temmler Pharma Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Seit 1952 bekannt. Nach Struktur und Wirkung Abhängigkeit vom Amphetamin-Typ. Chemisch und in seinem Wirkungsspektrum steht Metamfepyramon dem Amphetamin nahe, näher jedoch dem Appetitzügler Diethylpropion (Regenon®, Tenuate®). Nach Stoffwechsel Untersuchungen von TESTA U. BEKKETT wird Diethylpropion zu einem noch nicht gesicherten Teil zu Cathinon dealkyliert. Dies trifft bedingt auch für Metamfepyramon zu, jedoch offenbar in geringerem Umfang. Cathinon ist der Hauptwirkstoff der Khat-Droge arabischer Länder. Es besitzt in chemisch reiner Form offenbar ein ganz erhebliches, dem Amphetamin vergleichbares Suchtpotential. Cathinon wird im Stoffwechsel zu D-Norpseudoephedrin, das ein deutliches eigenes Suchtpotential besitzt, und zu Norephedrin reduziert. Metamfepyramon wird auch unverändert ausgeschieden und wie andere Amphetamin-Derivate in Parastellung hydroxyliert. Offenbar besitzt Metamfepyramon selbst stimulierende Eigenschaften, der Beitrag des Cathinons zu dieser Wirkung (KEUP, 1986) ist bisher quantitativ nicht gesichert. Aus den Erfahrungen an Drogenabhängigen und anderen Abhängigen in Verbindung mit stoffwechselchemischen Daten scheint hervorzugehen, daß Metamfepyramon, insbesondere in der Form der Tropflösung, ein deutliches Suchtpotential vom Amphetamin-Typ besitzt und daß der Mißbrauch dieser Substanz sich derzeit ausbreitet. KEUP et al. beschreiben 28 Fälle einer Abhängigkeit, darunter 4 eigene.
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III—3.3
Metamfepyramon
Drogen
Symptome und klinische Befunde: Hypertonie, Mydriasis, Halluzinationen, bei Absetzen Depression. Nachweis: DC, EMIT-Amphetamine Therapie: Bei Überdosierung sofort Kohle-Pulvis, Klinikeinweisung unter Monitorkontrolle, Magenspülung, Kohle, Monitorkontrolle, Plasmaexpander Bei anticholinerger Wirkung Antidot Physostigmin (Anticholium 2 mg Wiederholung) Literatur: KEUP, W., KELLERMANN, B., WEIDIG, W.: Mißbrauch eines Antihypotonikums. Münchn. Med. Wschr. 128/43, 733-734,1986
2.
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Drogen
Metamphetamin
III—3.3
Metamphetamin (—> Amphetamine) Synonyma: N-Methyl-ß-phenyl-isopropylammoniumchlorid, Methylbenzedrin, Methylamphetamin, Methedrinhydrochlorid, Desoxyephedrin-hydrochlorid N,a-Dimethyl-phenethylamin-hydrochlorid Chemische Formel: C10H16C1N
Cl
phenyl-a-(2-piperidyl)acetat] Chemische Formel:
Beschaffenheit: MG: 233,34 Verwendung: Indikation: Hyperkinesie bei Schulkindern, Narkolepsie. Dosierung: 5-20 mg Tagesdosen 20-60 mg Vorkommen: Ritalin® Tabletten, Geigy Wirkungscharakter und Stoffwechsefverhalten: Phenetylaminderivat. Rasche Biotransfusion durch Hydrolyse des Esters. Dieser Schritt geschieht auch in wäßrigen alkalischen Vorrats-Lösungen oder im Blut. Dies kann durch Ansäuerung oder EDTA verhindert werden. (SCHUBERT, 1970; PEREL, 1970). 80% werden in 24 Std. über den Urin ausgeschieden (BARTLETT, 1972), 1% davon unmetabolisiert (FARAJ, 1974). Therapeutische Blutkonzentration 3,3-64 mg/1 nach 6 Std. und 10 mg täglich. Urinkonzentration 0,107-0,94 mg/1 nach 8 Std. nach 25 mg bei 5 Erwachsenen (DUGAL, 1978). Toxizität: LD 50 intraperitoneal Ratte: 430 mg/kg LD 50 oral Maus: 190 mg/kg LD 50 subcutan Maus: 218 mg/kg Symptome und klinische Befunde: Übelkeit, Erbrechen, Erregung, Zittern, Delir; Suizidalität, Halluzinationen, Schweißausbrüche, heiße und rote Haut, Kopfschmerzen, Tachykardie, Fieber, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Krämpfe, Koma. Nachweis: DC (VAN BOVEN, 1979) GC (SCHUBERT, 1970; WELLS, 1974; DUGAL, 1978; HUNGUND, 1979; RAY, 1972)
EMIT-Amphetamine
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1
Methylphenidat
III—3.3
Drogen
Therapie: Bei Überdosierung sofort Kohle-Pulvis, Klinikeinweisung unter M o n i t o r k o n t r o l l e , M a g e n s p ü l u n g , Kohle, M o n i t o r k o n t r o l l e , Plasmaexpander. Bei anticholinerger W i r k u n g Antidot Physostigmin (Anticholium 2 mg, Wiederholung), ü b e r w a c h e n (Suizidalität). E n t w ö h n u n g siehe A m p h e t a m i n e Besonderheiten: W u r d e früher als Analeptikum nach schweren Krankheiten therapeutisch eingesetzt Literatur: BARTLETT, M.E., EGGER, H.P.: Disposition and metabolism of methylphenidate in dog and man. Fed. Proc. 3 1 : 537, 1972. BECKETT, A.H., ROWLAND, M., TURNER, P.: Influence of urinary pH on excretion of amphetamine. Lancet 1965; i: 303. VAN BOVEN, JVL, DAENENS, P.: Determination at the nanogram ränge of ritalinic acid in urine after ion-pair extraction. J. For. Sei. 24: 5 5 - 6 0 , 1 9 7 9 . CRADDOCK, D.: Anorectic drugs. Drugs 1976; 11: 3 7 8 - 9 3 . DALY, D.D., YOSS, R.E.: The treatment of narcolepsy with methyl phenylpiperidylacetate; a preliminary report. Proceedings of the Staff Meeting of the Mayo Clinic 1956; 3 1 : 6 2 0 - 5 . DAYTON, P.E., READ, J.M., ONG, V.: Physiological disposition of methylphenidate C-14 in man. Fed. Proc. 29: 345, 1970. DUGAL, R., ROULEAU, M.A., BERTRAND, M.J.: The nitrogen-phosphorus detector in the gas Chromatographie assay of unmetabolized methylphenidate. J. Anal. Tox. 2: 101-106,1978. EDITORIAL: Freedom from Amphetamines. Brit. med. J. 1971/11,133,176. EISENBERG, L.: Hyperkinesis revisited. (1978) Pediat. 61, 319 FARAJ, B.A., ISRAILI, Z.H., PEREL, J.M.: Metabolism and disposition of methylphenidate- 14 C: studies in man and ammals. J. Pharm. Exp. Ther. 191: 535-547,1974. HUFFMAN, R., BLAKE, J.W., RAY, R.: Methylphenidate blood plasma levels in the horse determined by derivative gasliquid chromatography-electron capture. J. Chrom. Sei. 12: 383-384,1974. HUNGUND, B.L., HANNA, M., WINSBERG, B.G.: A sensitive gas Chromatographie method for the determination of methylphenidate (Ritalin) and its major metabolite a-phenyl-2-piperidine acetic acid (ritalinic acid) in human plasma using nitrogen-phosphorus detector. Comm. Psychopharm. 2: 203—208, 1978. HUNGUND, B.L., PEREL, J.M., HURW1C, M.J.: Pharmaeokinetics of methylphenidate in hyperkinetic children. Brit. J. Clin. Pharm. 8: 571-576,1979. IDEN, C R . , HUNGUND, B.L.: A chemical ionization selected ion monitoring assay for methylphenidate and ritalinic acid. Biomed. Mass Spec. 6: 422-426,1979. JANOWSKY et al.: Lancet IL 632-635,1972. KOLATA, G.B.: Childhood hyperactivity: A new look at treatment and causes. (1978) Science 199, 515 LEWMAN, L. V.: Fatal pulmonary hypertension from intravenous injeetion of methylphenidate (Ritalin) tablets. Hum. Path. 3: 6 7 - 7 0 , 1 9 7 2 . MILBERG, R., RlNEHART, K.L. Jr., SPRAGUE, R.L., SLEATOR, E.K.: A reproducible gas Chromatographie mass spectrometric assay for low levels of methylphenidate and ritalinic acid in blood and urine. Biomed. Mass Spec. 2: 28,1975. MORUZZI, G.: The sleep-waking cycle. Ergebnisse der Physiologie, biologischen Chemie und experimentellen Pharmakologie 1972; 64: 1-165. PEREL, J.M., BLACK, N.: In vitro metabolism studies with methylphenidate. Fed. Proc. 29: 345,1970. PRINZMETAL, M., BLOOMBERG, W.: The use of Benzedrine for the treatment of narcolepsy. JAMA1935; 105:2051-A. RAY, R.S., N O O N A N , J.S., MURDICK, P.W., THARP, U.L.: Detection of methylphenidate andmethamphetaminein equine body fluids by gas Chromatographie analysis of an electron-capture derivative. Am. J. Vet. Res. 3 3 : 2 7 - 3 1 , 1 9 7 2 . SCHUBERT, B.: Detection and identification of methylphenidate in human urine and blood samples. Acta Chem. Scand. 24: 433-438,1970. SlNGH, V., LING, G.M.: Amphetamines in the management of children's hyperkinesis. (1979) Bull. Narcot. 3 1 , 87 SOLDIN, S.J., CHAN, Y.P.M., HILL, B.M., SwANSON, J.M.: Liquid-chromatographic analysis for methylphenidate (Ritalin) in serum. Clin. Chem. 25: 401^104,1979. STRUNK, P.: Zur Vermeidung von Stimulanzien bei Kindern. Dtsch. Ärztebl. 33, 2243-2244 (1986). SROUFE, L.A., STEWART, M.A.: Treating problem children with stimulant drugs. N Engl J Med 1973; 289: 407-13. WELLS, R., H A M M O N D , K.B., RODGERSON, D.O.: Gas-liquid Chromatographie procedure for measurement of methylphenidate hydrochloride and its metabolite, ritalinic acid, in urine. Clin. Chem. 20: 4 4 0 - 4 4 3 , 1 9 7 4 .
Z
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Methyprylon
Drogen
III—3.3
Methyprylon Synonyma: 3,3-Diethyl-5-methyl-2,4-piperidindion Chemische Formel:
o C2H5 C
k
N
A
C
2H5
I H Beschaffenheit: Gut wasserlöslich Verwendung: Einschlaf- und Durchschlafstörungen Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Piperidinderivat. Nach oraler Einnahme schnelle Resorption aus dem Intestinum. Von den durch Oxidation und Dehydrogenierung entstandenen Metaboliten ist 5-Methylpyrithyldion ein aktives Schlafmittel (PRIBILLA, 1959) und auch 6-Oxymethylprylon entwickelt Aktivitäten. Medikamentenabhängigkeit möglich! Ausscheidung: 60% werden in Form von konjungierten Glucuroniden oder als nicht konjungierte Metabolite und nur 3 % in unveränderter Form im Urin ausgeschieden. Bei Vergiftungen sind die Konzentrationen der Metaboliten im Urin höher als die der Reinsubstanz (BOESCHE, 1969, DICKSON, 1974), etwa 5 % Methyprylon und ebenso viel 5-Methylpyrithyledion werden im 24-Stunden-Urin ausgeschieden (RANDALL). Die Plasmahalbwertzeit bei Vergiftungen beträgt 50 Stunden (BRIDGES, 1979). Elimination pro Tag > 9 0 % . Toxizität: Wirkungsverstärkung durch Alkohol Therapeut. Dosis: 10 mg/1 im Blut (RANDALL, 1956) Toxische Dosis: 17-209 mg/1 im Blut Bei Vergiftungsdosen 3 g: leichte Vergiftungen Bei Vergiftungsdosen 4 g: schwere Vergiftungen Bei Reinsubstanzen 0,8-27 g (PELLEGRINO, 1957; XANTHAKY, 1966; YUDIS, 1968; DE SILVA, 1969; MANDELBAUM, 1971)
Letale Dosis:
50-1140 mg/1 im Blut (REIDT, 1956; CLARKE, 1969) 17-166 mg/1 im Urin
Symptome: Ataxie, Müdigkeit, Somnolenz, Schwindel, Kopfschmerzen, paradoxe Exzitation, Koma, häufig gesteigerte Muskeleigenreflexe, Krämpfe, oft ungleich weite Pupillen, kolikartige Magen- und Darmspasmen, Leberschädigung, Ikterus selten, Bradykardie, Atemdepression, Nullinie im EEG, Koma.
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III—3-3
Methyprylon
Medikamente
Komplikationen: Respiratorische Insuffizienz, Nierenversagen, H y p o t o n i e . Allerg. E x a n t h e m , N e u t r o p e nie, T h r o m b o z y t o p e n i e , aplast. Anämie (selten). Nachweis: D C , S p e k t r o p h o t o m e t r i e (RANDALL, 1 9 5 6 ; XANTHAKY, 1 9 6 6 ; KIVELA, 1975), GC (DICKSON, 1 9 7 4 ; KIVELA,
1 9 5 5 ; ANWEILER, 1 9 7 6 ; BRIDGES, 1979; VAN BOVEN, 1979). Der Hauptmetabolit interferiert bei der UVSpektrometrie mit den Barbituraten. Therapie: -
Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme M a g e n s p ü l u n g , Natriumsulfat, Kohle-Instillation Plasmaexpander im Schock; Natriumbikarbonatinfusion zum Azidoseausgleich forcierte Diurese: nicht sehr effektiv, Clearancewert 11 ml/min. H ä m o d i a l y s e : wirksam, Clearancewert 80 ml/min; indiziert bei Blutkonzentrationen über 50 mg/1 - Hämoperfusion: sehr w i r k s a m Clearancewert 2 3 0 ml/min. Literatur: ANWEILER, J., BENDER, G., HOBEL, M.: Simultaneous determination of glutethimide, methyprylon, and methaqualone in serum by gas liquid chromatography. Arch. Tox. 35: 187-193,1976. BAILEY, D.N., JATLOW, P.I.: Methyprylon overdose: Interpretation of serum drug concentrations. Clin. Tox. 6: 5 6 3 569,1973. BERNHARD, K., JUST, M., LUTZ, A.H., VUILLEUMIER, J.P.: Über das Verhalten in 5-Stellung methylierter Dioxo-diaethylhydropyridine im Stoffwechsel. Helv. Chim. Acta 40: 436-A44, 1957. BERNSTEIN, N., STRAUSS, H.K.: Attempred suicide with methyprylon. J. amer. med. Ass. 194,1139 (1965) BOESCHE, J.: Kenzentrationen von Methylprylon und dessen Meaboliten im Harn bei Vergiftungsfällen. Arz. Forsch. 19: 123-125, 1969. BRIDGES, R.R., PEAT, M.A.: Gas-liquid Chromatographie analysis of methyprylon and its major metabolite (2,4-dioxo-3,3-diethyl-5-methyl-l,2,3,4-tetrahydropyridine) in an overdose case. J. Anal. Tox. 3: 2 1 - 2 5 , 1979. CHANG, T.M.S., COFFREY, J.F., LISTER, C, TAROY, E., SSTARK, A.: Methaqualone, methyprylon, and glutethimide clearance by the ACAC microcapsule artificial kidney: In vitro and in patients with acute intoxication. Trans. Amer. Soc. artif. intern. Organs 19, 87 (1973) CLARKE, E.G.C (ed.): Isolation and Identification ofDrugs, Pharmaceutical Press, London, 1969, pp. 426-427. DE SILVA, J.A.F., D'ARCONTE, L.: The use of spectrophotofluorometry in the analysis of drugs in biological materials. J. For. Sei. 14: 184-204,1969. DICKSON, S.J.: The determination of methyprylon and its metabolites in biological fluids by gas chromatography. For. Sei. 4: 177-182,1974. EL-BARDY, A., HASSABALLA, A., EL AYADI, A.: Treatment of a nonbarbiturate hypnotic poisoning - methyprylon - by extra-corporeal haemodialysis (a description of a case) J. egypt. med. Ass. 48, 605 (1965) IBE, K., BENNHOLD, I., BURMEISTER, H., KESSEL, M.: Die extrakorporale Hämodialyse bei schweren Schlafmittelvergiftungen. Berl. Med. 16,350 (1965) KIVELA, E.W.: Methyprylon. Type B procedure. In Methodology for Analytical Toxicology (I. Sunshine, ed.), CRC Press, Cleveland, 1975a, pp. 260-262. KNEPSHIELD, J.H., SCHREINER, G.E., LOWENTHAL, D.T., GELFAND, M.C.: Dialysis of poisons and drugs - annual review. Trans. Amer. Soc. Artif. intern. Organs 19, 590 (1973) MACLAR, M.: Methylprylon-induced bone marrow suppression. JAMA 13, 240 (1978), 16. MANDELBAUM, J.M., SIMON, N.M.: Severe methyprylon intoxication treated by hemodialysis. J. Am. Med. Asso. 216: 139-140,1971. PELLEGRINO, E.D., HENDERSON, R.R.: Clinical toxicity of methyprylon (Noludar). J. Med. Soc. N.J. 54: 515-518,1957. PRIBILLA, O.: Studien zur Toxikologie der Schlafmittel aus der Tetrahydroypyridin- und Piperidine-Reihe. Arch. Tox. 18: 1-86,1959. RANDALL, L.O., ILIEV, V., BRANDMANN, O.: Metabolism of methyprylon. Arch. Int. Pharm. Ther. 106:388-394,1956. REIDT, W.U.: Fatal poisoning with methyprylon (Noludar), a nonbarbiturate sedative. New Eng. J. Med. 255: 2 3 1 232,1956. SCHREINER, G.E., MÄHER, J.F., ARGY, W.P., STIEGEL, L.: Extracorporeal and peritoneal dialysis of drugs in: Handbook of Experimental Pharmocalogy, Vol. 28: Concepts in Biomedical Pharmacology (Springer, Berlin-Heidelberg-New York, 1971)
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Drogen
Methyprylon HI—3.3
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Drogen
Midazolam III—3.3
Midazolam Verwendung: Schlafmittel, Prämedikation Vorkommen: Seit 1982 im Handel. Dosierung: 10-20 mg/die. Dormicum (Roche) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat. Midazolam ist ein Imidazo-Benzodiazepin-Abkömmling. Zur parenteralen Applikation liegt die Substanz als wasserlösliches Maleat oder Hydrochloridsalz vor, wodurch eine geringfügige Venenirritation bei i.v.-Gabe hervorgerufen werden dürfte. Unter physiologischen pH-Bedingungen ist Midazolam jedoch äußerst fettlöslich mit einem entsprechend hohen Verteilungsvolumen, fiktives Verteilungsvolumen 0,5-11/kg. Midazolam ist eines der neuen Benzodiazepine it einer relativ hohen hepatischen Clearance. Totale Clearance 300-400 ml/min. Der hauptsächliche Abbauweg verläuft beim Menschen über Hydroxylierung an zwei verschiedenen Positionen des Moleküls. Diese hydroxylierten Metabolite sind pharmakologisch nur noch geringfügig aktiv und es ist nicht klar, inwieweit sie insgesamt zur Midazolam-Wirkung beitragen. Nach intravenöser Applikation erfolgt beim Menschen eine rasche und äußerst umfangreiche Verteilung mit einer terminalen oder Beta-Eliminationsphase von 1 bis 4 Stunden. Nach oraler Applikation wird Midazolam mittelschnell absorbiert bei einer absoluten biologischen Verfügbarkeit von etwa 30 bis 50 %. Diese unvollständige biologische Verfügbarkeit ist hauptsächlich auf eine hepatische First-Pass-Extraktion zurückzuführen. Daraus läßt sich ableiten, daß nach oraler Applikation im Vergleich zur i.v.-Gabe entsprechend höhere Dosen erforderlich sind. Die Proteinbindung von Midazolam ist ebenfalls sehr hoch (96 %) wobei die freie Fraktion zwischen 3 und 6 % liegt. Bisher gibt es so gut wie keine vollständigen Untersuchungen, die Auskunft darüber geben, wie verschiedene Krankheiten, ArzneimittelInteraktionen oder Patientencharakteristika (Gewicht, Geschlecht, Alter) die Kinetik von Midazolam beeinflussen. Symptome: ZNS: Benommenheit, Schwindelgefühl, Koordinationsstörungen; Somnolenz und andere Zeichen zentraler Dämpfung (Atemdepression), Kopfschmerzen, Sehstörungen, Geschmacksalterationen; Amnesie; selten Verhaltensstörungen wie depressive Stimmungslage, plötzlich aggressive Anwandlungen, Verwirrung und suizidale Neigungen Ga s troin tes tin al: Oberbauchbeschwerden, Diarrhoe Allergisch: Pruritis, Urtikaria Nachweis: Qualitativ: Dünnschichtchromatographie; Radioimmunoassay; Midazolam kann auch gaschromatographisch nach Einmalgabe im menschlichen Plasma bestimmt werden. Die gaschromatographische Analyse mit Stickstoff-Phosphor-Detektor und HPLC kann zwar ebenfalls benutzt werden, jedoch liegen die Sensitivitätsgrenzen sehr viel höher.
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Midazolam III—3.3
Drogen
Therapie: Primäre Giftentfernung durch Kohle-Pulvis-Gabe oder Magenspülung, Gabe von Medizinalkohle und Glaubersalz; Freihhalten der Atemwege und ggf. künstliche Beatmung; intravenöse Flüssigkeitszufuhr. Antidot Imidazobenzodiazepin (Anexat®, Ro 17-1988 0,3-1 mg i.V.). In weniger schweren Fällen unter engmaschiger Kontrolle der Vitalfunktionen ausschlafen lassen. Besonderheiten: Amnestische Episoden nach oraler Einnahme von 7,5 bis 15 mg werden beschrieben. Die Patienten führten dabei verschiedene geordnete Handlungen aus oder diskutierten mit Drittpersonen. In zwei Fällen war ein Drang zur Nahrungsaufnahme zu beobachten. Die motorischen Fähigkeiten scheinen eingeschränkt. Gezielte Untersuchungen und eine Überprüfung der Dosisempfehlung sind zweifellos angezeigt, da die Möglichkeit für eine Selbst- oder Fremdgefährdung gegeben ist (HÄCKI). Literatur: ALLONEN, H., ZIEGLER, G., KLOTZ,U.: Clin. Pharmacol. Ther. 30: 653-661,1981. HÄCKI, M.: Amnestische Episoden nach Einnahme des Hypnotikums Midazolam, Wirkung oder Nebenwirkung Schweiz, med. Woschenschr. 116 (1986) 2,42^4. LAUVEN, P.M., SMITH, H., SCHWILDEN, H.: Anaesthesist 31: 15-20,1982. SJÖVALL, S., et al.: Int. J. Clin. Pharmacol. 22: 184-188,1984. SMITH, T.H., EADIE, M.J., BROPHY, T.O.: Europ. J. Clin. Pharmacol. 19: 271-278,1981.
2*
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Drogen
Morphin
III—3.3
Morphin (—» Heroin) Synonyma: Morphium, Morphinum hydrochloricum, Morphin Thilo 7,8-Didehydro-4,5a-epoxy-17-methyl-morphinan-3,6oc-diol 4a,5,7a,8-Tetrahydro-12-methyl-9H-9,9c-imino-ethano-phenanthro[4,5-bcd]furan-3 ,5diol Chemische Formel: C 1 7 H 1 9 N0 3
HO
N^CH3
Beschaffenheit: MG: 285,37 Weißes, feinkristallines Pulver. Applikation als Sulfat oder Hydrochlorid in wäßrigen Lösungen mit einem pH um 5. Verwendung: Morphin findet Verwendung als starkes Analgetikum (z.B. bei Patienten mit Malignomen, bei Schmerzen im Terminalstadium einer Krankheit, bei postoperativen Schmerzen). Die Verordnung von Morphin untersteht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMW). Vorkommen: Morphin ist der wichtigste Vertreter der Opioide. Es ist mit einer Konzentration von 10% im Opium das Hauptalkaloid neben etwa 25 weiteren verschiedenen Alkaloiden. Opium wird aus dem an der Luft getrockneten Milchsaft der angeschnittenen, unreifen Früchte des Schlafmohns, Papaver somniferum, gewonnen. Handelspräpara te: Capros 10/30/60/100 Retardkapseln (medac/Rhöne-Poulenc Rorer) Morphin Merck 10/20 Injektionslösung (Merck) Morphin Merck 100 Injektionslösung (Merck) MSI 10/20Mundipharma Injektionslösung (Mundipharma) MSI 100/200 Mundipharma Injektionslösung (Mundipharma) MSR 10/-20/-30 Mundipharma Suppositorien (Mundipharma) MST 10/-30/-60/-100/-200Mundipharma -Retardtabletten (Mundipharma) MST Continus 30/60 Retardkapseln (Mundipharma) MST Continus 30/60 Retardkapseln (Mundipharma) Sevredol 10/Sevredol 20 Filmtabletten (Mundipharma)
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III—3.3
Morphin
Drogen
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Opioide wirken als Agonisten an Rezeptoren des ZNS und ander Gewebe. Die spezifischen Rezeptoren finden sich in hoher Dichte im Limbischen System (frontaler und temporaler Cortex, Amygdala und Hippokampus), Thalamus, Striatum, Hypothalamus, Mittelhirn und Rückenmark. (SNYDER et. al.1974; SIMON und HILLER 1978).
Zelluläre und biochemische Aspekte der Opioidwirkung: - Opioide können die Freisetzung bestimmter Neurotransmitter (z.B. Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin) in bestimmten Bezirken des Nervensystems vermindern. (SNYDER 1978; TERENIUS 1978; BEAUMONT und HUGHES 1979; KUSCHINSKY 1981).
- Opioide hemmen die Depolarisation von Nervenzellen, die durch bestimmte exzitatorische Überträgersubstanzen (z.B. Acetylcholin) hervorgerufen wird (KUSCHINSKY 1981). - Opioide scheinen eine selektive und Naloxon-reversible Hemmung der Adenylat-Aktivität zu bewirken (SIMON und HILLER 1978).
- Calcium-Ionen antagonisieren die durch Morphin erzeugte Analgesie. Opioide scheinen den CalciumEinstrom in das Zellinnere zu hemmen (WAY 1978; KUSCHINSKY 1981). Wirkungen auf das Zentralnervensystem Diverse Effekte im ZNS: Gleichzeitig mit der Analgesie erzeugt Morphin eine gewisse Euphorie und eine gewisse Sedation. Morphin kann zu einem Nachlassen der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, zu Apathie und Lethargie führen. Die Sinneswahrnehmungen bleiben nach therapeutischen Dosen erhalten. Die erste Applikation eines Opioids ruft bei den meisten gesunden und schmerzfreien Personen keine angenehme, sondern eher unangenehme Empfindungen hervor (Dysphorie). Morphin hat auch bei höheren Dosen keine antikonvulsive Wirkung. EEG: Bei Menschen bewirken vereinzelte Gaben von Opioiden eine Zunahme der Wellenamplitude und -frequenz im EEG, ähnlich wie beim natürlichen Schlaf und nach sehr geringen Dosen von Barbituraten. Beim Abhängigen unterdrücken vereinzelte Morphingaben die REM-Phasen und reduzieren den Tiefschlaf, während sie den leichten Schlaf und die Wachzeit verlängern. Diese Effekte unterliegen bei wiederholten Verabreichungen einer Toleranzentwicklung (MARTIN und KAY 1977). Analgesie: Die durch Morphin erzeugte Analgesie ist selektiv. Der Schmerz ist einerseits eine spezifische Sinneswahrnehmung, der bestimmte neurophysiologische Strukturen zugrunde liegen, der andere Aspekt des Schmerzes ist das Leiden (die ursprüngliche Sinneswahrnehmung mit der durch sie hervorgerufenen Reaktion) (STERNBACH 1978).
Opioide mildern die Reaktion auf schmerzauslösende Stimuli an mehreren Stellen im Gehirn. Nicht nur die Schmerzempfindung wird durch Opioide verändert, sondern auch die affektive Reaktion auf den Schmerz. Der Schmerz wird weniger intensiv, weniger quälend oder gar nicht empfunden. Er ruft nicht mehr die herkömmlichen Reaktionen hervor (Angst, Panik, Leiden), womit die Bereitschaft des Patienten, Schmerz zu ertragen, beachtlich zunimmt (STERNBACH 1978). Die Bedeutung der Schmerzempfindung beruht auf den individuellen Erfahrungen und Erwartungen des Patienten. Messungen der Morphineffekte auf die Schmerzschwelle ergaben im Experiment kein übereinstimmendes Ergebnis. Manche Untersucher fanden, daß die Analgetika die Schmerzschwelle zuverlässig erhöhen (GRACELY et al. 1979), während viele andere keine übereinstimmenden Veränderungen erhielten. Allerdings erweist sich Morphin in mäßiger Dosierung als recht wirkungsvoll in der Erleichterung klinischer Schmerzen und erhöht die Toleranz von experimentell induzierten Schmerzen. In therapeutischer Dosierung beeinträchtigt Morphin die anderen Sinnesmodalitäten nicht (Berührung, Sehen, Hören etc.). Der Schmerzreiz bleibt lokalisierbar. Der dumpfe, protahierte Schmerz wird durch Morphin eher gelindert als der kurzdauernde scharfe Schmerz. Wirkung auf die Atmung: Morphin verändert die Sensibilität des Atemzentrums: Die Empfindlichkeit des Atemzentrums gegenüber der C0 2 -Spannung bzw. der H + -Ionenkonzentration im Blut ist vermindert. - Die obere Morphindosis wird durch die Atemdepression limitiert.
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Morphin
III—3.3
- Atemdepressorische Wirkung schon ab einer Dosierung von 2-4 mg (= kleiner als die therapeutische Dosierung). - Starke Verminderung der Atemfunktion bei Dosen ab 50 mg: extreme Erhöhung der C 0 2 - und Verminderung der 0 2 -Spannung, dennoch kein Gefühl der Atemnot. - Maximale Atemdepression zeigt sich binnen 7 Minuten nach intravenöser Verabreichung von Morphin, 30 Minuten nach intramuskulärer und 90 Minuten nach subcutaner Verabreichung. - Atemlähmung mit tödlichem Ausgang bei Anwendung von 200-250 mg Morphin und mehr (bei fehlender Toleranzentwicklung). Die stark verminderte Atemfrequenz bewirkt eine Verminderung des Atemminutenvolumens. Im toxischen Bereich kann die Atemfrequenz bis zu 3 bis 4 Atemzüge pro Minute fallen. Morphin hemmt auch die übergeordneten, in der Brücke liegenden Zentren, die die Rhythmik der Atmung regulieren. Morphin und verwandte Opioide können unregelmäßige und periodische Atmung hervorrufen. Beim Menschen wird dies oft schon nach therapeutischer Dosierung beobachtet. Die Sensibilität des Atemzentrums normalisiert sich binnen 2 bis 3 Stunden. Das AMV bleibt allerdings 4 bis 5 Stunden unter dem Normwert nach therapeutischer Dosierung. Antitussiver Effekt: Morphin und verwandte Opioide unterdrücken den Hustenreflex durch direkte Wirkung auf das Hustenzentrum in der Medulla oblongata. Intravenöse Injektion: - Wirkungseintritt: < 15 Minuten - Wirkungsmaximum: nach 20 bis 30 Minuten - Wirkungsdauer: ca. 2 Stunden Einzeldosis für Erwachsene: 10-30 mg subcutan (10 mg/70 kg führen bei 70% der Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen zu einer befriedigenden Analgesie). Einzeldosis bei Kindern: 1. Säugling (bis zu Vz Jahr): 0,5 mg s.c. 2. Kleinkind (V2-3 Jahre): 1-3 mg s.c. 3. Schulkind (3-9 Jahre): 4-8 mg s.c. EMD: 30 mg TMD: 100 mg Verteilung, Ausscheidung: Bei therapeutischen Plasmakonzentrationen von Morphin liegt etwa ein Drittel in proteingebundener Form vor. Freies Morphin verläßt die Blutbahn sehr rasch und akkumuliert in parenchymatösen Organen wie Niere, Lunge, Leber und Milz. Die Konzentration im Skelettmuskel ist etwas geringer. Auch wenn der Hauptangriffsort des Morphins im ZNS ist, ist die Konzentration von Morphin im Gehirn niedriger als in den parenchymatösen Organen. Die Plasma/Hirn-Relation bei der erwachsenen Ratte beträgt ca. 5 : 1. Bei einmaliger Gabe ist die Intensität der zentralvenösen Wirkungen weitgehend das Spiegelbild der Konzentration von freiem Morphin im Gehirn. Verglichen mit anderen Opioiden passiert Morphin die Blut-Hirn-Schranke zu einem geringen Teil (OLDENDORF et. al. 1972).
Die Inaktivierung von Morphin erfolgt hauptsächlich durch Konjugation mit Glukuronsäure. Die Demethylierung spielt beim Morphin eine untergeordnete Rolle. Bei jungen Erwachsenen beträgt die Plasmahalbwertszeit des Morphins etwa 2,5 bis 3 Stunden (STANSKI et al. 1978). Dieser Wert kann bei älteren Personen etwas verlängert sein. 60-90% der zugeführten Menge werden innerhalb von 24 Stunden zum überwiegenden Teil in konjugierter Form über die Niere durch glomeruläre Filtration ausgeschieden. Der Anteil des mit dem Urin eliminierten freien Morphins ist abhängig vom pH-Wert. Bei saurem pH-Wert wird mehr freies Morphin im Urin ausgeschieden. 3,5-6% des verabreichten Morphins werden über die Lunge eliminiert. 7-10% können in den Faeces erscheinen durch Ausscheidung über die Leber mit der Galle. Morphin durchläuft einen enterohepatischen Kreislauf, was für die Anwesenheit kleiner Mengen von Morphin einige Tage nach der letzten Dosis verantwortlich ist. Die Halbwertszeit für die Elimination von Morphin beträgt ca. 6 Stunden. Spuren von Morphin lassen sich allerdings über 48 Stunden hinaus noch nachweisen.
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III—3.3
Morphin
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Morphin passiert die Plazenta. Aufgrund unterschiedlicher innerer und äußerer Bedingungen kann bei gleicher Exponierung das Kind nach der Geburt Zeichen einer Atemdepression bieten, während die Mutter unauffällig erscheint. Toxizität: LDL0 n. spez. Mann: 3676 u.g/kg LD 50 intraperitoneal Ratte: 160 mg/kg LD 50 oral Maus: 745 mg/kg Eine genaue Höhe der toxischen oder letalen Dosis ist schwer festzulegen aufgrund der schnellen Toleranzentwicklung und der großen individuellen Variationsbreite in der Empfindlichkeit. Die sicher toxische Dosis für einen schmerzfreien Patienten ohne Toleranzentwicklung liegt bei 30 mg Morphin und darüber, bei parenteraler Verabreichung. Die letale Dosis kann 10-12mal höher als die Maximaldosis von 30 mg, also auf 300-400 mg bei peroraler Verabreichung angesetzt werden. Bei parenteraler Applikation beträgt die letale Dosis je nach Grad der Gewöhnung 100—200 mg Morphin. Besonders schwer verlaufen Opioidvergiftungen, wenn gleichzeitig ein Schlafmittel oder Scopolamin zugeführt worden ist. Besonders gefährdet sind ältere Personen, anämische und sich im Schockzustand befindliche Kranke. Auch Neugeborene sind sehr empfindlich, ältere Säuglinge dagegen nicht mehr als Erwachsene, wenn man die Dosis pro kg Körpergewicht zugrundelegt. Symptome und klinische Befunde: Akute Opioidvergiftung: Das Vergiftungsbild zeigt zunächst eine schwere Störung der Atmung mit verlangsamter, oberflächlicher und unregelmäßiger Atmung, die in einen periodischen Cheyne-Stokes'sehen Typ übergehen kann. Aufgrund einer verminderten 0 2 -Sättigung kann es recht bald zu einer deutlichen Cyanose kommen. Typisch ist auch die hochgradige Miosis, die erst im Finalstadium einer Mydriasis weicht. Das Bewußtsein ist mit zunehmender Vergiftung somnolent bis komatös. Die Sehnen-, Periost- und Cornealreflexe sind nicht mehr auslösbar, Pyramidenzeichen sind möglicherweise vorhanden. Es kommt zu einem Tonusverlust der Skelettmuskulatur, die Zunge kann zurückfallen und die Atemwege blockieren. Krämpfe können gelegentlich bei Kindern beobachtet werden. Anfänglich kann ein Wärmegefühl und eine Gesichtsrötung vorhanden sein, Schweißausbruch und starker Pruritus sind trotz gelähmter Schmerzempfindung oft zu beobachten. Später kommt es dann zu Hypothermie. Meist erfolgt der Tod nicht rasch, sondern die bis auf wenige Atemzüge in der Minute verlangsamte Atmung mit maximal verengten Pupillen kann stundenlang bestehen bleiben. Der Tod tritt meist nach 7-12 Stunden ein. Manchmal kann selbst bei wiederhergestellter Atmung der Tod als Folge von Komplikationen eintreten, z.B. einer Pneumonie, eines Lungenödems oder eines Schocks, die sich während des Komas entwickeln. Lungenödeme werden gewöhnlich bei toxischen Dosen von Opioiden beobachtet und sind wahrscheinlich nicht Verunreinigungen und anaphylaktischen Reaktionen zuzuschreiben. Während der Vergiftung besteht Harnretention durch Krampf des Blasensphinkters, Anurie durch zentrale ADH-Hemmung, Stuhlverhalten durch Darmspasmen. Nachkrankheiten sind Kopf- und Magenschmerzen, Obstipation, Tenesmen von Darm und Blase, Zucker- und Eiweißausscheidung im Harn, Mattigkeit und Schlafsucht. Aufgrund einer vermehrten Abgabe von ADH durch Angriff im Hypothalamus und aufgrund der durch Hypotension bedingten verminderten glomerulären Filtrationsrate kommt es zu einer starken Erhöhung des Kreatininspiegels. Mischintoxikationen sind nicht selten, z.B. mit Barbituraten und Alkohol, und bestimmen das klinische Bild. Bei Süchtigen können Einstichstellen die Diagnose erleichtern. Die Trias Koma, Miosis und Atemdepression legen den dringenden Verdacht einer Opioidvergiftung nahe. Für die Intoxikation besonders typisch ist auch die Kombination Zyanose und Miosis, die allerdings nicht obligat ist. Die Symptomatik ist der Schlafmittelvergiftung sehr verwandt. Die Kreislauffunktionen bleiben längere Zeit ausreichend erhalten, erst spät entwickelt sich eine Kreislaufschwäche als Folge der Anoxie. Der Blutdruck fällt aufgrund der Histamin-bedingten peripheren Vasodilatation und einer hypoxischen Schädigung der Gefäße durch Atemlähmung, die bis zum Kreislaufschock führen kann.
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III—3.3
Chronische Opioidintoxikation: Es kommt zu einem extremen Tonusverlust des Parasympathicus mit: - Blutdruckabfall und Bradykardie - penetranter Schlafstörung - ständiger Müdigkeit - Miosis - Gewichtsverlust bis zur Kachexie - Inappetenz - Obstipation - Impotenz - Frösteln - Zittern — Ataxie — undeutliche Sprache - trockene fahl-graue und gelbliche Haut - Haarausfall Auf psychischem Gebiet kommt es zu: - Leistungsabfall - Affektlabilität - Stimmungsschwankungen - Antriebserlahmung Entzugserscheinungen: Beim Erwachsenen äußern sich die Abstinenzerscheinungen in Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen, allgemeiner motorischer Unruhe, Schweißausbrüchen, Tränenfluß, Angstgefühlen und Kollaps. Abstinenzerscheinungen sind auch beim Neugeborenen beobachtet worden. Auch bei ihnen finden sich eine gesteigerte motorische Aktivität, Zuckungen, Krämpfe, fortwährendes Hungergefühl mit Hände- und Fingerlutschen, Erbrechen, Durchfälle und Hyperthermie. Eine schwere Dyspnoe mit apnoischen Pausen kann zu Exitus führen. Solche Symptome sind auch durch Morphinantagonisten auslösbar, wenn diese zur Behandlung einer Morphinvergiftung bei abhängigen Personen angewendet werden. Unbehandelt klingen die Abstinenzerscheinungen im Laufe von 3 bis 5 Tagen ab. Nachweis: Asservate: Urin, Mageninhalt, Blut Extraktion: Zum Nachweis muß biologisches Material extrahiert werden. Qualitativer Nachweis: - Farbreaktionen, z.B. Jodsäurereaktion, Farbreaktion mit Phosphormolybdänsäure, Nitratschwefelsäure und Marquis Reagens -
Kristallteste (CLARKE 1969) Ultraviolett-Absorptionsspektrum (CLARKE 1969) Infrarot-Absorptionsspektrum (CLARKE 1969) Papierchromatographie (CLARKE 1969) Dünnschichtchromatographie (CLARKE 1969) Gaschromatographie (CLARKE 1969)
- EMIT-ST Quantitativer Nachweis: - Spektrophotometrische Bestimmung von freiem und konjugiertem Morphin in biologischem Material (CLARKE
1969)
- Acidimetrische Titration - Gaschromatographie (CLARKE 1969)
- EMIT Therapie: Akut: Der erste Schritt besteht in Intubation und Sauerstoffbeatmung. Ein sicheres Mittel zur Aufhebung der Atemlähmung ist die Verabreichung eines Morphinantagonisten, der Morphin kompetitiv vom Wirkungsort verdrängt. Mittel der Wahl ist Naloxon (Narcanti), ein Opioidantagonist ohne jede agonistische Wirkung. Nalorphin (Lethidrone) und Levallorphan (Lorfan) sind Morphinantagonisten mit noch geringerer agonistischer Wirkung. Sie sollten mit Vorsicht angewandt werden, denn sie können eine durch Alkohol, Barbiturate oder verwandte zentral dämpfende Mittel hervorgerufene Atemdepression weiter verstärken, falls sie überdosiert appliziert werden.
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Morphin
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Bei einer chronischen Morphinintoxikation entstehen nach hochdosierter Gabe von Morphinantagonisten abrupt Entzugserscheinungen, die aber selten lebensbedrohlich sind (KUSCHINSKY 1981). Es ist üblich, dennoch eine geringe Dosis von Naloxon zu verabreichen, welche die Atemdepression antagonisiert, ohne bedrohliche Entzugserscheinungen hervorzurufen. Die Morphinantagonisten heben innerhalb kürzester Zeit nach parenteraler Anwendung alle zentralen und peripheren Wirkungen von Morphin und seinen pharmakologischen Verwandten auf. Lediglich die antitussive Wirkung scheint nicht beeinflußt zu werden. Die Morphinantagonisten wirken auch dem sedativen Effekt der Morphine entgegen, eine vollständige Wiederherstellung des Bewußtseins durch Analeptika ist nicht erforderlich, jedoch eine genaue Beobachtung des Patienten. Da die atemdepressorische Wirkung der Opioide länger anhält als die Wirkung der Morphinantagonisten, würde sich ein vorzeitiges Einstellen der Behandlung mit Antagonisten fatal auswirken. Anwendung von Naloxon: Verabreichung einer Dosis von 0,4-0,8 mg Naloxon, intravenös. Wiederholte Injektionen nach 20—30 Min. Wirkungsdauer von Naloxon: etwa 90 Minuten nach intravenöser Verabreichung, 120 Minuten nach intramuskulärer Verabreichung, also kürzer als die des Morphins. Bleibt diese Behandlung erfolglos, so muß man die Diagnose in Frage stellen. Dosierung von Naloxon: Je nach Grad der Vergiftung Verabreichung von 5-10 mg intravenös bei Erwachsenen, Wiederholung bei Bedarf. Dosierung von Levallorphan: Levallorphan wird beim Erwachsenen intravenös in einer Dosierung von 0,2-2 mg verabfolgt. Die morphinähnlichen Wirkungen sind im Vergleich zum Morphinantagonismus viel schwächer ausgeprägt als beim Naloxon. Chronisch: Entwöhnung siehe Heroin. Literatur: ALDERMAN, E.L., BARRY, W.H., GRAHAM, A.F., HARRISON, D.C.: Hemodynamic effects of morphine and pentazocine differ in cardiac patients. N. Engl. J. Med. 287 (1972) 623-627. BEECHER, H.K.: The Measurement of Subjective Responses: Quantitative Effects of Drugs. Oxford University Press, New York (1959). BURKS, T.F.: Gastrointestinal pharmacology. Annu. Rev. Pharmakol. Toxicol. 16 (1976) 15-31. CAPLAN, Y.H.: Analytical techniques. In: Cravey R.H., Baselt, R.C. eds.: Introduction to forensic toxicology. Davis, CA: Biomedical Publications, 1981: 161. CLARKE, E.G.C., BERLE, J.: Isolation und Identification of Drugs. Bd. I The Pharmac. Press London 1969. DoGOLOFF, L.I., ANGAROLA, R.T.: Urine testing in the workplace. Rockville, MD: The Amerian Council for Drug Education, 1985: 20. ECONUMOU, G., WARD-McQUAID, J.N.: Across-over comparison of the effect of morphine, pethidine, pentazocine and phenazocine on biliary pressure. Gut, 12 (1971) 218-221. JAFFE, J.H., MARTIN, W.R.: Opioid analgesics and antagonists. In: Gilman A.G., Goodman, L.S., Gilman, A. eds. The pharmacological basis of therapeutics. New York: MacMillian Publishing Co., Inc., 1980: 494-534. KUSCHINSKY, K.: Zur Pharmakologie von Opioiden. Deutsches Ärzteblatt 6 (1981) 225-229. LEAMAN, D.M., LEVENSON, L., ZEUS, R., SHIROFF, R.: Effect of morphine on splanchnic blood flow. Brit. Heart J. 40 (1978)569. MARTIN, W.R., KAY, D.C.: Effects of Opioid analgesics and antagonists on the EEG. In: Handbook of Electroencephalography and Clinical Neurophysiology. Vol. 7 Pt. C. (Longo, V.G., Hrsg. Elsevier Publishing Co., Amsterdam (1977) 97-109. MlSRA, A.L.: Metabolism of opiates. In: Factors Affecting the Action of Narcotics. (Adler, M.L., Manara, L., Samanin, R., Hrsg.) Raven Press, New York 1978, 297-343. MUSTO, D.F.: The American Disease. Yale University Press, New Haven 1973. OLDENDORF, W.H., HYMANN, S., BRAUN, L., OLDENDORF, S.Z.: Blood-brain barrier penetration of morphine, codeine, heroin and methadone after carotid injection. Science 178 (1972) 984-986. PAROLARO, D., SALA, M., GORI, E.: Effect of intracerebroventricular administration of morphine upon intestinal motility in rat and its antagonism with naloxone. Eur. J. Pharmacol. 46 (1977) 329-338. POPIO, K.A., JACKSON, D.H., ROSS, A.M., SCHREINER, B.F., Yu, P.N.: Hemodynamic and respiratory depressant effects of morphine and butorphanol. Clin. Pharmacol. Ther. 23 (1978) 281-287. RAWLS, W.N.: Urine drug analysis and the treatment of substance abuse. In: Bottorff M, ed. Drug monitoring forum. Irving, TX: Abbott Laboratories 1985: 4(2); 3. SIMON, E.J., HlLLER, J.M.: The Opiate receptor. Annu. Rev. Pharmacol. Toxicol. 18 (1978) 371-394. SNYDER, S.H.: The opiate receptor and morphine-like peptides in the brain. Am. J. Psychiatry 135 (1978) 645-652. D
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Morphin
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My risticin III - 3.3
Drogen
Myristicin Chemische Formel: C
11H12°3
OCH 3 .
M CHQ
H2C
O
CH
CH2
^H
Beschaffenheit: Ähnelt chemisch dem Meskalin. Verwendung: Wird mit Tabak vermischt geraucht oder als Pulver in Wasser aufgeschwemmt getrunken. Vorkommen: In der Muskatnuß, im ätherischen Öl der Petersilie und in Virola-Harzen. Wirkungscharakter: Wird im Organismus wahrscheinlich zu MMDA und TMA metabolisiert, wirkt dann halluzinogen. Eine Streichholzschachtel Muskatnußpulver soll die Wirkung von drei bis vier Marihuana-Zigaretten haben. Der Rausch ist teilweise von starkem Kopfschmerz, Mundtrockenheit und allgemeinem Krankheitsgefühl begleitet und kann bis zu zwei Tagen andauern. Toxizität: ED: 5 bis 30 g LD: 2 Muskatnüsse (Kind) Symptome und klinische Befunde: Übelkeit, Magenschmerzen, starke Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Tremor, Katatonie, Atemlähmung. Psychisch: Haschischähnliche halluzinogene Wirkung, verstärkte Sinnesempfindungen, Gefühl des Schwebens, Angst. Therapie: Beatmung, Giftelimination nach oraler Aufnahme, zur Sedierung Aponal® Besonderheiten: Wegen mißbräuchlichen Genusses großer Mengen Muskat ist in den USA-Strafanstalten die Ausgabe ganzer Muskatnüsse verboten (»jail-high«). Muskatnußöl ist neben dem Öl der Sassafras-Staude Ausgangsprodukt für die illegale Herstellung von Designer-Drogen vom MDA-/MDMMA-Typ.
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Drogen
Naloxonhydrochlorid
III—3.3
Naloxonhydrochlorid Synonyma: 17-Normorphinon L-(-)-N-Allyl-14-hydroxy-nordihydromorphinon-hydrochlorid (-)-l-N-Allyl-7,8-dihydro-14-hydroxy-normorphinon-hydrochlorid 17-Allyl-4,5a-epoxy-3,14-dihydroxy-morphinan-6-on-hydrochlorid 4,5 a-Epoxy-3,14-dihy droxy-12- (2-propenyl) -morphinan-6-on-hy drochlorid (-)-l-N-Allyl-7,8-dihydro-14-hydroxy-normorphinon-hydrochlorid Chemische Formel: C 19 H 22 C1N0 4 H2C.
q T
Beschaffenheit: Molekulargewicht: 363,8 (GOEDECKE, 1978) Wasserfreies Naloxon-hydrochlorid bildet farblose Kristalle vom Schmelzpunkt 200—205°C. Naloxon wird im allgemeinen als Naloxon-hydrochlorid-dihydrat eingesetzt (Goedecke, 1978). Verwendung: Indikation — Antagonist bei lebensgefährlicher Opiatintoxikation - Als Zusatz von Opiaten Handelspräpara te: Naloxon 0,4 mg Curamed Injektionslösung, Schwabe-Euramed Naloxon infant Curamed Injektionslösung, Schwabe-Curamed Naloxon-ratiopharm® 0,4 Injektionslösung, ratiopharm Narcanti® Injektionslösung, DuPont Pharma Narcanti® Neonatal Injektionslösung, Du Pont Pharma Tilidalor® Lösung, Hexal Valoron® N Lösung zum Einnehmen, Goedecke Valoron® N Kapseln, Goedecke Wirkungscharakter und Stoffwechsel verhalten: Nach HANLON et al. (1975) ist Naloxon ein schnell wirkender Morphinantagonist ohne ernsthaftere Nebenwirkungen. Naloxon wirkt allerdings sehr kurz und muß oral in hohen Dosen gegeben werden. Bis 3 g oral blockieren für 24 Stunden Heroinwirkungen. Nach KURLAND et al. (1976) blockieren 200 mg Naloxon oral 20 mg Heroin für 10 Stunden. Nach FINK und ZAKS (1971) blockieren 200 mg Naloxon oral für 6 Stunden 25 mg Heroin; 3 g Naloxon oral antagonisieren für 28 Stunden 25 mg Heroin. Unter dieser hohen Dosierung traten keine toxischen Symptome auf. Nach GOODMAN und GILMAN (1975) blockiert 1 mg Naloxon intravenös gegeben 25 mg Heroin nur eine Stunde lang. Nach FISHMAN et al. (1973) er-
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Drogen
Naloxonhydrochlorid
reicht die Plasmaradioaktivität von oral appliziertem Naloxon nach dreißig Minuten ihr Maximum, nimmt in den nächsten drei Stunden schneller ab als bei intravenöser Gabe. Bei Patienten ohne Opioid-Anamnese wird Naloxon schneller als bei Opioid-Abhängigen bzw. nach erfolgtem Entzug im Urin ausgeschieden. Oral aufgenommen gelangt Naloxon sehr schnell ins Blut. Dieser »Naloxon-Spiegel« beruht hauptsächlich auf Naloxon-Metaboliten, die beim ersten Leberdurchgang entstehen und nicht mehr die Wirksamkeit des ursprünglichen Moleküls besitzen, also inaktiviert und damit wirkungslos sind (GOODMAN, GILMAN, 1975). Nach HUG et al. (1978) wirkt Naloxon sechsmal stärker antagonistisch auf die opioidbedingte Atemdepression als Levallorphan. Brechreiz und Erbrechen wurden nicht beobachtet. Im Rahmen einer Neuroleptanalgesie mit Fentanyl wird Naloxon (0,05 mg i.v.) zum Zwecke der Verhinderung einer Atemdepression unmittelbar nach der Extubation gespritzt. In dieser Menge beeinträchtigt Naloxon nicht die Analgesie. (SCHAER et al., 1978). Die orale Wirksamkeit beträgt 1/125 bis 1/250 der parenteralen (Nurr, JASINSKI, 1974). Die Pharmakologie der Metaboliten, die bei oraler Applikationsform entstehen, ist bisher nicht untersucht. Toxizität: LD 50 subcutan Ratte: 640 mg/kg LDL0 intraperitoneal Maus: 80 mg/kg LD 50 subcutan Maus: 286 mg/kg Die akute Toxizität von Tilidin und Tilidin + Naloxon (Verhältnis 50 : 4) wurde im 7-Tage-Versuch an Mäusen und Ratten geprüft. In der Tabelle sind die LD50-Werte wiedergegeben, die sich im Falle von Tilidin + Naloxon auf den Tilidin-Anteil beziehen. Tierart
Substanz
Maus Maus Ratte Ratte Maus Maus Ratte Ratte Maus
Tilidin Tilidin Tilidin Tilidin Naloxon Naloxon Naloxon Naloxon Tilidin + Naloxon Tilidin + Naloxon Tilidin + Naloxon Tilidin-)Naloxon
Maus Ratte Ratte
Applikationswert
LD 50 (mg/kg)
•g-
385,9 64,9 299,1 73,4 636,1 151,4 928,3 126,9 481,4
i.v.
64,5
i.g.
520,4
i.v.
70,3
•g.V.
•g.V.
•g.V. •g.V.
Bei intragastraler Verabreichung ist die akute Toxizität von Tilidin + Naloxon bei beiden Tierspezies im Vergleich zu der von Tilidin vermindert, während sich bei intravenöser Injektion gleiche Werte ergeben. Es kommt zunächst zu dem für starke Analgetika typischen Straub'schen Schwanzphänomen, später zum Verlust der Stellreflexe und zu tonisch-klonischen Krämpfen. Bei Hunden führten 80 mg/kg Tilidin, intragastral verabreicht, zu Ruhelosigkeit, Salivation, hechelnder Atmung, Tremor und schließlich zu tonisch-klonischen Krämpfen bei 2 von 4 Tieren. Besonderheiten: Im Juni 1978 wurde folgendes Telex an die Firma Goedecke gesandt:
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Drogen
Naloxonhydrochlorid
III—33
»Am 22.5.1978 erhielten wir Ihr Eilpaket mit der Literatur über Naloxon. Im Gegensatz zu Ihren Versprechungen, Literatur über die Kombination eines Opioids wie Tilidin mit einem Opioidantagonisten wie Naloxon zur oralen Anwendung mit dem Ausschluß einer Abhängigkeitsentstehung zu liefern, waren hierin lediglich die von der Firma Endopharm an jedermann versandten Literaturstellen über die Anwendung von Naloxon als Opioidantagonist. Unter der Rubrik »Naloxon — Methadon — Kombination« fanden sich fünf Artikel, in denen diese Kombination im Verhältnis eins zu zehn oder eins zu zwanig empfohlen wurde, um den parenteralen Mißbrauch des für orale Gabe ausgegebenen Methadons an Heroinabhängige zu verhindern. Es wird hier ausschließlich die schlechte orale Wirksamkeit von Naloxon, die mindestens ein Hundertstel der parenteralen Wirksamkeit beträgt, betont. Aufgrund des Metabolismus wurde Tilidin fast ausschließlich in der oralen Form von Drogenabhängigen mißbraucht. Es handelt sich demnach um eine Umkehrung des Problems, das in dieser Literatur beschrieben wird, die Sie als Beweis Ihrer Theorien vorlegen. Wir bitten Sie daher um Übersendung der richtigen Literatur zu den angeschnittenen Fragestellungen, insbesondere über Erfahrungen über eine oral effiziente Dosierung von Naloxon zur Verhinderung einer Drogenabhängigkeit vom Opioidtyp, seine Wirkungseigenschaften in dieser entsprechend hohen Dosierung und zur Frage des analgetischen Wirkverlustes des Opioids in dieser Kombination. Falls es hierzu in der Weltliteratur keine Arbeit gibt, bitten wir um Mitteilung, welches anerkannte Forschungsteam an dieser Fragestellung arbeitet, die ja sensationelle Bedeutung für die gesamte analgetische Behandlung hat. Aufgrund der übergebenen Literatur wurden wir in der Meinung bestärkt, daß Valoron® N bezüglich Abhängigkeitsentstehung und -erhaltung die gleichen Eigenschaften besitzt wie Valoron®.« (Zitatende) In einer telefonischen Antwort wurden uns keine weiteren Belege offeriert. Zu einem Zeitpunkt, als die Firma Goedecke noch heftig bestritt, daß Opioidantagonisten die toxischen Wirkungen des Opioids Tilidin (v. EINEM,1978) aufheben, wurde die Kombination Tilidin-Naloxon, also Opioid und Morphiatantagonist, erarbeitet. Obwohl bekannt ist, daß 500 mg Tilidin 25 mg Heroin in der Wirkung entsprechen (GOODMAN, GILMAN, 1975) und von vielen Seiten Dokumentationen über den Opioidcharakter mit mehreren hundert Abhängigkeitsfällen - auch primären - vorgelegt wurden (BEIL, 1976), schrieb die Firma unter Mißachtung des Beschlusses der Bundesregierung, die Tilidin wegen seines hohen Abhängigkeitspotentials unter die B T M - W gestellt hatte, daß Tilidin ein geringes Suchtpotential habe und ihnen kein stichhaltiger Abhängigkeitsfall bekannt geworden sei (GOEDECKE, 1978). Trotzdem wurde nun Tilidin in Kombination mit Naloxon im Verhältnis 5 0 : 4 ausschließlich zur oralen Applikation in den Handel gebracht. Wenn man nun jedoch die 646 Literaturstellen über Naloxon, die uns von der Firma zum Beweis am 22.5.1978 überreicht wurden, gründlich studiert, stellt man - v o n der Firma Goedecke unwidersprochen - fest, daß darunter keine einzige ist, die die orale Applikationsform empfiehlt. Ganz im Gegenteil wird immer wieder festgestellt, wie wirkungslos diese im Vergleich zur parenteralen ist. JASINSKI und NUTT (1974) stellten fest, daß sie nur 1/125 bis 1/250 der parenteralen beträgt. Im Methadon-Maintenance Programm wurde daher Naloxon dem Methadon zugefügt. Nach oraler Aufnahme bestand keinerlei Unterschied gegenüber reinem Methadon, jedoch nach parenteraler Aufnahme wurde die Methadonwirkung aufgehoben, und es traten Entzugserscheinungen auf. So wurde die mißbräuchliche Verwendung des ausgegebenen Methadons am Schwarzmarkt für Injektionszwecke verhindert. Zaks stellte fest, daß unter 400 mg Naloxon nach oraler Aufnahme keinerlei opioidblockierende Wirkung auftritt. Durch die Dosissteigerung des Opioids kann zudem die effektive Wirkdosis von Opioidantagonisten kontinuierlich erhöht werden, wie ZAKS (1974) zeigte, wo nach 1250 mg Naloxon die Wirkung von 25 mg und von 50 mg Heroin blockiert wurde, jedoch nicht von 75 mg Heroin. Um eine Wirkung zu erreichen, müßte die Naloxondosis im Valoron® N demnach 10 mal höher sein (40 mg Naloxon in 50 mg Tilidin). Ein effektiver Antagonistenanteil in der Kombination mit dem Opioid würde jedoch auch die analgetische Wirkung aufheben, dies ist der Grund, warum andere Firmen bisher eine solche Kombination nie angeboten haben. Da sich die Naloxonwirkung erst nach einer Stunde entfaltet (NUTT, 1974), das Maximum oraler Tilidinwirkung jedoch bei 12,5 Minuten liegt (Goedecke, 1978), werden bei Drogenabhängigen nach Abklingen der Tilidinwirkung Entzugserscheinungen auftreten, die nur durch erneute Einnahme von Valoron® bekämpft werden können. Im »wissenschaftlichen Packungsprospekt« von Valoron® N sind unverständlicherweise fast ausschließlich Versuche mit parenteraler Gabe beschrieben, wobei das Präparat nur in der oralen Form in den Handel kam. Die Unterstellung von Valoron® N unter die B T M - W ist dringendst erforderlich; bis dahin sollten strengste Maßstäbe bei der Verschreibung beachtet werden.
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J
III—3.3
Naloxonhydrochlorid
Drogen
Kasuistik: Eigener Fall Im August 1976 wurde bei einer Patientin ein intraspinales Meningeom bei Th 7-9 operativ entfernt. Drei Wochen nach der Operation bekam die Patientin als Analgetikum abends 20-25 Tropfen Tilidin. Morgens erwachte sie mit Kribbeln, Ziehen am ganzen Körper und Bauchschmerzen, die nach Valoron®Gabe sofort verschwanden. Bei stundenlangem Aussetzen von Valoron® traten nach ihren Angaben Waden-, Rücken- und Kreuzschmerzen, Schwitzen, nachts Schlaflosigkeit und Angstzustände auf. Seit Frühjahr 1977 nahm sie täglich 4- bis 5mal 20-25 Tropfen Valoron®, die ihr vom Hausarzt verschrieben wurden. Ab Juni 1978 wurde dann Valoron® N verschrieben, welches sie in der obengenannten Häufigkeit mit einer Dosissteigerung auf jeweils 30 Tropfen einnahm. Wegen schwerer Entzugserscheinungen wurde die Patientin aus einem auswärtigen Krankenhaus zu uns verlegt und gab am 6.10.1978 bei uns an, in den letzten Wochen 6mal pro Tag 40-60 Tropfen Valoron® N eingenommen zu haben. Sie klagte über Bauchschmerzen, einen Tremor und Schlaflosigkeit. Es fand sich eine Depression sowie ein Klopfschmerz im BWS-Bereich, Hypalgesie im rechten Bein, Schmerzen im linken Fuß und Blasenentleerungsstörungen. Beim neurologischen Konsil wurde ein Restzustand nach Meningeom-OP festgestellt, wobei Entzugserscheinungen mit generalisierten Schmerzsyndromen deutlich im Vordergrund stehend diagnostiziert wurden. Während des vierwöchigen stationären Aufenthaltes wurde der Patientin Valoron® N abrupt entzogen, und sie erhielt keine Analgetika. Bei wiederholten Drogenfreiheitskontrollen konnte eine Schmerzmitteleinnahme ausgeschlossen werden. Besonders zu beachten: Es ist die orale Gabe von Naloxon in Kombination von Tilidin (Valoron N®, Goedecke) durch die schnelle Inaktivierung im enterohepatischen Kreislauf nicht in der Lage, eine opioidantagonistische Wirkung auszuüben. Wegen seiner oralen Wirkungslosigkeit weigert sich die Herstellerfirma, von Naloxon hierfür Versuchsmuster auszuliefern. Unverständlicherweise vertreibt trotzdem die Firma Goedecke Valoron N, das als Opioid nicht der Betäubungsmittelverordnung unterliegt, weiter mit der Behauptung, das darin enthaltene Naloxon würde oral aufgenommen Entzugserscheinungen bei Morphinisten auslösen. Klinische Erfahrungen haben dies eindeutig widerlegt. Literatur: Quelle: LANDVOGT-HlEBER, E.M.: Klinischer Nachweis der Opioidwirkung von Tilidin und Valoron N. Diss, München 1980. BOVEN VAN, M., DAENENS, P., BRUNEEL, N.: A Death Case Involving Tilidine, Arch. Tox. 36, (1976), 121-125. BEIL, H.-W.: Warnungvor der Verschreibung von Valoron® (Tilidin) an Jugendliche, Hamb. Ärztebl. (1974), 177-178. BEIL, H.-W.: Ist der Tilidinmißbrauch gestiegen? Med. Kün. 72, 26, (1977), 4-6. BEIL, H.-W., TROJAN, A.: Tilidin (Valoron®)-Mißbrauch, MMW 118, 20, (1976), 633-638. 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(Drug Res.) 22,3, (1972), 580-582. EINEM, J. v.: Schreiben der Fa. Goedecke: »Im April 1978«, MÄA 22, (1978), 15. FELDHEGE, F.-J., DAUNDERER, M.: Die medizinisch-psychologische Entzugsbehandlung im Rahmen eines ambulanten Therapieprogramms für jugendliche Drogenabhängige (>Fixer0,1 kg/h 20 mg/m 3; Wassergefährdungsklasse (WGK) 2; Dampfdruck bei 20° C 0,26 mbar; Sättigungskonzentration bei 20° C 1,3 g/m3; rel. Dampfdichte (Luft = 1) 4,25; Verdunstungszahl (Ether = 1) 17; Geruchsschwellwert ca. 18 mg/m 3 lmg/m3= 0,195 ml/m 3 1 ml/m3 = 5,128 mg/m 3 Wirkungscharakter Sehr giftig infolge starker Methämoglobinbildung bei rascher Aufnahme durch Einatmen, Verschlucken und Hautresorption. Gefahr kumulativer Wirkung. Symptome Die hohe Toxizität des Nitrobenzols beruht in erster Linie auf der starken Methämoglobinbildung und der raschen Aufnahme durch Haut und Schleimhäute, auch über die Atmung. Mit Nitrobenzol benetzte, nicht sofort entfernte Kleidung kann zu schweren bis tödlichen Vergiftungen führen. Es wird im Stoffwechsel über Nitrosobenzol zum entsprechenden Hydroxylamin reduziert, das in einem autokatalytischen Kreisprozess fortwährend weiter erzeugt wird, der Grund für die langanhaltende Dauer der Methämoglobinbildung. Die Folge ist eine ausgedehnte Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und den daraus resultierenden Organschäden, wie z. B. Anämie und ggf. Leberschäden. Alkoholaufnahme, auch durch die Haut, und heiße Bäder können, auch nach Tagen noch, Ausbruch und Intensität der Zyanose lebensbedrohend fördern. Hohe Konzentrationen können auch am ZNS angreifen und führen zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfen und komatösen Zuständen. Chronische Einwirkung kann zu Anämie, Haut- und Leberschäden führen. Als Folgen einer akuten Vergiftung sind vegetativ neurasthenische Beschwerden und Sensibilisierung gegenüber Methämoglobinbildnern bekannt. Therapie A 3 Rettung aus Gasmilieu Zur Rettung von bewußtlosen Vergifteten aus gasverseuchten oder verrauchten Räumen möglichst vorher Brandschutzkleidung (Wolle statt Kunststoff) und Atemschutzmaske anlegen und anseilen, die Sicherungen herausdrehen (Explosionsgefahr), sofort Fenster aufreißen oder einschlagen, kein Licht machen und
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Nitrobenzol III -7.3
Lösungsmittel
den Vergifteten rasch aus dem Raum entfernen. Bei Bränden zum Schutz vor giftigem Rauch und zur besseren Orientierung mit dem Kopf nahe am Boden (30 cm) kriechen. Bei Bergung aus Gruben und Silos unbedingt vorheriges Anlegen von schwerem Atemschutz beim Retter und anseilen. Kontaminierte Kleidung sofort entfernen, Haut mit warmem Wasser duschen oder PEG 400 (G 33) auftragen, Augen spülen. B 1 Frischluft Sofort Frischluft, besser mit Sauerstoff angereicherte Luft, zuführen. B 2 Künstliche Beatmung Bei Patienten mit blauen Lippen sofort mit der künstlichen Beatmung beginnen, am besten mit einem Beatmungsbeutel; nur im Notfall durch Mund- zu-Nase-Beatmung. Der Retter vermeidet einen Kontakt mit der Ausatmungsluft des Vergifteten. Die Beatmungsfrequenz beträgt bei Erwachsenen 12 mal pro Minute, bei Kindern 30mal pro Minute. Am Ende des Beutels kann eine Sauerstoffleitung angeschlossen werden, falls mit sauerstoff-angereicherter Luft beatmet werden soll. Richtige Maskengröße wählen! Der Arzt wird Bewußtlose intubieren und bei geblockter Manschette mit dem Atembeutel beatmen. In der Klinik wird die Beatmung maschinell, z. B. mit PEEP durchgeführt. C 1 Herz-Lungen-Wiederbelebung Sowohl toxisch als auch anoxisch können Herzrhythmusstörungen auftreten. Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Atropin (G 6) oder Orciprenalin (G 2), tachykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Lidocain (G 61) oder Phenytoin (G 71) therapiert. Ein Herzstillstand liegt vor bei: a) plötzlicher Bewußtlosigkeit b) weiten, lichtstarren Pupillen c) Fehlen des Pulses (am Hals oder in der Schenkelbeuge) d) Schnappatmung, dann Atemstillstand Herzmassage und Beatmung werden von einem oder von zwei Helfern durchgeführt. Den Erfolg der Herzdruckmassage stellt man durch folgendes fest: a) tastbarer Puls b) Reagieren der Pupillen auf Licht c) Wiederauftreten spontaner Atembewegungen Intratracheal oder i.v. Injektion von Adrenalin (G 56) bis 0,5 mg. C 2 Schock Zeichen des Schocks: a) aschgraue, kalte Arme und Beine b) kaum tastbarer, schneller Puls (über 100 Schläge pro Minute) c) Schlecht meßbarer Blutdruck (unter 100 mm/Hg) d) oberflächliche, schnelle Atmung e) Ausbleiben einer ausreichenden Urinproduktion (unter 20 ml pro Std.) Der Vergiftete kann im Schock sterben, daher stets dem Schock vorbeugen durch Laienmaßnahmen: a) Ruhe b) Wärme (Unterlage, Zudecke) c) flache Lagerung (Beine hoch, Kopf tief = körpereigene »Bluttransfusion«) d) warme Getränke (Tee, Kaffee) Schocktherapie (Arzt): a) Als Therapievoraussetzung wird vom Arzt meist ein zentraler Zugang z.B. über eine Subclavia-Anonyma-Punktion gelegt.
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Lösungsmittel
Nitrobenzol III-7.3
b) Beim hypovolämischen, dem häufigsten Schock bei Vergiftungen, erfolgen sofortige Infusionen ausreichender Mengen von Gelatine- oder HES- Lösungen (Plasmaexpander). Bei Vergiftungen wird wegen Urineindickung möglichst wenig Dextran infundiert. Keine peripheren Kreislaufmittel, die die Nierendurchblutung drosseln wie Adrenalin- oder Noradrenalinderivate, sondern anschließend Infusion von Dopamin (G19). c) Beim schweren anaphylaktischen Schock kann die initiale Injektion von Adrenalin (0,05 bis 0,1 mg langsam i.v. G 56) indiziert sein; die Dosis kann in Abständen von 1-2 min. wiederholt werden. d) Beim kardiogenen Schock kann Dopamin (G 19) im Dauertropf gegeben werden (Dosierung: 4 gamma/ kg/min, d. h. 50 mg in 500 ml Laevulose, 40 Tropfen pro min. bei 50 kg). e) Es folgt die Bekämpfung derAzidose mit Bikarbonatdosen entsprechend wiederholten arteriellen Blutgasanalysen oder im Notfall vorübergehend dem Urin-pH (über 7) (G 35). f) Bei Spastik im Bronchialtrakt Theophyllin (G 20) oder Orciprenalin (G 2). E 1 Haut Sofort unter die lauwarme Dusche gehen oder ein Vollbad nehmen, in jedem Fall benetzte Kleider entfernen, sofort Wasser trinken. Benetzte Haut mit Wasser und Seife reinigen. Möglichst sollte Polyethylenglykol 400 (G 33) verwandt werden. In keinem Fall Benzin oder andere Lösungsmittel, die die Resorption de Giftes fördern könnten, verwenden! Das volle Ausmaß der Hautschäden kann erst nach Stunden sichtbar werden. Nach Verätzungen Grad I und II Flumetason Schaum auftragen (G 31). Bei Verbrennungen ebenfalls sofort mit Kleidern in kaltes Wasser springen bzw. Extremitäten unter fließendes kaltes Wasser mindestens 15 (!) Minuten halten; dabei Kleider entfernen. Dann in Rettungsdecke (Aluminiumfolie, H 14) einwikkeln und wie unter C 2 (Schocktherapie) angegeben verfahren. Viel trinken lassen; Volumina notieren, keine Hautcremes, -puder oder -salben auftragen, steril verbinden. Als Schmerzmittel kann Metamizol (G 42) oder, nur durch den Arzt, Morphin (G 18) gegeben werden. E 2 Augen Mit beiden Händen das Auge weit aufhalten und ca. 10 Min. unter fließendem Wasser oder mit der Augenspülflasche oder mit einer Plastikspritzflasche, die mit Leitungswasser oder physiologischer Kochsalzlösung gefüllt ist oder mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) spülen. Bei Schmerzen in das betroffene Auge zur Schmerzlinderung Chibro-Kerakain- Tropfen (G 13) tropfen und anschließend zur Pufferung mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) beide Augen spülen. Anschließend wird ein Deckverband (Taschentuch oder Halstuch) über das vergiftete Auge gelegt und der Verletzte möglichst bald zum Augenarzt geführt. E 6 Entgiftung fettlöslicher Gifte (Lösungsmittel) Bei jedem Verdacht auf eine Vergiftung mit fettlöslichen geschluckten Giften sollte möglichst vor dem Erbrechen oder einer Magenspülung Kohle-Pulvis (G 25) eingegeben werden, da es fettlösliche Substanzen bindet. Die gebundenen Gifte können somit nicht ins Blut gelangen und den Magen-Darm-Kanal rasch wieder verlassen. F 5 Spätschäden Nachkontrolle der Leberwerte (Cholinesterase, Gamma GT, GPT, Quickwert, Blutgerinnungsfaktoren), der Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff, Kalium, Natrium, Phosphor), des Blutbildes, der Lungenfunktion, des Röntgenbildes und des EEG's bei ZNS-Schäden drei bzw. zehn Tage nach einer Vergiftung. G33 PEG 400 G57 Toluidinblau Literatur KÜHN/BIRETT, H.: Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, ecomed, Landsberg, 1988
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Medikamente
Nomifensin
III—8.3
Nomifensin
Synonym: l,2,3,4-Tetrahydro-2-methyl-4-phenyl-8-isochinolinamin Chemische Formel: C 16 H 17 N 2
Verwendung: Indikationen: Alle Formen der Depressionen, Zwangsneurosen, akute Angst- und Erregungszustände, Schlaflosigkeit, Enuresis nocturna. Vorkommen: Seit 1973 im Handel. Dosierung: Erwachsene 50-300 mg pro Tag; Kinder 25-75 mg pro Tag je nach KG Alival® (Hoechst), 1 Kps. enth.: Nomifensinhydrogenmaleinat 25/50 mg Psyton®: Nomifensin + Clobazam Wirkungscharakter: Starke Lipophilie, hohe Eiweißbindung, lsochinolinderivat. Metabolismus: Schnelle und vollständige Resorption aus Magen- und Darmtrakt. Hohe Plasmaproteinbindung (32-96 %), rascher Abstrom jedoch in die Gewebe. Niedrige Plasmakonzentration auch durch starke Lipophilie bedingt. Schnelle Passage der Zellmembran und intrazelluläre Anreicherung. Bei Intoxikationen Plasma-Gewebekonzentrationen von 1:100. Elimination erfolgt mit Plasma-HWZ von 8 ^ 6 Std. (Ringoir). Anreicherung der Substanzen in Lunge, Leber, Milz größer als in Niere und Gehirn, niedrigste Konzentration in Herz und Skelettmuskel. Die lipophilen Ausgangssubstanzen werden in hydrophile Metaboliten überführt. Schritte ihrer metabolischen Umwandlung sind: Demethylierung, Oxydation am Stickstoff, am Ring und an der Seitenkette, Hydroxylierung sowie anschließende Konjugation mit Glucuronsäure. Langsame Ausscheidung in metabolisierter Form über die Niere. Die Wirkung der Antidepressiva wird mit einer Beeinflussung der biogenen Amine im ZNS in Zusammenhang gebracht. Sie hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin in die adrenergen Nervenendigungen, wodurch die Konzentration dieser Substanzen im synaptischen Spalt und somit am Rezeptor erhöht wird. Dadurch Wirkungsverstärkung der biogenen Amine. Die Antidepressiva beeinflussen sowohl die Psyche als auch das Vegetativum. Außerdem wirken sie mehr oder weniger stark anticholinerg und membranstabilisierend. An weiteren pharmakologischen Eigenschaften haben die Thymoleptika einen mehr oder weniger ausgeprägten Antihistamin- und Antiapomorphineffekt sowie eine lokalanästhetische Wirkung. Neben wirk ungen: Herz-Kreislauf: Rhythmusstörungen, koronare Komplikationen, Herzinsuffizienz (bei vorgeschädigtem Myokard), Sinustachykardie, Hypotonie. ZNS: Halluzinationen, Erregungszustände, Müdigkeit, Verminderung des REM-Schlafes, Tremor, Rigor, Hypokinesie, Paraesthesie, Schwindel, Dysartrie.
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III—8.3
Nomifensin
Medikamente
Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen, epigastrische Schmerzen, Obstipation und Diarrhoe, paralytischer Ileus. Leber: Ikterus, SGPT- und AP-Erhöhung. Niere: Harnverhaltung, Polyurie, Ödeme. Blut: Leukopenie, Agranulozytose, Leukozytose, Eosinophilie. Endokrinum: Erniedrigung des Blutzuckerspiegels, außerdem bei Frauen Galaktorrhoe, Dysmenorrhoe. Wechselwirkungen: Wirkungsverstärkung durch: Schilddrüsen-Hormone, Cortison, Testosteron, Methylphenidat, Phenothiazine, andere Anticholinergika. Wirkungsminderung durch: Barbiturate in therapeutischen Dosen, dagegen in toxischen Dosen Potenzierung der Nebenwirkungen. Wirkungsverstärkung folgender Pharmaka durch trizyklische Antidepressiva: Sympathikomimetika, Vasodilatoren, Narkotika, Benzodiazepine. Wirkungsminderung folgender Pharmaka durch trizyklische Antidepressiva: Guanethidin, a-Methyldopa, Reserpin. Nebenwirkungen: Folgende allgemeine Symptome können auftreten: Schlafstörungen, Unruhe, Mundtrockenheit, Übelkeit, Verstopfung, Appetitminderung, Gewichtsverlust, Benommenheit, Schwindelgefühl, Verwirrtheit, schneller Puls, Kopfschmerzen, Müdigkeit, feinschlägiges Fingerzittern (Tremor), Hautreaktionen. Bei den ersten Anzeichen von allergischen Überempfindlichkeitsreaktionen ist Nomifensin sofort abzusetzen. Es wurde über einige Fälle von Bewußtseinstrübung berichtet, die bei älteren Patienten nach längerer Anwendung auftraten, zum Teil länger anhielten und mit Störungen der Atmung verbunden waren. Es liegt nahe, daß diese Reaktionen durch den Benzodiazepin-Anteil (Clobazam) ausgelöst wurden, da solche Symptome nach längerem Gebrauch von Benzodiazepinen beschrieben worden sind. Wie bei allen anderen Benzodiazepin-haltigen Arzneimitteln ist bei fortgesetzter Anwendung der therapeutische Nutzen gegen das Risiko von Gewöhnung und Abhängigkeit abzuwägen. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 0,05-0,4 mg/1 (Vereczkey; Dawling) Letale Konzentration: 0,5 mg/1, 600 mg (10 mg/kg) (Reyfer) bei Kindern muß ab 7 mg/kg mit lebensbedrohlichen Verläufen und ab 10 mg/kg mit Todesfällen gerechnet werden. Symptome: Kardiovaskuläre Störungen: EKG-Veränderungen (AV-Block, I.-III. Grades, Rechts- oder Linksschenkelblock, intraventrikulärer Block, Flimmern). Blutdruckabfall, Tachykardie; Zentrale anticholinergische Symptome: Koma, Krämpfe, Myoklonien, Opisthotonus, Choreoathetose, Ataxie, Hyperreflexie, Atemdepression bis Atemstillstand. Peripher anticholinergische Erscheinungen: Mydriasis, Harnretention, Obstipation, Hyperthermie. Nachweis: Qual.: Dünnschichtchromatografie, Radioimmunessay (Heptner) Quant.: Gaschromatografie (Bailey; Chamberlain; Dawling; Mclntyre) Therapie: - primäre Giftelimination: Kohle-Pulvis Gabe, Magenspülung (auch noch nach Stunden, da atropinartiger Effekt Verlangsamung der Magen-Darm-Peristaltik bewirkt); Gabe von Kohle-Pulvis und Glaubersalz (evtl. mehrmals wegen enterohepatischem Kreislauf). - sekundäre Giftelimination: ineffektiv (großer Verteilungsraum, relativ geringe Plasmakonzentration). - Antidotbehandlung mit Physostigminsalizylat: bei Erwachsenen 2 mg i.m. oder langsam i.v. bei Kindern 0,5-1 mg i.m. oder langsam i.v., Wiederholung bei Bedarf.
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Medikamente
Nomifensin III—8.3
Literatur: BAILEY, E., FENOUGHTY, M., RlCHARDSON, L.: Automated high-resolution gas Chromatographie analysis of psychotropic drugs in biological fluids using open-tubular glass capillary columns. J. Chrom. 131: 347-355, 1977. CHAMBERLAIN, J., HILL, H. M.: A simple gas Chromatographie method for the determination of nomifensine in plasma and a comparison of the method with other available techniques. Brit. J. Clin. Pharm. 4: 117S-121S, 1977. CROME, P., CHAND, S.: The clinical toxicology of nomifensine: comparison with tricyclic antidepressants. Roy. Soc. Med., Int. Cong. Symp. Ser. 25: 5 5 - 5 8 , 1 9 8 0 . DAWL1NG, S., BRAITHWAITE, R., MONTGOMERY, S. A.: Analytical measurement and pharmacokinetics of nomifensine. Roy. Soc. Med., Int. Cong. Symp. Ser. 25: 39-45,1980. HEPTNER, W., BADIAN, M. J., BAUDNER, S. et al.: Determination of nomifensine by a sensitive radioimmunoassay. Brit. J. Clin. Pharm. 4: 123S-127S, 1977. HEPTNER, W., HORNKE, I., CAVAGNA, F. et al.: Metabolism of nomifensine in man and animal species. Arz. Forsch. 28: 58-64, 1978. MclNTYRE, I. M., NORMAN, T. R., BURROWS, G. D., MAGUIRE, K. P.: Determination of nomifensine plasma concentrations: a comparison of radioimmunoassay and gas chromatography. Brit. J. Clin. Pharm. 12: 6 9 1 - 6 9 4 , 1 9 8 1 . MONTGOMERY, S., CROME, P., BRAITHWAITE, R.: Nomifensine overdose. Lancet 1: 828-829, 1978. REYFER, A. F., FRYE, O., KROMPECHER, T., ZWAHLEN, A. L.: Selbstmord durch Vergiftung mit einem Medikament, dessen aktive Substanz Nomifensin ist. Beitr. Gerichtl. Med. 37: 313-318, 1979. RlNGOIR, S., LAMEIRE, N., MUNCHE, M. et al.: Pharmacokinetics of nomifensine in impaired renal function. Brit. J. Clin. Pharm. 4: 129S-134S, 1977. VERECZKEY, L., BlANCHETTI, G., GARATTINI, S., MORSELLI, P. L.: Pharmacokinetics of nomifensine in man. Psychopharm. 45: 225-227, 1975. VERECZKEY, L., BlANCHETTI, G., ROVEI, V., FRIGERIO, A.: Gas Chromatographie method for the determination of nomifensine in human plasma. J. Chrom. 116: 451-456,1976. VOHRA, J. K., BURROWS, G. D., MclNTYRE, I., DAVIES, B.: Cardiovascular effects of nomifensine. Lancet 2: 902-903, 1978.
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III–8.3
Herzmittel
Medikamente
Noradrenalin Synonyma: 1-Norepinephrin; ethanol
2-(3,4-Dihydroxyphenyl)-2-hydroxyethylamin;
2-Amino-2-(3,4-dihydroxyphenyl)-
Chemische Formel: C 8 H, , N O , Ö
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Handelspräparate: Hoechst Marion Roussel: Arterenol Jenapharm: Noradrenalin 1:1000 Jenapharm Vorkommen im Trinkwasser: Über den Urin der Anwender gelangen alljährlich große Mengen der Reinsubstanz über das Abwasser in das Grundwasser und von dort in manches Trinkwasser. Beschaffenheit: weißes oder fast weißes, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack; löslich in Wasser 1:2,5, in Alkohol 1:300, praktisch unlöslich in Chloroform und Ether; 1%ige Lösung in Wasser hat pH von 3-5; unverträglich mit alkalischen und oxidierenden Substanzen; SP = 102 °C. Vor Licht und Luft schützen! Wirkungscharakter: Noradrenalin ist ein sehr starkes, peripher wirkendes Sympathikomimetikum; es stimuliert vornehmlich die a-Rezeptoren, im geringen Grad auch die l-Rezeptoren; - Herz-Kreislauf-System: periphere Vasokonstriktion, der periphere Widerstand steigt; systolischer und diastolischer Blutdruck steigen; die positive Wirkung am Herzen wird weitgehend durch reflektorische Vaguswirkung kompensiert, so daß die Herzfrequenz gleich bleibt; die Herzarbeit wächst, die O 2 Bilanz wird schlechter; deshalb können bei Hyperthyreose oder Cor pulmonale schon geringste Mengen gefährliche Folgen haben; bei Gefäßsklerose besteht Gefahr der Ruptur durch plötzlichen Blutdruckanstieg; die Koronardurchblutung steigt durch die geringe ß-Wirkung und die vagale reflektorische Wirkung; - Uterus: Kontraktionen besonders während der Gravidität möglich - Niere: Durchblutung nimmt ab - Magen-Darm-Trakt: Erschlaffen der Längsmuskulatur, Kontraktion der Sphincteren - Auge: Mydriasis - Blase: Tonuserhöhung des Sphincters - ZNS: Noradrenalin ist nicht liquorgängig, deshalb kaum zentralnervöse Wirkungen Wirkungsverstärkung durch halogenierte Anästhetika (begünstigt Arrhythmien), Reserpin, Guanethidin, Cocain, tricyclische Antidepressiva, MAO-Hemmer; und besonders durch Atropin Arrhythmien werden auch begünstigt durch Digitalis, Quecksilberdiuretika, Chinidin; Wirkungsumkehr durch Phenoxybenzamin und andere a-Blocker.
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Medikamente
Herzmittel
III–8.3
Stoffwechselverhalten: Resorption: nach peroraler Aufnahme Zerstörung der wirksamen Struktur von Noradrenalin durch Methylierung der OH-Gruppe in Position 3 in den Mucosazellen Metabolismus: Methylierung der meta-ständigen OH-Gruppe am Ring durch COMT besonders in der Leber; es entsteht Normetanephrin; durch MAO erfolgt oxydative Desaminierung zu Vanillinmandelsäure, daneben laufen Sulfatierung oder Glucuronidierung ab. Die Metaboliten werden im Urin ausgeschieden, nur etwa 5% werden unverändert ausgeschieden. Indikationen: verschiedene Schockformen, Vergiftungen und schwere Infektionen, Zusatz zu Lokalanästhetika
Kontraindikationen: Hypertonie, Thyretoxikose, Phäochromocytom, Engwinkelglaukom, Prostataadenom, paroxysmale Tachykardie, hochfrequente absolute Arrhythmie, Koronar- und Herzmuskelerkrankungen, Arteriosklerose, Cor pulmonale lokal: Anästhesie im Endstrombereich besonders der Finger, Zehen, Nasenspitze, Penis; nie zusammen mit halogenierten Anästhetika (Halothan etc.) oder MAO-Hemmern verabreichen!
Toxizität: Mehrere Fälle mit schweren Überdosierungserscheinungen und tödlichem Ausgang wurden nach Noradrenalintherapie bekannt. Nebenwirkungen: Stoffwechsel: Hyperglykämie Herz: Herzklopfen Ventrikuläre Rhythmusstörungen Pektanginöse Beschwerden
Symptome: Herzklopfen, ventrikuläre Rhythmusstörungen, pectanginöse Beschwerden, reflektorische Bradykardie, Tachykardie, Hypertonie, restrosternale und pharyngeale Schmerzen Verstärkung von Hyperglykämien bei Diabetikern Angst, Kopfweh, Photophobie, Schwitzen Erbrechen Schwellen der Thyreidea Kreislaufzentralisation, Schock, Schwindel, Koma, Kammerflimmern, Atemlähmung, Lungenödem blasse bis blassgraue Haut, kalt, schlecht durchblutet nach paravenöser Injektion Phlebitis, Schorfbildung, später ausgedehnte, tiefe Nekrosen nach längerer Anwendung Myocardnekrose entsprechend der von Adrenalin bekannten Epinephrinmyokarditis
Nachweis: Dünnschicht-, Papierchromatographie Infrarot-, UV-Spektrometrie RIA
Daunderer – Klinische Toxikologie – 152. Erg.-Lfg. 8/01
123
III–8.3
Herzmittel
Medikamente
Therapie: Flachlagerung, vorsichtige Infusion eines vasodilatatorisch w i r k e n d e n Seealepräparats oder andere sympathikolytisch wirkender M e d i k a m e n t e . Bei paravasaler Gewebsschädigung: Infusion unterbrechen bzw. durch zentralvenösen Katheter weiterführen. Infiltration mit einem vasodilatatorisch w i r k e n d e n Präparat: Mittel der 1. W a h l Phentolamin (Regitin® - ausländisches Präparat) u.U. in H y a l u r o n i d a s e . Literatur: CONGER, J . D . : Effect of acetylcholine on the early phase to reversible norepinephrine-induced acute renal failure. Kidney Int. 19 (3), 399-405 (1981). DOWNING, S.E.: Contribution of a-adrenoeeptor activation to the pathogenesis of norepinephrine cardiomyopathy. Circ. res. 52 (4), 4 7 1 - 8 (1983). REICHELT, W . : Pharmacological modifications of right-to-left shunt in tetralogy Fallot with a history of hypoxic attacks: effects of dehydrobenzoperidol and norepinephrine during anesthesia. Anästesist 31 (8), 3 8 3 - 6 (1982).
124
Daunderer — Klinische Toxikologie — 152. Erg.-Lfg. 8/01
III-8.3 Norfenefrin
Medikamente
Norfenefrin
Synonyma: l-(3-Hydroxyphenyl)-2-aminoethanol; Norphenylefrin; Chemische Formel:
C8H11NO2 Beschaffenheit: Färb- und geruchlose, kristalline Substanz; gut wasserlöslich, löslich auch in Alkohol; SP = 159-160° C; MG = 153,2; 6,19 mg Norfenefrin-HCl entsprechen 5 mg freie Base Verwendung: Hypotonie, orthostatische Störungen, parenteral bei bestimmten Schockformen, auch nach RR-Abfall durch Reserpin, Phenothiazine, bei Vergiftungen mit Barbituraten, organischen Lösungsmitteln, Morphin, CO, Alkohol. Kontraindikation: Gravidität im letzten Trimenon, während der Geburtshilfe; Thyreotoxikose, Phäochromozytom, Engwinkelglaukom, Hypertonie Vorkommen: Dosierung: Erwachsene 3x/d 6-12 mg; Kinder ab 6 Jahren 3x/d 6 mg; Kinder ab 12 Jahren 4x/d 6 mg; TMD 135 mg/d; intravenöse Verabreichung nur nach Verdünnung von 1 ml (= 10 mg) mit 20 ml Glucoselösung sehr langsam! Adyston® Retardkps.: 1 Kps. enthält 25 mg Norfenefrin-HCl + 25 mg Pholedrinsulfat (Krewel) Bayrotren® Kps.: 1 Kps. enthält 10 mg Norfenefrin-HCl + 100 mg Heptaminol-HCl (Bayropharm) Depot-Novadral® Amp.: 1 Amp. ä 1 ml enthält 10 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Emacosan® Tropfen: 1 ml (20 gtt) enthält 6 mg Norfenefrin-HCl + 75 mg Pentetrazol (Atmos) Hypolind® A Drg.: 1 Drg. enthält 2 mg Norfenefrin-HCl + Pflanzenextrakte (u. a. 3 mg Kampher) (Lindopharm) Hypolind® forte Drg.: 1 Drg. enthält 24 mg Norfenefrin-HCl (Lindopharm) Hypolind® retard Drg.: 1 Drg. enthält 12 mg Norfenefrin-HCl (Lindopharm) Norfenefrin retard forte-ratiopharm® Tbl.: 1 Tbl. enthält 45 mg Norfenefrin-HCl (ratiopharm) Normotin® P protrahiert Drg.: 1 Drg. enthält 8 mg Norfenefrin-HCl + 20 mg Etamivan + 100 mg Heptaminol-HCl (OTW) Normotin® R rapid Tropfen: 1 ml (20 gtt) enthält 4 mg Norfenefrin-HCL + 20 mg Etamivan + 50 mg Heptaminol-HCl (OTW) Novadral® Tropfen: 1 ml (20 gtt) enthält 6 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Novadral® Amp.: 1 Amp. ä 1 ml enthält 10 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Novadral® per inf.: 1 Amp. ä 5 ml enthält 50 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Novadral® retard Drg.: 1 Drg. enthält 15 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Novadral® retard forte Drg.: 1 Drg. enthält 45 mg Norfenefrin-HCl (Gödecke) Ordinal® forte Drg.: 1 Drg. enthält 20 mg Norfenefrin-HCl + 100 mg Octodrin-10-camphersulfonat (Asche) Ordinal® retard Drg.: 1 Drg. enthält 3 mg Norfenefrin-HCl + 100 mg Octodrin-10-camphersulfonat (Asche) Stagural® Kps.: 1 Kps. enthält 25 mg Norfenefrin-HCl (Stada-Chemie) Tonolift® efeka retard Drg.: 1 Drg. enthält 20 mg Norfenefrin-HCl + 50 mg Etamivan + 50 mg Etofyllin (Efeka)
1
Daunderer - Klinische Toxikologie - 2 1 . Erg.-Lfg. 10/86
Medikamente
Norfenefrin
III-8.3
Tonovit® Kps.: 1 Kps. enthält 5 mg Norfenefrin + Vitamine (Gödecke) Vasazol® retard Drg.: 1 Drg. enthält 12 mg Norfenefnn-HCl (Hormosan) Wirkungscharakter: Nahezu reines -Sympathomimetikum, schwächere Wirkung als Noradrenalin; minimale ß-Wirkung; Noradrenalin substituiert vollwertig fehlendes Noradrenalin an den Synapsen z.B. bei essentiellem, postinfektiösem, toxischem oder postoperativem Noradrenalinmangel, ohne die Wiederauffüllung der Vesikel mit körpereigenem Noradrenalin zu stören. Die Wirksamkeit beträgt 1/25-1/30 der Noradrenalinwirkung. HerzKreislauf-System: derperipherearterielleTonusunddamit auch der Blutdruck steigt; venentonisierende Wirkung, der venöse Rückstrom zum Herzen wird gefördert; es kommtzu reflektorischer Bradykardie und Myokardentlastung; Herzkranz-und Zerebralgefäße werdennicht beeinflußt. Norfenefrinhatkeine Wirkungauf den Kohlehydrathaushalt. Wirkungsverstärkung durch trizyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer, Guanethidin. Wirkungsabschwächungdurch Phenothiazine. Durch die fehlende OH-Gruppe in Position 4 wird Norfenefrin gegenüber Noradrenalin chemisch stabiler, was sich in guter oraler Wirksamkeit und verlängerter Wirkdauer äußert. 80 % sind nach 24 Std. renal ausgeschieden, 90 % nach 48 Std. Der Metabolismus erfolgt über Konjugation und Desaminierung zu m-Hydroxymandelsäure. Die HWZ beträgt 2-2 V2 Std. Toxizität: LD50 Maus 75 mg/kg KG i.v. Symptome: Blässe, Hypertonie, Tachykardie, pektanginöse Beschwerden, ventrikuläre Rhythmusstörungen bis Kammerflimmern, Bradykardie, Hyperventilation, Dyspnoe, Lungenödem, Muskeltremor, Unruhe, Angst, Somnolenz, Krampfanfälle, Blutungen im Augenhintergrund, toxisches Lungenödem, Leukozytose, Exitus. Nachweis: Dünnschichtchromatographie; Farbreaktion mit diazotiertem p-Nitranilin Therapie: Kohle-Pulvis, evtl. Magenspülung, Kohle-Natriumsulfatinstillation, bei extremer Bradykardie Atropin, bei zentralen Symptomen Diazepam, Barbiturate, bei Dyspnoe und Lungenödem O 2 -0berdruckbeatmung Kasuistik: Eine 28jährige, gesunde Patientin hatte am 6.11.1983 in suizidaler Absicht 50 Dragees Ordinal® forte (pro Dragee 100 mg Octodrin-10-Campfersulfonat, 20 mg Norfenefrinhydrochlorid) und gleichzeitig 30 Dragees Phlogont® (100 mg Oxyphenbutazon) eingenommen. Noch vor dem Auftreten klinischer Symptome wurde die Patientin nach Auffinden durch den Ehemann in die Notaufnahme gebracht. Der körperliche Untersuchungsbefund ergab keine Auffälligkeiten außer einer Sinustachykardie von 104/ min und einem Blutdruck von 160/90 mm Hg sowie einer Vigilanzverminderung mit psychomotorischer Unruhe bei regelrechtem Reflexstatus. Etwa 4 Stunden nach stationärer Aufnahme klagte die zu diesem Zeitpunkt wieder deutlich wachere Patientin über Atemnot. Die Röntgen-Thoraxuntersuchung ergab bei regelrechter Herzgröße und -konfiguration diskrete, zum Teil konfluierende Verdichtungen in symmetrischer Verteilung beiderseits perihilär. Die Lungenauskultation war unauffällig. Die kapilläre Blutgasanalyse zeigte bei einem p 0 2 von 116 mm Hg, p C 0 2 , von 23 mm Hg und einem pH von 7,54 die Zeichen einer Hyperventilation mit respiratorischer Alkalose. Sonstige pathologische Laboratoriumswerte: LDH351,GOT21,GPT54,GLDH 14 U/1, Leukozyten 35 600/ul mit 10 % Stabkernigen. Im weiteren Verlauf kam es innerhalb weniger Stunden zum Auftreten einer respiratorischen Partialinsuffizienz (p0 2 46,3 u n d p C 0 2 35,9 mm Hg, pH 7,1). Die Auskulation ergab im Bereich der gesamten Lunge feinblasige, nicht klingende Rasselgeräusche. Radiologisch zeigte sich das Bild eines ausgeprägten schmetterlingsförmigen Lungenödems ohne Pleuraerguß.
Daundcrer- Klinische Toxikologie- 2 l.Erg.-Lfg. 10/86
2
III-8.3
Norfenefrin
Medikamente
Echokardiographie: regelrechte atrioventrikuläre Dimensionen, kein Anhalt für Perikarderguß. Swan-Ganz-Katheteruntersuchung: pulmonal-arterieller Druck 16/12 mm Hg (Mitteldruck 16 mm Hg), Pulmonalkapillardruck 12 mm Hg, somit Ausschluß einer Linksherzinsuffizienz. Sonographie des Abdomens: Befund wie bei linksseitiger Nephrolithiasis, ansonsten regelrechtes Abdominalsonogramm, insbesondere auch im Pankreasbereich keinerlei Auffälligkeiten. Diagnose: akute respiratorische Insuffizienz bei medikamentös-toxisch bedingtem Lungenödem. Therapie und Verlauf: Nach initialer Giftdekontamination mittels Magenspülung wurde die Patientin aufgrund des sich progredient entwickelnden Lungenödems intubiert und mit positivem endexspiratorischem Druck beatmet. Nach schneller Normalisierung der arteriellen Blutgase kam es innerhalb von 4 Tagen zu vollständiger Rückbildung der klinischen und radiologischen Symptomatik. Der weitere Verlauf war komplikationslos. Die ätiologische Deutung des Krankheitsbildes bereitete vorübergehend Schwierigkeiten, da eine Bestätigung für den Zusammenhang mit der Intoxikation zunächst nicht zu erhalten war (telefonische Rücksprache mit den Vergiftungszentralen Berlin und Mainz). Differentialdiagnostisch ließ sich jedoch kein richtungsweisendes organpathologisches Korrelat finden. Zwar zeigte sich eine leichte Lipasämie von 166 U/1, bei der täglichen sonographischen Kontrolle blieb das Pankreas bei guter Einsehbarkeit in Kontur, Struktur und Homogenität aber unauffällig. Von dem zuständigen ärztlichen Ressortleiter der Herstellerfirma des Ordinal forte (Asche, Hamburg) war schließlich in Erfahrung zu bringen, daß ähnliche kasuistische Beobachtungen bei Ordinalforte-Intoxikationen bereits vorliegen, wenngleich unpubliziert. Welchen Anteil in diesem Fall die bekannte flüssigkeitsretinierende Wirkung von Oxyphenbutazon an der Entstehung des Lungenödems gehabt haben mag, muß dahingestellt bleiben. Es hat sich jedenfalls nicht um ein pankreatitis-induziertes ARDS gehandelt. Das Vorliegen einer Pankreatitis muß man aufgrund der hohen Amylaseaktivität im Serum akzeptieren, und man darf sicherlich auch unterstellen, daß weitere korroborierende Befunde zu erheben waren. Obwohl offenkundig keine strenge Korrelation zwischen dem Schweregrad akuter Pankreatitiden und dem Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz gegeben ist, hat der geschilderte glimpfliche Verlauf trotz der prognostisch als ungünstig geltenden initialen Hypoxämie (pCö1 36 mm Hg) doch sehr überrascht. Baetke hält deshalb differentialdiagnostisch ein primär medikamentös-toxisch ausgelöstes Lungenödem für diskussionswürdig, insbesondere unter Berücksichtigung der schon vorliegenden Kasuistiken von Ordonal-forte-Intoxikationen. Diesen Krankheitsbildern scheint gemeinsam zu sein, daß aus klinischer Beschwerdefreiheit heraus innerhalb kurzer Zeit ein Lungenödem auftreten kann; des weiteren haben sich jeweils auffällige hohe Leukozytenzahlen (30 000 - 40 000/nl) feststellen lassen. Es dürfte deshalb gerechtfertigt sein, eine unverzügliche intensivmedizinische Überwachung solcher Patienten zu fordern. (Baetke, 1985). Literatur: BAETKE, R., BERNHARDT, V.: Medikamentös-toxisch bedingtes Lungenödem. DMW 110/34,1313 (1985). BOUMGHAR, M., CAVIN, R.: Respiratorische Komplikationen bei schwerer akuter Pankreatitis. Schweiz. Rundsch. Med. 67(1978), 1394. CHERNOW, B.: Endogenous and exogenous catecholamines in critical care mediane. Crit. Care Med. 10(6); 409-16 (114 ref.) (1982). DE TROYER, A.: Impairment of pulmonary function in acute pancreatitis. Chest 73 (1978), 360. JACOBS, M. L., DAGGETT, W. M., CIVETTA, J. M. et al.: Acute pancreatitis. Analysis of factors influencing survival. Ann. Surg. 185 (1977), 43. LAVERTY, R.: Catecholamines: role in health and disease. Drugs 16(5); 418-40 (1978). MALLORY, A., KERN, F.: Drug-induced pancreatitis. A critical review. Gastroenterology 78 (1980), 813. MURPHY, D., IMRIE, C, PACK, A. et al.: The mechanism of acute respiratory insufficiency in acute pancreatitis. Brit. J. Surg. 63 (1976), 669. v. SCHEIDT, W., LUDWIG, B., LANG, M., KRAWIETZ, W., AuTENRIETH, G.: Oberbauchschmerzen und rasch progrediente Atemnot nach Überdosis eines Antihypotonikums. Dtsch. med. Wschr. 110 (1985), 857. WALKER, R. F.: The first family (adrenaline, noradrenaline, dopamine, octopamine, thyramine,phenylethanolamine and phenylethylamin). Comp. Biochem. Physiol. (C) 61 C(2); 26J-6 (1978).
J
I);iundcrer-Klinischt'To\ikologie-21. Krg.-Lfg. 10üh
D-(+)-Norpseudoephedrin
Drogen
III—3.3
D-(+)-Norpseudoephedrin (—» Amphetamine) Synonyma: D-a-(l-Aminoethyl)-benzylalkohol Cathin, wirksamstes Alkaloid des Kath (d-Nor-Isophedrin) psi-Norephedrin threo-1 -Hy droxy-1 -phenyl-2-Aminopropan threo-2-Amino-l-Hydroxy-l-phenylpropan Khat, Qat Chemische Formel:
3
OH
Beschaffenheit: Hauptwirkstoffe: 0,09 % Alkaloide; Cathinon, das beim Welken der Blätter in Cathin C 9 H 13 NO, F 75°C übergeht, Cathinin, Cathidin, L-Ephedrin und Edulin. Cathin wurde als d-Nor-Isoephedrin identifiziert. Ätherisches Ol in Spuren. 1 Kilo frischer Kath-Blätter enthält 2,7 g Cathin, 3,2 g Cathidin, 1,5 g Cathinin. Verwendung: Als Rauschdroge, als Genußmittel. Kath wird bei den Jemeniten hauptsächlich gekaut. Mehrere Blätter werden vom Kathbündel gepflückt und als kleiner Kloß in die Backentaschen gesteckt, dazu wird viel getrunken und nach ca. 15 min., wenn die Blätter ausgesogen sind, ausgespuckt. 100-200 g Droge wird pro Person konsumiert. In Südafrika bereitet man mit 5-15 g Kath auf 1 1 Wasser einen Tee. Als Paste wird es in Äthiopien (trockenes Kath, Honig, wenig Wasser) und in Tanganjika (gemahlenes Kath, Zucker, Gewürze) zubereitet und gegessen. Im Jemen wird auch das trockene, gemahlene Kath zu Zigaretten gedreht und geraucht. Wegen seiner geringen Haltbarkeit kann Kath praktisch nicht nach Deutschland gebracht werden. Vorkommen: Die Hauptanbaugebiete des Kathstrauches (Catha edulis), Familie der Spindelbaumgewächse (Celestraceae) liegen in Äthiopien und in den bergigen Gegenden des Jemen in Höhen von 900-1200 m. Der Strauch wächst außerdem in West- und Südafrika, Arabien, Palästina, Turkestan und Afghanistan. Die erste Blatternte erfolgt nach 3^4 Jahren. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Die Wirkung gleicht jener der Weckamine: Müdigkeit verschwindet, Euphorie und schwache Erregung stellen sich ein, körperliche Arbeit und Reden werden leichter, das Hungergefühl wird zurückgedrängt. Es entwickelt sich eine mäßige, aber oft anhaltende psychische Abhängigkeit. Körperliche Abhängigkeit fehlt, keine Toleranzentwicklung. Die gewohnheitsmäßige und insbesondere die übermäßige Anwendung von Kath kann auch wegen der Nicht-Amphetaminbestandteile (Tannine) die Gesundheit des Einzelnen schädigen.
Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
III—3.3
D-(+)-Norpseudoephedrin
Drogen
Toxizität: LD 50 subcutan Maus: 275 mg/kg Symptome und klinische Befunde: Mydriasis, Magenkrämpfe, Obstipation, Gingivitis, Rausch, Euphorie, Appetitlosigkeit, Erregungszustände, vermindertes Kritikvermögen, Libidoverlust. Eine Abhängigkeit tritt erst nach 15-90 Tagen auf, die zur Herabsetzung der Widerstandskraft des Körpers und zum körperlichen und geistigen Zusammenbruch führt. Entzug: Bei starken Kauern paranoide Alpträume und Körperzittern über mehrere Tage hinweg. Nachweis: DC Emit oder TDX Amphetamine. Therapie: Absetzen, Vitaltherapie (Beatmung, Kreislauf) Sedieren (Doxepin) Fürsorge (Schutz vor Selbstgefährdung) Nur bei ausgeprägter anticholinerger Symptomatik (Mydriasis, Herzrhythmusstörungen, Halluzinationen, Atemdepression) Antidot Physostigminsalicylat. Bei schwerer Abhängigkeit Entwöhnung (wie Barbiturate). Besonderheiten: Psychiatrisch Ausschluß einer endogenen Psychose. Literatur: ABBASY, M. A.: The habitual use of „Qat". Int. J. Proph. Med. Sozialhyg., 1, 20-22 (1957) QEDAN, S., RITZERFELD, W.: Die Genuß- und Rauschgiftdroge Kath. Münch. Med. Wochenschr., 114, 1290-1295 (1972)
Z
Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
Drogen
Norpseudoephedrin
III—3.3
Norpseudoephedrin (—» Amphetamine) Synonyma: Theo-2-amino-l-hydroxy-l-phenylpropan Threo-l-phenyl-l-hydroxy-2-aminopropan; Nor-a-ephedrin; Pseudonorephedrin. Chemische Formel: C 9 H 13 NO Beschaffenheit: Geruchloses, weißes, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack; leicht löslich in Wasser, Ethanol, schwer löslich in Chloroform, unlöslich in Ether: MG = 151,2; SP = 180-182°C. Verwendung: Adipositas, zentrales Stimulans, Sympathomimetikum Wegen großer Gefahr einer Abhängigkeit ist Norpseudoephedrin gefährlich! Kon tra in dika tion: Schwere organische Herzerkrankung, Tachykardie, Hypertonie, Gefäßsklerose, Thyreotoxikose, Nierenfunktionsstörungen, Prostatahypertrophie, Glaukom, dekompensierte diabetische Stoffwechsellage, Gravidität, Krampfbereitschaft. Vorkommen: Als Kathin im Kathstrauch (Catha edulis Forsk) in SW-Arabien, Somalia und in der Ephedrapflanze und Maytenus krukoori besonders in Südamerika; in folgenden Präparaten im Handel erhältlich: Antiadipositum x-112 S® (Häuseler) Fasupond® (Eu Rho Pharma) Mirapront N® (Mack) Vita Schlanktropfen Schuck® (Schuck) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Pseudoephedrin wirkt ähnlich wie Amphetamin durch Freisetzung und Hemmung der Rückresorption von Noradrenalin; es hat anorexigene, zentral erregende und peripher sympathomimetische Wirkungen; zentral beeinflußt es unter anderem direkt hypothalamische Steuerzentren; es besteht Tachyphylaxie durch Entleerung von Noradrenalin aus den Speichervesikeln; die zentrale Erregung ist halb so groß wie von Ephedrin, aber größer als von Coffein; es gehört zu den Weckaminen; Wirkungen im einzelnen: - Metabolismus, Körpergewicht: deutliche Gewichtsreduktion; die Werte für Cholesterin, Triglyceride, Gesamtlipide, Glukose, Transaminasen, Gesamteiweiße und Harnsäure fallen anfangs, erreichen aber bald wieder die vorher bestehenden Serumspiegel; bei hohen Dosierungen Elektrolytverluste, besonders von Kalium - Herz-Kreislauf-System: positiv chronotrop und inotrop; periphere Vasokonstriktion, Tendenz besonders zu systolischer Blutdrucksteigerung - ZNS: Abhängigkeit vom Amphetamintyp: träumende Euphorie; es kommt nicht zu körperlichen Entzugserscheinungen, aber zu psychischer Abhängigkeit, Depression, Interesselosigkeit, Apathie, Energieverlust, erhöhtem Schlafbedürfnis. Norpseudoephedrin vermag Narkotika z. B. Ethylurethan, Chloralhydrat zu antagonisieren. Wirkungsverstärkung durch MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva, verstärkte Glykosidwirkung
Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
III—3.3
Norpseudoephedrin
Drogen
durch den induzierten Kaliummangel Teratogenität möglich (WITSCHI, 1977) Stoffwechselverhalten: Ausgeprägte Tachyphylaxie, d.h. Dosisgewöhnung Lange Wirkung aufgrund der Resistenz gegen Amin- und Phenoloxidasen; Gute orale Resorption, unveränderte Ausscheidung im Urin Toxizität: LD50 Mäuse 650-740 mg/kg KG peroral 300 mg/kg KG i.v. 275-430 mg/kg KG s.c. Symptome und klinische Befunde: Starke zentrale Erregung, ataktische Bewegungsstörunen, Atemfrequenzsteigerung, Schlafstörungen, Atemnot, Tobsuchtsanfall, tonisch-klonische Krämpfe, Tremor, Schizophreniesymptome, Angstpsychose, Manie, Halluzinationen, Agitation, sympathikotone und vagotone Überdosierungserscheinungen in der Peripherie: Herzklopfen, Herzbeschwerden, ventrikuläre Rhythmusstörungen, Schweißausbruch, Durst, Mundtrockenheit, Mydriasis (evtl. isoliert) Kollaps, Schock Übelkeit, Magenschmerzen, chronische Gastritis. Nachweis: Papier-, Gaschromatographie UV-Spektrometrie Therapie: Primäre Giftentfernung durch Kohle-Pulvis, evtl. Magenspülung, Klinikeinweisung und Monitorkontrolle, Magenspülung, Kohle, Monitorkontrolle. Bei anticholinerger Wirkung Antidot Physostigmin (Anticholium 2 mg, Wiederholung) bei starker zentraler Erregung Atosil® oder Megaphen® bei Krämpfen Diazepam oder Thiopental bei Tachykardie Propanolol bei ventrikulären Rhythmusstörungen Lidocain Beatmen bei Schock Plasmaexpander, Azidosetherapie mit Natriumbikarbonat bei hohem peripherem Widerstand Phenatolamin bei stark anticholinergem Bild evtl. Physostigmin Entwöhnung siehe Amphetamine. Besonderheiten: Siehe Amphetamine Literatur: BRATER, D. C, KAOJARERN, S., BENET, L. Z.: Renal excretion of pseudoephedrine. Clin. Pharm. Ther. 28: 690-694, 1980. BYE, C, HILL, H. M., HUGHES, D. T. D., PEC, S. W.: A comparison of plasma levels of L (±) pseudophedrine following different formulations, and their relation to cardiovascular and subjective effects in man. Eur. J. Clin. Pharm. 8: 4753,1975. CUMMINS, L. M., FOURIER, M. J.: GLC determination of pseudoephedrine and related ephedrines in serum as the heptafluorobutyryl derivatives. Anal. Letters 2: 403^109,1969. DIAZ, M. A., WISE, T. N., SEMCHYSHYN, G. O.: Self-medication with pseudoephedrine in a chronically depressed patient. Am J. Psych. 136: 1217-1218, 1979. L
Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
Drogen
Norpseudoephedrin
III—3.3
GILL, E.: Eine anorexigene Substanz als Therapeutikum in der Behandlung der „Risikofaktoren Herz". Therapiewoche; 4205-14 (1977) KOVAR, K. A.: d-Norpseudophedrinhaltige Appetitzügler. Deut Apoth Zeit; 1813-15 (1981) KUNTZMAN, R. G., TSAI, I., BRAND, L., MARK, L. C : The influence of urinary p H on the plasma half-life pseudoephed-
rine in man and dog and a sensitive assay for its determination in human plasma. Clin. Pharm. Ther. 12: 6 2 - 6 7 , 1 9 7 1 . LAI, C. M., STOLL, R. G., LOOK, Z. M., YACOBI, A.: Urinary excretion of chlorpheniramine and pseudoephedrine in
humans. J. Pharm. Sei. 68: 1243-1246,1979. LIN, E. T., BRATER, D. C, BENET, L. Z.: Gas-liquid Chromatographie determination of pseudoephedrine and norpseudoephedrine in human plasma and urine. J. Chrom. 140: 2 7 5 - 2 7 9 , 1 9 7 7 . SZELENYI, I., BRÄUER, H.: Kontrollierte Prüfung von d-Nor-pseudoephedrin auf Effektivität und Unschädlichkeit. Wien Med Wschr 4; 3-6 (1974) WITSCHI, M.: D-Norpseudoephedrin. Schweiz. Apoth. Ztg. 115/12, 297-298 (1977)
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Drogen
Opium (—> Heroin) Synonyme: Morphin: 4,5 a-Epoxy-17-methyl-7 morphinen-3,6adiol In der Drogenszene: Berliner Tinktur (ein mit Essigsäure behandeltes Opiumpräparat, welches durch Essiggeruch auffällt. Wirkung etwa dem Heroin entsprechend, jedoch länger anhaltend) bing (kleines Päckchen mit Opium) brown (Rohopium, welches eine braune Farbe aufweist) brownstuff gipsy (Mischung von Opium und Haschisch) Chemische Formel: C 1 7 H 1 9 N0 2 HO
HO Beschaffenheit: Rohopium ist der erhärtete Milchsaft aus der unreifen Samenkapsel des asiatischen Schlafmohns. Es handelt sich um eine teerartige, klebrige Harzmasse mit leichtem Ammoniakgeruch und bitterem, etwas scharfem Geschmack. Es gibt über 600 Mohnarten, aber nur Papaver somniferum liefert diese Alkaloide. Im übrigen enthält unser Klatschmohn keine der genannten Substanzen. Opium enthält mehr als 20 verschiedene Alkaloide (Gesamtgehalt ~ 20-30%), die je nach geographischer Herkunft in stark wechselnden Konzentrationen vorliegen. Es handelt sich v.a. um Phenantren- und Benzylisochinolin-Derivate. Die wichtigsten Alkaloide sind: Morphin: 3-23 %, Kodein 0,3-0,5 %, Thebain 0,2 %, Narcotin 4—10 %, Papaverm 1 %, Narcein 0,2-0,3 %, Normorphin 0,1-3 %. Verwendung: Therapeutische Anwendung: Reines Opium: Therapeutikum bei Diarrhoe. Morphin, als Hauptalkaloid des Opiums, findet Verwendung als starkes Analgetikum (z.B. bei Patienten mit Malignomen, bei Schmerzen im Terminalstadium einer Krankheit, bei postoperativen Schmerzen). Die Verordnung von Morphin untersteht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung. Mißbrauch: Als Rauschmittel: Als intravenöse Injektionen gespritzt (vorher in Wasser oder Methanol gelöst, „O-Tinke"), selten i.m. oder s.c. Orale Aufnahme (Tee aus Mohnkapseln; Verarbeitung zu Brotkuchen, kleinen Kugeln, Stäbchen und dgl.) Inhalative Aufnahme (Rauchopium = Chandu, enthält ca. 12 % Alkaloide; = fermentiertes Rohopium, Fermentationsprozeß dauert ca. 4-6 Monate) Intranasale Aufnahme Vorkommen: Opium-Mohn = asiatischer Schlafmohn - Papaver somniferum (einjährige Pflanze, wird 70-110 cm hoch), enthält Blüten mit 4 roten, weißen oder violetten Blättern, das Blattwerk ist dunkelgrün mit
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III—3.3
Opium
Drogen
silbernem Schimmer. Herkunftsländer sind Länder des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens („Goldenes Dreieck": Laos, Burma, Thailand). - Pantopon 1 Ampulle (1 ml) enthält Ges. Alkaloide des Opiums als lösliche salzsaure Salze 20 mg (entspr. 10 mg Morphin pur), Roche Morphin Thilo Ampullen, Morphiumhydrochloricum Amphiolen, Merck. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Morphin kann oral, sublingual, intransal, bronchial, rektal, durch i.V., i.m., s.c. Injektion aufgenommen werden. Zur Spinalanalgesie injiziert man Morphin epidural oder intrathekal. Die Resorption erfolgt aus dem Gastrointestinaltrakt sehr langsam und unsicher, so daß die analgetische Wirkung bei oraler Verabreichung schwächer ausgeprägt ist als bei parenteraler Anwendung der gleichen Dosis. Um die gleiche analgetische Wirkung zu erreichen, muß oral 6- bis 15mal höher dosiert werden als intravenös. Für die Resorption bei den anderen Applikationsarten ergeben sich Unterschiede in den Zeit-EffektKurven sowie in der Wirkungsdauer. Morphin wird als wäßrige Lösung des Sulfats oder des Hydrochlorids verabreicht. In dieser Form verursacht es keine Gewebe- oder Gefäßirritation. Subcutane und intramuskuläre Injektion: Wirkungseintritt: nach 15 Minuten Wirkungsmaximum: nach 60 bis 90 Minuten Wirkungsdauer: 4—5 Stunden Intravenöse Injektion: Wirkungseintritt: nach 15 Minuten Wirkungsmaximum: nach 20 bis 30 Minuten Wirkungsdauer: ca. 2 Stunden Bei therapeutischen Plasmakonzentrationen von Morphin liegt etwa ein Drittel in proteingebundener Form vor. Freies Morphin verläßt die Blutbahn sehr rasch und akkumuliert in parenchymatösen Organen wie Niere, Lunge, Leber und Milz. Die Konzentration im Skelettmuskel ist etwas geringer. Auch wenn der Hauptangriffsort des Morphins das ZNS ist, ist die Konzentration von Morphin im Gehirn niedriger als in den parenchymatösen Organen. Die Plasma/Hirn-Relation bei der erwachsenen Ratte beträgt ca. 5 : 1. Bei einmaliger Gabe ist die Intensität der zentralnervösen Wirkungen weitgehend das Spiegelbild der Konzentration von freiem Morphin im Gehirn. Verglichen mit anderen Opioiden passiert Morphin die Blut-HirnSchranke zu einem geringen Teil. Die Inaktivierung von Morphin erfolgt hauptsächlich durch Konjugation mit Glukuronsäure. Die Demethylierung spielt bei Morphin eine untergeordnete Rolle. 60-90 % der zugeführten Menge werden innerhalb von 24 Stunden zum überwiegenden Teil in konjugierter Form über die Niere durch glomeruläre Filtration ausgeschieden. Der Anteil des mit dem Urin eliminierten freien Morphins ist abhängig vom pH-Wert. Bei saurem pH-Wert wird mehr freies Morphin im Urin ausgeschieden. 3,5-6% des verabreichten Morphins werden über die Lunge eliminiert. 7-10% können in den Faeces erscheinen durch Ausscheidung über die Leber mit der Galle. Morphin durchläuft einen enterohepatischen Kreislauf, was für die Anwesenheit kleiner Mengen von Morphin einige Tage nach der letzten Dosis verantwortlich ist. Die Halbwertszeit für die Elimination von Morphin beträgt ca. 6 Stunden. Spuren von Morphin lassen sich allerdings über 48 Stunden hinaus noch nachweisen. Morphin passiert die Placenta. Aufgrund unterschiedlicher innerer und äußerer Bedingungen kann bei gleicher Exponierung das Kind nach der Geburt Zeichen einer Atemdepression bieten, während die Mutter unauffällig erscheint. Der Wirkungsmechanismus der Opioide ist bei Heroin beschrieben. Morphin wirkt auf das ZNS sowohl dämpfend als auch erregend. Es bewirkt eine sehr gute Analgesie, wirkt sedativ-hypnotisch, unterdrückt den Husten durch direkten Angriff am Hustenzentrum in der Medulla oblongata. Es verursacht eine Atemdepression durch eine Verminderung der Ansprechbarkeit des Atemzentrums auf Kohlendioxyd. Erbrechen beruht auf einer Stimulierung der Chemorezeptorentriggerzone. Die Obstipation beruht auf einer direkten Wirkung auf die Innervation des Darms. Morphin steigert den Tonus der glatten Muskulatur und der Sphinkteren im Gastrointestinaltrakt, den Gallenwegen und im Urogenital-
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Opium
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trakt. Die orthostatische Hypotension kann möglicherweise auf einer Dilatation peripherer Blutgefäße (Histaminfreisetzung) oder auf einer Depression des Vasomotorenzentrums in der Medulla beruhen. Beim Opium-Rauchen überwiegt die narkotisierende Wirkung des Morphins. Der Raucher gleitet in einen Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen ab und träumt vor sich hin, ohne das Bewußtsein völlig zu verlieren. In diesem Dämmerzustand werden körperliche Schmerzen oder seelischer Kummer nicht mehr wahrgenommen, worin die Hauptursache für das Einsetzen einer psychischen Abhängigkeit liegt. Der Zustand geht schließlich in Schlaf über, aus dem der Konsument häufig mit einem scheußlichen Katzenjammer erwacht. Übelkeit, Unlust und Fahrigkeit kommen dazu, verbunden mit anderen seelischen Störungen. Wiederholte Verabreichung führt regelmäßig zur Gewöhnung. Beim reinen Morphium und seinen Abkömmlingen, die fast immer auf dem Injektionsweg — beim Fixen intravenös - zugeführt werden, ist der Verlauf ähnlich, aber unmittelbarer, schneller und nachhaltiger. Besonders nach intravenöser Zufuhr setzt die Wirkung schlagartig ein (Flash). Unter Umständen kann die physische und psychische Abhängigkeit schon durch wenige Injektionen ausgelöst werden. Auf das anfänglich wohlige, schwebende Gefühl hin stellen sich Entzugserscheinungen ein, die in immer kürzeren Abständen und höheren Dosen weitere Injektionen förmlich erzwingen, nur um den Qualen des Entzugs entkommen zu können.
Toxizität: Eine genaue Höhe der toxischen oder letalen Dosis ist schwer festzulegen aufgrund der schnellen Toleranzentwicklung und der großen individuellen Variationsbreite in der Empfindlichkeit. Die sicher toxische Dosis für einen schmerzfreien Patienten ohne Toleranzentwicklung liegt bei 30 mg Morphin und darüber, bei parenteraler Verabreichung. Die letale Dosis kann 10-12 mal höher als die Maximaldosis von 30 mg, also auf 300-400 mg bei peroraler Verabreichung angesetzt werden. Bei parenteraler Applikation beträgt die letale Dosis je nach Grad der Gewöhnung 100-200 mg Morphin. Besonders schwer verlaufen Opioidvergiftungen, wenn gleichzeitig ein Schlafmittel oder Scopolamin zugeführt worden ist. Besonders gefährdet sind ältere Personen, anämische und sich im Schockzustand befindliche Kranke. Auch Neugeborene sind sehr empfindlich, ältere Säuglinge dagegen nicht mehr als Erwachsene, wenn man die Dosis pro kg Körpergewicht zugrundelegt. Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Bewußtlosigkeit Atemdepression Stecknadelkopfgroße Pupillen, auch bei schwacher Beleuchtung Lungenödem, Hypothermie, schlaffe Muskulatur, Oligurie, Hypotension, Bradykardie, Krampfanfälle (bei Kindern), Herzstillstand Bei chronischem Gebrauch: Die chronische Opiatvergiftung zeigt sich an der raschen Abstumpfung gegenüber der Droge und dem Verlangen nach ständig höherer Dosierung. Infolge anhaltender Obstipation (Darmverstopfung) und Appetitmangels kommt es zu augenscheinlicher Abmagerung, zu Kräfteverfall und vorzeitiger Alterung. Weitere auffallende Symptome wie Schlafstörungen, Zittern, Gang- und Sprachstörungen, Blutdruckabfall, Bradykardie, ständige Müdigkeit, Miosis, Impotenz, Frösteln, trockene, fahl-graue und gelbliche Haut, Haarausfall, erklären sich aus einer vermutlich durch Mangelernährung bedingten Schädigung des Zentralnervensystems. Das rasche Einsetzen der körperlichen und seelischen Abhängigkeit („Morphinismus") steht im Vordergrund. Damit ist durchwegs eine schwere Beeinträchtigung der Gesamtpersönlichkeit verbunden. Für den seelischen Zustand sind Stimmungslabilität und Abflachung des Denkens bei meist erhaltener Intelligenz kennzeichnend. Der Abhängige verliert auch die Fähigkeit, seine Handlungen zu kontrollieren. Entzug: Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, allgemeine motorische Unruhe, Schweißausbrüche, Tränenfluß, Angstgefühle, Kollaps, Unruhe, Schnupfen, Niesanfälle, Gähnen, Gänsehaut, unruhiger Schlaf, Mydriasis während der ersten 24 h, Zuckungen und Spasmen der Muskulatur, Bauchschmerzen, Muskelkrämpfe, Wärme- und Kälteschauer, Anstieg der Körpertemperatur, des Blutdrucks und der Herzfrequenz.
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Opium
Drogen
Abstinenzerscheinungen sind auch beim Neugeborenen beobachtet worden. Auch bei ihnen finden sich eine gesteigerte motorische Aktivität, Zuckungen, Krämpfe, fortwährendes Hungergefühl mit Hände- und Fingerlutschen, Erbrechen, Durchfälle und Hyperthermie. Eine schwere Dyspnoe mit apnoischen Pausen kann zu Exitus führen. Solche Symptome sind auch durch Morphinantagonisten auslösbar, wenn diese zur Behandlung einer Morphinvergiftung bei abhängigen Personen angewendet werden. Ohne Behandlung können die meisten Symptome 5-14 Tage andauern. Es scheint noch eine Phase sekundärer oder chronischer Abstinenz aufzutreten, die noch 2-6 Moante andauern kann, mit schrittweise abnehmender Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Muskelschmerzen, ebenso können noch eine Miosis, leichte Erhöhungen von Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur und eine verminderte Ansprechbarkeit des Atemzentrums auf die stimulierende Wirkung von Kohlendioxid andauern. Nachweis: Qualitativer Nachweis: Farbreaktion, z.B. Jodsäurereaktion, Farbreaktion mit Phosphormolybdänsäure, Nitratschwefelsäure und Marquis Reagens Kristallteste, Ultraviolett-Absorptionsspektrum, Infrarot-Absorptionsspektrum, PC, DC, GC, Emit. Quantitativer Nachweis: Spektrophotometrische Bestimmung von freiem und konjugiertem Morphin in biologischem Material Acidimetrische Titration, Gaschromatographie, Emit, Ria. Morphin läßt sich im Kopfhaar nachweisen, wobei durch eine segmentweise Untersuchung der Haare Aussagen zum Zeitpunkt der Einnahme möglich sind. Therapie: Akut: Beatmen, Andiot Naloxon Chronisch: Entgiftung: Sedieren mit Doxepin (3 x 50 mg oral), schnell verfügbare Kohlehydrate (Zucker, Schokolade, süße Fruchtsäfte) Ablenkung. Entwöhnung: Verhaltenstherapie zum Entwöhnen süchtigen Verhaltens. Alternativen. Arbeitsschulung, Freizeittraining. Rückfallprophylaxe. Therapie in Gruppen. Besonderheiten: Nach Abhängigkeit lebenslang keinen Alkohol oder Sedativa. Fixer: HIV-Test! Literatur: BERKOWITZ, B. A., NGAI, S. H., YANG, J. C. et al.: The disposition of morphine in surgical patients. Clin. Pharm. Ther., 17,629-635(1975) BOERNER, U., ABBOTT, S.: New observations in the metabolism of morphine. The formation of codeine from morphine in man. Experientio, 29,180-181 (1973) BOERNER, II, ROE, R. L., BECKER, C. E.: Detection, isolation and characterization of normorphine and norcodeine as morphine metabolites in man. J. Pharm. Pharmac, 26, 393-398 (1974) BOERNER, U., ABBOTT, A., ROE, R. L.: The metabolism of morphine andheroin in man. Drug. Met. Rev., 3,39-73 (1975) CRAVEY, R. H., REED, D.: The distribution of morphine in man following chronic intravenous administration. J. Anal. Tox., 1,166-167 (1977) DAHLSTROM, B., BOLME, P., FEYCHTING, H.: Morphine kinetics in children. Clin. Pharm. Ther., 26,354—365 (1979) FELBY, S., CHRISTENSEN, H., LUND, A.: Morphine concentration in blood and organs in cases of fatal poisoning. For. Sei. 3, 77-81 (1974) GOENECHEA, S., GOEBEL, K.-J.: Tod durch ein freiverkäufliches Rauschmittel: „O-Tee". Bundesgesundheitsbl., 23, 178 (1980) HAHN, E. F., ROFFWARG, H., FISHMAN, J.: Morphine metabolism in opiate dependent and normal men by double isotope techniques. Res. Coram. Chem. Path. Pharm., 18, 401-414 (1977) HERZ, A., BLÄSIG, J.: Die Opiatsucht: Neue Forschungsperspectiven. Nervenarzt, 50, 205 (1979) 4
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Opium
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Orphenadrin
Drogen
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Orphenadrin Synonyma: N,N-Dimethyl-[2-(2-methylbenzhydryloxy)-ethyl]-amin, oxy)-ethyl]-amin
N,N-Dimethyl-N-[2-(o-methyl-benzhydryl-
Chemische Formel: C 18 H 23 NO
•CHj
CH 2 — CH 2 — N:
Verwendung: Akute und chronische endogene und exogene psychische Erkrankungen, Muskelspasmen, spastische Paresen bei Pyramidenbahnläsionen, extrapyramidaler Rigor. Vorkommen: Seit 1951 im Handel. Handelspräparat: Norflex® (3 M Medica) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Diphenylmethanderivat. Es handelt sich um Interneuronenblocker. Hohe Affinität zum den hemmenden Zwischenneuronen des zentralen Nervensystems, die Glycin und Gamma-Aminobuttersäure als Überträgersubstanz verwenden. Die anxiolytische Wirkung geht mit einer verminderten Serotoninfreisetzung im Gehirn einher. Die Wirkungsweise auf zellulärer Ebene ist nicht bekannt. Antiparkinsonmittel. Charakteristisch ist neben einem sedativen Effekt die Anxiolyse. Außerdem werden die antikonvulsiven und muskelrelaxierenden Eigenschaften genutzt. Es besteht Wirkungslosigkeit bei der Behandlung echter Psychosen. Sie erzeugen keine extrapyramidalen Störungen. Tranquilizer. Schwaches Anticholinergikum. Metabolismus: Meist gute und schnelle Resorption aus dem Intestinum. Halbwertzeit 14 Std. Abbau in der Leber zu aktiven und inaktiven Metaboliten. Plasmaproteinbindung 2 0 % . Ausscheidung vorwiegend renal (60% innerhalb von 72 Std.) Toxizität: Dosierung: TMD Erw. 400 mg Letaldosis: 2-3 g Therapeut. Konzentration: 0,1-0,2 mg/1 (LOGA 1975) Letale Konzentration: 4 mg/1 im Blut, 100 mg/1 im Urin (BOZZA-MARRUBINI, 1977)
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Orphenadrin
Drogen
Symptome: Anticholinergische Erscheinungen (trockener M u n d , Sehstörungen, Tachykardie, H e r z r h y t h m u s s t ö rungen, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, K o m a , Krämpfe, Atemdepression, Herzstillstand) Nachweis: Qualitativ: Dünnschichtchromatographie, UV Quantitativ: G a s c h r o m a t o g r a p h i e (ROBINSON, 1 9 7 7 , BILZER, 1 9 7 3 , LABOUT, 1 9 7 7 , WILKINSON,
1982)
Therapie: -
evtl. Intubation, Beatmung, Plasmaexpandergabe Giftelimination durch Magenspülung, Kohle, Glaubersalz bei anticholinerger W i r k u n g Antidot Physostigminsalicylat (2 mg i.m. oder langsam i.v.)
Literatur: BECKETT, A. H., KHAN, F.: Metabolism, distribution and excretion of orphenadrine in man. J. Pharm. Pharmac. 23 (Suppl.): 222, 1971. BILZER, W., GUNDERT-REMY, U.: Determination of nanogram quantities of diphenhydramine and ophenadrine in human plasma using gas-liquid chromatography. Eur. j. Clin. Pharm. 6: 2 6 8 - 2 7 0 , 1 9 7 3 . BLOMQUIST, W., BONNICHSEN, R., SCHUBERT, B.: Lethal orphenadrine intoxication. Z. Rechtsmed. 6 8 : 1 1 1 - 1 1 4 , 1 9 7 1 . BOZZA-MARRUBINI, M., FRIGERIO, A., GHEZZI, R. et al.: Two cases of severe orphenadrine poisoning with atypical features. Acta Pharm. Tox. 4 1 : (Suppl. 2): 137-152,1977. BUCKLE, R. M., GUILLEBAUD, J.: Hypoglycaemic coma occuring during treatment with chlorpromazine and orphenadrine. Brit. med. J. 1967IV. 599. CLARKE, E. G. C: Isolation and Identification ofDrugs. Pharmaceutical Press, London, 1969, p. 456. DEMERCURIO, D., CHIAROTTI, M., GIUSTI, G. V.: Lethal orphenadrine intoxication: reportof a case. Z. Rechtsmed. 82: 349-353,1979. DEN BESTEN, W., MULDER, D., FUNCKE, A. B. H., NAUTA, W. T.: The effect of alkyl Substitution in drugs. Arz. Forsch. 20: 538-542,1970. ELLISON, T., SNYDER, A., BOLGER, J., OKUN, R.: Metabolism of orphenadrine citrate in man. J. Pharm. Exp. Ther. 176: 284-295,1971. HEINONEN, J., HEIKKILA, J., MATTILA, M. J., TAKKI, S.: Orphenadrine poisoning. Arch. Tox. 23: 264-272,1968. HESPE, W., DE ROOS, A. M., NAUTA, W, T.: Tnvestigation into the metabolic fate of orphenadrine hydrochloride after oral administration to male rats. Arch. intern. Pharmacodyn. 159, 180 (1965) HUISMAN, J., LIEBREGT, L. L., THYSSEN, J. H. H.: Gas Chromatographie determination of (o-methyl-a-phenylbenzyloxy)acetic aeid levels in human serum following therapeutic doses of orphenadrin (Disipal). J. Chrom. 164: 510-514, 1979. LABOUT, J. J. M., THIJSSEN, C. T., HESPE, W.: Sensitive and specific gas Chromatographie and extraction method for the determination of orphenadrine in human body fluids. J. Chrom. 144: 201-208, 1977. LOGA, S., CURRY, S., LADER, M.: Interactions of orphenadrine and phenobarbitone with chlorpromazine: plasma concentrations and effects in man. Brit. J. Clin. Pharm. 2: 197-208,1975. ROBINSON, A. E., HOLDER, A. T., MCDOWALL, R. D. et al: Forensic toxicology of some orphenadrine-related deaths. For. Sei. 9: 5 3 - 6 2 , 1 9 7 7 . SANGSTER, B., VAN HEIJST, A. N . P., ZIMMERMANN, A. N . E., DE VRIES, H. W.: Intoxication by orphenadrine HCl,
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Oxazepam
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Oxazepam Synonym: 7-Chlor-1,3 -dihydro-3 -hydroxy-5 -phenyl-2H-1,4-benzodiazepin-2-on Chemische Formel:
Verwendung: Schwere Angst- und Erregungszustände, Angstneurosen, Aggressivität, Unruhe, Überregbarkeit, Schlafund Einschlafstörungen. Vorkommen: Adumbran® forte Tabletten (Thomae) Adumbran® Tabletten (Thomae) Durazepam® forte Tabletten (Durachemie) Noctazepam® Tabletten (Brenner-Efeka) Praxiten® (Wyeth) Sigacalm® forte Tabletten (Kytta-Siegfried) Sigacalm® Tabletten (Kytta-Siegfried) Uskan® Tabletten (Desitin) Mirfudorm® Tabletten (Merckle) Azutranquil® Tabletten (Azupharma) USA: Serax Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Oxazepam ist ein Benzodiazepin-Derivat mit sedierender, hypnotischer und relativ schwacher antikonvulsiver Wirksamkeit. Es besitzt darüber hinaus eine „anxiolytische" Wirkung. 10-15 mg Oxazepam entsprechen in ihrer Wirkung etwa 5 mg Diazepam oder 10 mg Chlordiazepoxid. Pharmakokinetik: Der pKa beträgt 1,7 und 6,6. Oxazepam wird nach p.o. Gabe gut resorbiert, mit maximalen Plasmaspiegeln in 1-2 (bis 4) h. Die Plasmaproteinbildung liegt um 90 %, das VD um 1,61/kg. Oxazepam wird in der Leber metabolisiert. Wird rasch glukuronidiert als N-Desmethyldiazepam über den Urin ausgeschieden (61 % im 48-Stunden-Urin) mit einer Halbwertzeit von 48-57 Stunden. Leichte anticholinerge Wirkung. Der größte Teil der Dosis wird über die Nieren ausgeschieden, bis zu 1 0 % sind unverändert im Urin. Geringe Mengen erscheinen unverändert in den Fäzes. Die Plasma-HWZ beträgt durchschnittlich 7-14 h (3-21 h). Plasmahalbwertzeit, Plasma-Clearance, Plasmaproteinbindung und Urinausscheidung sind weder altersabhängig noch werden sie von Lebererkrankungen beeinträchtigt.
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Oxazepam
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Toxizität: Therapeutische Konzentration: 0 , 1 8 - 1 , 4 4 mg/1 im Blut (WRETLIND 1 9 7 7 ; KNOWLES 1 9 7 8 ; SHULL 1976) Toxische Konzentration: 0,5 mg/1 im Blut, 1,3-20 mg/1 im Urin (SHIMKIN 1966) Symptome: -
Müdigkeit bis zum K o m a Cyanose Blutdruckabfall Hyporeflexie hochgradige Erregungszustände in der Aufwachphase möglich.
Nachweis: C o l o r i m e t r i e (WALKENSTEIN, 1 9 6 4 ) ; G C (KNOWLES, 1 9 7 2 , VESSMANN, 1 9 7 7 , KABRA, 1978)
Therapie: Kohle-Pulvis, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat. Beatmen, Plasmaexpander im Schock. Bei anticholinerger W i r k u n g Antidot Physostigmin (Anticholium® 2 mg i.m. oder Anexat® (Ro 1 5 1 7 - 8 8 / 0 , 3 - 1 mg i.V.) Literatur: ARGEN, T.: Oxazepam-intoxication. T. norske Laegeforen 4 , 2 8 0 (1968) DESILVA, J. A. F., BEKERSKY, I., PUGLISI, C. V. et al.: Determination of 1,4-benzodiazepines and -diazepin-2-ones in blood by electron-capture gas-liquid chromatography. Anal. Chem. 48: 10-19,1976. GILES, H. G., FAN, T., NARANJO, C. A., SELLERS, E. M.: A simple electron-capture gas-chromatographie analysis of oxazepam in plasma by determination of its thermal degradation product. Can. J. Pharm. Sei. 13: 64—65. KABRA, P. M., STEVENS, O. L., MARTON, L. J.: High-pressure liquid Chromatographie analysis of diazepam, oxazepam and N-desmethyldiazepam in human blood. J. Chrom. 150: 3 5 5 - 3 6 0 , 1 9 7 8 . KNOWLES, J. A., RUELIUS, H. W.: Absorption and exeretion of 7-chloro-l,3-dihydro-3-hydroxy-5-phenyl-2H-l,4benzodiazepin-2-one (oxazepam) in humans. Arz. Forsch. 22: 687-692, 1972. RANDALL, L. O.: Pharmacology of methaminodiazepoxide. Dis. nerv. Syst. Suppl. 1, 7 (1960). SHIMKIN, P. M., SHAIVITZ, S. A.: Oxazepam poisoning in a child. J. Am. Med. Asso. 196: 662-663,1966. SHULL, H. J.,Jr., WILKINSON, G. R., JOHNSON, R., SCHF.NKER, S-: Normal disposition of oxazepam in acute viral hepatitis and cirrhosis. Ann. Int. Med. 84: 4 2 0 - 4 2 5 , 1 9 7 6 . VESSMAN, J., JOHANSSON, M., MAGNUSSON, P., STROMBER, S.: Determination of intact oxazepam by electron capture gas chromatography after an extractive alkylation reaction. Anal. Chem. 49: 1545-1549,1977. WALKENSTEIN, S. S., WISER, R., GUDMUNDSEN, C. H.: Absorption, metabolism, and exeretion of oxazepam and its succinate half-ester. J. Pharm. Sei. 53: 1181-1186,1964. WRETLIND, M., PILBRANDT, A., SUNDWALL, A., VESSMAN, J.: Disposition of three benzodiazepines after single oral administration in man. Acta Pharm. Tox. 40: 28—39, 1977. ZILELI, M. S., TELETAR, F., DENK, S. et al.: Oxazepam intoxication simulating non-keto-aeidotie diabetic coma. J. Am. Med. Asso. 215: 1986,1972. ZILELI, M., TELATAR, F., DENIZ, S., ILTER, E., DALAR, N . : Pseudohyperosmolar nonketoaeidotie coma due to oxaeepam
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Paraldehyd
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Paraldehyd Synonym: 2,4,6-Trimethyl-l ,3,5-trioxan Chemische Formel:
CK,
H3C'^0'A\CH3
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Schlafmittel. Bei Zimmertemperatur aromatische Flüssigkeit; zersetzt sich bei Luftexposition zu Essigsäure. Paraldehyd ist ein Kondensationsprodukt von Acetaldehyd mit zyklischer Polätherstruktur. Es besitzt sedierende, hypnotische, antikonvulsive und in hohen Dosen atemdepressive und hypotensive Wirkungen. Der genaue Wirkungsmechanismus ist unbekannt. Paraldehyd wird nach p.o., rektaler und i.m. Gabe rasch resorbiert, maximale Plasmaspiegel treten nach 20-60 min. auf. Paraldehyd wird in der Leber zu 70-90 % zu Acetaldehyd und Acetessigsäure abgebaut, das in den Krebszyklus eintritt und dann als C 0 2 und H 2 0 ausgeschieden wird. 1 1 - 2 8 % werden unverändert über die Lunge abgeatmet, bis zu 2,5 % erscheinen unverändert im Urin. Die HWZ liegt bei 7,5 h (3,5-9,5 h). Bei Patienten mit Lebererkrankungen kann der Metabolismus verlangsamt und die Wirkung verlängert sein. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 100-330 mg/1 im Blut (MAES, 1969, GARDNER, 1940) Letale Konzentration: 500-1000 mg/1 im Blut (FIGOT, 1952, HAYWARD, 1957, DIMAIO, 1974, CAPLAN)
Symptome: Lokale Reizung (oral, rektal), Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, Tachykardie, Zyanose, Hyperpnoe, Hustenreiz, Koma, Azidose(!), Oligo-Anurie, Albuminurie, toxische Hepatitis und Nephritis, massive Lungenblutungen, Lungenödem, hämorrhagische Gastritis, Muskelunruhe, Dilatation des rechten Herzens, Leukozytose, Schock, Atemstillstand. Drogenabhängigkeit bei chronischem Gebrauch (AlkoholSymptome). Nachweis: Acetaldehyd: in Ausatemluft mit Dräger-Gasspürgerät, UV (FIGOT, 1952), enzymatisch (THURSTEN, 1968), GC (HANCOCK, 1977). Paraldehyd: GC (MAES, 1969, ANTHONY, 1978)
Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat, Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich. Hämodialyse oder Peritonealdialyse bei akutem Nierenversagen und schwerer Azidose.
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Paraldehyd
Drogen
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Pentazocin
Drogen
III—3.3
Pentazocin Synonyma: l,2,3,4,5,6-Hexahydro-6,ll-diemethyl-3-(3-methyl-2-butenyl)-2,6-methano-3-benzazocin-8-ol ll-Dimethyl-l,2,3,4,5,6-hexahydro-8-hydroxy-2,6-methano-3-(3-methyl-2'butenyl)-benzazocin 2-(3,3-Dimethylallyl)-sydazocin;2-(3,3-Dimethylallyl)-2-hydroxy-5,9-dimethyl-6,7-benzomorphan Chemische Formel: C 19 H 27 NO HO
Beschaffenheit: MG: 285,43 Pentazocin ist eine weiße, in säurebildenden Lösungen lösliche Substanz. Verwendung: Pentazocin ist eine synthetische Verbindung, die 1964 von KEATS und TELFORD in die Klinik eingeführt wurde. 1967 wurde sie unter dem Namen Fortral® in den Handel gebracht. Es hat sowohl agonistische als auch schwache antagonistische Opioidwirkung. Therapeutische Anwendung: - Akute und chronische Schmerzen starker Intensität, z. B. bei Tumoren, Koliken, Frakturen, Neuralgien, Arthralgien, Myalgien, Herz- und Gefäßleiden, - prä-, per- und postoperative Analgesie, - als Anschlußanalgetikum nach Neuroleptanalgesie, - bei schmerzhaften diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen, - zur Analgesie in der Geburtshilfe, - zur Analgosedierung. Vorkommen: Fortral® (Sanofi Winthrop) Wirkungscharakter: Pentazocin ist ein synthetisches Opioid mit Benzomorphanstruktur. Es ist in üblicher Dosierung ein starkes Analgetikum. Eine Dosissteigerung bewirkt keine entsprechende Zunahme der analgetischen Wirksamkeit, da Pentazocin in höheren Dosen als Morphinantagonist wirkt (etwa 1/50 der Wirkungsstärke von Nalorphin). Damit können die opioidartigen Eigenwirkungen aufgehoben werden. Bei Gabe an opiatabhängige Patienten kann ein Entzugssyndrom ausgelöst werden.
Daundcrcr - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
III—3.3
Pentazocin
Drogen
Analgesie: Auf der Suche nach einem Analgetikum mit weniger Nebenwirkungen als das Morphin gelang es Anfang der sechziger Jahre, unter einer Reihe von Benzomorphanderivaten das Pentazocin als einen geeigneten partiellen Opioid-Antagonisten zu synthetisieren. Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, daß ungefähr 30 mg Pentazocin bei parenteraler Zufuhr eine gleich starke analgetische Wirkung haben wie 10 mg Morphin. Obwohl die analgetische Wirkung von Pentazocin der des Morphins entspricht, ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Zeit-Effekt-Kurve: - Pentazocin hat einen schnelleren Wirkungseintritt - und eine stärkere Analgesie als Morphin, - allerdings ist die Wirkungsdauer von etwa 4 Stunden bei Pentazocin kürzer als die des Morphins. Das Intervall bis zum Eintritt der Analgesie beträgt im Durchschnitt bei - intravenöser Applikation: 2-6 Min. - intramuskulärer Applikation: 15-20 Min. - oraler Applikation: 20-30 Min. - rektaler Applikation: 15-20 Min. Für die orale und rektale Applikation erwies sich eine Dosis von 50 mg Pentazocin als ausreichend, um eine gute bis ausgezeichnete Schmerzlinderung zu erzielen. Da Pentazocin ein partieller Opioid-Antagonist ist, kann es die schmerzstillende Wirkung andere Opioide aufheben. Wirkung des Pentazocin auf die Atmung: Auch Pentazocin hemmt die Atmung wie Morphin, wenn man äquianalgetische Dosen vergleicht. Eine Atemdepression wird gewöhnlich nach parenteraler Applikation beobachtet, nach oraler und rektaler Gabe ist dieser Effekt nur vereinzelt beobachtet worden. Bei respiratorischer Insuffizienz kann Pentazocin eine schwerwiegende Atemdepression auslösen. Hierfür genügen schon 30 mg intramuskulär. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit verminderter respiratorischer Reserve geboten. Pentazocin scheint in einigen Aspekten etwas günstiger zu sein als Morphin (KEATS). Bei Untersuchungen am Menschen war nach Pentazocin eine Verringerung des Verhältnisses von Totraum zum Volumen des einzelnen Atemzuges festzustellen. Nach Morphin wurde das Verhältnis Totraum: Atemzugvolumen dagegen erhöht. Ob dies ein nur günstiges Zeichen ist, bleibt abzuwarten. Es kann sich dabei um eine Folge der Erhöhung des Druckes im Gebiet der Pulmonalarterie handeln, die nach Pentazocin gemessen wurde. Der entscheidende Unterschied zwischen Pentazocin und den Opioiden hinsichtlich der Atemdepression besteht darin, daß bei einer Pentazocin-Dosis von etwa 1 mg/kg Körpergewicht ein Plateau erreicht wird, bei dem eine Wiederholung der Pentazocingaben nicht zu einer weiteren Steigerung des atemdepressorischen Effektes führt. Es wurde noch kein Fall von Apnoe bei einem wachen Patienten beobachtet. Selbst im Dosisbereich unter 1 mg/kg Körpergewicht, also unterhalb des Plateaus, führen weitere kurz aufeinanderfolgende Dosen Pentazocin nicht zu einer Kumulation des atemdepressorischen Effektes (DAVIC). Als Anschlußanalgetikum nach einer Fentanyl-Neuroleptanalgesie wirkt Pentazocin antagonistisch auf die durch Fentanyl hervorgerufene Atemdepression. Während Levallorphan den Fentanyl-Effekt vollständig antagonisiert, bleibt unter Pentazocin die Analgesie erhalten. Kardiovaskuläre Wirkungen: Die kardiovaskulären Wirkungen des Pentazocin unterscheiden sich von denen der Opioide, indem sie in hohen Dosen einen Anstieg des Blutdrucks und der Pulsfrequenz bewirken. Bei gesunden Personen bewirkt Pentazocin eine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate. Am Herzen wurden leichte, die Beta-Rezeptoren stimulierende, positiv inotrope und frequenzerhöhende Wirkungen beobachtet (MOSTERT). Pentazocin kann zu einem Anstieg des Pulmonalarteriendrucks führen. Man hat bisher bei der Therapie des Herzinfarktes nach Pentazocin keine nachteiligen Wirkungen gesehen. Trotzdem muß beachtet werden, daß eine Erhöhung des Pulmonalarteriendrucks eine zusätzliche Belastung für das Herz bedeuten kann (JEWITT). Deshalb muß Pentazocin bei Patienten mit Mitralstenose auch mit Vorsicht angewandt werden.
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Drogen
Pentazocin
III—3-3
Wirkung auf den Gastrointestinaltrakt: In niedriger Dosierung sind die Wirkungen des Pentazocin auf den Gastrointestinaltrakt qualitativ den Opioiden ähnlich, aber anscheinend geringer ausgeprägt. Dies gilt auch für die Obstipation. Bei intramuskulärer Injektion relativ geringer Dosen (15 mg) von Pentazocin kommt es zu einer beachtlichen Verzögerung der Magenentleerung, bei höheren Dosen (30-45 mg) zu einer Beschleunigung der Darmpassage. Bei der direkten Messung des Druckes im Ductus choledochus war nach äquivalenten Dosen von Morphin die Druckerhöhung wesentlich höher als nach Pentazocin (ECONOMON). Erbrechen: Im Falle des Pentazocin liegen Untersuchungen vor, aus denen hervorgeht, daß die Substanz wesentlich seltener emetisch wirkt als Morphin oder Pethidin. Auch bei Pentazocin führt die orale Verabreichung häufiger zu Erbrechen als die parenterale. Harnwege, Uterus, Geburt: Die Wirkungen von Pentazocin auf Harnblase und Uterus scheinen gering zu sein. Vor allem sollen keine MiktionsstÖrungen vorkommen wie nach Morphin und anderen Opioiden. Bei der Geburt wird eine leichte Beschleunigung in der Eröffnungsperiode beschrieben. Der Zustand des Neugeborenen wurde meistens für normal gehalten (MOORE, MOWAT). Wirkung auf das Auge: Bei oraler Verabreichung von Pentazocin wurde keine Beeinflussung von Augeninnendruck und Pupillengröße beobachtet. Unter intravenös verabreichtem Pentazocin kann es zu einer Miosis kommen ohne Einschränkung der Lichtreaktion oder Änderung des Augeninnendrucks. EEG: In den üblichen therapeutischen Dosen zeigt Pentazocin keinen konvulsiven Effekt. Konvulsionen sind vereinzelt nru bei extrem hohen Dosen im Zusammenhang mit einer Anästhesie beobachtet worden. Liquordruck: Bei Patienten mit normalen initialen Druckwerten beeinflußt Pentazocin den Liquordruck nicht. Zu einem Druckanstieg kann es jedoch kommen, wenn intrakranielle, raumfordernde Prozesse vorliegen. Wegen einer möglichen Sedierung sollte Fortral® nicht bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck angewendet werden, da dadurch die Symptomatik verschleiert und die Diagnostik erschwert werden könnte. Wirkungen aufHaut undMuskulatur: Pentazocin wirkt bei subcutaner und intramuskulärer Verabreichung gewebsirritierend. Wiederholte Injektionen über lange Zeit können ausgedehnte Fibrosen des subcutanen und des Muskelgewebes verursachen (JOHNSON).
Ferner wurden beobachte: - Ausgedehnte Fibrosen, die weit über das Gebiet der Injektionsstelle hinausreichen, - unregelmäßig begrenzte, tiefe Ulcera, oft tief genug, um den Muskel freizulegen, - ein Hof von Hyperpigmentierungen um das Ulcus herum und - Schmerzlosigkeit aufgrund des indolent mutilierten Prozesses. Untersuchungen an Tieren bestätigen die klinische Beobachtung, daß diese Läsionen die Folge einer vaskulären Ischämie sind (vasokonstriktorische Wirkung des Pentazocin), die histologisch zu einer chronisch granulomatösen Fettgewebsnekrose führt. Die kutane Gewebsschädigung bei Pentazocinabhängigkeit äußert sich wahrscheinlich in einer spezifischen obliterativen Vaskulitis, die sich von den Gefäßveränderungen bei anderen Drogen unterscheidet (COSMAN, SCHIFF).
Rekurrierende Schulterluxation wurde als höchst außergewöhnliche Folge von Pentazocininjektionen in den M. deltoideus mit nachfolgender Abduktionskontraktur beschrieben.
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III—3.3
Pentazocin
Drogen
Stoffwechselverhalten: Pentazocin ist eine Base, der pKa beträgt 9,0. Es wird nach p.o. Gabe gut resorbiert, mit maximalen Plasmaspiegeln nach 1-3 h. Gute Resorption auch nach i.m. und s.c. Gabe mit maximalen Plasmaspiegeln in 15— 60 min nach i.m. Gabe. Das Verteilungsvolumen beträgt etwa 3 1/kg. Die Plasmaspiegel variieren interund intraindividuell (unter anderem wegen unterschiedlicher Metabolisierung). Die Plasmaproteinbindung schwankt zwischen 50 und 75 %. Pentazocin wird in der Leber ausgeprägt metabolisiert (95 %) (u.a. First-pass-Metaboiismus). Etwa 60 % der Dosis erscheinen in 24 h im Urin. Geringe Mengen werden unverändert in Urin und Fäzes ausgeschieden (5%). Die Plasma-HWZ beträgt durchschnittlich 2 h (1,5-6 h). Dialysierbarkeit: Hämodialyse ja. Der Wirkungseintritt erfolgt bei Pentazocin schneller als bei Morphin, bei intramuskulärer Verabreichung z.B. binnen 4 Minuten. Die Wirkungsdauer ist etwas kürzer als die des Morphin, z.B. bei intramuskulärer Verabreichung 4 Stunden. Die HWZ im Blut beträgt nach parenteraler Zufuhr etwa 2 Stunden, die HWZ für die Ausscheidung im Urin etwa 3 Stunden (PITTMANN, 1969). Verteilung: Pentazocin ist nach intravenöser Verabreichung binnen 5 Minuten im Liquor cerebrospinalis. Pentazocin hat also ein großes Verteilungsvolumen im ZNS. Toxizität: LDL0 oral Mensch: 18 mg/kg TDL 0 intramuskulär Frau: 1400 mg/kg TDL0 intravenös Mensch: 300 mg/kg Im Tierversuch ergaben Dosen von 180 mg/kg die toxische Erscheinungen (reduzierte Aktivität, Ataxie, Mydriasis), es wurden allerdings keine makroskopischen oder histopathologischen Veränderungen beobachtet. Der Index der therapeutischen Sicherheit, d.i. die Spanne zwischen der wirksamen Dosis einer Substanz und der Menge, die Nebenwirkungen provoziert, hauptsächlich im Hinblick auf das kardiovaskuläre System, hat praktisch die gleiche Bedeutung wie die ED50/LD50 der Pharmakologen. Dieser Index liegt für Pentazocin niedriger als für Morphin. Der therapeutische Index (ED 50/LD 50) bei der Ratte: Morphin: 20 Pentazocin: 2 Pethidin: 1 Symptome und klinische Befunde: Hohe Dosen verursachen eine beachtliche Zunahme der Atemfrequenz, einhergehend mit erhöhtem Blutdruck und Tachykardie. Nebenwirkungen wie Sedation, Schwindel, Verwirrtheit, Schwitzen und Übelkeit können schon nach therapeutischen Dosen von Pentazocin auftreten. Unerwünschte flüchtige toxische Symptome wie rauschartige Zustände, euphorische oder dysphorische Verstimmungen, Angstreaktionen, Wachträume, verschiedenartige Sinnestäuschungen und Depersonalisationserlebnisse sind gelegentlich beobachtet worden. Bei niedrigen Dosen sollen inkohärentes Denken und Gedankenflucht vorherrschen, unter höheren Dosen stellen sich häufig optische Halluzinationen ein. Psychotomimetische Effekte wie Angst, Alpträume, Halluzinationen kommen gewöhnlich bei Anwendung therapeutischer Dosen nicht vor, aber nach gehäufter Verabreichung von Dosen über 60 mg Pentazocin (ALEXANDER, TILZ, WOOD).
BYRD und KANE berichteten von einem akuten organischen Hirnsyndrom nach einer einzigen Verabreichung. Weitere Nebenwirkungen des Pentazocin sind flache und noduläre Sklerosen und Ulcera, mitunter ausgedehnte nekrotische,
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Drogen
Pentazocin
III—3.3
gelegentlich Grand-mal-Anfälle, bei schweren Leberkrankheiten möglicherweise Auslösen eines Leberkomas. Nach Parainjektion bei Drogenabhängigen typische massive derbe Schwellung — z.B. an Armen und Beinen. Bei Opiatabhängigen Auslösung eines Entzugssyndroms. Nachweis: Asservate: Urin, Mageninhalt, Blut Extraktion: Zum Nachweis muß zunächst biologisches Untersuchungsmaterial, zweckmäßigerweise Urin, extrahiert werden. Erst diese Extrakte können für die einzelnen analytischen Methoden herangezogen werden. Aufgrund der basischen Eigenschaften fällt Pentazocin bei der Extraktion in der alkalischen Extraktionsphase des nach STAS-OTTO durchgeführten Trennungsverfahrens an. -
Farbteste (CLARKE) Papierchromatographie (CLARKE) Dünnschichtchromatographie (CLARKE) Gaschromatographie (CLARKE) Ultraviolett-Absorptionsspektrum (CLARKE)
Quantitativer Nachweis: -
Gaschromatographie
(BEYER)
Therapie: Die Therapie der akuten Intoxikation besteht in Gabe eines spezifischen Antagonisten, des Naloxon (Narcanti®, Dosierung: 0,4—0,8 mg intravenös, Wiederholung bei Bedarf), einer primären Giftentfernung durch Magenspülung, in Gabe von Kohle und Glaubersalz und evtl. in einer mechanischen Beatmung. Von einer chronischen Abhängigkeit haben wir abrupt seit Unterstellung unter die BTMVV nichts mehr gehört. Auch früher kam sie fast nur bei Angehörigen des ärztlichen Berufes vor, häufig im Anschluß an eine (zu intensive) Migränetherapie. Entgiftung und Entwöhnung wie beim Heroin (s. dort). Besonderheiten: Pentazocin unterliegt der BTMVV. Aufgrund früherer Testungen glaubte man, daß Pentazocin keine beachtliche abhängigkeitserzeugende Potenz habe, und es wurde für den allgemeinen Gebrauch freigegeben ohne besondere Verschreibungsbeschränkungen. Später wurden Fälle von Selbstverabreichung bei abhängig gewordenen berichtet, und zwar von primär parenteraler Verabreichung (bis 20 Amp./die). Bei häufigem und wiederholtem Gebrauch entwickelt sich eine Toleranz gegenüber der Analgesie und den subjektiven Wirkungen. Subkutane oder intravenöse Verabreichung von 40 mg Pentazocin erzeugt bei Abhängigen morphinähnliche Effekte. Höhere Dosen bis zu 60 mg führen zu Symptomen wie die von Nalorphin erzeugte Nervosität und der Energieverlust. Im Gegensatz zum Morphin und anderen Opioiden kann Pentazocin bei Verabreichung an körperlich vom Morphin abhängigen Personen die Morphinentzugssymptome weder verhindern noch mildern. Bei Verabreichung hoher Dosen von Pentazocin an solche Personen lösen die wenn auch schwachen antagonistischen Wirkungen sogar Entzugssymptome aus. Nach wiederholter Verabreichung (60-90 mg alle 4 Std.) entwickelt sich eine körperliche Abhängigkeit, die durch Naloxon provoziert werden kann, nicht aber durch Nalorphin. Literatur: ALEXANDER, J. L, SPENCE, A.: Central nervous system effects of pentazocine. Brit. med. J. 2 (1974) 224. BROGDEN, R. N., SPEIGHT, T. M., AVERY, G. S.: Pentazocine: A review of its pharmacological properties, therapeutic efficacy and dependence liability. Drugs 5, 6-91 (1973) BEYER, K.-H.: Biotransformation der Arzneimittel. Wiss. Verlagsgesellschaft Stuttgart (1975). BYRD, G. J., KANE, F. J.: Persistent Psychotic Phenomena following one dose of pentazocine. Texas Med. 72 (1976) 68. CLARKE, E. G. C, BERLE: Isolation and Identification of Drugs. The Pharmac. Press. Bd. I (1969). COSMAN, B.: Cutaneous manifestations of pentazocine addiction. J. Amer. med. ass. 239 (1978) 404. DAVIE, I. T., SCOTT, D. B., STEPHEN, G. W.: Respiratory effects of pentazocine and pethidine in patients anaesthetised with halothane and oxygen. Brit. J. Anaesth. 42 (1970) 113,
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HI-3.3
Pentazocin
Drogen
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Pentobarbital
Drogen
III-3.3
Pentobarbital Synonym: 5-Ethyl-5-(l-methylbutyl)-barbitursäure Chemische Formel:
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: 86 % werden über den Urin in 6 Tagen ausgeschieden, 73 % davon als 3-Hydroxypentobarbital, 15 % als N-Hydroxypentobarbital, 1 % als Reinsubstanz. Pentobarbital ist ein ultrakurzwirkendes Barbiturat mit mehrfacher Alkylsubstitution. Es wirkt sedierend, hypnotisch, antikonvulsiv und narkotisch. Über den möglichen Wirkungsmechanismus siehe Hexobarbital. Pentobarbital ist eine Säure, der pKa beträgt 7,6. Es wird nach p.o., i.m. und rektaler Gabe gut resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 90-100 %. Maximale Plasmaspiegel treten bei nüchternem Magen in 0,5-2 h und nach Mahlzeiten etwas verzögert auf. Das VD beträgt 0,9-1 1/kg. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 45-70 %, sie nimmt bei Niereninsuffizienz ab. Pentobarbital wird in der Leber zu etwa 80 % inaktiviert. Die Plasma-HWZ liegt bei 20 h ( - 4 0 h). Sie ist bei dekompensierter Leberzirrhose verdoppelt, bei extrahepatischem Gallengangsverschluß um 3 0 % und bei cholostatischer Hepatitis um etwa 60 % verlängert. MG 226; hohe Fettaffinität, Anreicherung in lipoiden Geweben. Nierenclearance: 4 ml/min; Clearance bei forcierter Diurese: 6-14 ml/min; Clearance bei Hämodialyse: 90-120 ml/min; Clearance bei Ultrafiltrations-Peritonealdialyse: 72 mg/h, bei Peritonealdialyse mit Albuminzusatz: 40 mg/h. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 1-3 mg/1 im Blut (SMITH, EHRNEBO, KONZ); Konzentration bei chron. Gabe: 50 mg/1 im Blut (MARSHALL) Letale Konzentration: 30 mg/1 im Blut (REHLING, BASELT, CRAVEY, ROBINSON)
LD: 40^15 mg/kg KG (3-5 g b. Erw.) Symptome: Koma, Schock, Atemdepression Nachweis: DC (BROUGHTON, quant.), GC, HPLC Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme, Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat, Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich. Forcierte alkalisierende Diurese, Hämodialyse, Hämoperfusion, Peritonealdialyse (Ultrafiltration oder Albuminzusatz). Bei Areflexie solange dialystern, bis möglichst alle Reflexe wieder da sind. Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
III—3.3
Pentobarbital
Drogen
Literatur: ALGERI, E. J., MCBAY, A. J.: The identification of pentobarbital by paper chromatography in a medicolegal death. New Eng. J. Med. 248: 4 2 3 - 4 2 4 , 1 9 5 3 . BASELT, R. C, CRAVEY, R. H.: A compendium of therapeutic and toxic concentrations of toxicologically significant drugs in human biofluids. J. Anal. Tox. 1: 81-103,1977. BREIMER, D. D.: Clinical pharmacokinetics of hypnotics. Clin. Pharmacokin. 2: 93-109,1977. CRAVEY, R. H., REED, D., SEDGWICK, P. R., TURNER, J. E.: Toxicologic data from documented drug-induced or drugrelated fatal cases. Clin. Tox. 10: 327-339,1977. DOLUISIO, J. T., SMITH, R. B., CHUN, A. H. C, DITTERT, L. W.: Pentobarbital absorption from capsules and suppositories in humans. J. Pharm. Sei. 67: 1586-1588,1978. EHRNEBO, M.: Pharmacokinetics and distribution properties of pentobarbital in humans following oral and intravenous administration. J. Pharm. Sei. 63: 1114-1118,1974. MARSHALL, L. F., SHAPIRO, H. M., RAUSCHER, A., KAUFMAN, N . M.: Pentobarbital therapy for intracranial hypertension
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Z
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Drogen
Pentylentetrazol
III—3.3
Pentylentetrazol Synonyma: Pentetrazol; 6,7,8,9-Tetrahydro-5H-tetrazolo-(l,5)-azepin; ß-Cyclopentamethylenetetrazol; 1,5-Pentamethyltetrazol; 6,7,8,9-Tetrahydro-5-azepotetrazol; l,2,3-Tetrazacyclohepta-8,2-cyclopentadien; 7,8,9,10-Tetrabicyclo-(5,3)-8,10-decadien;Metrazol; Chemische Formel: C 6 H 10 N 4
Beschaffenheit: Geruchlose, farblose Kristalle oder weißes Pulver mit leicht scharfem, bitteren Geschmack; gut löslich in Wasser und organischen Lösungsmitteln; 4,91 %ige Lösung ist isoton; SP = 57-60°C; MG = 138,17. Vor Licht und Feuchtigkeit schützen! Verwendung: Zentral bedingte Kreislaufschwäche, geistige Erschöpfungszustände, Atemschwäche und -kollaps während Anästhesie, Vergiftung mit Narkosemitteln besonders Barbituraten, Unterstützung bei HerzKreislauf stillstand; früher in der Psychiatrie zur Krampftherapie. Wegen heute besserer Alternativen, wird Pentetrazol im allgemeinen nicht mehr empfohlen. Wirkungscharakter: Allgemeines zentrales Stimulans; wirkt besonders exzitatorisch auf Neurone des Atem- und Kreislaufzentrums; das Blutangebot in den Koronarien steigt; wirkt stark krampferregend; trizyklische Antidepressiva erniedrigen die Krampfschwellendosis, durch Elektroschock wird die Schwelle erhöht; bei Ratten fand man verringertes Ansprechen auf Pentetrazol nach Reduktion des Plasmafolsäurespiegels. Stoffwechselverhalten: Schnelle orale Resorption, schnelle und unveränderte Ausscheidung mit Urin; Wirkdauer 3—8 min; HWZ 15 min Toxizität: LD 50 Ratten oral 170 mg/kg Krampfdosis beim Menschen:
0,3-0,5 g i.v. 0,9-1,5 gs.c. 1,5-3,0 g oral Letaldosis beim Menschen: doppelte Krampfdosis!
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IH-3.3
Pentylentetrazol
Drogen
Symptome: ZNS: epileptische Krämpfe, häufig mit Frakturen, Luxationen, danach Depression; Atemlähmung, Hypoxie, Schock; psychisch: Erregung, Angst, Wahn. Auge: Blepharospasmen, Pupillenreaktionsstörungen, Lähmung äußerer Augenmuskeln Nachweis: Dünnschicht-, Papierchromatographie Infrarot-, UV-Spektrometrie Therapie: - sofortige iv.-Injektion von Diazepam, Thiopental oder Suxamethonium - Beatmung - im Schock Plasmaexpander, Azidosetherapie mit Natriumbikarbonat - nach oraler Aufnahme primäre Giftentfernung durch Kohle-Pulvis, Magenspülung und Kohle-Pulvis Literatur: BERCEL, N. A.: Experiences with pharmacological methods for the lateralization of temporal epileptic foci. Acta Neurochir. (Wien) 23 Suppl; 271-81 (1976). DAVID, J.: Pholic ant pentylenetetrazole induced seizure susceptibility in Macaca mullatta. J. Med. Primatol; 6 (6), 337-43 (1977). LIETZ, S.: Tauglichkeitsdiagnostik mit Hilfe des EEG: die Metrazol-Provokation. Verkehrsmed. 27,1-14 (1980). LIETZ, S., SCHROEDER, W.: Der Wert der Pentetrazol-Provokation im EEG für die Begutachtung der Fahrtauglichkeit. Psychiatr. Neurol. Med. Psychol. (Leipz.); 12, 726-33 (1981).
2.
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Pethidin
Drogen
III-3.3
Pethidin Synonyma: l-Methyl-4-phenyl-piperidin-4-carbonsäure-ethylester Phetidin, 1 -Methyl-4-phenyl-isonipecotinsäure-ethylester; Isonipecain Chemische Formel:
°v/ Beschaffenheit: MG: 247, 34 Pethidin ist ein feinkristallines, weißes und geruchloses Pulver mit salzigem, bitterem Geschmack. Gegenüber UV-Licht ist Pethidin empfindlich. Es ist gut löslich als Hydrochlorid. Wäßrige Lösungen zersetzen sich allmählich (BROCKELT, 1972). Verwendung: Pethidin ist ein 1939 eingeführtes synthetisches Piperidinderivat, das ursprünglich wegen seiner atropinartigen Wirkung auf der Suche nach einem Spasmolytikum auffiel. Pethidin wird in Form seines salzsauren Salzes als starkes Analgetikum und Spasmolytikum verwendet. Seine Indikationen decken sich weitgehend mit denen des Morphin. Wegen seines guten sedierenden Effektes wird es vor allem auch in der chirurgischen Prämedikation und in der Geburtshilfe bevorzugt. Bei Koliken der Harn- und Gallenwege ist es dem Morphin überlegen, da es Spasmen dieser Organe weniger intensiv fördert. Pethidin unterliegt der BTMVV. Vorkommen: Dolantin® (Hoechst) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Pethidin ist eine Base, der pKa beträgt 8,7. Es wird nach oraler Gabe rasch und gut resorbiert (wgen eines First-pass-Metabolismus systemische Bioverfügbarkeit um 50 %), mit maximalen Plasmaspiegeln in 1-2 h. Nach intramuskuläre Gabe treten maximale Plasmaspiegel in 25 min (bis 60 min) auf, 80 % der Dosis sind in 6 h resorbiert. Bei Patienten mit Lebererkrankungen (Leberzirrhose, akute Heptatis) ist die orale Bioverfügbarkeit deutlich erhöht. Das VD beträgt zu Behandlungsbeginn etwa 1,5 1/kg, während Gleichgewichtskonzentrationen etwa 4 1/kg. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 40—60%, sie nimmt im Alter und mit steigender Alkoholeinnahme ab. Pethidin wird in der Leber zu aktiven und inaktiven Metaboliten abgebaut (60-95 % ) . Die Ausscheidung erfolgt in den Urin, hauptsächlich als Metabolite, nur etwa 5 % sind unverändert. Durch Harnansäuerung erhöht sich der Anteil unveränderten Pethidins im Urin (bis 28 % ) . Die Plasmahalbwertszeit ist vom Urin-pH abhängig, sie beträgt durchschnittlich 2—4 h. Sie ist bei opiatabhängigen Patienten nicht verändert, bei Patienten mit akuter Hepatits oder Leberzirrhose auf 7-8 h verlängert. Bei Niereninsuffizienz kann nach wiederholter Gabe von Pethidin Norpethidin (ein aktiver Metabolit
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III-3.3
Drogen
Pethidin
mit der Hälfte der analgetischen und dem Doppelten der konvulsiven Wirkung von Pethidin) kumulieren. Dialysierbarkeit: Unbekannt. Die Wirkung tritt nach p.o. Gabe in 20 min, nach s.c. und i.m. Gabe in 10 min und nach i.v. Gabe in 5 min ein. Sie erreicht nach p.o., s.c. und i.m. Gabe ihr Maximum nach etwa 1 h und dauert nach p.o., s.c. und i.m. Gabe 2 h an, nach i.v. Gabe etwa 2 h. Der Wirkungsmechanismus wird mit einer Stimulierung enkephalinerger Neuronen erklärt (siehe Morphin). Es besitzt möglicherweise nur eine geringe obstipierende und antitussive Wirkung. Eine vagolytische und anticholinerge Eigenwirkung ist relativ gering. Wirkungen auf das ZNS: Die Wirkungen des Pethidins auf das ZNS sind denen des Morphin sehr ähnlich. Analgesie: Pethidin kann in allen Fällen verabreicht werden, in denen ein Opioid angezeigt ist. Allerdings ist das Pethidin in einigen Situationen wegen seiner geringeren spasmogenen Wirkung dem Morphin vorzuziehen. Die Analgesie ist wie beim Morphin zentral bedingt. Der analgetische Effekt ist beim Pethidin 5—lOmal schwächer als beim Morphin. Die Wirkungsdauer ist kürzer. Applikationsformen, Wirkungseintritt, Wirkungsmaximum, Wirkungsdauer und Dosierung: Pethidin kann parenteral, oral und rektal verabreicht werden. Eine Dosis von 50—100 mg Pethidin ist bei parenteraler Verabreichung einer Dosis von 10 mg Morphinäquivalent. Da weder Morphin noch Pethidin in dieser Dosierung bei allen Patienten in allen Situationen eine ausreichende Analgesie bewirken, sind manchmal höhere Dosen erforderlich. Hinsichtlich des gesamten analgetischen Effektes ist Pethidin nur halb so wirksam bei oraler als bei parenteraler Verabreichung. Parenterale Verabreichung: intramuskulär: (subcutan)
Dosierung (ED): Wirkungseintritt: Wirkungsmaximum: Wirkungsdauer:
50-100 mg nach 5-20 Minuten nach 1 Stunde 2-4 Stunden (bis zu 6 Stunden) Die Pharmakokinetik nach subcutaner Verabreichung entspricht der nach intramuskulärer, jedoch kommt es nach dieser Applikationsform häufig zu lokaler Irritation und Gewebsinduration. Häufig wiederholte subcutane und intramuskuläre Gaben können zu schweren Muskelfibrosen führen (JOHNSON). Zur sofortigen Schmerzbeseitigung, z.B. von Steinkoliken und ähnlichen schweren Schmerzzuständen können 5 0-100 mg Pethidin intravenös verabreicht werden. Diese Applikationsform erhöht das Auftreten und die Schwere der Nebenwirkungen. Bei Asthenikern kann es zu Blutdruckschwankungen kommen. Die intravenöse Injektion soll deshalb langsam erfolgen und zweckmäßigerweise zusammen mit etwa 10 ml 10%iger Traubenzucker- oder physiologischer Kochsalzlösung. Orale Applikation:
Dosierung: 25-30 mg Wirkungseintritt: nach 20-40 Minuten Wirkungsmaximum: nach ca. 2 Stunden Wirkungsdauer: mehrere Stunden. Die Effektivität des Pethidin bei oraler Verabreichung ist nicht in demselben Maße reduziert wie bei Morphin. Die orale Verabreichung ist bei leichteren bis mittelstarken Schmerzzuständen indiziert. Die Einzeldosis bei rektaler Verabreichung beträgt 100 mg, die Wirkung tritt mit einer Latenz von 20—40 Minuten ein. EMD: 150 mg TMD: 500 mg Höchstverschreibungsmenge: 1000 mg Kinder: EMD: 1 mg/kg TMD: 3 mg/kg.
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Drogen
Pethidin
III-3.3
Wirkungen auf das ZNS: In äquianalgetischer Dosierung erzeugt Pethidin denselben Grad von Sedation und Euphorie wie Morphin. Die sedierende Wirkung des Pethidin weicht erst bei höheren Dosen einem hypnotischen Effekt. Eine Euphorie kommt bei 10-20 % der Patienten vor. Bei einigen Patienten kann es zu Dysphorie kommen. Pethidin unterscheidet sich vom Morphin, indem es im toxischen Dosisbereich zentralnervöse Erregungszustände verursachen kann, die sich in Tremor, Muskelzucken und Krämpfen äußern. Pethidin kann den Kornealreflex abschwächen oder ganz unterdrücken. Eine Miosis tritt in der Regel nicht auf. Es hat beträchtliche lokalanästhetische Wirkung, aber es wirkt bei lokaler Applikation gewebsirritierend und hat daher als Lokalanästhetikum keine therapeutische Bedeutung. Unter Pethidinwirkung scheint die Sensitivität des Vestibularorgans beim Menschen zuzunehmen, was zum Teil das vermehrte Auftreten von Schwindel, Übelkeit und Erbrechen bei ambulant behandelten Patienten erklärt. EEG: Bei fortwährender Verabreichung hoher Dosen in kurzen Intervallen kommt es nach einigen Tagen zu einer zunehmenden Verlangsamung der Wellen und zu einer Erhöhung der Wellenamplitude. Die Wellenverlangsamung bleibt auch im Toleranzstadium bestehen. Die Pethidin-induzierten Veränderungen dauern ungefähr bis zu 48 Stunden nach dem Absetzen des Medikaments an. Hohe Dosen von Pethidin zeigen im Tierversuch regelmäßig eine konvulsive Aktivität im EEG. Pethidin hat keinen antitussiven Effekt im therapeutischen Dosisbereich. Atmung: Der atemdepressorische Effekt des Pethidin ist in äquianalgetischer Dosierung gleich dem des Morphin. Es kommt zu einer vorübergehenden Verminderung der Atemtiefe und -frequenz. Maximale Atemdepression wird 1 Stunde nach intramuskulärer Verabreichung beobachtet, und nach therapeutischen Dosen normalisiert sich die Atmung allmählich binnen 2 Stunden, wenngleich das Atemminutenvolumen noch bis zu einer Dauer von 4 Stunden vermindert ist. STÖLTING (1977) beschreibt einen Fall von tiefer Atemdepression, die schon nach Verabreichung von 5 0 mg Pethidin bei einer gesunden 20jährigen Frau auftrat und sich durch Naloxongabe rückgängig machen ließ. In allen Fällen, in denen es besonders wichtig ist, eine Depression der Atmung zu vermeiden, kann durch Kombination von Pethidin mit einer geringen Dosis eines Morphinantagonisten der atemdepressorische Effekt vermindert werden. Dies ist zum Beispiel in dem Präparat „Dolantin® Spezial" der Fall, das in 1 ml Injektionslösung neben 50 mg Pethidin 0,625 mg Levallorphantartrat enthält. Wirkung auf das kardiovaskuläre System: Bei therapeutischer Dosierung hat Pethidin keine bedeutenden unerwünschten Nebenwirkungen auf das kardiovaskuläre System, insbesondere wenn die Patienten bettlägrig sind. Pethidin zeigt hier keine negativ inotrope Wirkung, und das EKG bleibt unbeeinflußt. Bei Anwendung von Pethidin bei ambulanten Patienten kann es im Zusammenhang mit Blutdruckabfall zu Synkopen kommen, aber die Symptome geben sich schnell wieder, wenn sich der Patient hinlegt. Nach intravenöser Verabreichung von Pethidin kommt es zu einer Zunahme der peripheren Durchblutung und zu einer Abnahme des peripheren arteriellen und venösen Widerstandes. Diese Effekte können durch vorherige orale Verabreichung von Anthihistaminika nicht ausgeschaltet werden. Der zugrundeliegende Mechanismus dürfte derselbe sein, wie oben beim Morphin beschrieben. Intramuskuläre Verabreichung von Pethidin hat keinen bemerkenswerten Einfluß auf die Herzfrequenz, intravenöse Verabreichung erzeugt allerdings häufig eine Zunahme der Herzfrequenz. Wie beim Morphin ist die Atemdepression für die Anhäufung von C 0 2 verantwortlich, die ihrerseits eine cerebrovaskuläre Dilatation, eine Zunahme der cerebralen Durchblutung und eine Zunahme des Liquordruckes zur Folge hat. LAWRENCE (1978) beschrieb einen Fall von Pethidin-induzierter Hypertension bei Phäochromozytom und berichtet, daß Pethidin und andere Histamin-freisetzende Medikamente bei solchen Patienten mit Vorsicht angewandt werden sollten, da hypertensive Phasen vorkommen können. Ein Alpha-Sympatolytikum hob die Hypertensio bei diesem Patienten auf.
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J
DI-3.3
Pethidin
Drogen
Darm: Pethidin erzeugt im Gegensatz zum Morphin keine Obstipation. Der Dickdarm wird nicht beeinflußt, der Tonus des Dünndarms wird leicht erhöht. Gallenwege: Nach äquianalgetischen Dosen ist der Pethidin-induzierte Spasmus im Ductus choledochus als auch die Druckerhöhung im Ductus hepaticus communis geringer als bei Morphin. Die spasmogene Wirkung auf die Gallenwege ist jedoch ausreichend, um bei Koliken und nach Cholecystektomie das Pethidin zusammen mit einem Spasmolytikum zu verabreichen. Ureter und Harnblase: Pethidin kann auch den Tonus des Ureters erhöhen. Allerdings treten Miktionsstörungen im Vergleich zu Morphin hier selten auf. Wie Morphin hat auch Pethidin einen antidiuretische Effekt. Uterus: Der gesunde Uterus einer nicht-schwangeren Frau wird durch Pethidin kaum beeinflußt. Pethidin findet Anwendung in der Geburtshilfe, da es bei ungenügender Dehnung des unteren Uterinsegments Spasmen löst und den Wehenschmerz dämpft. Der Einfluß therapeutischer Dosen auf die Wehentätigkeit ist gering. Zur Ausschaltung oder Verminderung eines eventuellen atemdepressorischen Effekts auf das Neugeborene sollte hier Pethidin auch mit einem Zusatz von Levallorphan verabreicht werden. Der Geburtsverlauf wird, vor allem durch Verkürzung der Eröffnungsperiode, in seiner Dauer durchschnittlich um 30 % herabgesetzt. Auch die Austreibungszeit wird erheblich beschleunigt. Pethidin hat keinen Einfluß auf die postpartale Kontraktion und Involution des Uterus. Ein vermehrtes Auftreten einer postpartalen Hämorrhagie ist nicht bekannt. Bronchialmuskulatur: Die relativ schwach atropin-artige Wirkung des Pethidin ist immerhin so stark ausgeprägt, daß eine Lösung von Spasmen der Bronchialmuskulatur möglich ist und die Bronchialsekretion vermindert wird. Wirkungen auf die Haut: Bei subcutaner Injektion kann es zu Rötung und örtlicher Blasenbildung kommen, wahrscheinlich durch Histaminfreisetzung. WAISBRENT und SMITH (1978) beschrieben zwei Fälle von multiplen kalten Abszessen an den Injektionsstellen von Pethidin. Allergische Reaktionen: Pethidin führt in seltenen Fällen auch zu Allergien. Beschrieben wurden Urtikaria, angioneurotische Ödeme und auch ein anaphylaktischer Schock sowie Asthma bronchiale. Diese seltenen Nebenwirkungen spielen praktisch keine größere Bedeutung. Stoffwechselverhalten: Pethidin wird hauptsächlich in der Leber metabolisiert. Es wird im tierischen und menschlichen Stoffwechsel durch ein besonderes Enzym, die „Dolantin"-Esterase abgebaut, die sich fast ausschließlich in den Lebermikrosomen findet. Die Plasma-Halbwertszeit beträgt etwa 3 Stunden. Bei Patienten mit Leberzirrhose erhöht sich die FTWZ auf 6 Stunden (KLOTZ, 1974). Etwa 60 % des Pethidin liegen im Plasma in protein-gebundener Form vor. Ältere Patienten weisen eine höhere Plasmakonzentration und eine verminderte Proteinbindung auf (MATHER). Pethidin unterliegt im menschlichen und tierischen Stoffwechsel einer verhältnismäßig schnellen und fast vollständigen Metabolisierung (ALEXANDER, 1974; DHILLON, 1973). Die menschliche Leber dealkyliert pro Stunde ca. 1 5 % des aufgenommenen Pethidin (CALDWELL). Die Elimination erfolgt überwiegend über die Niere. Beim Menschen werden innerhalb 1 Stunde ca. 20 % einer intravenös verabreichten, therapeutischen Dosis von Pethidin eliminiert. Nach intravenöser Verabreichung von 175 mg Pethidin konnten innerhalb 24 Stunden 65 % desselben in unveränderter Form oder in 4
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Drogen
Pethidin
III-3.3
Form von Metaboliten im Urin gefunden werden. Folgende Metaboliten werden im Urin gefunden: Norpethidin (7% der ausgeschiedenen Gesamtwirkstoffe) Pethidinsäure, unkonjugiert (21 %) Pethidinsäure, konjugiert (16%) Norpethidinsäure, unkonjugiert (7,5 %) Norpethidinsäure, konjugiert (15 % ) . Etwa 1/3 des verabreichten Pethidin kann im Urin in Form N-demethylierter Derivate erscheinen. Weniger als 10 % der Dosis werden unverändert im Urin ausgeschieden (MISTRA, 1978). Der Metabolit Nor-Pethidin unterscheidet sich vom Pethidin, indem er einen stärker erregenden Effekt und einen geringeren depressorischen Effekt besitzt. Bei parenteraler Verabreichung toxischer Dosen von Pethidin übersteigt die Resorptionsrate die Nor-Pethidin-Bildungsrate, und im klinischen Bild überwiegt die ZNS-Depression. Bei oraler Verabreichung toxischer Dosen übersteigt die Resorptionsrate nicht die Kapazität der Leber, Pethidin in Nor-Pethidin umzuwandeln. Daher nimmt das Verhältnis Nor-Pethidin zu Pethidin zu, was sich klinisch in Stupor und Konvulsionen äußert. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Patienten mit Niereninsuffizienz nach Pethidin-Verabreichung, bei denen die Konzentration von NorPethidn abnorm hoch sein kann (SZETO). Opioidantagonisten blockieren den konvulsiven Effekt bei der Maus (GILBERT).
Nach verschiedenen Untersuchungen differiert der Stoffwechsel bei Gesunden und Süchtigen nur unwesentlich (CALDWELL). Jedoch bei akuter (Virushepatitis) oder massiver chronischer Leberschädigung (Zirrhose) sind je nach Schwere der Erkrankung die Metabolisierungsraten manchmal um mehr als 50 % reduziert. Trotz Leberschadens liegt allerdings eine gleiche Organverteilung von Pethidin und seinen Metaboliten vor bei ähnlicher Proteinbindung bzw. Konjugierung wie im gesunden Organismus (MCHORSE). Die Metabolisierung und Elimination von Pethidin ist vom pH-Wert des ausgeschiedenen Urins abhängig. Je niedriger der pH-Wert, desto höher der Anteil des augeschiedenen Pethidin und dessen Metaboliten, insbesondere nehmen unverändertes Pethidin und Norpethidin prozentual zu, die konjugierten und hydrolisierten Metaboliten jedoch ab (RITSCHEL). Tierversuche ergaben, daß männliche Tiere Pethidin wesentlich schneller abbauen und ausscheiden als Weibchen (KATO). Pethidin passiert die Placentaschranke und bewirkt schon bei therapeutischer Dosierung eine beachtliche Zunahme des Prozentsatzes von Babies, bei denen die Atmung verzögert einsetzt, AMV und Sauerstoffsättigung vermindert sind und eine Wiederbelebung erforderlich ist. Die Konzentration im kindlichen Kreislauf kann zum Zeitpunkt der Geburt höher sein als im mütterlichen Kreislauf (MORGAN). Pethidin hat beim Neugeborenen allerdings einen geringeren atemdepressorischen Effekt als Morphin. Toxizität: LDL0 spez. Mann: 15 mg/kg LD 50 oral Ratte: 162 mg/kg LD 50 oral Maus: 200 mg/kg Therapeut. Dosis: 0,15-0,55 mg/1 im Blut (GLARKO), 1-10 mg/l im Urin Letale Dosis: 4,12 mg/1 im Blut (i.v. oral) Letale Dosis 15; 150 mg/1 im Urin (i.V.; oral; SIEK, 1978). Beim Menschen liegt die letale Dosis bei oraler Aufnahme bei 1 g Pethidin. Bei Süchtigen allerdings werden Tagesdosen von 3-4 g und mehr vertragen. LD 50 (Ratte): orale Applikation: 170 mg/kg intraperitoneale Appl.: 90 mg/kg LD 50 (Maus): subcutane Appl.: 150 mg/kg intravenöse Appl.: 70 mg/kg intraperitoneale Appl.: 50 mg/kg Tödliche Dosis beim Kaninchen: 30 mg/kg intravenös 700 mg/kg peroral. Symptome und klinische Befunde: Vergiftungserscheinungen bei Mißbrauch von Pethidin ähneln den Symptomen einer Atropin-Vergiftung. Im Gegensatz zur Morphin-Vergiftung findet sich nach Pethidin-Einnahme keine Miosis, sondern eine Mydriasis, verbunden mit z.T. erheblichen Sehstörungen, Mundtrockenheit, Hyperthermie, Tachykardie,
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III-3.3
Pethidin
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Nausea, Schwindel, Muskelzittern im Gesicht, Koordinationsstörungen, Ataxie, Tremor und Krämpfe werden beobachtet. Schlafstörungen, Bewußtseinstrübung, allgemeine Abgeschlagenheit, Gähnen und Niesen können vorkommen (STEINBRECHER). Später kann es, vor allem bei hohen Dosen, zu Atemdepression, Parästhesien mit teilweisem Verlust von Kälte- und Schmerzempfindungen kommen. Der Pethidin-Abhängige bietet ein ähnliches Bild wie der Morphinist: Krankes Aussehen, blaßgelbes Hautkolorit, halonierte Augen, Kachexie, im fortgeschrittenen Zustand psychische Veränderungen und allgemeine körperliche und seelische Depravation. Bei Verabreichung von Pethidin an Kinder und Epileptiker können bereits therapeutische Dosen Krämpfe und Erregungszustände auslösen. Die spasmolytischen Eigenschaften von Pethidin vermindern den Tonus der glatten Muskulatur der Blutgefäße, so daß ein orthostatischer Kollaps die Folge sein kann. Dosisreduktion oder Absetzen des Pethidin bei Gewöhnung führen zu weniger bedrohlichen Abstinenzerscheinungen als ein Morphinentzug. Morphinantagonisten führen bei Pethidinabhängigkeit nicht regelmäßig zu Abstinenzerscheinungen außer bei sehr hoher Toleranz. Morphinentzugserscheinungen werden durch Pethidin unterdrückt. Die Abstinenzerscheinungen bestehen vor allem in allgemeinem Unwohlsein, Schlaflosigkeit und Reizbarkeit. Nachweis: Asservate: Urin, Mageninhalt, Blut Extraktion: Zum Nachweis ist zunächst die Hydrolyse des biologischen Materials (z. B. Urin, Organparenchym) erforderlich. Pethidin wird aus wäßrigen Losungen bei alkalischer Reaktion (pH 8-10) mit verschiedenen organischen Lösungsmitteln extrahiert. Qualita tiver Nach weis: Farbtest (BURNS, 1955), Papierchromatographie, Dünnschichtchromatographie, Gaschromatographie (MATHER), Ultraviolett-Absorptionsspektrum (KAZYAK, 1959), Massenspektrum (HORNING, 1976), Radiound enzymimmunologische Nachweismethoden (CLEELAND, 1976), Quan tita tiver Na ch weis: Als Farbkomplex (BURNS, 1955), in Blut, Urin und Organgewebe, Gaschromatographische Bestimmung (MATHER, 1975), Fluorometrische Bestimmung (DAL CORTIVO, 1970), UV-analytische Bestimmung (KAZJAK, 1959).
Therapie: Bei Atemdepression infolge Überdosierung Gabe spezifischer Morphin-Antagonisten z. B. Levallorphantartrat oder Naloxon (Narcanti®). Nach Abklingen der Wirkung werden stets Nachinjektionen erforderlich werden. Magenspülung erst nach Gabe des Antagonisten. Giftentfernung bei Injektion sehr großer Mengen („Fixer"): Umspritzung mit 1 mg Suprarenin (1 ml der Lösung 1 : 1000). Bei Vergiftung mit Dolantin Spezial ist zu berücksichtigen, daß Dolantin® Spezial bereits 0.625 bzw. 1.25 mg Lorfan pro Ampulle (1 bzw. 2 ml) enthält. Bei Opioidabhängigen kann Dolantin® Spezial zu akuten Entziehungserscheinungen führen. Sauerstoffbeatmung und Anregung der Diurese durch Infusion. Bei allergischen Zwischenfälle antiallergische Behandlung. Bei chronischer Abhängigkeit Entwöhnung siehe Heroin. Literatur: ALEXANDER, F., COLLETT, R. A.: Res. Vet. Sei. 17 (1974) 136.
BURNS, D. J., BERGER, B. L., LIET, P. A.: The physiological disposition and fate of meperidine (Demerol) in man and a method for its estimation in plasma. J. Pharm. Exp. Ther. 114: 289-298, 1955. BROCKELT, G., POHLOUDEK-FABINI, R., KEMPA, H.: Pharmazie 27 (1972) 449. CALDWELL, J., SEVER, P. S.: Clin. Pharmac. and Therapeutics 16 (1974) 999.
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Pethidin
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m-3.3
Pethidin
Drogen
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ö
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Drogen
Phenacetin III—3.3
Phenacetin Synonyma: 4-Ethoxy-Acetanilid (4-Ethoxyphenyl)-acetamid 2,3 -Dihydro-1,5 -dimethy 1-2-2-pheny 1 -1 H-pyrazol-3 on p-Ethoxyacetanilid, Acet-p-phenetidin, 4-Acetamino-phenol-ethylether, 4-Acetaminophenetol, Acetophenetidin, Acetylphenetidin, Paracetophenetidin, p-Acetophenethidin, p-Phenetidin, Phenazon Chemische Formel: C10H13NO2
Beschaffenheit: MG: 179,24 Färb- und geruchlose Kristalle von schwach bitterem Geschmack, in Wasser kaum löslich. Verwendung: Therapeutische Anwendung als Analgetikum und Antipyreticum, als Ersatz für Acetylsalicylsäure bei Patienten, bei denen ASS kontraindiziert ist, z. ß. bei peptischen Ulcera oder wenn die durch Aspirin verlängerte Blutungszeit nachteilig wäre. Vorkommen: Phenacetin wurde 1887 in die Therapie eingeführt und findet heute nur noch selten Anwendung, wenn es auch früher häufig in Kombinationspräparaten enthalten war. Frühere Handels formen: Acetophenedin, Phenin u.a., sowie in zahlreichen Kombinationspräparaten wie z.B.: Antifönon, Cachets Dolomo Oblaten, Commotional, Compretten Analgeticum „MBK", Contraneural, Dolviran, Eu Med, Gelonida antineuralgica, Grippex, Melabon, Neuralgin, Octadon, Quadronal, Saridon, Siguran, Temagin, Thomapyrin, Tipsol, Treupel, Phenacon: Eu-med, Migräne-Kranit, Sanalgutt Wirkungscharakter: Analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung. Phenacetin hat analgetische und antipyretische Effekte, die sich nicht bemerkenswert von denen des Aspirin unterscheiden. Der antiphlogistische Effekt ist beim Phenacetin schwach ausgeprägt. Für die Wirkung im Organismus entscheidend ist das Hauptstoffwechselprodukt des Phenacetin, das Paracetamol (N-Acetyl-p-Aminophenol). Dieses ist für eine zentralangreifende, antipyretische und analgetische Wirkung von Bedeutung. Paraaminophenol-Derivate wirken über eine geringe Hemmung der Prostalglandinsynthetase in der Peripherie. Sie wirken gegen peripher bedingte Schmerzen schlechter als Salicyl- und Pyrazolderivate. Andererseits sind sie gut magenverträglich (AMEER).
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III—3.3 Phenacetin
Drogen
Subjektive Effekte und Entstehung von Mißbrauch. Phenacetin kann Entspannung, Schläfrigkeit, Euphorie, Erregung und vermehrte Leistungsfähigkeit bewirken. Diese Effekte können zu Mißbrauch verleiten. Bei gesunden Personen sind die subjektiven Effekte nach einer Einzeldosis von 2 g Phenacetin Schläfrigkeit (geringer ausgeprägt, aber unangenehmer als nach 150 mg Pentobarbital), leichte Verwirrtheit, Schwindel und eine gewisse Loslösung von der Realität. Unruhe und Erregung können 3-4 Tage nach dem Abbrechen einer chronischen Phenacetinanwendung auftreten, Verschiedene Wirkungen im Organismus: Einzelne oder wiederholte Gaben von Phenacetin haben keine Auswirkung auf das Herz-Kreislauf- und das Atmungssystem. Es kommt zu keinen Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt. Auch Irritationen, Erosionen und Blutungen der Magenschleimhaut kommen nach Phenacetinverabreichung nicht vor. Es besteht nur ein geringer Einfluß auf Thrombocyten, die Blutungszeit wird nicht beeinflußt. Auch die Ausscheidung der Harnsäure bleibt unverändert. Stoffwechselverhalten: Phenacetin wird praktisch vollständig und rasch aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Die maximale Konzentration im Blut wird 1/i-2 Stunden nach oraler Anwendung erreicht. Die Proteinbindung im Blut beträgt 30 %, die Plasma-HWZ 1-3 Stunden. Die metabolische Elimination von Pheancetin ist unproblematisch, wenn die Konjugation mit Glukoronsäure (85%) und mit Schwefelsäure (5%) gewährleistet ist. Bei Kleinkindern und Säuglingen sind die Fähigkeiten zur Konjugation noch nicht „ausgereift". Der Anfall der auf dem Nebenweg entstehenden toxischen Oxidationsprodukte ist besonders groß, es kommt zur Methämoglobinämie. Bei Dosen von 3 x 100 mg Phenacetin täglich stieg der Met-Hb-Gehalt bei 3 Monate alten Säuglingen auf 3,5 %, bei 1 Monat alten auf 6 %. Säuglingen und Kleinkindern soll deshalb kein Phenacetin gegeben werden. Phenacetin wird hauptsächlich durch hepatische mikrosomale Enzyme metabolisiert (MARGETTS). Der Hauptmetabolit sit das N-Acetyl-Paraaminophenol (= NAPAP), das Paracetamol, welches hinsichtlich der Methämoglobulinbildung ungefährlich ist. Phenacetin wird zu mindestens einem Dutzend anderer Stoffwechselprodukte umgewandelt. Die Metaboliten Hydroxyphenitidin und p-Phenetidin werden für die Methämoglobinämie verantwortlich gemacht und angeschuldigt, Karzinombildung im urorenalen System zu verursachen. Die Elimination erfolgt über die Niere. Nach Gabe von 1-2 g Phenacetin erscheint dieses zu 8 0 - 9 0 % innerhalb 24 Stunden in Form der Konjugate mit Glukuronsäure und Schwefelsäure im Harn. Die freie Form tritt zu etwa 3,5 % auf. Therapeutische Dosierung: Erwachsene: ED: 0,2-0,4 g
EMD: 1 g TMD: 2,4 g. Da Kleinkinder sehr viel empfindlicher reagieren als Erwachsene, wurde empfohlen, diesen überhaupt kein Phenacetin oder Phenacetin-haltige Mischpräparate zu geben. Toxizität: TDL 0 oral Mensch: 1000 mg/kg TDL 0 oral Mensch: 57 mg/kg LD 50 oral Ratte: 1650 mg/kg Die letale Dosis für den Menschen dürfte zwischen 5 und 20 g liegen. Es sind aber Fälle bekannt, in denen Dosen von 30-50 g von Erwachsenen überlebt wurden. Lebertoxizität: Paracetamol, ein Phenacetin-Metabolit, erzeugt Leberzellnekrosen. Paracetamol ist toxischer als Phenacetin. Dosen ab 10 g wirken lebertoxisch, ab 25 g kommt es zu tödlicher, akuter Lebernekrose.
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Drogen
Phenacetin
III—3.3
Symptome und klinische Befunde: Aku te In toxika tion: Die akute Intoxikation beginnt mit schmutzig-grauer Zyanose, Schwindel, Ohrensausen, Flimmern vor den Augen. In schweren Fällen beherrschen Somnolenz, Temperatur- und Blutdrucksenkung das klinische Bild. In tiefer Bewußtlosigkeit kann schließlich der Tod eintreten, doch sind letale Vergiftungen durch Phenacetin allein selten. Auch verhindert ein oft anfänglich eingetretenes Erbrechen die Resorption übergroßer Mengen. Der guten Verträglichkeit bei Erwachsenen steht eine ausgesprochene Phenacetintoxizität beim Säugling gegenüber: Methämoglobin-und Verdoglobin-S-Bildung mit lebensbedrohlichem Blutdruckabfall und u.U. bleibenden hypoxischen Schäden können auftreten. Hautausschläge und allergische Reaktionen können gelegentlich vorkommen. Die Ausschläge sind meistens erythematös oder urtikariell, können manchmal auch ernster sein und von Arzneimittelfieber und Schleimhautläsionen begleitet sein. Überempfindlichkeit gegen Salicylate äußert sich meist auch bei Phenacetin in Überempfindlichkeitsreaktionen. Chronische Intoxikation: Blut Der chronische Phenacetinabusus führt zunächst ebenso wie die akute Intoxikation zu einer Bildung der pathologischen Blutfarbstoffe Sulf- und Methämoglobin sowie zu einer toxischen Anämie hämolytischen Charakters mit typischen Heinz'schen Innenkörperchen. Äußerlich schmutzig-graue Zyanose, wahrscheinlich bedingt durch die abnormen Blutfarbstoffe und durch Abbauprodukte des Phenacetins. Meist normochrome Anämie mit Hb-Werten bis herab zu 3,2 %. Die Hämolyse ist wahrscheinlich durch Metaboliten bedingt, die Gluthation und Komponenten der Erythrocytenmembran oxidieren und die Erythrocytenüberlebenszeit verkürzen. Die Retikulocyten sind leicht bis stark erhöht. Splenomegalie wurde beobachtet. Bilirubin und Eisen im Serum sind leicht erhöht, im Knochenmark finden sich eine gesteigerte Erythrocytopoese und Eisenspeicherzellen. Hämoglobinurie, Leucocytosen und leukämoide Reaktionen des weißen Blutbildes sind vereinzelt beobachtet worden. Die Anämie muß nicht mit einer interstitiellen Nephritis einhergehen, kann also pathogenetisch von dieser unabhängig sein. Nach Absetzen des Pheancetins ist sie reversibel. Die individuelle Empfindlichkeit des erythrocytären Systems unterliegt erheblichen Schwankungen, so daß die Schwere der Anämie nicht mit der eingenommenen Phenacetindosis in Beziehung gesetzt werden kann. Toxische Knochenmarksschäden dürften für Phenacetin auch bei chronischem Abusus nicht typisch sein, nur in Kombination mit anderen knochenmarksschädigenden Stoffen kann es zu aplastischer Anämie und Pancytopenie kommen. Niere Die langdauernde Einnahme größerer Mengen von Phenacetin führt bei gewissen Individuen nach 6-20 Jahren zu einer eventuell tödlichen Nierenschädigung im Sinne einer interstitiellen Nephritis mit tubulärer Schädigung und Entwicklung einre Papillennekrose (KINCAID-SMITH). Obwohl anfangs nur Phenacetin für nephrotoxisch gehalten wurde, scheinen doch alle einfachen Analgetika einschließlich Aspirin, Paracetamol, Phenazon, Aminodpyrin und Phenacetin mit eine Rolle zu spielen. Die Pathogenese der „Phenacetinniere" ist noch nicht völlig geklärt. Neben toxischen und ischämischen Schäden kommt auch eine individuelle Überempfindlichkeit in Betracht, die auf einer Sensibilisierung gegenüber Phenacetin oder eines seiner Abbauprodukte beruhen könnte. Die klinischen Symptome einer „Phenacetinniere" bestehen in einer sich zunehmend verschlechternden chronischen Niereninsuffizienz von vor allem tubulärem Typus. Mangelnde Rückresorption im tubulären Apparat führt zu herabgesetzter Konzentrationsfähigkeit mit niedrigem spezifischem Gewicht, heller Urinfarbe, allmählichem Ansteigen des Harnstoffs und des Kreatinins mit zunehmender Acidose (Abfall der Alkalireserve, niedrige Ca-Werte) bei in der Regel fehlender Blutdrucksteigerung, was für diese Form der interstitiellen Nephritis typisch ist. Eine mäßige Blutdrucksteigerung kann in der terminalen Phase auftreten. Ein Ansteigen des Kaliums ist ein prognostisch schlechtes Zeichen. Das Urinsediment ist unauffällig, Eiweiß ist im Urin eventuell in Spuren vorhanden. Es besteht eine ausgeprägte Anämie (Urämiewirkung auf das Knochenmark und Hämolyse). Die Haut ist graubraun pigmentiert.
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III-3.3
Drogen
Phenacetin
Zwischen dem Auftreten einer Analgetika-Nephropathie und der Entstehung von Urotheltumoren besteht eine immerhin bemerkenswerte Koinzidenz (BENGTSSON; JACKSON, LORNOY, SCHELSTRAETE, SYMPOS).
LEISTENSCHNEIDER beobachtete in der Klinik in 10,2 % von 49 Patienten mit Nierenbeckentumoren, 3,84 % von 26 Patienten mit Harnleitertumoren und 3,72% von 160 stichprobenartig befragten Patienten mit Harnblasentumoren eine Koinzidenz mit Phenacetinabusus (LEISTENSCHNEIDER). Ein Kausalzusammenhang ist bisher zumindest bei Tumoren des Nierenbeckens und Phenacetinabusus allgemein akzeptiert, bei Harnleiter- und Blasentumoren hingegen fraglich. Andererseits kamen Berichte über die Carcinogenität von Analgetika aus Ländern, in denen Antipyrine und Aminopyrine jahrelang in Gebrauch waren. Aminopyrin ist als Mutagen bekannt, und die Nitrosoverbindungen beider Substanzen sind ebenfalls mutagen. Das Risiko eines weit verbreiteten Analgetikums kann leicht einem anderen zugeteilt werden (MACKLIN). LEISTENSCHNEIDER ist aufgrund seiner Ergebnisse und der Literatur der Ansicht, daß Phenacetinabusus in der BRD bisher noch nicht als wesentlicher Grund für die Häufigkeitszunahme von Urotheltumoren angesehen werden kann. Es ist fraglich, ob Phenacetin bei chronischem Mißbrauch zu einer Schädigung der Leber führt. Nach chronischem Abusus findet sich eine vermehrte Einlagerung von Lipofuscin im Leberparenchym, ein Zeichen vorzeitiger Gewebsalterung und möglicherweise auch einer eingeschränkten Leberfunktion. Nachweis: Asservate: Urin, Mageninhalt, Blut Extraktion: Phenacetin ist aus sauren und alkalischen Lösungen am besten mit organischen Lösungsmitteln extrahierbar. Qualitativer Nachweis: Farbreaktionen
(CLARKE;
PREUSS),
Papierchromatographie
(PREUSS),
Dünnschichtchromatographie
(PREUSS), Gaschromatographie (CLARKE), Ultra violett-Absorptionsspektrum (CLARKE), Infrarot-Absorptionsspektrum (CLARKE).
Quantitativer Nachweis: Spektrophotometrische Methoden (PREUSS), Bestimmung des 4-Chloracetanilids (JONES), Gaschromatographie (OESCH).
Therapie: Die Behandlung der akuten Intoxikation besteht in primärer Giftentfernung mittels Magenspülung, Kohle und Glaubersalz. Eine Hämodialyse ist bei Nierenversagen und metabolischer Acidose indiziert. Bei Methämglobin-Bildung (über 40 %) Gabe von Toluidinblau, 2-4 mg/kg Körpergewicht i.v. Die Behandlung der Nephritis besteht in eiweißarmer und KH-reicher Diät, sowie Infusionen mit 510%iger Lävulose, Alkalitherapie zur Kompensation der Acidose (Natriumbikarbonat), Ausgleich von Elektrolytstörungen (Na, K, Ca, P) und Behandlung von Infekten. Bei chronischer Abhängigkeit: 1. Aufklärung über langanhaltende Schmerzen als Leitsymptom des Entzuges. 2. Erlernen eines Entspannungstrainings (Autogenes Training) 3. Physikalische Maßnahmen gegen die Schmerzen (z.B. Kälte bei Kopfschmerzen) 4. Verlernen süchtigen Verhaltens durch Verhaltenstherapie (s. chronischer Alkoholismus) 5. Lebenslang meiden aller psychotropen Drogen incl. Alkohol. Literatur: AMEER, B., GREENBLATT, D. J.: Acetaminophen. Ann. Inern. Med. 87 (1977) 202-209. BASSET, P., BERGERAT, J. P., LANG, J. M. et al.: Hemolytic anemia and sulfhemoglobinemia due to phenacetin abuse: a case with multivisceral adverse effects. Clin. Tox. 18: 493-499,1981.
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Drogen
Phenacetin
III—3.3
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Phendimetrazin
Drogen
III—3.3
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Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
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III-3.3
Phenylcyclidin
Drogen
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12
Daunderer — Klinische Toxikologie — 125. Erg.-Lfg. 2/98
Piroxicam
Drogen
III—3.3
Piroxicam Synonym: 4-Hydroxy-2methyl-N- (2-py ridy 1)-2H-1,2-benzothiazin-3 carboxamid-1,1 -dioxid Chemische Formel:
Beschaffenheit: Weißes kristallines Pulver, das in Wasser und den meisten organischen Lösemitteln schlecht löslich ist. Wegen der enolischen Hydroxylgruppe an C4 zeigt es schwach saure Reaktion; pKa = 5,1. Molekulargewicht 331,3. Verwendung: Indikation: Entzündliche, degenerative und schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie chronische Polyarthritis, Arthrosen, Spondylitis ankylosans, Schulter-Arm-Syndrom, Ischialgien, Entzündungen der Sehnen und Sehnenscheiden, akuter Gichtanfall, posttraumatische und postoperative Schmerzzustände. Gegenanzeigen: Magen-Darm-Ulcera; eine allergische Kreuzreaktion mit anderen nicht-steroidalen Antirheumatika ist möglich (z.B. Rhinitis, Asthma, Hautreaktionen); Schwangerschaft, Laktation, Kindheit. Bei eingeschränkter Herz-, Nieren- und Leberfunktion sind entsprechende Kontrollen erforderlich. Vorkommen: Rheumitin® (Krewel Meuselbach) Brexidol® (Pharmacia & Upjohn) durapirox® (durachemie) Fasax® (BASF GEnerics) Felden® (Mack/Pfizer) Flexax® (TAD) Jenapirox® (Jenapharm) Pirobeta® (betapharm) Piroflam® (Lichtenstein) Piro-Phlogont® (Azuphaarma) PIRO-Puren® (Isis Puren) Pirohemm® (Hexal) pirox® (ct-Arzneimittel) Prä-Brexidol® (Pharmacia &c Upjohn) Piroximerck® (Merck Generika) Piroxicam® (Heumann) Pharbital (Aliud Pharma) Jenapharm (ratiopharm) Stada (Verla)
Daunderer - Klinische Toxikologie- 125. Erg.-Lfg. 2/98
III—3.3
Piroxicam
Drogen
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Piroxicam ist ein 1980 eingeführtes nicht-steroidales Antirheumatikum mit antiphlogistischer, analgetischer und antipyretischer Wirkung. Es ist ein Benzothiazinderivat (Oxicamderivat) aus der Substanzklasse der Oxicame. Obwohl chemisch mit keinem der bekannten Antirheumatika verwandt, zeigt es qualitativ das gleiche Wirkungsspektrum. Die genaue Wirkungsweise von Piroxicam ist noch nicht vollständig aufgeklärt, aber man nimmt an, daß Piroxicam an mehreren Stellen in den Entzündungsmechanismus eingreift. Es hemmt die Prostaglandin-Biosynthese und dadurch die erhöhte Plasmaexsudation und verstärkte Schmerzempfindlichkeit gegenüber Histamin und Bradykinin. Es vermindert die pathologisch erhöhte Zahl und die Migration und Chemotaxis polymorphkerniger Granulozyten und Monozyten und die Freisetzung lysosomaler Enzyme. Es wirkt antiproliferativ und bewirkt durch eine konzentrationsabhängige Hemmung der Kollagen-induzierten Thrombozyten-Aggregation eine Hemmung der Freisetzung weiterer Entzündungsmediatoren. Außerdem konnte ein Rückgang der Rheumafaktorsynthese nachgewiesen werden. Interferenzen: Durch die für Antirheumatika typische hohe Plasmaproteinbindung kann Piroxicam eine Verdrängung anderer stark proteingebundener Stoffe bewirken. Kein Anhalt ergab sich jedoch bisher für eine Wechselwirkung mit Antikoagulantien, Digitalispräparaten und Sulfonylharnstoff-Antidiabetika. Durch ASS wird der Blutspiegel von Piroxicam nicht beeinflußt, wegen der gleichsinnigen Nebenwirkungen sollten ASS und Piroxicam jedoch nicht kombiniert werden. Durch Eisenll-salze und aluminium- bzw. magnesiumhaltige Antazida wird die Bioverfügbarkeit von Piroxicam ebenfalls nicht beeinflußt. Pharmakokinetik: Piroxicam wird rasch und praktisch vollständig resorbiert und aus dem Plasma mit einer Halbwertzeit von 36-45 Stunden eliminiert. Anders als bei Retard-Präparationen sind auch nach 24 Stunden noch hohe Plasmaspiegel vorhanden. Die einmalige tägliche Verabreichung therapeutischer Dosen führt nach 5-7 Tagen zu einem Fließgleichgewicht mit Plasmakonzentrationen zwischen 3 und 7 mikrogramm/ml, die zwischen den Einzelgaben über 24 Stunden aufrechterhalten werden. Bei weiterer Einnahme erfolgt keine Kumulation. Auch bei eingeschränkter Nierenfuktion (Serumkreatinin 3—4 mg %) bleibt der Plasmaspiegel im Normbereich und die Halbwertzeit unverändert. Metabolismus und Ausscheidung: Piroxicam wird stark metabolisiert; weniger als 5 % der Tagesdosis werden unverändert in Urin und Faeces ausgeschieden. Ein wichtiger Stoffwechselvorgang ist die Hydroxylierung des Pyridin-Ringes in der Seitenkette von Piroxicam mit nachfolgender Konjugation an Glukuronsäure und Ausscheidung im Urin. Toxizität: akute Toxizität: LD 50 oral (mg/kg) Maus 360 (321-404) Ratte 270 (231-316) Hund über 700 Chronische Toxizität: Bei oralen Dosen von 0,3-10 mg/kg/d, d.h. bis zur 35 fachen humantherapeutischen Dosis, zeigten sich bei Ratte, Maus, Hund und Primaten die auch bei anderen Antirheumatika typischen Schädigungen: Papillennekrosen der Nieren und gastrointestinale Läsionen. Akute Überdosierungen von Piroxicam in suizidaler Absicht führten bei 56 bzw. 70 Kapseln zu folgenden klinisch unwesentlichen Erscheinungen: Somnolenz, Hämokulttest positiv, ohne Ulzeration, Hb-Ab fall von 13,2 auf 12,5% bei 70 Kapseln; RR-Anstieg auf 160/90 ohne neurologische Befunde bei 56 Kapseln. Symptome: Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Magenblutungen, Ulcus Zentralnervös: Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Erregung
Z.
Daunderer - Klinische Toxikologie - 1 2 5 . Erg.-Lfg. 2/98
Drogen
Piroxicam
III—3.3
Renal: Knöchelödem infolge Natrium- und Wasserretention Allergisch: Asthma, Hautreaktionen, in Einzelfällen auch z.B. Stevens-Johnson-Syndrom Blutbild: Erniedrigung des Hämoglobin- und Hämatokritwertes Serumwerte: Erhöhung der Transaminasen und des Harnstoffspiegels. Nachweis: Dünnschichtchromatographie (qualitativ) Gaschromatographie (quantitativ) Therapie: Primäre Giftentfernung durch Magenspülung, Gabe von Medizinalkohle und Glaubersalz; ggf. Antazida. Nierenschutz durch Alkalisierung mit Bikarbonat. Besonderheiten: Die nichtsteroidalen Antirheumatika wie Piroxicam waren am 28. September 1983 im BGA, Berlin, Gegenstand einer Sondersitzung zur Abwehr von Arzneimittelrisiken. Piroxicam ist in Kapselform im Februar 1980, als Zäpfchen im August 1982 vom BGA für Deutschland zugelassen worden. Isoxicam ist seit 31. Mai 1983 auf dem Markt. Anlaß zur Sondersitzung waren Meldungen über unerwünschte Nebenwirkungen, die dem Amt zwar nicht in der Zahl, wohl aber in der Schwere der einzelnen Wirkung über das Maß vergleichbarer nichtsteroidaler Antirheumatika hinauszugehen scheinen; dies gilt insbesondere für Piroxicam. Die Zahl der Nebenwirkungen von Piroxicam läuft parallel der weiten Verbreitung von insgesamt 1,2 Milliarden Tagesdosen. Das Nebenwirkungsspektrum entspricht dem anderer Prostaglandinhemmer. Mit 17 Prozent ist die Nebenwirkungsrate insgesamt nicht höher als bei vergleichbaren Präparaten und sogar gegenüber Indometacin und Acetylsalicylsäure geringer. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hält jedoch die Tatsache, daß zwei Drittel der gemeldeten Magen-Darm-Schäden mit Blutungen, Ulkus und Perforation so schwer waren, daß Krankenhausaufenthalte und Noteingriffe erforderlich wurden, für sehr problematisch. Ob die Schwere der Nebenwirkungen, wie die Hersteller und Sachverständige betonen, auf der Nichteinhaltung der Dosierungsvorschriften durch Arzt und eigenmächtige Patienten beruht oder aber auf Kumulation der toxischen Wirkung infolge der langen Halbwertzeit der Oxicame, ist offen. Piroxicam zeigt große individuelle Streuungen in der Halbwertzeit, die zwischen 17 und 158 Stunden liegt, im Durchschnitt jedoch zwischen 30 und 60 Stunden angenommen werden muß. Für Isoxicam gelten mittlere Halbwertzeiten zwischen 23 und 35 Stunden. Von den weltweit gemeldeten Todesfällen ist allerdings nur bei einer sehr geringen Zahl ein Zusammenhang mit der Einnahme von Piroxicam nachgewiesen. Inwieweit Kausalzusammenhänge zwischen Todesfällen und Arzneimitteleinnahme überhaupt nachzuweisen sind, wird versucht zu klären. Literatur: ISHIZAKI,T., NOMURA,T., ABE,T.: Pharmacokinetics of Piroxicam. J. Pharmacokin. Biopharmac. 7 (1979), 369-381. SCHIANTARELLI, P., ACERBI, D., Bovis, G.: Some Pharmacokinetic Properties and Bioavailability by oral and Rectal Route of Piroxicam in Rodents and Man. Arzneim. Forsch. (Drug Res.) 31 (1981), 92-97. SCHIANTARELLI, P., CACEL, S.: Piroxicam - Pharmacologic Activity and Gastrointestinal Damage by Oral and Rectal Route. Arzneim. Forsch. (Drug Res.) 31 (1981), 87-92. TWOMEY, T. M., HOBBS, D. C: Biotransformation of Piroxicam by Man. Fed. proc. 37 (1978), 271. WISEMANN, E. H., CHANG, Y.-H., LOMBARDINO, J. G.: Piroxicam, a Novel Anti-inflammatory Agent. Arzneim. Forsch. (Drug Res.) 26 (1976), 1300-1303. WISEMANN, E. H.: Piroxicam: Theorie und Wirkungsweise. Akt. Rheumatol. 5 (1980), 1-8.
Daunderer - Klinische Toxikologie - 125. Erg.-Lfg. 2/98
3
Drogen
Prazepam Chemische Formel:
T
CH 2
Vorkommen: Demetrin® (Goedecke/Parke/Davis) Verwendung: Anxiolytikum Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat, Metabolismus zu 3-Hydroxyprazepam, Nordiazepam und Oxazepam. 3 8 % werden innerhalb von 48 Std. über den Urin ausgeschieden, 60 % innerhalb von 7 Tagen (DICARLO). Totale Clearance 8 ml/min. Leichte anticholinerge Symptome. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 0,07-0,17 mg/1 Nordiazepam im Serum (ALLEN) Nachweis: EMIT - Benzodiazepine GC (MAIER, NAU)
Symptome: - Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen - Muskelschwäche - Ataxie - Blutdruckabfall - Mundtrockenheit - Seh-, Sprach- und Miktionsstörungen Nach sehr hohen Dosen: - Bewußtlosigkeit - Atemdepression
Daunderer - Klinische Toxikologie - 126. Erg.-Lfg. 3/98
III—3-3 Prazepam
Drogen
Literatur: ALLEN, M. D., GREENBLATT, D. J., HARMATZ and SHADER, R. I. Single-dose kinetics of prazepam, a precursor of desme-
thyldiazepam. J. Clin. Pharm. 19: 445-450, 1979. DICARLO, F. J., VIAU, J. P., EPPS, J. E. and HAYNES, L. J. Prazepam metabolism by man. Clin. Pharm. Ther. 1 1 : 8 9 0 -
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2.
Daunderer - Klinische Toxikologie - 126. Erg.-Lfg. 3/98
Prethcamid
Drogen
III—3.3
Prethcamid Synonyma: Prethcamid = Cropopamid (I) + Crothetamid (II) I. N-(l-Dimethylaminocrbonyl)-propyl-N-propyl-2-butenamid; N-(l-Dimethylcarbamoylpropyl)propylcrotonamid; a-(N-crotonyl-N-propyl)-amino-N,N-dimethylbutyramin; II. N-(1 -Dimethylamino)-carbonylpropyl)-N-ethyl-2-butenamid; N-(1 -Dimethy lcarbamoylpropyl)-Nethyl-crotonamid; a-N-crotonyl-N-ethylamin-o-dimethylbutyramid; Chemische Formel: I.C 1 3 H 2 4 N 2 0 2 O CH 3
CH = CH
CH 2 - — CH 3 O
C CH-
II —c
CH 3 \CH
3
CH 2 - — CH 3 O CH 3
CH = CH
C
CH 2 - — CH 2 -— CH 3 0 .CH3 II CH—c — \ C H 3 Cl-L-
CK,
Beschaffenheit: Flüssigkeit, leicht mischbar mit Ether, Alkohol, Wasser; vor Feuchtigkeit und Hitze schützen! Nicht über 25°C aufbewahren! Verwendung: Bei akutem und chronischem Sauerstoffmangel bzw. respiratorischer Azidose, zur Anregung der Atmung bei leichter Dyspnoe und Emphysem, bei Asphyxia neonatorum, postnarkotisch; wird auch als Dopingmittel verwendet; Kontraindikation; Patienten mit Neigung zu Krampfanfällen; gleichzeitig mit Medikamenten, die die Krampfbereitschaft erhöhen, z.B. Phenothiazine Wirkungscharakter und Stoffwechsel verhalten: Zentrales, respiratorisches Stimulans; die Erregbarkeit des Atemzentrums wird gesteigert, indem die Reizschwelle herabgesetzt wird; Prethcamid erhöht die absolute und relative Ventilation; Atemtiefe und -frequenz werden gesteigert; die C0 2 -Spannung im Blut nimmt ab, nach körperlicher Leistung wird weniger Milchsäure produziert (deshalb auch als Dopingmittel verwendet); anfangs leichte Blutdruckerhöhung
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ffl-3.3
Prethcamid
Drogen
Pharmakokinetik: Ausscheidung erfolgt langsam, Nachweis im Urin noch nach 24 Std. möglich; Toxizität: Große therapeutische Breite; Krampfschwelle beim Menschen liegt bei 15-20 mg/kg KG i.V., die Nebenwirkungsrate erhöht sich bei i.v.-Applikation um 25 % Tab. 1: Mittlere Letaldosen (LD50 in mg/kg KG)
i.v. i.p. s.c. oral
Kaninchen
Ratte
Maus
250 450 400
475 595 1270 2850
550 660 860 990
-
Symptome: Hitzwallungen, Kribbeln in den Händen, Hautrötung, innere Erregung, Kopfschmerzen, Parästhesien, Husten, Niesen, Erbrechen; zwanghafte, unmotivierte Bewegungen, Muskelzuckungen, Tremor, Krämpfe, Atemdepression, Zyanose, Koma (besonders bei i.v.-Applikation) Nachweis: Papier-, Dünnschicht-, Gaschromatographie; Infrarot-Spektrometrie Therapie: Kohle-Pulvis, evtl. Magenspülung, bei Krämpfen Diazepam oder Thiopental, Beatmen, im Schock Plasmaexpander, Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat Literatur: BABBINI, M.: Some behavioural effects of prethcamide compared with those of its two Compounds. Pharmacology 14(5): 455-63,1976. BREWIS, R., HODGES, N. G.: Respiratory failure. Br. Med. J. ii: 764,1970. BROGHAMMER, H.: An investigation of the effects of prethcamid on respiration and circulation in more than 200 patients. Arzneimittelforsch. 70: 220,1967. CHELIUS, H. H.: Drugtherapy of asphyxia neonatorum. Geburtshilfe Frauenhilk. 29: 994-1004,1969. LANSER, K. G.: Pharacological respiratory Stimulation. Epidemiol Sit. Tuberk. 168-74,1974.
2
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Drogen
Prolintan
III—3.3
Prolintan Wirkungscharakter: Amphetaminähnlich, schwach anticholinerg. Symptome: Unruhe, Angstgefühl, Harndrang, zentrale Erregung, Tremor, Tachykardie, Blutdruckanstieg, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Krämpfe, Schock, Atemlähmung, Drogenabhängigkeit vom Amphetamintyp. Therapie: Medizinalkohle, Magenspülung. Evtl. beatmen. Bei ausgeprägter anticholinerger Wirkung Antidot Physostigmin (Anticholium®: Erwachsene 2 mg, Kinder 0,5 mg i.m. oder langsam i.V.). Schocktherapie, Monitorkontrolle, evtl. Beatmung, evtl. Amphetaminentzug Kasuistik: 14 Monate altes und 8,4 kg schweres Kind wies 3 Stunden nach Einnahme von 10 Dragees ( = 100 mg Prolintan) Katovit folgende Symptome auf: ausgeprägte Unruhe, Schreien; klares Bewußtsein. Nach Aussage der Mutter war das Kind „verändert". Trotz Sedierung Steigerung der Unruhe, Klinikeinweisung am nächsten Tag. Therapie: Luminal® und Chloralhydrat, keine Magenspülung. BSG 5/14. Blutbild und Urinstatus normal. Entlassung ohne pathologische Befunde nach 24 Stunden. Eine etwa 30jährige Frau hatte in suizidaler Absicht 20 Dragees (= 200 mg Prolintan) Katovit eingenommen. Innerhalb einer Stunde nach Einnahme wurde eine Magenspülung vorgenommen, die Drageerest erbrachte. Außer einer Erregung mit Tachykardie, bei einem Blutdruck von 140/70 waren keine Ausfälle oder Besonderheiten festzustellen. Die Patienten erhielt ein Abführmittel und i.m. 1 Amp. Megaphen.
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Propoxyphen
Drogen
III—3.3
Propoxyphen Synonyme: Propionsäure-[(4-Dimethylamino-l,2-diphenyl)-3-methyl-2-butyl]-ester 4-Dimethylamino-l,2-diphenyl-3-methyl-2-propoxybutan a-(2-Dimethylamino-l-methyl)-a-phenylphenethylester Chemische Formel: C 2 2 H 2 9 N0 2
O
CH H3C/'
^CH3
Beschaffenheit: Polamidon-ähnlich. Verwendung: Analgesie Tagesdosen: 128-390 mg als Hydrochlorid, 200-600 mg als Napsylat (bei Morphinabhängigen bis 1400 mg). Vorkommen: Kombination mit Paracetamol und Acetylsalicylsäure Halbwertszeit (8-24 Std): 15 Std. bzw. 27 Std. für Norpropoxyphen oral und parenteral (Hydrochlorid). Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Morphinartiges Analgetikum; Polamidon-ähnliche Struktur. Nach parenteraler Applikation lokale Schädigung möglich. Metabolisierung über N-Demethylierung zu Norpropoxyphen (13,2%), das im Serum infolge der längeren Halbwertzeit kumuliert (Nickander), weiterer Abbau zu Dinorpropoxyphen (0,7%) 75,1% werden unverändert im Urin in 7 Tagen ausgeschieden (MCMAHON; GRAM). In toxischer Dosis Atemdepression und Kardiotoxizität. (Norpropoxyphen hierfür verantwortlich). Die minimal toxische Dosis liegt bei 500 mg bei Erwachsenen. Therapeutische Konzentration: 0,23 mg/1 nach 2 Std. 0,27 mg/1 nach 4 Std. 0,42 mg/1 bei chronischem Gebrauch (VEREBELY).
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1
III-3.3
Drogen
Propoxyphen
Toxizität: L D L 0 oral M e n s c h : 20 mg/kg L D 5 0 oral R a t t e : 18 mg/kg L D 5 0 s u b k u t a n M a u s : 2 0 4 mg/kg Toxische Blutkonzentration: 1 mg/1 (1,6-2) (Schon). Letale Blutkonzentration: 2 mg/1 (1-1,7), d.h. 5 0 0 - 8 0 0 mg oral (STUVNER; CRAVEY, BASELT; FINKLE; M C B A Y ; CAPLAN; FINKLE)
Letale Konzentration:
H i r n 21 mg/1 Leber 59 mg/1 Urin 20 mg/1
(8,8-40) (7,3-119) (2,5-35)
Symptome und klinische Befunde: Bewußtlosigkeit, Koma, Krämpfe, Atemdepression, Herzrhythmusstörungen, Schock, L u n g e n ö d e m , Herzversagen, helle, rote H a u t . M o r p h i n a b h ä n g i g k e i t bei chronischem Gebrauch. Nachweis: UV (WALLACH; M C B A Y ) GC ( N O R H E I M ; SERFONTEIN; ANGELO; CHRISTENSEN; CLEEMANN)
MS (WOLEN) Therapie: Akut: Beatmen, Antidot N a l o x o n (KERSH), da das jedoch nicht immer wirkt (KARLINER; BOGARTZ; W A R R E N ; M A U E R ; NICKANDER).
Chronisch: Verhaltenstherapeutische E n t w ö h n u n g nach Entgiftung siehe Heroin. Literatur: AMUNDSEN, M.E., JOHNSON, M.L., MANTHEY, J.A.: Urinary excretion of d-propoxyphene hydrochloride in man. J Pharm Sei 54: 684-686,1965. ANGELO, H.R., CHRISTENSEN, J.M.: Gas Chromatographie method for the determination of dextropropoxyphene and nordextropropoxyphene in human plasma, serum and urine. J. Chrom. 140: 280-283,1977. ANILINE, O., PITTS, F.: Phencyclidine (PCP): A review and perspectives. CRC critical reviews in toxicology. April 1982: 145-77. In: LENTNER, C, ed. Geigy scientific table, Vol 1, Basle, Switzerland: Ciba-Geigy Ltd. 1981; 53. BASELT, R . C , WRIGHT, J.A., TURNER, J.E., CRAVEY, R.H.: Propoxyphene and norpropoxyphene tissue concentrations in fatalities associated with propoxyphene hydrochloride and propoxyphene napsylate. Arch. Tox. 34: 1 4 5 152,1975. BASELT, R.C.: Disposition of toxic drugs and chemicals in man. 2nd Edition, Davis, CA: Biomedical Publications, 1982: 616-9. BASELT, R . C : Urine drug Screening by immunoassay: Interpretation of results. In: Baselt R . C , (ed.), Advances in Analytical Toxicology, Vol. 1. Foster City, CA: Biomedical Publications 1984; 81-123. MCBAY, A.J.: Chemical findings in poisonings. New Engl J Med 274: 1257-1258,1966. MCBAY, A.J.: Propoxyphene and norpropxyphene concentrations in blood and tissues in cases of fatal overdosage. Clin. Chem. 22: 1319-1321,1976. MCBAY, A.J., TURK, R.F., CORBETT, B.W., HUDSON, P.: Determination of propoxyphene in biological materials. J. For. Sei. 19: 81-89,1974. BELLVILLE, J. W., SEED, J . C : A comparison of the respiratory depressant effects of dextropropoxyphene and codeine in man. Clin Pharmacol Ther 9: 428-434, 1968. BILLIG, N.: Propoxyphene hydrochloride (Darvon) poisoning in a 3-year-old child. Amer J Dis Child 116: 187-189, 1968. BOGARTZ, L.J., MILLER, W.C.: Pulmonary edema associated with propoxyphene intoxication. JAMA 215: 259-262, 1971. BOWER, B.F., WEGIENKA, L . C , FORSHAM, P.H.: In vitro studies of the mechanism of polyuria induced by propoxyphene (Darvon). Proc Soc Exp Biol Med 120: 155-157, 1965.
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Drogen
Propoxyphen
III—3-3
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III—3.3 Propoxyphen
Drogen
SUNSHINE, I.: Methodology for analytical toxicology. Boca Raton, FL: CRC Press, Inc., 1975: 393. SWARTS, C.L.: Propoxyphene (Darvon) poisoning: A nearly fatal case with coma, convulsion, and severe respiratory depression, successfully treated with nalorphine. Amer J Dis Child 107: 177-179,1964. WALLACE, J.E., BIGGS, J.D., DAHL, E.V.: A rapid and specific spectrophotometric method for determining propoxyphene. J Forensic Sei 10: 179-190,1965. WOLEN, R.L., GRUBER, C.M.: Determination of propoxyphene in human plasma by gas chromatography. Anal Chem 40: 1243-1246,1968. WONG, L., BIEMANN, K.: Metabolites of phencyclidine. Clin Toxicol 1976; 9(4): 5 8 3 - 9 1 . YOUNG, D J . : Propoxyphen Suicides. Arch. Int. Med. 129, 62-65,1972.
4
Daunderer - Klinische Toxikologie - 126. Erg.-Lig. 3/98
2-Propylvaleriansäure
Drogen
III—3.3
2-Propylvaleriansäure Synonym: Valproinsäure, 2-Propylpentansäure Chemische Formel: C8H1602
o CHo
CH2"
CH 2
CH
II
C
OH
C3H7
Vorkommen: Ergenyl® (SAnofi Winthrop) Orfiril® (Desitin) Convulex® (Promonta Lundbeck) Convulsofin® (Arzneimittelwerk Dresden/Boehringer Mannheim) Leptilan® (Geigy) Mylproin® (Desitin) Wirkungsmechanismus: 2-Propylvaleriansäure wird schnell resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden eine halbe bis zwei Stunden nach oraler Gabe von 800 mg erreicht. Die Halbwertszeit wird mit sechs bis 15 Stunden angegeben. Daten über Plasmaspiegel nach täglicher Dosierung sind noch nicht divergent (10 bis 160 mg/1) nach täglich 300 bis 2400 g). Der „steady State "-Zustand wird nach etwa 24 Stunden erreicht. Allerdings ist zu beachten, daß wegen der schnellen Elimination des Pharmakons Schwankungen des Plasmaspiegels in den Intervallen zwischen den einzelnen Gaben beobachtet werden. Wie beim Carbamazepin erwähnt, sind daher im Zweifelsfall mehrere Bestimmungen zu verschiedenen Zeitpunkten nach Gabe des Medikaments ratsam. Als therapeutische Plasmaspiegel gelten 40 bis 100 mg/1. Symptome: wie Schlafmittel: Koma, Atemdepression, Schock. Therapie: wie Schlafmittel: Medizinalkohle in leichten Fällen, sonst Magenspülung, Instillation von Medizinalkohle, Plasmaexpander im Schock, Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat. Forcierte alkalisierende Diurese.
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Proquazon
Drogen
III—3.3
Proquazon Synonym: 1 -Isopropyl-7-methyl-4-phenyl-2( lH)-quinazolinon Chemische Formel:
H3C
Beschaffenheit: Fein-kristallines Pulver von gelber Farbe; leicht löslich in Chloroform, unlöslich in Wasser; Molekulargewicht 278,36; Schmelzpunkt 140-143°C. Verwendung: Entzündungs- und Schmerzzustände bei rheumatischen Gelenkerkrankungen, Arthrosen, Weichteilrheumatismus, Gicht, Verrenkungen und Verstauchungen. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Proguazon ist ein 1979 neu eingeführtes nicht-steroidales Antirheumatikum aus der neuen Substanzklasse der Quinazolinone. Im Gegensatz zu den übrigen Antirheumatika ist Proquazon keine Säure. Das Fehlen der Säurefunktion hat jedoch kaum Einfluß auf die gastrointestinale Verträglichkeit; denn die antiphlogistische, analgetische und antipyretische Wirkung beruht auf der Hemmung der Porstaglandin-Biosynthese, besonders der von PGE2 und PGF2. Damit verbunden ist die Hemmung der Bradykininwirkung und der Kollagen-induzierten Thrombozytenaggregation sowie der Bindegewebsneubildung. Pharmakokinetik: Aufnahme: Proquazon wird gut resorbiert; die Resorptionsquote liegt bei 70—90 % der oral zugeführten Dosis, die Halbwertzeit der Resorption bei 1 Stunde. Maximale Blutspiegel werden nach 1-1,5 Stunden erreicht. Die Plasmaproteinbildung beträgt 96-98 %; konstante Plasmaspiegel werden bereits bei 3mal 300 mg/d nach 24 Stunden erreicht, eine Kumulation findet nicht statt. Metabolismus: Proquazon unterliegt einem sehr ausgeprägten First-Pass-Effekt; 8 5 - 9 0 % einer oralen Dosis werden bereits bei der ersten Leberpassage zu Metaboliten umgewandelt, die ähnlich antiphlogistisch wirksam sind wie Proquerzon. Die Biotransformation erfolgt vor allem durch hydroxylierung in meta-Stellung des Phenylrings und der 7-Methylgruppe. Ausscheidung: 25 % werden als m-Hydroxy-Derivat, 16% als m-Hydroxy-7-Carboxy-Derivat, 14% als Dihydroxymetabolit, der Rest als weitere Metabolite und als unverändertes P. ausgeschieden, und zwar rasch und zu gleichen Teilen renal und über die Galle mit den Faeces. Die Halbwertzeit der Elimination liegt zwischen 5 und 14 Stunden.
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1
III—3.3
Proquazon
Drogen
Toxizität: Akute Toxizität: Die LD 50 beträgt bei Mäusen, Ratten und Kaninchen über 200 mg/kg KG. prämortal treten Sedation und Krämpfe auf; z.T. sterben die Tiere an gastrointestinalen Blutungen. chronische Toxizität: Bei 25 mg/kg und mehr zeigen sich an der Ratte erwartungsgemäß gastrointestinale Läsionen mit Hämorrhagica Peritonitiden, Anämie, Splenomegalie und extramedullärer Hämopoese. Bei Hunden treten bei 80 mg/kg KG zusätzlich leichte Trübungen der Cornea auf. Die Toxizität des Hauptmetaboliten m-HydroxyP. ist quantitativ wesentlich geringer, aber qualitativ gleich. Vergiftungen beim Menschen sind bisher nicht bekannt geworden. Symptome: Gastrointestinal: Magen- und Unterleibsschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe Zentralnervös: Kopfschmerzen Kardiovaskulär: Blutdruckabfall, Herzjagen Allergisch: Exantheme evtl. Blutbildveränderungen Nachweis: Dünnschichtchromatographie (qualitativ) Gaschromatographie (quantitativ) Therapie: Primäre Giftentfernung durch Magenspülung; Gabe von Medizinalkohle und Glaubersalz; ggf. Antazida; Nierenschutz durch Alkalisierung mit Bikarbonat. Literatur: COLLIER, H. O., SHORLEY, P. G.: Analgetic antipyretic Drugs as antagonists of bradykinin. Brit. J. pharmacol. 15: 601, 1960. GABKA, J.: Analgetische und antiphlogistische Wirksamkeit von Biarison. Münch. Med. Wschr. 120: 331, 1978. GUBLER, H. U., BAGGIOLINI, M.: Pharmacological properties of proquazone. Scand. J. Rheumatol. Supp. 21: 8,1978. OTT, H., MEIER, J.: The distribution of proquazone and three of its metabolites in serum and synovial fluid. Scand. J. Rheumatol. Suppl. 21: 12,1978. STUHLSATZ, H. W., GREILING, H.: Zum biochemischen Wirkungsmechanismus von Proquazon unter Berücksichtigung des Bindegewebsstoffwechsels (Biochemische Untersuchung zur Prüfung der antiphlogistischen Wirksamkeit). Z. Rheumatol. 38: 99,1979.
2.
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Psilocybin
Drogen
III-3.3
Psilocybin Synonyme: 3-(2-Dimethylaminoethyl)-indol-4-ol-dihydrogenphosphat Indocybin, 0-Phosphoryl-4-hydroxy-N,N-dimethyltryptamin, Teonanacatl, 3-(2-Dimethylaminoethyl)indol-4-phosphat, 4-Phorphoryloxy-N, N-di-methyltryptamin Chemische Formel: C 12 H 17 N 2 0 4 P O HO-
Beschaffenheit: MG 284,28. Farblose Kristalle. Schmelzpunkt 185 bis 195° C (wasserfrei). Löslich in Wasser; wenig löslich in Alkohol; unlöslich in Chloroform und Benzol. Psilocybin ist der Phosphorsäureester des Indolalkaloides Psilocin und kommt mit diesem zusammen vor. Während Psilocybin relativ stabil ist, wird Psilocin rasch unter Bildung eines blaugefärbten Produktes oxidiert. So erklärt sich, daß in der Natur die phosphorylierte Form überwiegt. Verwendung: Vor allem als Rauschgift. - In geringem Umfang in der neuropsychiatrischen Forschung. Vorkommen: In halluzinogenen Pilzen der Gattungen Psilocybe (Kahlkopf), Panaeolus (Düngerling), Conocybe (Samthäubchen) und Gymnopilus (Flämmling). Neben Psilocybin können diese Pilze Psilocin und andere Tryptaminderivate enthalten, beispielsweise das unmethylierte Psilocin-Homologe Norbaeocystin und das Mono-N-methyl-Homologe Baeocystin. Als halluzinogen gelten 81 Arten von Psilocybe und einige wenige aus den anderen Gattungen; alle halluzinogenen Psilocyben gehören zur Sektion Caerulescentes Sing., d.h., sie verfärben sich auf Druck blau. Ihr Pislocybingehalt wird mit 0,01 bis 2% der Trockensubstanz angegeben. Zwischen dem Grad des Blauens und dem Psilocybingehalt besteht kein Zusammenhang. Psilocybinhaltige Pilze sind weltweit verbreitet, aber die meisten Arten kommen in Mexiko und dem angrenzenden Mittelamerika vor. Von den einheimischen Pilzen sind nachweislich psilocybinhaltig: Psilocybe semilanceata (Spitzkegeliger Kahlkopf, „Liberty Cap") mit einem Gehalt um 1 % (0,2 bis 2%) und Panaeolus subbalteatus (Gezonter Düngerling). Wirkungscharakter und Stoffwechsel verhalten: Psilocybin wird in biologischen Systemen rasch zu Psilocin dephosphoryliert. Bei der Ratte wird Psilocin vom Magendarmtrakt zu etwa 5 0 % resorbiert und in alle Gewebe verteilt. Es passiert die Blut-Hirnschranke und erreicht im Gehirn die Blutkonzentration bei lokaler Anreicherung in Neocortex, Hippocampus und Thalamus. Innerhalb von 24 Stunden wird der größte Teil im Urin ausgeschieden, 10 bis 20 %
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III—3-3
Psilocybin
Drogen
aber erst innerhalb einer Woche. Dabei bleiben 20 % unverändert, das meiste wird in Form löslicher Konjugate ausgeschieden; nur wenige Prozent werden von der Monoaminoxidase abgebaut, Psilocin hat strukturelle Ähnlichkeit mit dem Neurotransmitter Serotonin und beeinflußt die Funktion serotonerger Neurone im Gehirn. Der Mechanismus ist noch ungenügend geklärt. 15 bis 30 min nach der Einnahme treten Angst und somatische Störungen auf. Wie Pupillendilatation, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit, Muskelerschlaffung und Parästhesien. Innerhalb von 30 bis 60 min folgen Veränderungen der Wahrnehmung und der Stimmungslage: neben der realen Welt werden lebhaft farbige Bilder gesehen, die als schön oder abstoßend empfunden, aber noch als unwirklich erkannt werden. Zeit und Raum erscheinen gedehnt; die Konzentrationsfähigkeit ist vermindert, die Stimmung euphorisch oder dysphorisch. Höhere Dosen führen zum Gefühl der Persönlichkeitsspaltung, zum Verlust des Körperschemas und des Zeit- und Raumgefühles und zu optischen, seltener zu akustischen und taktilen Halluzinationen, die als wirklich und meist als unheimlich erlebt werden. Wie bei allen Halluzinogenen wird die Art des Erlebnisses von der Persönlichkeit, ihren Erwartungen, ihrer Drogenerfahrung und der Situation geprägt. Personen mit psychischen Störungen oder gar latenten Psychosen neigen zu Horrorerlebnissen. Die Psilocybinwirkung dauert 4-6 Stunden, ausnahmsweise 10-15 Stunden und klingt folgenlos ab. Müdigkeit und vorübergende Kopfschmerzen sind nach solchen Rauschzuständen nicht ungewöhnlich, ausnahmsweise kann die Konzentrationsfähigkeit noch tagelang gestört sein. Inwieweit beim Menschen chronisch-toxische Wirkungen zu befürchten sind, ist strittig. Bei wiederholter Einnahme ist mit Toleranzentwicklung zu rechnen; dabei besteht Kreuztoleranz gegen LSD. Körperliche Abhängigkeit ist nicht bekannt. Toxizität: TDL 0 intramuskulär Mensch: 75 |ig/kg TDL 0 oral Mensch: 60 u,g/kg TDLQ intraperitoneal Mensch: 37 u.g/kg ED: 4-12 mg LD 50 (Maus): 275 mg/kg (intravenös), 420 mg/kg (interperitoneal). Symptome und klinische Befunde: Mydriasis, Tachykardie, Schwindel, Brechreiz, Magen-Darm-Koliken, Blutdruckerhöhung, Reflexsteigerung, Hyperthermie, Krampfanfälle; Derealisations- und Depersonalisationsphänomene, Veränderungen des Raum- und Zeiterlebens, halluzinatorische und wahnhafte Erlebnisse, Verlust der Ich-Kontrolle, Körperschemastörungen, Angstattacken und Panikreaktionen, depressive Verstimmungen, Suizidimpulse (Horror- und Flash-back-Phänomene). Latenzzeit: Minuten bis 2-4 Stunden. Nachweis: DC und PC, HPLC, GC, fluorometrisch, massenspektrometrisch. Therapie: Akut: Vitaltherapie (Atmung, Kreislauf), Entgiftung (Medizinalkohle 10 g Kohle-Pulvis; Magenspülung). Bei anticholinerger Symptomatik (Krämpfe, Herzrhythmusstörungen) Antidot Physostigmin (2 mg i.m., i.v., Wiederholung bei Bedarf). Überwachen! Selbstmordverhütung. Chronisch: Verhaltenstherapie (Ablenken, Beschäftigung, Lernen von Problemlösungen, Freizeitplanung u.a.). Besonderheiten: Vorsicht vor Umsteigen auf Alkohol, Sedativa oder andere Halluzinogene (atropinhaltige Pflanzenabkochungen).
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Drogen
Psilocybin
III-3.3
Literatur: BRON, B.: Drogeninduzierte Intoxikationen und Psychosen. Fortschr. Med., 4, 73-76 (1987) HEIMANN, H.: Ausdrucksphänomenologie der Modellpsychosen (Psilocybin). Psychiat. Neurol., Basel, 141, 69-100 (1961). KONZETT, H.: Halluzinogene: LSD, Psilocybin und Mescalin. D. Ä., 7 , 2 8 3 - 2 8 6 (1981) PEDEN, N.R., PRINGLE, S.D., CROOKS, J.: The Problem of Psilocybin Mushroom Abuse (Human Toxicology 1982: 1: 417). SEEGER, R., NEUMANN, H.G.: DAZ-Giftlexikon, Psilocybin. D. A. Z., 2,65-66 (1985). WEIDMANN, R, TAESCHLER, M., KONZETT, H.: Zur Pharmakologie von Psilocybin, einem Wirkstoff aus Psilocybe mexicana. Heim, Experentia, 14, 378-379 (1958).
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J
Drogen
Psychopharmaka
HI-3.3
Psychopharmaka Verwendung: Medikamente gegen Depressionen. Vorkommen: Mao-Hemmer: Aurorix Jatrosom N Tri-, Tetracyclische: Amineurin Amitriptilin Amioxid-neuraxpharm Anafranil Aneural Aponal Clomipramin Deprilept Desidox Doneurin Doxepin Equiliprin
Gamonil Herphonal Hopacem Hydiphen Idom Imipramin Insidon Limbatril Ludiomil Mapro-Gry Maprolu Maprotilin
Mareen 50 Mianeurin Mianserin Mirpan Nortilen Noveril Novoprotect Pertofran Petylyl Prisma Pryleugan Psymion
Remergil Saroten Sinquan Stangyl Syneudon 50 Tofranil Tolvin Trimipramin Zoloft
Fevarin Fluctin Fluoxetin
Gladem
Kalma Lyphan Nefadar Seroxat
Tagonis Thombran Trevilor Vivalan
Lyogen Lyorodin Melleril Neurocil Omca
Perazin Perphenazin Promethawern Protactyl Prothazin
Psyquil Sinophenin Thioridazin Taxilan Tisercin
Dominal forte Fluanxol
Nipolept
Truxal
Eunerpan Glianimon Haldol Haloneural
Haloperidol Haloper Sigaperidol
Tesoprel Triperidol
Andere Antidepressiva: Ardeytropin Cipramil Dogmatil Esparon Neuroleptika: Atosil Dapotum Decentan Eusedon mono Levopromazin Tricylische Neuroleptika: Chlorprothixen Ciatyl Butyrophenone: Benperidol Buteridol Dehydrobenzperidol Dipiperon
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III—3.3
Drogen
Psychopharmaka
Neuroleptika: Antalon ArminolAforte Ciatyl-Z Dapotum D Decentan Desisulpid
Risperdal Serdolect
Dogmatil Fluanxol Fluphenazin Haldol Imap Leponex
Lyogen Lyorodin Meresa NeogamaAforte Orap
Sulpiri
PK-Merz Ritalin
Senior 20
Tradon
Fluspi Imap
Jatroneural Kivat
Meileretten Orap
Esparon Faustan Frisium Gityl6 Laubeel Lexostad 6 Lexotanil 6 Lorazep Lorazepam Medazepam Meprobamat Mono Demetrin Multum
Neo Opt Noctazepam Normoc Oxa Oxahexal Praxiten ProDorm Punktyl Radepur Rudotel Sigacalm Somagerol Stesolid
Tafil Tavor Tolid Tranquase Tranxilium Trecalmo Uskan Valiquid Valium Valocordin Visano N Xanax
Elroquil N
Kavaform N
Neuronika
Sulpivert
Psychoanaleptika: AN1 Captagon Neuroleptika- Anxioly tika: Dapotum D Dominal
Benzodiazepine Mittellang (6-24 h): Adumbran Axazepam Azutranquil Bromazanil Bromazep Bromazepam Cassadan Demetrin Diazep Diazepam Duralozam Durazanil Durazepam/-forte Anxiolytika: Bespar Psychoenergetika: Risatarun Glutamat-Modulatoren: Akatinol Memantine Andere Wirksubstanzen: Ardeytropin Atosil Bikalm
Distraneurin Eunerpan Hypnomidate
Kalma Lyphan Scopolaminum hydrobromicum
Somsanit Stilnox Ximovan
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Rasche Resorption, sehr langsame Elimination (Abbau und renale Ausscheidung), Verlauf wie Barbituratintoxikation, meist Gefahr durch kardiotoxische Wirkung.
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Drogen
Psychopharmaka
III-3.3
Toxizität: Potenzierung durch Alkohol; allgemein sehr niedrige Letaldosis bei Kindern. Symptome und klinische Befunde: Trockenheit der Schleimhäute, Tachykardie, Mydriasis, Schwitzen, Müdigkeit, Agitiertheit, Verwirrtheitszustände, extrapyramidale motorische Störungen (Schiefhals, Zungenschlundkrämpfe), Ataxie, Libidoverlust, Parkinsonismus, Stuhl- und Galleretention, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, EKG-Veränderungen, akute Herzinsuffizienz, Asystolie, tonisch-klonische Krämpfe, Hyperthermie, Allergie, Koma, Atemlähmung, Schock, evtl. rascher Tod durch Herzversagen. Therapie: Schocktherapie, beatmen, sofort erbrechen lassen oder Magenspülung vornehmen (möglichst nur nach Intubation) wegen Hemmung des Brechzentrums, Aspiration, (Glottis-) Krampfneigung, Natriumsulfatund Kohlegabe, forcierte Diurese, bei Krämpfen Diazepam (10 mg i.v.) bzw. Physostigmin, bei Parkinsonismus Akineton® (4 bis 10 mg i.v.), physikalische Therapie, Digitalisierung, Monitor, Infektionsprophylaxe, evtl. Dialyse, Defilibrator bereithalten, evtl. Pacemaker. Bei anticholinerger Symptomatik (heiße, trockene Haut, Test (s.u.), Mydriasis, Tachykardie, Krämpfe) Physostigmintest: 2 mg Physostigmin (Anticholium®) i.v. oder i.m. Falls der Test positiv war, kann das Antidot bei erneuter Symptomverschlechterung alle 2 bis 4 Std. erneut appliziert werden.
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J
Medikamente
Pyrazolon
III—8.3
Pyrazolon
Chemische Formel:
Vorkommen:* Für pyrazolonhaltige Monopräparate hat das Bundesgesundheitsamt Beschränkungen der Anwendungsgebiete verfügt. Sie dürfen ab 1. Juli 1982 nur noch mit einer neu abgefaßten Packungsbeilage abgegeben werden, in der ebenso wie auf der äußeren Umhüllung auf die Risiken hingewiesen wird. Das Bundesgesundheitsamt setzte damit das im Dezember 1981 angekündigte Maßnahmenbündel in seinem ersten Teil dem Terminplan entsprechend in Kraft (vgl. bga-p 22/81), allerdings mit einigen Änderungen. Dabei berücksichtigte es die bis zur Entscheidung eingegangenen Stellungnahmen der pharmazeutischen Unternehmer. Mit einer entsprechenden Entscheidung für die über 1.000 pyrazolonhaltigen Kominationspräparate ist zu rechnen. Von den jetzt beschlossenen Maßnahmen sind 70 Hersteller und 162 Arzneimittel betroffen. Ihre Wirkstoffe unterliegen dem begründeten Verdacht, in relativ seltenen und in ihrer Häufigkeit umstrittenen Fällen Blutbildschädigungen (Agranulozytose) und Schockzustände auslösen zu können. Für drei Arzneimittel wird die Zulassung widerrufen, da sich die bisher von ihm in Anspruch genommenen Anwendungsgebiete nicht mehr mit den vom Bundesgesundheitsamt anerkannten Indikationen in Einklang bringen lassen. Gegen die angeordneten Maßnahmen können die Hersteller binnen Monatsfrist Widerspruch beim Bundesgesundheitsamt einlegen. Auf die Zulassung von 278 pyrazolonhaltigen Arzneimitteln - überwiegend Kombinationspräparate - haben pharmazeutische Unternehmer bisher verzichtet. Metamizolhaltige Arzneimittel können künftig weiter vertrieben werden zur kurzfristigen Behandlung von schweren Schmerz- und Fieberzuständen. Dazu zählen: - kolikartige Schmerzen, insbesondere Gallen- und Nierensteinkoliken, - akute starke Schmerzen, z. B. nach operativen Eingriffen, Verletzungen oder bei nicht entzündlichen arthrotischen Gelenkveränderungen, - Tumorschmerzen und vergleichbare schwere Schmerzzustände, - schwere Fieberzustände, die auf andere ärztliche Maßnahmen nicht ansprechen. Andere Anwendungsgebiete werden ausgeschlossen. Bei Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen, fehlender Fiebersenkung und Schockzeichen soll das Präparat sofort abgesetzt und ein Arzt aufgesucht werden. Metamizolhaltige Injektionslösungen (parenterale Anwendung) sollen darüber hinaus vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit der Rezeptpflicht unterstellt werden. Tabletten und andere orale Darreichungsformen dieses Wirkstoffes (enterale Anwendung) bleiben entsprechend der Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses für die Verschreibungspflicht voraussichtlich rezeptfrei. Arzneimittel, die Propyphenazon oder Phenazon als Monosubstanz enthalten, werden in ihren Anwendungsgebieten nicht eingeschränkt. Gegenanzeigen, Angaben von Nebenwirkungen und Warnhinweise werden detailliert vorgeschrieben. Das Bundesgesundheitsamt beabsichtigt, auch andere sogenannte »kleine Schmerzmittel« unter RisikoNutzen-Gesichtspunkten zu bearbeiten, um eine mögliche Risikoverschiebung von den pyrazolonhaltigen Wirkstoffen zu anderen Substanzen, die ebenfalls unerwünschte Wirkungen besitzen, zu begrenzen. * Quelle: BGA-Pressedienst 6.4.82
Daunderer- Klinische Toxikologie-22. Erg.-L.fg. 12/86
1
IH-8.3
Pyrazolon
Aufstellung der pyrazolonhaltigen M
Medikamente
ite und deren Hersteller (Stand: 5.4.1982)
1. Metamizolhaltige Monopräparate Aci-Pyrin Tropfen
Ahorn-Apotheke Valencienner Str. 112 5160 Düren-Gürzenich
Novaminsulfon, Flüssigkeit Novaminsulfon, Tropfen Novaminsulfon, Tabletten
Albipharm Rathausplatz 12 4540 Lengerich 1
Nova-Tropfen
Allgemeines Krankenhaus Altona, Apotheke Paul-Ehrlich-Str. 1 2000 Hamburg 50
Novaminsulfon-Tropfen
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Daunderer- Klinische Toxikologie - 2 2 . Erg.-Lfg. 12/86
7
IH-8.3
Pyrazolon
Medikamente
tikum, anticholinerge Wirkung. Bei Vergiftungen ist die renale Elimination stark gesteigert (Müller); Sekundäre Giftelimination kaum effektiv. Toxizität: Letale Dosis ab 8 g beim Erwachsenen, ab 3 g beim Kleinkind, ab 0,8 g beim Säugling. Nach rektaler Verabreichung toxischer als nach oraler Verabreichung. Nachweis: Dünnschichtchromatographie, Roter Urin (Rubaronsäure) Symptome: Erregung, heiße, trockene Haut, Tachykardie, Mydriasis, Krämpfe, Koma, Azidose, Atemdepression, Herzrhythmusstörungen, Anurie, Herzstillstand (evtl. 1 Std. nach Giftaufnahme); Hirnödem, Lungenödem. Therapie: Sofort Erbrechen auslösen (E 3) oder Gabe von Kohle-Pulvis, dann Magenspülung (E8), Kohle (G25), Natriumsulfat; evtl. forcierte Diurese (Ell), Hämodialyse (E14), oder bei Säuglingen Austauschtransfusion. Bei anticholinergen Symptomen Antidot Physostigmin (Anticholium®: Kinder 0,5 mg, Erwachsene 2 mg). Literatur: KOCH, R., HÜBNER, A.: Zur Toxikologie des Pyramidons. Med. Klin. 44: 1571-1573,1949. RAUSCHKE, J., BURGER, E.: Tödliche Pyramidon-Vergiftung eines Kleinkindes mit einem kombinierten PyramidonChinin-Präparat. Die Medizinische 45: 1833-1844,1958.
8
Daunderer - K l i n i s c h e T o x i k o l o g i e - 22. Erg.-Lfg. 12 86
Schlafmittel
Drogen
Schlafmittel Handelspräparate: Pflanzlich: Ardeysedon Avedorm Avedorm N + 41 % Alkohol Baldrian-Dispert Baldrian Dispert Nacht Baldrianox S Baldriparan N Baldriparan stark N Baldrian-Phyton Benedorm Baldrian Biosedon S Biral forte Boxocalm Cefasedativ Doppelherz Melissengeist + 71 % Alkohol Dormarist Dormeasan Dormo-Sern Dormoverlan Einschlaf-Kapseln Euvegal forte/N Habstal-Nerv N Hewedormin Hingfong-Essenz Hofmann's + 70 % Alkohol Hovaletten N Hyposedon N + Alkohol Ivel Schlaf-Dragees JuDorm Kavain Harras Plus Kavosporal comp. Klosterfrau Melissengeist + 63 % Alkohol Kneipp Baldrian Kneipp Melissen-Pflanzensaft Kneipp Nerven und Schlaf A Kytta-Sedativum f Luvased Luvased Tropfen N Melival-Tropfen Hofmann's Moradorm S Nervendragees Nerventrost Nervinetten
Nervipan Nervoregin forte PascosedonAS Passiflora Curarina Passiorin N + 11 % Alkohol Phytogran Phytonoctu Phytonoxon N + 96 % Alkohol Plantival novo Pronervon Phyto Psychotonin Recvaysat Bürger Regiesan + 4 0 % Alkohol Regivital Baldrian RubieDorm RubieSed Salus Gutnacht Salus Gutnacht-Kräutertonikum Sedacur forte Sedalint Baldrian Seda Kneipp N Sedalect N Seda-Plantina Sedariston Sedasyx Sedatruw S SEDinfant N Sedonium Selon Sensinerv forte Sirmiosta SX Valeriana comp. Somnuvis S Valdispert comp Valdispert Valena N Valeriana mild Valmane Visinal Vivinox N
Barbiturate: Lepinal Lepinaletten
Luminal Luminaletten
Chloralhydrat: Chloraldurat
Daunderer - Klinische Toxikologie - 127. Erg.-Lfg. 4/98
III—3.3
Drogen
Schlafmittel
Benzodiazepine: Dalmadorm Dormalon Dormicum Dormo-Puren Eatan N Ergocalm Flunimerck Fluninoc 1 Flunitrazepam-neuraxpharm 1 Flunitrazepam-ratiopharm 1 Flurazepam Riker Halcion Imeson Lendormin Loretam Mogadan
Neodorm SP Nitrazepam AL Nitrazepam-neuraxpharm Noctamid Norkotral Novanox/-forte Planum/-mite Pro Dorm Pronervon Radedorm 5 Remestan/-mite Rohypnol Sonin Staurodorm Neu Temazep von et
An tihistaminika: Dolestan/forte comp. Dormigoa N Dormutil N Doxylamin von et Gittalun Halbmond Hevert-Dorm Hewedormir forte Hoggar N Lupovalin Moradorm Munleit
Nervo OPT N Nytol Palmicol S. 8 Sedaplus Sediat Sedopretten Sedovegan Novo Betadorm A Valeriana comp. Hevert SL Valeriana forte Hevert
Stofrwechselverhalten: Schlafmittel durchlaufen im Organismus eine umfangreiche Biotransformation, bei der vielfach auch pharmakologisch wirksame Produkte entstehen können, z.B.: Glutethimid und 4-Hydroxyglutethimid, Carbromal und Carbromid und Äthylbuturylharnstoff. Diagnostik von Intoxikationen: Kom asta dienein teilungen: 1. Die Einteilung nach Reed: Gruppe 0: Schlafender Patient, kann geweckt werden und Fragen beantworten, sitzt im Bett, trinkt, etc. Gruppe 1: Komatöser Patient, Reaktion auf Schmerzreize wie Venenpunktur, Schlag, Druck etc. Keine Kreislaufstörung, alle Reflexe intakt. Gruppe 2: Patient ohne Reaktion auf Schmerzreize, aber ohne Störung von Atmung und Kreislauf. Die meisten der Reflexe sind intakt. Gruppe 3: Patient mit Fehlen aller oder fast aller Reflexe, aber ohne Störung von Atmung und Kreislauf. Gruppe 4: Patient mit Fehlen aller oder fast aller Reflexe, mit Atemdepression, mit Zyanose und mit Kreislaufversagen, Schock oder beidem. 2. Matthew teilt seine komatösen Patienten nach folgendem Schema ein: Gruppe 1: Schläfriger Patient, antwortet auf verbale Aufforderung. Gruppe 2: Patient antwortet sofort auf leichten Schmerzreiz. Gruppe 3: Patient gibt nur minimale Antwort auf maximalen Schmerzreiz. Gruppe 4: Patient gibt keine Antwort auf maximalen Schmerzreiz.
Daunderer — Klinische Toxikologie — 127. Erg.-Lfg. 4/98
Schlafmittel
Drogen
III-3.3
3. Grade der Bewußtlosigkeit nach Gulbrandsen: Grad 1: Das Bewußtsein des Patienten ist regelmäßig herabgesetzt, er kann jedoch einfache Fragen durch Blinzeln der Augenbrauen oder Kopfnicken richtig beantworten. Grad 2: Stuporöser Patient, kann durch alle Reize geweckt werden, reagiert auf eine sich bewegende Hand oder andere bewegte Gegenstände, oder er führt einfache Befehle aus wie »Halte meine Hand«, »Augen öffnen«. Grad 3: Bewußtloser Patient, der auf Schmerz, laute akustische und taktile und/oder stimmliche Reize reagiert. Grad 4: Tief bewußtloser Patient, antwortet auf Schmerzreize und auf laute akustische Reize. Grad 5: Tief bewußtloser Patient, antwortet nur auf Schmerzreize. Grad 6: Sehr tief bewußtloser Patient, gibt keine Antwort auf Schmerzreize. 4. Einteilung nach Chazan und Garella: Leichte Vergiftung: Reaktion auf Schmerzreize Mittlere Vergiftung: Keine Reaktion auf Schmerzreize Schwere Vergiftung: Keine Reaktion auf Schmerzreize, Schock, Atemdepression. 5. Münchner Coma-Skala (v. Cramon, Brinkmann, Schulz): 0 1 2 3 4
= nicht reaktiv = motorisch reaktiv = motorisch und mimisch reaktiv — motorisch, mimisch und orientierend reaktiv = uneingeschränkt reaktiv
Für die Beschreibung der vier Reaktionsarten ergibt sich: Motorisch: Jede Bewegung des Rumpfes, der Extremitäten oder des Kopfes ohne klar abgrenzbaren, direkten Bestandteil in Bezug auf den Reiz oder den Untersucher Mimisch: Stirnrunzeln, jede Bewegung der Perioralmuskulatur, der Zunge, der Schlundmuskulatur, einzelne oder wiederholte Kontraktionen der Augenlider bei geöffneten oder geschlossenen Augen Orientierung: Zu- oder Abwendung des Kopfes vom Reiz in einer bestimmten Richtung und Dauer; Öffnen der Augen oder das Geöffnetbleiben der Augen Mitteilungs- Gemäß Richtung und Dauer abgrenzbare Blickzuwendung zum Reiz oder Untersucher; fähigkeit: verbale, sprachliche Äußerung in der Muttersprache des Patienten. 6. Einteilung nach Adams (siehe auch Tab. 1) Zur ersten diagnostischen Orientierung schlägt Adams folgende vereinfachte Einteilung in vier Stufen vor: I.
Bewußtseinstrübung: Schläfriger Patient, leicht weckbar, zeigt Haltungstonus und reagiert verbal. a) heterogene Form: produktiv agitiert, affektiv wechselhaft, meist desorientiert, anamnestischkonfabulatorisch oder illusionär-wahnhaft oder rauschartig-fragmentierte Zerfahrenheit. Breites EEG-Spektrum. b) homogene Form: adynamisch, mutistisch, eng determiniert und scheinbar besonnen, erlebnisarm, affektiv indifferent, oft großzügig orientiert. Enges EEG-Spektrum. II. Bewußtlosigkeit. Erhöhte Weckschwelle, kein Haltungstonus, averbale ungezielte Reaktionen. III. Koma. Nicht weckbar, verminderter Ruhetonus der Muskeln. Verminderte Reflexe. IV. Vita reducta. Reflexe erloschen. Muskulatur atonisch. Intermittierend apnoisch. Keine EEG-arousal. 7. Einteilung nach O. Bartels: Stadium I Stadium II Stadium III
ansprechbar, erweckbar, geringe Symptomatik, keine zentralen Ausfälle bewußtlos, Reaktion auf Schmerzreiz, Reflexe vorhanden, Atmung und Kreislauf intakt komatös, keine Reaktion auf Schmerzreiz, Reflexe nicht auslösbar, Atmung und Kreislauf gestört Es wird noch erwähnt, daß dieses Schema nur bei Schlafmittelintoxikationen anwendbar ist und - was auch in der Einteilung v. Clarmanns deutlich betont wird - nicht für Schlafmittel mit Methaqualon oder Glutethimid gültig ist. Atropin- und Parathion-(E 605-)Vergiftungen lassen sich in dieses Schema ebenfalls nicht einordnen. Daunderer - Klinische Toxikologie - 127. Erg.-Lfg. 4/98
D
Tab. 1: Einteilung nach Adams Vigilanzstadien (mit synonymen Bezeichnungen)
I. Somnolenz Hypersomnie Bewußtseinstrüb. Semicoma Coma Vigile
II. Bewußtlosigkeit Unconsciousness Coma leger
III. Tiefe Bewußtlosigkeit »Koma« Coma profond
IV. »Koma« Coma grave Coma avec effonrem. vegetatif Vita reducta
w
vergleichbare EEG-Stadien
(B) Einschlafen
(C) Leichter Schlaf
(C-D) Mittlerer Schlaf
(D-E) Tiefer Schlaf
3
Augen
Lidschluß inkonst.
konstant
Kornealreflex vermind.
Kornealreflex erloschen
Pupillen mittelweit und verminderte Lichtreaktion
Pupillen weit
Starr konjugiert
Verminderte Lichtreaktion
Kornealreflex normal Pupillen eng Pendeldeviation
In Ruhe konjugiert
atonisch
Halsmuskeln
Haltungstonus vermindert
Haltungstonus erloschen
Extremitäten-Muskeln
oft myoklon. Zuckungen
vereinzelt myoklon. Zuckungen
hypotonisch
atonisch
Herzfrequenz
stetig gering vermindert
phasisch wechselnd
phasisch, meist vermindert
phasisch, bei Apnoe erhöht
Atemfrequenz
stetig gering vermindert
phasisch wechselnd
phasisch, meist vermindert
intermittierend apnoisch
Weckreaktionen
kurzfristig weckb. einf. verb. Antw. EEG-arousal norm.
erhöhte Weckschwelle EEG-arousal normal
nicht weckbar Geringe EEG-arousal ohne Pupillenerweiterung
keine EEG-arousal keine Reaktion auf Schmerz
mit Pupillenerweiterung Gezielte Abwehr
Ungezielte Abwehr
Nur Fluchtreflexe bei starkem Schmerzreiz
bei Schmerzreiz vermindert oder erloschen
erloschen
Muskeldehnungsreflexe
normal
normal oder vermindert
vermindert oder erloschen
erloschen
Tag-Nacht-Periodik der Schlafregulation
erkennbar
unsicher
erloschen
erloschen
Würgreflex
normal
cr> o er ET
r
Tab. 2: Verschiedene Stufen der Schlafmittelvergiftung Stufe I Bewußtsein
Bewegung
Reflexe
Atmung
Kreislauf
Temperatur Blutbild
Stufe II
Stufe III
Benommenheit Bewußtlosigkeit Anamnese vereinzelte möglich Antworten u.U. Exzitation und Psychosen, »safe State« Geringe Reaktion auf Reaktion auf Schmerzreize Schmerzreize Ataxie meist ruhig Spontaner Lagewechsel Spontaner selten Lagewechsel Sehnen und Hustenreflexe erhalten. Kornealreflexe erhalten, prompte Lichtreaktion der Pupillen keine KrampfReflexsteigerungen und Krampfneigung oft neigung bei Carbromal, Glutethimid und Methaqualon
In Seiten- oder Bauchlage regelmäßig und mitteltief Atemwege frei Verlegung der Atemwege möglich Alveolen und Alveolen frei Bronchien frei normale Puls- und Blutdruckverhältnisse
normal
oft Untertemperatur
Normale Leukozytenwerte Hämoglobin- und Erythrozytenwerte normal
Stufe IV
Stufe V Bewußtlosigkeit
Dekubitus- und Pneumoniegefahr Keine Reaktion auf Schmerzreize Kein spontaner Lagewechsel Sehnen- und Hustenreflexe meist fehlend Kornealreflex meist erhalten, keine Kornealreflex fehlt oder sehr schwache Pupillenreaktion Anisokorie und Mydriasis als Signum mali ominis Reflexsteigerungen und Krampfneigung oft bei Carbromal, Glutethimid und Methaqualon Globalinsuffizienz (oberflächlich, verlangsamt, Zyanose) leichte Verlegung der Atemwege ausgeprägte Verlegung der Atemwege möglich in Rückenlage Bronchiale Sekretflut Alveolen frei Pulmonale Komplikationen Vasomotorenkollaps Hypovolämischer Schock Puls flach ohne Tachykardie, RR Tachykardie, schlecht gefüllter Puls, meist niedrig, besonders diastolisch, RR-Abfall mit kleiner Amplitude, blasse Zyanose annähernd normale Amplitude Hypo- oder Hyperthermie oft Untertemperatur mäßigen Grades Leukozytose durch Azidose ohne stärkere Linksverschiebung Linksverschiebung nur bei infektiösen Komplikationen Hämoglobin und Erythrozytenwerte Hämoglobin und Erythrozyten-Annormal stieg
III—3.3
Schlafmittel
Drogen
8. 5. Moeschlin:
1. leicht 2. mittelschwer 3. schwer
Atmung
Corneal
Rachen Tracheal Reflexe
Sehnen
gut oberflächl. schlecht evtl. Cheyne- Stokes u. Lähmung
+++ ++ -
+++ + -
++ + oftevtl. + +
9. Narkosestadien nach Guedel: Stadium I Einschlaf Stadium: Einschränkung des Bewußtseins, der Sinnes Wahrnehmung, der Kritik und der Orientierung. Die Atmung ist gleichmäßig, die Pupillenweite sowie der Verlauf der Reflexe ist normal. Der Muskeltonus vermindert sich zusehends. Vor dem Übergang in das zweite Stadium tritt eine zentrale Analgesie auf. Stadium II Excitation: allgemeine Unruhe, unkoordinierte Bewegungen bis zu tonischen und klonischen Zuckungen, die sich zu schweren Erregungen steigern können. Die Atmung wird unregelmäßig; Herzfrequenzsteigerung und Blutdruckerhöhungen sind möglich; die Pupillen sind weit, reagieren jedoch auf Licht und die Bulbi rollen hin und her. Stadium III Toleranzstadium: narkostischer Zustand; wird in vier Einzelstadien unterteilt: 1. Leichte Anaesthesie: Die Atemtätigkeit ist wieder koordiniert, die Extremitätenmuskulatur ist erschlafft, Bauchdeckenspannung besteht noch. Enge Pupillen, Korneal- und Lichtreflexe sind erhalten, erloschen sind Lid- und Schluckreflexe. 2. Chirurgische Anaesthesie: Reine Zwerchfellatmung, die Bauchdecken sind entspannt. Die Pupillen sind weiter als in III/l und reagieren träge auf Licht. Der Kornealreflex ist erloschen. 3. Tiefe Anaesthesie: Pupillen sind stärker erweitert als in HI/2, Lichtreflexe sind erloschen. Depression von Atmung und Kreislauf kann auftreten. In der Atmung ist die Inspiration verkürzt, die Exspiration verlängert. 4. Profunde Anaesthesie: Pupillen sind stärker erweitert als in III/3 und lichtstarr. Stadium IV Asphyktisches Stadium: maximal erweiterte und lichtstarre Pupillen. Reflexe sind völlig erloschen, Zyanose, Gefahr der Asphyxie und des Herzstillstandes. Korrektion zwischen Komatiefe und Komastadium: Die Tiefe der Bewußtlosigkeit hängt z.B. von der Barbituratkonzentration im Gehirn und nicht von der im Blut ab. Die Dauer der Bewußtlosigkeit hängt ab von der aufgenommenen Dosis, der Geschwindigkeit der metabolischen Inaktivierung, der Toleranzentwicklung des Patienten, der Geschwindigkeit der Elimination aus dem Körper und der nichtmetabolisierten Barbiturate aus dem ZNS. Durch die Vielzahl dieser verschiedenen Prozesse variieren Komadauer und Serumspiegel erheblich. Die Dauer der hypnotischen Wirkung ist eine Funktion der FettlösUchkeit und der Proteinbindung der einzelnen Barbiturate. Es wird als Irrtum bezeichnet, zu glauben, langwirkende Barbiturate seien gefährlicher als kurzwirkende. Vom Medikament aus betrachtet kann die fehlende oder schlechte Korrelation aus den verschiedenen pharmakodynamischen Gesetzen abgeleitet werden, denen sie unterworfen sind, wie Resorption (daraus folgen die Unterschiede bei der absoluten Menge der aufgenommenen Droge), FettlösUchkeit, Metabolisierung, Verteilung, Plasmaproteinbindung, Elimination. Für jeden dieser Prozesse gelten ja für jedes Medikament eigene Kenngrößen, weshalb nicht allein die Serum-Barbiturat-Konzentration als Vergleichsgröße herangezogen werden kann. Gleicherweise müssen beim Patienten Unterschiede in der Toleranzentwicklung, im Körpervolumen, durch Vorerkrankungen, durch gleichzeitige Alkoholintoxikation oder allgemein: durch Synergismus oder Potenzierung mit anderen Pharmaka usw. bedacht werden. Bei allen Stadieneinteilungen, bei denen auch ein Giftnachweis mit durchgeführt wurde, konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dauer und dem Stadium des Komas sowie zwischen Komatiefe und Mortalität nachgewiesen werden (STADLER). Von allen Stadieneinteilungen ist die von Chazan die am leichtesten praktikable mit der größten Korrelation zur erforderlichen Therapie.
D
Daunderer - Klinische Toxikologie - 127. Erg.-Lfg. 4/98
Drogen
Schlafmittel
III-3.3
Tab. 3: Pulmonale Komplikationen bei Schlafmittelvergiftungen 1. Bewußtseinsstörungen, fehlender Hustenreflex, a) Aspiration von festem Material = obstruktiver Bewußtlosigkeit verstärkter Sekretfluß Typ b) Aspiration von saurem Magensaft = asthmatischer Typ = Mendelson Syndrom, Endothelläsionen durch den sauren Magensaft (pH unter 2,5) 2. Atemdepression
Hypoxie, Hyperkapnie a) Azidose, hypoxische Endothelläsionen der Lungengefäße b) Neurogener Reflexmechanismus induziert Lungenödem (Zerebrale Hypoxie führt zu pulmonaler Venenkontraktion)
3. Schädigung durch Schlafmittelsubstanzen
a) Direkter toxischer Effekt an den Alveolar-Kapillarmembranen b) Nachfolgende Verbrauchskoagulopathie
4. Kreislaufzentralisation, Kreislaufschock
Hypovolämie, Hypoto- a) Mangelhafte Mikrozirkulation (Zyanose), Enmie dothelläsionen b) Verbrauchskoagulopathie (DIC) c) Begleitende Katecholamin- und Fettmobilisation
(Quelle: WOLFF, T., Pulmonale Komplikationen bei Schlafmittelvergiftungen. Diss. TU München 1978)
Tab. 4: Pathohistologische Lungenveränderungen nach Aspiration, bei toxischem, hypoxischem Lungenödem und beim Schocklungensyndrom Struktur Alveolen
Aspirationssydnrom
Toxisches Stadium Lungenödem
Alveolares Ödem
Alveolarepithelschädigung Surfactantüberproduktion Lytische Nekrose Aushöhlung der Nekrose
SchocklungenStadium syndrom
Stadium
II, III Alveolares Ödem Alveolarseptenverbreiterung II I Alveolarepithelproliferation
I Alveolares Ödem Alveolarseptenverbreiterung I I II III
Mesenchymale Proliferation II, III III Hyaline Membranen Interstitium
Interstitielles Ödem
I Interstitielles Ödem Perivaskuläres Ödem
I Interstitielles Ödem I Perivaskuläres Ödem Lymphspaltenerweiterung
II II II
Vakuolen, PinozytoseBläschen (Grundvorgang der Phagorglose) Interstitielle Fibrose
Gefäße
Endothelläsionen Mikrothromben
II Endothelläsionen II Mikrothromben Perivaskuläre Hämorrhagien Granulozytensticking Kapillarschwund
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III 1,11 I I I, II III
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Schlafmittel
Tab. 5: Differentialdiagnose von Aspirationssyndrom, (toxischem) Lungenödem und Schocklungensyndrom — klinische Befunde Aspirationssyndrom Zeitangaben 1 h-1 1/2 h - mehrere Stunden - 4 8 h tritt ein akutes Lungenödem auf, nach der Aspiration
tox. Lungenödem
Schocklungensyndrom
1 h - mehrere Stunden nach der Intoxikation
Wenige Stunden - mehrere Tage nach dem Schockereignis treten erste pulmonale Symptome auf. Das Terminalstadium entwickelt sich in einem mittleren Zeitraum von 7,5 Tagen. Unruhe des Patienten, Kreislaufsituation, Hyperventilation, eventuell schon Hypoxie
Anamnestische Verdachtshinweise
Aspiration, Verdacht auf Aspiration
Lokalisation
Abhängig von der Patientenlage entsteht das Lungenödem: Bauchlage: beide Lungenflügel Seitenlage: einseitige Veränderungen Rückenlage: initial Lungenoberfelder Bevorzugt entsteht das Lungenödem aus anatomischen Gründen auf der rechten Seite.
Nur initial zentral diffus, bilateral Oft aber auch asymmetrische Anordnung, was die Abgrenzung zur Pneumonie erschwert. So ist es nur an der schnellen Rückbildungsfähigkeit zu erkennen.
Hautfarbe
Zyanose
Zyanose Zyanose Schweißbedecktes Gesicht
Auswurf
Hämorrhagischer, wäßriger, schaumiger, sofort starker Sekretfluß
Hämorrhagischer, sofort Hämorrhagischer, eitriger Sekretwenig produktiver, schau- fluß als Zeichen einer Superinfektion im Verlauf des Schocklunmiger Sekretfluß gensyndroms im Stadium III
Atemtyp, Atemfrequenz
Dyspnoe Tachypnoe über 40/Minute
Dyspnoe Tachypnoe
Atemgeräusche
Feuchte Rasselgeräusche Trockene und feuchte Rasselgeräusche (über bei- (klingend und nicht klingend, fein bis mittelblasig) den Lungenfeldern) bei vesikulärem, meist verschärftem Atemgeräusch. Der physikalische Befund kann noch negativ sein, wenn die Lungenfunktion schon meßbar eingeschränkt ist, maximale Intensität aus der Basis.
O
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Dyspnoe im Stadium I Tachypnoe als tachypnoeische Ruhedyspnoe im Stadium II Hyperventilation initial Cheyne-Stokesscher Atemrhythmus wird häufig bei HypnotikaIntoxikationen beobachtet. Im Beginn ist das Lungenödem weder auskultatorisch noch perkutatorisch erfaßbar (das ist erst nach der Hypoxie und den Röntgenveränderungen möglich). So sind erst im Finalstadium positive Befunde zu erheben, die im Sinn eines intraalveolären Ödems zu deuten sind.
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Tab. 5: Fortsetzung Puls EKG
Aspirationssyndrom
tox. Lungenödem
Tachykardie als zunehmende Tachykar die über 120 Schläge/ Minute EKG: Sinustachykardie Präfinale HerzrhythmusStörungen
Uncharakteristischer Puls, Tachykardie der normal oder auch Therapierefraktäre Rhythmusweich oder frequent sein Störungen im Stadium III kann Bradykardien in III beim AbsauRelative Bradykardie gen der Trachea möglich
Schocklungensyndrom
Bemerkung: Die Angaben über den Herzrhythmus auch im Laufe der pulmonalen Komplikationen bei Schlafmittelvergiftungen sind sehr unterschiedlich. So wird über eine Bradykardie bei Barbituratvergiftungen und eine Tachykardie bei Bromcarbamidvergiftungen berichtet. Zerebrale, vaskuläre, neutrale Ursachen sind in der Diskussion. Hauptsächlich aber werden direkte toxische Effekte auf periphere Gefäße, das Arbeitsmyokard des Herzens und auf kreislaufregulatorisch wirkende zerebrale Strukturen für die unterschiedlichen Herzrhythmen, zumeist für die Bradykardie, angeführt. Blutdruck
Abfall des Blutdrucks bis auf 60-40 mmHg systolisch, meistens zum Zeitpunkt des maximalen Lungenödems, als Folge der Hypoxie und des intravasalen Volumenmangels
Abfall des Blutdrucks als (Anstieg im frühen Stadium) Folge der Abnahme der Abfall des Blutdrucks im Stadium Herzauswurfleistung, und III als Folge des Verlustes von Flüssigkeit an alveoläre und interstitielle Kompartments der Lunge
Zentraler Venendruck
Normalwerte oder leicht erhöhte Werte bei Beatmung. Das erleichtert die Abgrenzung zur globalen Herzinsuffizienz oder zur isolierten Rechtsherzinsuffizienz
Normalwerte
Temperatur
Anstieg der Temperatur (Keine Hinweise auf Tem- (Anstieg der Körpertemperatur) nach einigen Tagen, in (Keine Hinweise auf ein charakperaturanstieg im vormehreren Fällen auch pneumonischen Stadium) teristisches Temperaturverhalten schon in der akuten Phase beim Schocklungensyndrom)
Normalwerte oder uncharakteristische Veränderungen
Bemerkung: Hinweise in de r Literatur über das Tempeniturverhalten bei Schlafmittelvergiftungen beziehen sich nur auf die vorpneumonische Ph ase, ohne die pulmonalen Komplikationen mit einzubezieh en. So wird hauptsächlich vc n Hypothermien im Verlauf von Schlafmittelvergiftungen be richtet. Erst die Pneumonien infolge der pulmonalen Komplikationen führen zur Temper aturerhöhung. Nur in einige n Fällen des Aspirationssyndroms wird von einem Temperatur anstieg schon in der akuten Phase berichtet. StoffwechOligurie selstörungen Präfinale Anurie
(Keine Hinweise)
Oligurie im Stadium III Störung des Fettstoffwechsels
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Tab. 6: Differentialdiagnose — Laborbefunde Aspirationssyndrom *02
P r
C02
pH
Lungenödem
Schocklungensyndrom
Abfall des SauAbfall des Sauerstoffpartialdrucks sowohl im Stadium I als auch im Sta- erstoffpartialdrucks dium II und Stadium III Beatmungsmaßnahmen vermögen oftmals nicht die Hypoxie zu verbessern, infolge Bronchusobliteration, Atelektasen, abnehmender Dehnungsfähigkeit der Lungen und Ausdehnung des Schadens.
Abfall des Sauerstoffpartialdrucks mäßig im Stadium I stark im Stadium II bedrohlich im Stadium III Beatmungsmaßnahmen vermögen oftmals nicht die Hypoxie zu verbessern: Zunahme der Totraumventilation, Rechts-Links Shunts, abnehmende Dehnungsfähigkeit der Lungen, Fibrose und Versteifung der Lunge sind die Gründe
Anstieg des Kohlendioxyddrucks Uncharakteristisches Verhalten
Abfall des Kohlendioxidpartialdrucks
Normal oder leicht erniedrigt im Stadium I, trotz Hyperventilation, vor ersten Röntgenanzeichen. Erhöht im Stadium II oder Normokapnie. Erhöht im Stadium III meist über 70 mmHg
Respiratorische Azidose Metabolische Azidose mitverursacht durch die Hypoxie
Leichte Azidose
Respiratorische Alkalose im Stadium I mit alveolärer Hyperventilation Respiratorische Alkalose im Stadium II Respiratorische Alkalose im Stadium III pH unter 7,35 Zusätzlich tritt eine metabolische Azidose auf (Lactatazidose) = Signum malum
Im Rahmen einer schweren Schlafmittelvergiftung ist stets mit dem Auftreten einer Verbrauchskoagulopathie zu rechnen. Synonyme Begriffe sind DIC (Disseminated intravascular coagulation) und Thrombohamorrhagic Syndrome. Das DIC-Syndrom wird nicht als ein Symptom einer spezifischen Schlafmittelvergiftung angesehen, sondern als eine Komplikation der Sedativa-Intoxikation allgemein. Makroskopisch wie mikroskopisch entsteht das Bild einer Schocklunge. So kann eine Verbrauchskoagulopathie auf 3 Wegen entstehen: 1. als Komplikation einer Sedativa-Vergiftung 2. als Folge eines Schockereignisses (mit Hypovolämie, Hypotonie, mangelhafte Mikrozirkulation) 3. im Rahmen einer dir. tox. Schädigung Betroffen sind am ehesten die Lungen. Ihre Filterfunktion und ihre metabolische Aktivität dürfen nicht unterschätzt werden. Allerdings ist der kausale Zusammenhang zwischen DIC-Syndrom und Schock nicht unbestritten und noch nicht endgültig geklärt. Thrombozyten: Abfall (als guter Indikator) Fibrinogen: Abfall (als guter Indikator) Quick: Abfall (untergeordnete Bedeutung) Faktor II: Abfall Faktor V: Abfall (als guter Indikator) Faktor VII: Abfall Faktor VIII: Abfall (als guter Indikator: initialer Anstieg im Tierversuch) Faktor XIII: Abfall (als guter Indikator) Faktor I: Abfall Leukozytenzahl
Erhöhung der Leukozytenzahl Mit Linksverschiebung 80% segmentkernige Neutrophile am 6. Tag
Hämatokrit
erhöht Erhöhung der Hämatokritwerte infolge der Bluteindickung beim Lungenödem Bemerkung: Bei 21,9% der Schlafmitt slvergiftungen sin d Hämatokritwerte erhöht.
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Normalwerte oder leichte Erhöhung mit normalem Differentialbild
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Tab. 7: Differentialdiagnose - Röntgenbefunde Aspirationssyndrom
Lungenödem
Periphäre Verschattungen, rechts bevorzugt
Stadium II: diffuse Trübung bilateral, über allen Lungenfeldern
Schocklungensyndrom Stadium I: oft unauffällig Verstärkte Gefäß- und Lungengerüstzeichnung Erweiterung der zentralen und mittelgroßen Lungengefäße, gefäßarme Peripherie Trübung des Hilusschattens, Unscharfe der Hilusgefäße Fehlen der Air interface
Stadium I: oft unauffällig
Stadium II: Zeichen des interstitiellen Lungenödems Diffuse Trübung (milchig) zentrale und periphere Partien der Lunge Gelegentlich Platten- und Streifenatelektasen, periphilär Kerley-Lines (als Verdickung der interlobulä- Interlobuläre Pleuraverdichtung Kerley-Lines können fehlen ren Septen)
Diffuse, alveoläre Trübung bilateral, bevorzugt Mittelgeschosse
Schmetterlingsform (als Zeichen für ein akutes Ödem) Stadium III: Totalverschattung der Lunge
Differentialdiagnose: Normale Herzgröße und Fehlen von Zeichen der pulmonal-venösen Druckerhöhung als DD zum kardial bedingten ödem. Lokalisation: Die Veränderungen sind abhängig von der Position des Patienten bei der Aspiration. Zeitlicher Ablauf: Die ersten radiologischen Zeichen treten in den ersten 12 Stunden auf.
Stadium III: Azinäre Verschattungen Großflächige, konfluierende Infiltrationen Schmetterlingsform (infolge der Anatomie der Lungenkerne) Blasige Aufhellungen (akuter Spannungspneumothorax bei Überdruckbeatmung) Totalverschattung der Lungen in ca. 7,5 Tagen netzförmig (als Zeichen einer Fibrose) Differentialdiagnose: Differentialdiagnose: Milchige (keine wolkige) Trübung, fehlende Normale Herzgröße und Fehlen von Zeichen Kerley-Lines als DD zum kardial bedingten Ödem und zur Pneumonie der pulmonal-venösen Druckerhöhung als DD zum kardial bedingten Zeitlicher Ablauf: Vor den ersten radiologischen Zeichen stehen Ödem respiratorische Insuffizienzerscheinungen. So wird das DIC-Syndrom erst nach 18-72 Stunden radiologisch sichtbar. Erst danach werden die physikalischen Befunde positiv. Besonderheiten: Durch forcierte Beatmung kann eine Aufhellung der Verschattungen erfolgen, die eine Zustandsbesserung vortäuscht.
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Schocklungensyndrom - Synonyma und verwandte Bezeichnungen 1. Shock lung, Schocklunge(-nsyndrom) 2. Acute respiratory distress Syndrome (ARDS) 3. Capillary leak(-age) Syndrome 4. Respiratory Syndrome, Syndrom der respiratorischen Insuffizienz 5. Congestive atelektasis 6. Da Nang lung 7. Postperfusion lung Syndrom = pump lung 8. Progressive pulmonary insufficiency 9. Respirator lung 10. Pulmonary massive collapse ll.Wetlung 12.Stifflung 13. Hemorrhagic lung Syndrome 14. Traumatic wet lung 15. Hypostatische Pneumonie 16. Mikroembolielunge 17. Beatmungslunge 18. Interstitielles Lungenödem 19. Transfusionslunge 20. Sauerstofflunge 21. Respiratorische Insuffizienz bei nicht thorazischem Trauma 22. Hämorrhagische Atelektase 23. Traumatisch bedingte Ateminsuffizienz Nach neuesten Veröffentlichungen ist bei jeder zweiten schweren Schlafmittelvergiftung mit pulmonalen Komplikationen zu rechnen. Besonders gefährdet sind Patienten mit hohem Alter und mit sehr schweren Vergiftungen, von denen schon 40% mit einer Pneumonie zur Aufnahme kamen. Unter Berücksichtigung aller Altersstufen und aller Intoxikationsgrade ließen sich im Gegensatz dazu nur in 2% eine Pneumonie schon bei der Aufnahme feststellen. So bedeutet eine Pneumonie als Aufnahmebefund eine sehr schlechte Prognose. Immerhin kamen schon 48% von den Patienten, die später an der Intoxikation verstarben, mit einer Pneumonie in die Klinik. Auch bei den Sektionen bildete sie die häufigste Diagnose. Aspirationen traten in Relation zur Schwere der Vergiftungen in bis zu 40% der Fälle auf. Lungenödeme, insbesondere toxische Lungenödeme, spielen als selbständige Diagnosen eine untergeordnete Rolle, da sie mit den anderen Komplikationen untrennbar vergesellschaftet sind und somit nicht speziell erkannt werden können. Herz- und Kreislaufstörungen sind ebenfalls wieder stark abhängig vom Patientenalter und dem Intoxikationsgrad. Allgemein hatten nur 29% der Patienten unter 60 Jahren, aber schon 63% der Patienten über 60 Jahren Funktionsstörungen des Herzkreislaufsystems. Die Angaben in der Literatur über Häufigkeiten von Hypotonie und Kreislaufstillständen sind sehr unterschiedlich, da sie von jeweils verschiedenen Zusammensetzungen des Krankenguts ausgehen. So schwanken die Zahlen über die Hypotonie (Blutdruck unter 90 mmHg systolisch) zwischen 5% und 4 1 % , und die Angaben über Kreislauf stillstände zwischen 1% im gesamten Krankengut, 22% der schweren Vergiftungen und sogar 42% der Patienten, die an der Intoxikation verstarben. Die Prognose der Schlafmittelvergiftungen verschlechtert sich also zunehmend mit dem Alter des Patienten, der Schwere der Vergiftung und dem Auftreten von Komplikationen, wie Aspirationen, Lungenödeme, Störungen des Herzkreislaufsystems und schließlich Pneumonien. Je früher und je tiefgreifender diese Komplikationen auftreten, um so schlechter sind die Aussichten für den Patienten. Als ebenfalls von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist das Zeitintervall zwischen der Giftaufnahme und dem Beginn der klinischen Behandlung zu nennen. Für die Diagnose und die Therapie der pulmonalen Komplikationen bei Schlafmittelvergiftungen ist eine differenzierte, pathohistologische Gegenüberstellung der Schlafmittelwirkungen auf die Lunge notwendig, Sie bildet die Basis für die Differentialdiagnose und die unterschiedlichen Ansatzpunkte der Therapie. Denn Sedativaintoxikationen können auf sehr unterschiedlichen Wegen zu Schädigungen an der Lunge führen:
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1. Bewußtseinsstörungen bis zur Bewußtlosigkeit können durch den fehlenden Hustenreflex und den verstärkten Sekretfluß Aspirationen von festem Material und saurem Magensaft verursachen. Während das feste Material nur lokal obstruktiv wirkt und nur lokale Entzündungen hervorruft, setzt der saure Magensaft ausgedehnte Läsionen an den Alveolarendothelien. Diese Schäden sind um so stärker, je saurer der pH des Magensaftes ist. Schon im ersten Stadium entsteht ein alveoläres und ein interstitielles Ödem. In den nächsten Stadien schließen sich lyrische Nekrosen und deren spätere Aushöhlung an. 2. Atemdepressionen führen über Hypoxie, Hyperkapnie und Azidose ebenfalls zu Endothelschäden, diesmal aber an den Lungengefäßen. Wiederum entsteht in deren Folge ein interstitielles und alveoläres Ödem. Ein Nebeneffekt der Hypoxie ist ein neurogener Reflexmechanismus, der eine pulmonale Venenkontraktion bewirkt. Die Folge ist eine Erhöhung des Drucks in den Gefäßen und damit ein Ödem. 3. Schlafmittelsubstanzen selbst können die Permeabilität der Alveolar-Kapillarmembranen verändern. Die damit verbundene Flüssigkeitsverschiebung bedingt ein interstitielles und alveoläres Ödem. Im Gegensatz zum Aspirationssyndrom und zum hypoxischen Syndrom entstehen hier die Endothelschäden erst später im Stadium II, also infolge des Ödems. Die Möglichkeit einer damit in Zusammenhang stehenden Verbrauchkoagulopathie ist in Diskussion. 4. Kreislaufzentrahsation und Kreislaufschock haben Hypovolämie und Hypotonie zur Folge und eine daraus resultierende mangelhafte Mikrozirkulation. Wie beim hypoxischen Syndrom werden dadurch zuerst Endothelläsionen an den Lungengefäßen gesetzt. Eine Verbrauchskoagulopathie mit Mikrothromben als ersten Zeichen entsteht. Im Stadium II bildet sich ein im Gegensatz zu allen anderen Mechanismen nur interstitielles Ödem. Erst in der Terminalphase schließt sich ein alveolares Ödem an. In diese Phase fällt auch die Bildung hyaliner Membranen und die Entstehung einer interstitiellen Fibrose. Besonders in dem Anfangsstadium sind diese Veränderungen von einer Katecholamin- und Fettmobilisation begleitet. Da das oben genannte »Hypoxische Syndrom« im Rahmen dieser Arbeit eher von allgemeinerer Natur ist, konzentriert sich die differenzierte Betrachtung hauptsächlich auf 1. das Aspirationssyndrom, 2. das toxische Lungenödem und 3. das Schocklungensyndrom So ergibt die Auswertung der Literatur und der eigenen Kasuistiken im Hinblick auf die drei obengenannten pulmonalen Komplikationen folgende differentialdiagnostische und therapeutische Kriterien und Probleme: 1. Zeitpunkt des Krankheitsbeginns: Da alle drei Komplikationen schon eine Stunde nach dem verursachenden Ereignis auftreten können, ist den anamnestischen Angaben besonderer Wert beizumessen. Schon bei Verdacht auf eine Aspiration, die Einnahme von Sedativa, Unruhe des Patienten, Kreislaufschwierigkeiten, Hyperventilation oder schon Hypoxie sollte eine intensive pulmonale Beobachtung veranlaßt werden. Intubationen und andere Intensivmaßnahmen sind gerechtfertigt. Dagegen sind Lungenbiopsien als frühdiagnostische Maßnahmen für die Routine geeignet. 2. Pulmonales Erscheinungsbild: Zyanose, Dyspnoe und Tachypnoe sind in allen drei Fällen anzutreffen. Für das Schocklungensyndrom ist weiterhin eine initiale Hyperventilation kennzeichnend. Aufgrund der Magensaftaspiration und dem verstärkten Sekretfluß ist beim Aspirationssyndrom ein starker, hämorrhagischer Auswurf zu beobachten, und sind sofort trockene und feuchte Rasselgeräusche auskultatorisch feststellbar. Der Sekretfluß beim toxischen Lungenödem ist dagegen wesentlich schwächer, womit auch der physikalische Befund erst später zu erheben ist, oftmals erst nach einer meßbaren Einschränkung der Lungenfunktion. Auswurf und auskultatorische sowie perkutatorische Befunde gehören nicht zum akuten Bild des Schocklungensyndroms. Somit sollte die Sekretdrainage im Vordergrund der Therapie stehen, die besonders im Fall des Aspirationssyndroms unter Sicht (mit einem flexiblen Bronchoskop) oder als Bronchialwäsche durchgeführt werden sollte.
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Sekretolytika können unterstützend wirken. Ebenfalls können Bronchodilatoren in allen drei Fällen von Nutzen sein, deren Erfolg beim Schocklungensyndrom aber auch ungenügend sein kann. Wie auch Atmungsanaleptika bei den erhöhten Atemwegwiderständen nicht immer zu dem erwünschten Ziel führen müssen. 3. Herz und Kreislauf: Im Rahmen der Schlafmittelvergiftungen sind sowohl Tachykardien als auch Bradykardien möglich, deren Ursachen noch in der Diskussion sind. Hauptsächlich aber werden direkte toxische Effekte an kreislaufregulatorisch wirkenden Strukturen angeführt. Bei den pulmonalen Komplikationen ist demgegenüber jedoch mit Tachykardien und präfinalen Herzrhythmusstörungen zu rechnen. Allen drei Syndromen ist auch ein Abfall des Blutdrucks gemeinsam. Damit ist eine Anwendung von Herzglykosiden und kreislaufaktiven Pharmaka, deren Erfolg zumindest beim Schocklungensyndrom als noch fraglich gilt, in der Therapie zu erwägen. Beim toxischen Lungenödem werden daneben Ganglienblocker und für das Schocklungensyndrom eine medikamentöse Sympathikusblockade empfohlen, wogegen letztere noch eine umstrittene Methode darstellt. Der zentrale Venendruck verhält sich uncharakteristisch. 4. Diagnose und Therapie einer Infektion: Die Temperatur ist ein schlechter Parameter für die Erkennung einer pulmonalen Infektion. Einerseits induzieren Schlafmittel Hypothermien, andererseits gibt es kein kennzeichnendes Verhalten der Temperatur bei den pulmonalen Komplikationen. Selbst bei den Patienten, die an einer Pneumonie infolge einer Schlafmittelvergiftung verstarben, war eine Temperaturerhöhung über 38,5° nur in 13% nachweisbar. Dagegen bestand regelmäßig eine Leukozytose, die somit ein sicheres Zeichen für eine Infektion darstellt. Aber auch das Aspirationssyndrom geht mit einer Erhöhung der Leukozytenzahl einher. Therapeutisch wird demnach eine rechtzeitige antibiotische Abschirmung für ein breites Spektrum empfohlen. Für die Verhinderung einer Pneumonie stellen antibiotische Prophylaxe und ständige Sputumkulturen die wichtigsten Maßnahmen dar. Besonders für das Aspirationssyndrom wird auch ohne Erregertestung eine antibiotische Basistherapie empfohlen. 5. Röntgen-Befunde: Das Aspirationssyndrom und das Schocklungensyndrom lassen sich prinzipiell in drei ähnlichen Phasen röntgenologisch erfassen. Das Stadium I kann bei beiden unauffällig sein, das Stadium II ist von einer diffusen Trübung gekennzeichnet und das Stadium III endet in einer Totalverschattung. Das schattige Lungenödem weist dagegen keinen phasenhaften Verlauf auf. Im Stadium I ist das Schocklungensyndrom an einer verstärkten Gefäß- und Gerüstzeichnung, gefäßarmer Peripherie und wie das Aspirationssyndrom an einer Hilusverschattung zu erkennen. Im Stadium II des Aspirationssyndroms und des Schocklungensyndroms schließt sich eine zentrale und periphere Trübung an, die auch für den Beginn des toxischen Lungenödems kennzeichnend ist, bei diesem jedoch die Mittelgeschosse bevorzugt. Platten- und Streifenatelektasen, interlobuläre Pleuraverdickungen und nur gelegentliche Kerley-Lines sind weitere Röntgenzeichen des Schocklungensyndroms im Stadium II. Auch beim toxischen Lungenödem finden sich Kerley-Lines. Das Stadium III des Aspirationssyndroms und des Schocklungensyndroms ist durch großflächige, anfänglich noch azinäre, später jedoch totale Verschattungen charakterisiert. Diese können beim Schocklungensyndrom netzförmig als Zeichen einer Fibrose sein, und sich in ca. 7,5 Tagen entwickeln. Die ersten radiologischen Zeichen treten beim Aspirationssyndrom schon nach 12 Stunden auf, während beim Schocklungensyndrom vor den ersten radiologischen Zeichen respiratorische Insuffizienzerscheinungen stehen und die physikalischen Befunde erst ganz am Schluß zu finden sind. Spezifisch für das Aspirationssyndrom ist die Lokalisation der Lungenveränderung. Sie ist im wesentlichen abhängig von der Position des Patienten während der Aspiration. Als wichtigste differentialdiagnostisches Mittel zur Abgrenzung der drei Syndrome gegenüber der kardial bedingten Ödemen stehen die normale Herzgröße und die fehlenden Zeichen einer pulmonalvenösen Druckerhöhung zur Verfügung. Beim Schocklungensyndrom ermöglicht außerdem die fehlende wolkige Trübung die Abgrenzung. Letztlich ist noch zu beachten, daß eine forcierte Beatmung eine Aufhellung der Verschattungen bewirkt.
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6. Blutgasanalyse und Beatmungstherapie: Allen drei Syndromen ist ein Abfall des Sauerstoffpartialdrucks gemeinsam. Das Verhalten des Kohlendioxidpartialdrucks dagegen ist sehr unterschiedlich. Während er noch beim Aspirationssyndrom ansteigt, als Folge der durch Magensaft und Sekret verstopften Atemwege, fällt er beim toxischen Lungenödem durch die Tachypnoe ab. Durch die initiale Hyperventilation beim Schocklungensyndrom ist er bei diesem im Stadium I entweder normal oder erniedrigt, erhöht sich dann aber wesentlich im Stadium II und III. Eine Zunahme der Totraumventilation, Rechts-Links-Shunts, abnehmende Dehnungsfähigkeit der Lungen, Fibrosen und Versteifungen der Lunge sind die Gründe. So kommt es beim Aspirationssyndrom zu einer respiratorischen Azidose, die durch eine metabolische Azidose ergänzt wird. Auch beim toxischen Lungenödem entsteht eine leichte Azidose. Beim Schocklungensyndrom dagegen entwickelt sich durch die initiale Hyperventilation eine respiratorische Alkalose im Stadium I und IL Erst im Stadium III ist eine respiratorische Azidose infolge des erhöhten Kohlenstoffdioxiddrucks zu finden, die oft mit einer metabolischen Azidose (Lactatazidose) verbunden ist und somit ein Signum malum darstellt. Aufgrund dieser komplizierten Blutgasverhältnisse, die mit Fortschreiten der Krankheit immer schwerer zu beherrschen sind, wird allgemein eine Beatmungstherapie mit IPPB (Intermittent positive pressure breathing) in verschiedenen Modifikationen empfohlen: PEEP: Positiver endexpiratorischer Druck, zur Therapie des interstitiellen Ödems. NEEP: Negativer endexpiratorischer Druck, zur Therapie der Totraumventilation. HOLD: Endinspiratorisches Plateau, zur Therapie der restriktiven Inhomogenität DEEP: Periodische Tiefatemzüge, zur Therapie von Kohäsionen und Adhäsionen bei Sekretretentionen und zur Atelektasenprophylaxe. LOW FLOW: Niedrige inspiratorische Atemstromstärke, zur Therapie der obstruktiven Inhomogenität. Eine prophylaktische Beatmung mit PEEP wird nur für ein zu befürchtendes Schocklungensyndrom angeraten. Zur Therapie des Aspirationssyndroms und des Lungenödems ergeben PEEP, eventuell in Kombination mit DEEP, und im Fall des Lungenödems in Verbindung mit HOLD blutgasanalytisch die besten Verhältnisse. Die Beatmungsmodifikationen beim Schocklungensyndrom sind nach der Stadieneinteilung des Syndroms auszurichten. So ergeben sich im Stadium I und II mit PEEP, HOLD, LOW FLOW die besten Blutgasergebnisse. Der damit verbundene hohe Beatmungsmitteldruck durch HOLD bewirkt allerdings einen Blutdruckabfall. Für das Stadium II und III erweist sich PEEP und HOLD als günstig. Im Stadium III ist es schon sehr schwierig, die besten Beatmungsformen zu bestimmen. NEEP und HIGH FLOW sind zwar kreislauffreundlich, bedingen aber eine beträchtliche respiratorische Beeinträchtigung. PEEP und HOLD wirken sich blutgasanalytisch günstiger aus, die Kreislaufsituation verschlechtert sich dagegen durch HOLD wesentlich. Neben diesen beatmungstechnischen Schwierigkeiten, ist wegen der zunehmenden Hypoxie eine hohe Sauerstoffkonzentration notwendig, womit das Problem der Sauerstofftoxizität mit Bildung von hyalinen Membranen und Fibrosen die Prognose erheblich verschlechtert. Dem ist durch gezielte Beatmungstechnik und damit niedrig zu haltenden Sauerstoffkonzentrationen Rechnung zu tragen. Dies wird in den terminalen Phasen um so schwieriger, als Beatmungsmaßnahmen hier die Blutgasverhältnisse kaum noch beeinflussen können. Letztlich besteht noch die Gefahr bei IPPB-Beatmung, daß Pneumothoraces und Emphyseme auftreten können. Die durch forcierte Beatmung röntgenologische Aufhellung wurde schon oben erwähnt. 7. Gerinnungsstörungen und deren Therapie: Eine Verbrauchskoagulopathie kann entstehen: 1. als Komplikation einer Sedativvergiftung, 2. als Folge eines Schockereignisses 3. im Rahmen einer direkten toxischen Schädigung, z.B. von Alveolar-Kapillarmembranen, in deren Folge das toxische Lungenödem entsteht. Inwieweit diese einzelnen Mechanismen in Zusammenhang miteinander stehen, oder auch unabhängig voneinander auftreten können, oder sogar überhaupt existieren (Punkt 3), ist noch nicht geklärt. Da aber die Verbrauchskoagulopathie in letzter Zeit als Komplikation immer häufiger in Erscheinung tritt, was eine Folge der in den letzten Jahren erarbeiteten genaueren Begriffsbestimmung und verbesserter
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Labortechniken ist, muß auf jeden Fall bei Schlafmittelvergiftungen und deren pulmonalen Komplikationen mit ihrem Auftreten gerechnet werden. Auch im eigenen Krankengut waren bei fast jedem der in Frage kommenden Patienten Anzeichen für eine Verbrauchskoagulopathie vorhanden. Schon diese Tatsachen, aber auch die Schwierigkeiten, die bei der Therapie einer einmal begonnenen Verbrauchskoagulopathie mit ihrer Eigengesetzlichkeit anzutreffen sind, rechtfertigen eine prophylaktische Heparinisierung. Dabei sind etwa 15.000 E pro Tag in einer Dauerinfusion ausreichend. Hat die Verbrauchskoagulopathie bereits eingesetzt, erkenntlich am Abfall der Thrombozyten, Fibrinogen, der Faktoren II, V, VIII, XIII, die dafür besonders gute Indikatoren sind, ist die Gabe von Heparin nicht mehr zu umgehen. Je nach den Veränderungen sind zwischen 10.000 E und 30.000 E/Tag für 4-23 Tage notwendig (siehe Therapie-Tabelle 5), wobei die Dosierung sich nach den Gerinnungsfaktoren, der Hypoxie und den Lungenveränderungen zu richten hat. Daneben ist selbstverständlich eine symptomatische Therapie anzustreben. Vitamin K Antagonisten sind nur bedingt von Nutzen, Dicumarol dagegen überhaupt nicht, da seine Wirkung zu spät einsetzt. Da Heparin Hämorrhagien und intraalveoläre Blutungen verursachen kann, muß die Dosierung immer so niedrig wie möglich erfolgen. Häufig folgt auf die Verbrauchskoagulopathie die sekundäre Fibrinolyse, welche »einen Versuch des Or ganismus zur Selbstheilung« darstellt. Das bedeutet, daß man mit Fibrinolytika, wie Streptokinase und Urokinase, die Fibrinolyse unterstützen kann. Allerdings können sie zwar ausgefälltes Fibrin auflösen und neue Plättchenaggregate verhindern, aber fertig gebildete Thromben nicht mehr zersetzen. Deshalb sollten sie nur solange verabreicht werden, wie die intravasale Gerinnung noch im Laufen ist. Erfolgsnachweise stehen aber noch aus. Auch ist hier mit einer hämorrhagischen Diathese zu rechnen. Aus den oben genannten Gründen sollten Epsilon-Aminokapronsäure und Aprotinin (Trasylol) als Antifibrinolytika nicht gegeben werden, oder nur dann, wenn die Fibrinolyse zum vorherrschenden Problem wird. Kallikreininhibitoren sollten nur zur Prophylaxe angewendet werden. Bei einer akuten Verbrauchskoagulopathie kann ebenfalls eine Substitutionstherapie mit Vollblut, Plasma und Fibrinogen von Nutzen sein. Gelingt es nicht, die Gerinnungsstörungen frühzeitig zu erkennen und zu beherrschen, können sie neben den pulmonalen Komplikationen gleichwohl zum limitierenden Faktor in der Prognose für Schlafmittelvergiftungen werden. 8. Kortikoid-Therapie: Die Ziele einer Kortikoid-Therapie können sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von einer Vasodilatation, über eine Verminderung der Kapillarpermeabilität, spasmolytische und antiphlogistische Effekte, bis zu einer Einwirkung auf Blutbestandteile. Zur Prophylaxe eines zu erwartenden Schocklungensyndroms eignet sich Prednisolonhemisuccinat und nach einem kürzlich veröffentlichten Bericht Methylprednisolonnatriumsuccinat (MSS). MSS, in vierzehnmal höheren Dosen als üblich gegeben, soll die Formveränderungen der Leukozyten beim Schocklungensyndrom verhindern, und damit die Freisetzung der Enzyme zur Infektabwehr und die hiermit verbundene Zerstörung des Lungengewebes. MSS soll das unschädlichste der Steroide sein und keine Nebenwirkungen besitzen. Im Stadium I des Schocklungensyndroms ist die Anwendung von Methylprednisolon (30 mg/kg Körpergewicht in einer einmaligen Kurzinfusion von 10-15 Minuten) zur Vasodilatation und Verminderung der Kapillarpermeabilität von Nutzen. Der Erfolg von einer Methylprednisolon-Langzeittherapie ist noch umstritten. Antiphlogistische und spasmolytische Effekte am Bronchialsystem und eine Mehrproduktion von Surfactant durch Pneumozyten II Stimulation wären ihr Ziel. Der direkten Schädigung der Schlafmittelsubstanzen an den Alveolar-Kapillarmembranen, die eine erhöhte Eiweißdurchgängigkeit zur Folge hat, kann man mit Solu-Decortin begegnen. Kalzium und Antihistaminika können hier unterstützend wirken. Bei Aspirationssyndrom sollen Kortikoide hauptsächlich vor größeren Schäden durch den Magensaft schützen. Dabei stehen Prednisolon (750-1000 mg in 24 Stunden) und Hydrokortison (100 mg i.v. sofort, dann 100 mg alle 8 Stunden für 72 Stunden, dann 25 mg alle 6 Stunden für 2 Tage) zur Verfügung. Erfolgsnachweise stehen auch hier noch aus. Bei der Kortikoid-Therapie ist zu bedenken, daß die Infektabwehr stark eingeschränkt wird, was eine mögliche Entwicklung einer Pneumonie beschleunigen könnte. So sollte sich die Gabe von Kortikoiden auf die Prophylaxe und besonders schwere Krankheitsverläufe beschränken und immer von einer antibiotischen Abschirmung begleitet sein. Daunderer - Klinische Toxikologie - 127. Erg.-Lfg. 4/98
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III-3.3
9. Flüssigkeitshaushalt: Beim Aspirationssyndrom und beim Schocklungensyndrom ist bei Fortschreiten der Krankheit eine Oligurie und teilweise eine präfinale Anurie zu beobachten. Flüssigkeitsverluste an die Ödeme und Abfall des Blutdrucks sind die Gründe. Insbesondere beim Aspirationssyndrom erhöhen sich die Hämatokritwerte. Wobei festzustellen ist, daß bei 2 1 % der Schlafmittelvergiftungen ebenfalls die Hämatokritwerte ansteigen, als Folge der Dehydration. Somit ist sowohl bei den Schlafmittelvergiftungen allgemein, als auch bei ihren pulmonalen Komplikationen der Infusionstherapie ein großer Wert beizumessen, besonders deshalb, weil auf der einen Seite genug infundiert werden muß, auf der anderen Seite der Flüssigkeitsgehalt der Lunge nicht mehr wesentlich steigen darf, da damit die Sauerstoffaufnahme noch weiter vermindert würde. Die forcierte Diurese bei Sedativavergiftungen stellt hier ein spezielles Problem dar. Die Entwicklung eines Schocklungensyndroms kann kurzzeitig durch Blut-, Plasma- und Dextraninfusionen verhindert werden. Allerdings kann das Bild einer Schocklunge auch noch 72 Stunden nach dem Schockereignis auftreten. Zur Therapie eignen sich niedermolekulare Dextrane für die Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation; Albuminsubstitutionen normalisieren den intravasalen onkotischen Druck. Diuretika können diese Therapie hilfreich unterstützen, werden aber im Stadium III des Schocklungensyndroms keinen Erfolg mehr zeitigen, so daß man hier zur Dialyse greifen muß. Ein Nebeneffekt der Peritonealdialyse ist ein verbesserter pulmonaler Gasaustausch. Verkehrstüchtigkeit: Infolge der langen Wirkdauer (Plasmahalbwertszeit von Phenobarbital-Luminal® von 24-96 Stunden, Gluthemid-Doriden® 12 Stunden) kann die Wirkung einer am Abend zuvor eingenommenen Schlaftablette am nächsten Tag eventuell noch nicht abgeklungen sein. Bei täglich wiederholter Zufuhr und langsamer Elimination des Schlafmittels kann es kumulieren (Plasmahalbwertszeit von Bromid 12 Tage). Chloralhydrat (Chloraldurat) läßt am nächsten Tage keine Nachwirkungen auftreten. Allerdings ist die zu empfehlende Dosis von 0,5 bis 1,5 Gramm für manchen Menschen nicht ausreichend. Außerdem läßt die Wirkung nach einigen Tagen nach. Sonst gejiört es, gemessen an der Verkehrstüchtigkeit am darauffolgenden Tag, zu den Mitteln erster Wahl. Methaqualon ist unzuverlässig in bezug auf Plasmahalbwertzeit (6 bis 19 Stunden). Es kann zu Rauschzuständen führen. Zunehmend wird es in Kombination oder als Ersatz für Haschisch genommen. Verkehrsteilnehmern ist es wegen der Gefahr der Instabilität der Stimmungslage nicht zu empfehlen. Hausarzt: Prinzipiell sollte bei jeder Verschreibung von zentral dämpfenden Mitteln auf die mögliche Gefährdung im Straßenverkehr hingewiesen werden. Toxizität: Als Faustregel kann gelten, daß mit gefährlichen Vergiftungen dann zu rechnen ist, wenn Schlafmittel in 15- bis 20facher Normdosis (d.h. 15-20 Tabletten!) eingenommen wurden. Hypothermie: Eine häufige Komplikation von Schlafmittelvergiftungen ist eine Hypothermie. Eine schlafmittelbedingte Hypothermie von 22,7 °C wurde überlebt (eigene Beobachtung). Eine möglicherweise letale Komplikation einer schweren Hypothermie ist eine Pankreatitis mit irreversiblem Schock. Durch wiederholte Gaben von Medizinalkohle über eine Magensonde kann dem vorgebeugt werden. CPK-Erhöhung: Infolge einer langen Liegezeit bei veränderter Stoffwechsellage kann es bei Schlafmittelvergiftungen zu schweren Dekubitalgeschwüren kommen und die CPK auf Werte bis 55.000 ansteigen (anschließend GPT bis 400, später LDH bis 300 erhöht). Die Dekubitalgeschwüre sind charakteristisch, wenn auch nicht pathognomonisch. Es handelt sich dabei um Erytheme, in deren Zentrum zunächst Blasen, später Nekrosen entstehen können. Prädilektionsort sind Knöchel, laterale und kardiale Kniegelenkregion und Hüfte, weiterhin Finger- und Handgelenke und Ellenbogen- und Schulterregion.
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Vergiftung leicht
mittel
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schwer
6stündlich Kohlekompretten und Natriumsulfat über Magensonde bis zum Erwachen instillieren 12stündlich hohen Darmeinlauf bis zum Erscheinen eines Kohlestuhls stündliche Urin pH-Kontrolle 8stündlich Notfall-Labor-Bestimmung (Elektrolyte in Harn und Blut; Blut: Harnstoff, Kreatinin, CPK, GOT, GPT, Bili, Quick, Gerinnungsfaktoren, Hb, Hk) Monitorüberwachung stündlicher Lagewechsel zur Dekubitusprophylaxe nur bei gesicherter Aspirationspneumonie (Röntgen) Antibiotika protrahierter Schock: 500 IE Heparin/h. ZVD mit Plasmaexpandern auf 7 cm H 2 0 anheben PEEP-Beatmung zur Prophylaxe bzw. Therapie einer Schocklunge bei protrahiertem Schock oder massiver Aspirationspneumonie falls nach Beatmung und Volumenzufuhr immer noch eine Hypotonie besteht: Dopamin im Dauertropf nach dem Erwachen bzw. Sinken der Giftkonzentration im Blut ZVD niedrig halten: um 0 cm H 2 0 (Verhinderung eines Hirnödems bzw. einer Schocklunge) vor und nach Extubation Auxiloson Spray (Glottisödem-Prophylaxe) Stets (sozial-) psychiatrische Nachbetreuung! Den Einsatz nicht abhängig machen von der Schwere der Vergiftung!
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Tab. 8: Therapie - Allgemeine Therapie Aspirationssyndrom
Toxisches Lungenödem
Schocklungensyndrom
Übliche Intensivtherapie - Maßnahmen Als prophylaktische Verhinderung der Aspiration ist zu einer sofortigen Intubation zu raten
Sekretdrainage
Zur Erfassung des Frühstadiums des Schocklungensyndroms ist eine Lungenbiopsie notwendig. Als Routineuntersuchung ist sie jedoch mit zu vielen Komplikationen verbunden Sekretdrainage
Sekretdrainage Eventuell Sekretolytika
Absaugen unter Röntgendurchleuchtung Bronchoskopisches Absaugen Bronchialwäsche mit verdünnter Humanalbuminlösung (zu jeweils 10 ml) Sputumkultur Liegt die Aspiration mehr als 12 Stunden vor Therapiebeginn, sind diese Maßnahmen meistens ohne Erfolg.
Tab. 9: Therapie - Medikamentöse Therapie Aspirationssyndrom
Toxisches Lungenödem
Schocklungensyndrom
Bronchodilatoren Aminophyllin 250 mg i.v. in 500 ml Dextrose und H 2 0 in 8 Stunden
Brochodilatoren Euphyllin 0,24 bewirkt neben Bronchodilatation mit Senkung der inspiratorischen Atemwiderstände auch eine periphere Vasodilatation Eventuell auch Nitroglycerin und Papaverin (Diktator glatter Muskeln)
Brochodilatoren Der Erfolg kann ungenügend sein. Atmungsanaleptika Mit nur begrenztem Erfolg bei erhöhten Atemwegwiderständen Micoren 0,22, 4—6 Ampullen täglich i.m. oder als Infusion für längerdauernde Wirkung
Herz- und Kreislaufmittel Eventuell Digitalis im akuten Stadium Eventuell Blutdruckmittel
Herz- und Kreislaufmittel Keine Blutdruck- und Pulssteigernden Pharmaka, da sie den Druck in den Pulmonalarterien erhöhen. Adrenolytika wie Hydrazinophtalazine (Nepresol, Adelphan) und Veratrum-Alkaloide Ganglienblocker wie Dibenamin, Pendiomid, Hexamethonium zur Gefäßdilatation
Herz- und Kreislaufmittel Eventuell Herzglycoside Kreislaufaktive Pharmaka wie Novadral, Akrinor Vasodilatorische Pharmaka wie Hydergin, Alupent Der Erfolg von gefäßaktiven Pharmaka ist noch nicht erwiesen. Medikamentöse Sympathikus-Blockade verhindert die sympathikusinduzierte Vasokonstriktion. Eine umstrittene Methode
Kalzium und Antihistaminika begegnen der erhöhten Eiweißdurchgängigkeit der Kapillarwände beim toxischen Lungenödem. Eventuell in Kombination mit Prednisolon oder Dexamethason.
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Tab. 9: Fortsetzung Aspirationssyndrom
Toxisches Lungenödem Schocklungensyndrom Frühe Basensubstitution Bewirkt oft eine überschießende metabolische Alkalose Antibiotika Als prophylaktische Abschirmung Antibiotika mit breitem Spektrum
Antibiotika Als Basistherapie ohne Erregertest: Ampicillin 15-20 g und Gentamycin 180-240 mg in 24 Stunden Als Therapie verschiedene Kombinationen von Penicillin G, Streptomycin, Ampicillin, Tetracyclin, Cephalotin Bei St. aureus: Methicillin mit Penicillin G und Streptomycin Bei Pseudomonas und E. Coli: Colistimethate (Colistin), oder Kanamycin mit Cephalotin Bei forc. Diurese ist eine Erhöhung der Dosis notwendig
Kortikoide Als Prophylaxe: 1. Prednisolonhemisuccinat 2. Methylprednisolon = MSS - Natriumsuccinat in 14mal höheren Dosen als üblich. MSS verhindert die Formveränderung der Leukozyten und die Freisetzung der Leukozytenenzyme. MSS ist das unschädlichste der Steroide und hat keine Nebenwirkungen.
Kortikoide
Kortikoide
Als Therapie: 1. Prednisolon, 750-1000 mg in 24 Stunden 2. Hydrokortison, 100 mg i.v. sofort, dann 100 mg alle 8 Stunden für 72 Stunden, dann 25 mg alle 6 Stunden für 2 weitere Tage, begleitet von antibiotischer Abschirmung
Als Therapie: Als Therapie: Solu-Decortin, 25 mg 1. Methylprednisolon, 30 mg/kg Körpergewicht, in einer einmaligen i.m., schränkt die erKurzinfusion (10-15 min), bewirkt höhte EiweißdurchVasodilatation und Verminderung gängigkeit der Kapilder Kapillarpermeabilität. Positiver larwände beim toxiErfolg ist nur im Stadium I möglich. schen Lungenödem ein 2. Methylprednisolon, 1-2 mg/kg Körpergewicht als Langzeittherapie ist noch umstritten. Es hat einen antiphlogistischen und spasmolytischen Effekt am Bronchialsystem und soll eine Mehrproduktion von Surfactant durch Pneumozyten II Stimulation bewirken.
Kortikoide sollen die Lunge vor größeren Schäden durch den Magensaft schützen. Jedoch fehlen dafür Nachweise, und außerdem ist die Infektabwehr eingeschränkt
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Tab. 9: Fortsetzung Aspirationssyndrom
Toxisches Lungenödem
Schocklungensyndrom
Heparin: Da die Verbrauchskoagulopathie sowohl im Rahmen einer Schlafmittelvergiftung im allgemeinen, als auch speziell bei dem Schocklungensyndrom auftreten kann (s.o.), wird ihre Therapie hier unter allen drei pulmonalen Komplikationen abgehandelt. Zur Prophylaxe: 1. Da Heparin bereits gebildete Mikrothromben nicht mehr auflösen kann, Mikrothrombosierung dann also nicht mehr verhindern kann und sogar von einer Eigengesetzlichkeit einer einmal begonnenen Thrombosierung gesprochen wird, wird eine prophylaktische Heparinisierung empfohlen. Diese sollte allerdings schon erfolgen, wenn noch keine Änderung des Gerinnungsstatus nachzuweisen ist. Sie ist auch bei langzeitbeatmeten Patienten zur Embolie-Prophylaxe anzuraten. 2. 10 000-15 000 E, 15 000-25 000 E pro Tag, in Dauerinfusion. 3. Es ist fraglich, ob es nach den unter 1. genannten Gründen ausreicht, mit der Heparinisierung des Patienten erst dann zu beginnen, wenn die Thrombozyten und das Fibrinogen bereits im Abfallen sind. Zur Therapie: 1. Hat die Verbrauchskoagulopathie schon eingesetzt, ist die Gabe von Heparin notwendig. 2. Bei DIC, keiner Hypoxie, keiner Lungenveränderungen: 10 000-15 000 E/Tag, (150-200 E/kg) für 4-6 Tage Bei DIC und Hypoxie, keinen Lungen Veränderungen: 10 000-20 000 E/Tag, für 6-10 Tage Bei DIC und Hypoxie und Lungen Veränderungen: 15 000-30 000 E/Tag (200-400 E/kg) für 8-14-23 Tage Die Dosierung richtet sich nach der Thrombozytenzahl und der Thrombinzeit. Eine gleichzeitige symptomatische Therapie ist anzustreben. 3. Vitamin K Antagonisten können bei einigen Formen der Verbrauchskoagulopathie von Nutzen sein. Dicumarol ist nur bei den chronischen Formen sinnvoll, da seine Wirkung erst verspätet einsetzt. Risiken: Heparin kann Hämorrhagien und besonders intraalveoläre Blutungen verursachen, deshalb hat die Dosierung immer so niedrig wie möglich zu erfolgen, und es ist Vorsicht geboten bei Fällen, bei denen Gefäße zerreißen, wie bei Operationen und Placentaablösungen zum Beispiel. Therapie der sekundären Fibrinolyse: 1. Fibrinolytika: a) Tierexperimente haben gezeigt, daß Fibrinolytika ausgefälltes Fibrin auslösen und neue Plättchenaggregate verhindern können, aber bereits fertig gebildete Thromben nicht mehr auflösen können. Bei der Fibrinolyse auftretende Fibrinogenabbauprodukte können ebenfalls einen positiven Effekt auf die intravasale Gerinnung haben. b) So sollten Streptokinase (und Urokinase) so lange noch verabreicht werden, wie die intravasale Gerinnung noch im Laufen ist. Erfolgsnachweise stehen immer noch aus. c) Risiko dieser Therapie besteht in der damit verbundenen hämorrhagischen Diathese. 2. Antifibrinolytika: a) Antifibrinolytika können den Versuch des Organismus zur Selbstheilung behindern. b) So sollte deshalb entweder keine Epsilon-Aminokapronsäure und kein Aprotinin (Trasylol) gegeben werden, oder nur dann, wenn die Fibrinolyseaktivität zum vorherrschenden Problem wird. Sie sollten allerdings nicht gegeben werden, wenn die intravasale Gerinnung noch im Gange ist. 3. Kallikreininhibitoren: (Kall. = RRi-Enzyme, bilden Kinine - Kinine senken RR+ erregen glatte Muskeln). Sie sollten nur zur Prophylaxe angewendet werden. 4. Substitution von Blut, Plasma und Fibrinogen. Wenn auf eine akute und extensive Verbrauchskoagulopathie massive Blutungen folgen, sollte an eine Ersatztherapie von Vollblut, Plasma und Fibrinogen gedacht werden.
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III-3.3
Tab. 9: Fortsetzung | Toxisches Lungenödem Schocklungensyndrom
Aspirationssyndrom Infusionen
Therapie: Die Infusionstherapie hat mit großer Vorsicht zu geschehen, da sie den Flüssigkeitsgehalt der Lunge wesentlich steigern kann, und die Sauerstoffaufnahme somit weiter vermindern kann.
Infusionen 1. Prophylaxe: Blut, Plasma und Dextran können die Entwicklung einer Schocklunge kurzzeitig verhindern. Sie kann aber auch noch 72 Stunden nach dem Schockereignis auftreten. 2. Therapie: Die Volumensubstitution hat mit kolloidosmotisch wirksamen Infusionen zu geschehen, um den Flüssigkeitsgehalt der Lunge so niedrig wie möglich zu halten. Kristalloide Lösungen und Plasmaersatzmittel sind mit Vorsicht anzuwenden. Dagegen scheinen niedermolekulare Dextrane sich günstig auf die Mikrozirkulation auszuwirken. Albuminsubstitution kann den intravasalen onkotischen Druck mit normalisieren. Diuretika Diuretika halten den Flüssigkeitsgehalt der Lunge niedrig und können den intravasalen Druck normalisieren. Im Stadium III wird man bei der Niereninsuffizienz zu Dialyseverfahren greifen müssen, wobei sich unter einer Peritonealdialyse der pulmonale Gasaustausch verbessern kann.
Tab. 10: Beatmungstherapie Aspirationssyndrom
Schocklungensyndrom
| Toxisches Lungenödem
IPPB (intermittent positi- IPPB (intermittent positiveve-pressure breathing) in pressure breathing) in Kombination mit HOLD (EndinspiraKombination mit PEEP (Positiver Endexpiratori- torisches Plateau) PEEP (Positiver Endexpiratorischer Druck) scher Druck) DEEP
IPPB (intermittent positive-pressure breathing) in Kombination mit: PEEP (Positiver Endexpiratorischer Druck) HOLD (Endinspiratorisches Plateau) NEEP (Negativer Endexpiratorischer Druck) DEEP (Periodische Tiefatemzüge) FLOW (Inspiratorische Atemstromstärke) 1. Prophylaxe: IPPB und PEEP
Therapie: PEEP (Indikation für das interstitielle Lungenödem bei der Aspiration)
Therapie: PEEP (Indikation für das interstitielle Lungenödem) HOLD (Indikation für die restriktive Inhomogenität beim Lungenödem)
2. Therapie: Stadium I—II: PEEP, HOLD, LOW FLOW Stadium II-III: PEEP, HOLD Stadium III: PEEP, HOLD verursachen kritische Kreislaufverhältnisse. NEEP, HIGH FLOW sind kreislauffreundlicher, bedingen aber eine bedrohliche respiratorische Insuffizienz
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1. Wegen der Hypoxie sind oft sehr hohe Sauerstoffkonzentrationen notwendig (40-100%). Dabei verschlechtert sich die Prognose um so mehr, je höher die Sauerstoffkonzentration sein muß. Die Sauerstofftoxizität mit Bildung von hyalinen Membranen und Fibrosen muß also durch Modifikationen der Beatmungsformen eingeschränkt werden (möglichst niedrige Sauerstoffkonzentrationen) 2. Die Gefahr bei der Therapie mit 1PPB besteht darin, daß Pneumothoraces, Haut- und Medistinalemphyseme auftreten können. Literatur: ADAMS, A.E.: Über Grundlagen und Störungen des Bewußtseins. Fortschr. Neurol. Psychiat. 40: 308 (1972) BARTELS, O.: Notfalltherapie exogener Vergiftungen. Münchner Medizinische Wochenschrift 7/1972, 282 CHAZAN, J.A., and GARELLA, S.: Glutethimide Intoxication. Arch. Intern. Med. 128: 215 (1971) v. CRAMON, D., BRINKMANN, R., SCHULZ, H.: Entwicklung eines Meßinstrumentes zur Bestimmung der Aufmerksamkeit bei Patienten mit cerebralen Läsionen und Funktionsstörungen. J. Neurol. 208: 241 (1975) Springer-Verlag GULBRANDSEN, G.B., KRISTIANSEN, K., URSIN, H.: Response Habituation in Unconscious Patients. Neuropsychologia 10: 313 (1972) MOESCHLIN, S.: Klinik und Therapie der Vergiftungen. Thieme, 4. Aufl.: 465 (1965) REED, C.E., DRIGGS, M.F., FOOTE, C.C.: Acute Barbiturate Intoxication: A Study of 300 Cases Based on a Physiologie System of Classification of the Severity of the Intoxication. Ann. Intern. Med. 37: 290 (1952) STADLER, R.: Stadieneinteilung bei narkotischen Vergiftungen. Diss. Universität München (1980)
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Schnüffelstoffe
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Schnüffelstoffe Synonyme: In der Drogenszene: Popper (Amyl- und Isobutyl-Nitrithaltige Präparate). Beschaffenheit: Zum Schnüffelrausch werden fast ausschließlich organische Lösemittel eingeatmet; die häufigsten Grundstoffe der Schnüffelpräparate sind: Aceton (Nagellackentferner, Abbeizer, Verdünner, Klebstoffbestandteil), Benzin, Benzol (Gummiklebemittel, u.a. in der Schuhindustrie), Butan (Feuerzeug, Gasflaschen), Dichlormethan (Abbeiz- und Reinigungsmittel, Kleber, Treibgas für Sprays), Fluorkohlenwasserstoffe der aliphatischen Reihe (Treibgase wie Freon, Frigen, Kaltron etc.), Hexan (Hauptbestandteil des Benzins), Isopropylalkohol, Methylethylketon-Methylisobutylketon (Haushaltskleber), Methanol, Perchlorethylen (PER), Propylalkohol, Tetrachlormethan = Tetrachlorkohlenstoff, Toluol, befindet sich in fast allen Lösungsmitteln für Klebstoffe etc., Trichlorethan = Methylchloroform, Tnchlorethylen (TRI), Xylol (universales Lösemittel). Verwendung: Der Abusus von Schnüffelstoffen, d.h. die gezielte tiefe Inhalation von Dämpfen organischer Lösemittel und anderer flüchtiger Stoffe zum Zweck der Rauscherzeugung (inhalant abuse, solvent abuse, sniffing) betrifft fast ausschließlich Jugendliche und Kinder, vor allem aus ärmeren Sozialschichten („broken hörne"-Situation). In der Regel werden Schnüffelstoffe aus einer schmalen Plastiktüte inhaliert, die über den Kopf gezogen wird oder fest über Mund und Nase gedrückt wird. Seltener wird die Flüssigkeit in einen Lappen gegossen. Aerosole und Sprays werden ebenfalls aus einem Plastikbeutel oder direkt aus der Dose eingeatmet. Auch kombinierter Alkohol- und Lösemittelmißbrauch. In Großstädten wie Hamburg oder Berlin wird die Zahl der Lösemittel-Abhängigen auf jeweils rund 2000 geschätzt. Vorkommen: Zu den zum Schnüffeln mißbrauchten Produkten zählen Klebstoffe, Klebstoffverdünner, Farben, Lacke, Lackverdünner, Nitroverdünner, Trichlorethylen, Fleckenentferner, Nagellackentferner, Wachslöser, Schnellreinigungs-Lösungsmittel, Feuerzeugbenzin, Kfz-Benzin, Haarsprays, Deodorantien, Möbelpolitursprays, Schuhsprays, Klarlacksprays, Fensterreinigungssprays, Insektizide, Luftduschen, Desinfektionsmittel, Gasflaschen. Ein Problem bei der Bekämpfung der Schnüffelsucht ist die leichte Erreichbarkeit dieser Produkte. In britischen Supermärkten werden Produkte, die Lösemittel enthalten, nicht mehr unbeobachtet gelagert. Solche Erzeugnisse werden inzwischen nicht mehr an Heranwachsende abgegeben, wenn auch nur ein leiser Verdacht auf möglichen Mißbrauch besteht. Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Lösemittel zeichnen sich durch hohes Fettlösungsvermögen und hinreichende Flüchtigkeit aus. Die hohe Lipidlöslichkeit hat einige allen Lösemitteln gemeinsame pharmakologische Eigenschaften zur Folge:
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III-3.3
Schnüffelstoffe
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Entfettung der äußeren Haut, starke Schleimhautreizung, leichte Resorption und Lähmung von Funktionen des ZNS. Alle Wirkungen werden durch Metaboliten der Lösemittel verursacht. Die Metabolisierungsmöglichkeiten bei diesen heterogenen Wirkstoffgruppen sind vielfältig. Häufig gehen dabei Bioaktivierungs- und Entgiftungsreaktionen parallel, und es entscheidet lediglich die Dosis oder auch eine quantitative Überforderung des Entgiftungsmechanismus über das Ausbleiben oder Auftreten von Schäden. Die kommerziellen Lösemittel bestehen praktisch nie aus Einzelstoffen, sondern aus Gemischen mit zehn, zwanzig oder mehr Komponenten, deren Interaktionen untereinander unzureichend bekannt sind. Auch spielen die Kombinationswirkungen verschiedener Lösemittel eine Rolle. So traten durch toxische Wirkungen bedingte Krankheiten bei Schnüfflern teilweise erst dann auf, nachdem sie das Präparat gewechselt hatten oder der Hersteller die Zusammensetzung geändert hatte. Je nach toxischem Wirkmuster muß mit additiven, antagonistischen oder potenzierenden Wirkungen gerechnet werden. Am ZNS sind die Lösemittel narkotisch oder erregend wirksam. Die narkotischen Wirkungen können sich von Schwindel, Kopfschmerzen, Nausea, Erbrechen, Gangunsicherheit, Beklemmungsgefühl in der Brust, Atemnot, Herzklopfen bis zu tiefem Koma und Atemlähmung erstecken. Die erregenden Effekte reichen von leichter Unruhe und psychischer Erregung bis zu schweren Krampfanfällen. Bewußtseinsverlust und Erregungssymptome sind häufig gemischt oder wechseln miteinander ab. Die Funktion peripherer Nerven kann geschädigt werden: Bei Jugendlichen traten nach Inhalation eines Lösungsmittelgemisches aus n-Hexan und Methyl-Ethyl-Koton filamentöse Axonopathien auf. An Leber, Niere und Herz treten oft degenerative Veränderungen auf. Flüchtige Kohlenwasserstoffe machen das Herz empfindlich gegenüger den arrhythmogenen Effekten der endogenen Katecholamine, so daß cardiale Arrhythmien und Kammerflimmern entstehen können. Als chronischer cardiotoxischer Effekt kann eine dilatative Myocardiopathie auftreten. Einige der Lösemittel ähneln in ihrer chemischen Struktur den Inhalationsnarkotika, vor allem den Halogenkohlenwasserstoffen, wodurch unerwünschte Interaktionen z.B. mit Halothan auftreten können. Bekannt als neurotoxisch ist das n-Hexan, das als Lösungsmittel und Zusatz bei Lacken und Klebern oder in Benzingemischen verwendet wird. Schon nach einstündiger Inhalation des Stoffs sind meßbare Werte im Serum feststellbar, obwohl nur 28 Prozent von der Lunge aufgenommen werden bzw. 6 Prozent des Stoffes in der Lunge verbleiben. Von den „leichten" Vergiftungssymptomen werden die Erregungszustände als positiver Effekt von den sogenannten „Schnüfflern" geschätzt. Bei hoher Exposition kann es akut auch zu Krämpfen, tiefer Bewußtlosigkeit und Atemlähmung kommen. Bei chronischer Vergiftung treten Kopfschmerzen, gastrointestinale Störungen und Anämie auf. Viele der n-Hexan-Vergifteten — Freiwillige und Unfreiwillige - entwicklen eine Polyneuropathie. Der akute Lösemittelrausch ähnelt deliranten Bildern: psychomotorische Ungeschicklichkeit, Verwirrtheit, affektive Störungen und emotionale Enthemmung, halluzinatorische Erlebnisse vom Typ kleiner bewegter Objekte (rote Männchen, Spinnen, Käfer) und illusionäre Verkennungen. Färb Wahrnehmung und akustische Sinneseindrücke werden intensiver erlebt. Für die Intoxikationsperiode kann eine totale oder partielle Amnesie bestehen. Der chronische Lösemittelabusus führt zu einer psychischen Abhängigkeit und ist mit einer Toleranzentwicklung verbunden, die zu einer erheblichen Steigerung der täglichen Konsummengen- und -zeiten führt. Physische Abhängigkeit im Sinne echter Enzugssyndrome wird nicht beobachtet. Durch die bewußt tiefe Inhalation können extrem hohe Konzentrationen entstehen, die den MAK-Wert bis zum Fünfzigfachen übertreffen. Die meisten der rund 80 Todesfälle, die jährlich in Großbritannien auf das Konto von Solvenzien-Abusus gehen, dürften durch Arrhythmien ausgelöst sein. Belegen läßt sich dies allerdings selten sehr gut. Schon 1970 gab es in den USA eine Welle plötzlicher Todesfälle von Lösungsmittel-Schnüfflern. Damals wurde bereits die Vermutung geäußert, Arrhythmien seien die Ursache, weil die flüchtigen Kohlenwasserstoffe das Herz empfindlich gegenüber den arrhythmogenen Effekten der endogenen Katecholamine machen. Heute kennt man zahlreiche Befunde, die diese Auffassung stützen. So konnte man Kammerflimmern nach Solvenzien-Abusus dokumentieren. Vielfach ereigneten sich die Todesfälle während intensiver kardialer Sympathikus-Stimulation, etwa durch körperliche Aktivität. Außer den akuten scheint der Solvenzien-Abusus auch chronische kardiotoxische Effekte zu entfalten. Berichte darüber sind zwar spärlich, doch sollte eine dilatative Myokardiopathie auch an LösungsmittelMißbrauch denken lassen. Und Anästhesisten sollten wissen, daß Halothan und vergleichbare Mittel den Schnüfflern gefährlich werden können.
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Schnüffelstoffe
III-3.3
Symptome und klinische Befunde: Bei akuter Intoxikation: Euphorie, Erregung, Erbrechen, Diarrhoe, Reizung der Atemwege, Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsstörungen, optische Halluzinationen, Stupor, Rausch, Psychose, Bewußtlosigkeit, Erstickungstod, Leberkoma, Anämie, Hämaturie, Hypokaliämie, Proteinurie, Pyorie, Anurie, distale tubuläre Azidose, Verwirrtheit, Somnolenz, verwaschene, lallende Sprache, vertikaler Nystagmus, weitgestellte Pupillen, bilateral positiver Babinski, Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand. Bei chronischem Mißbrauch: Psychische Abhängigkeit, Persönlichkeitsveränderungen, epileptische Anfälle, Polyneuropathien, Blutschädigung, Encephalopathie, zerebrale Atrophie, periorale und perinasale Hautirritationen, Steinbildungen, hypokaliämische Lähmungen, antiglomuläre Basalmembrannephritis, Fanconi-Syndrom, Reizerscheinungen im Rachenraum und an den Konjunktiven, schlechter Ernährungszustand, ausgeprägte kariöse Zahnveränderungen, embryo- bzw. fetotoxische Schäden bei Schwangerschaften unter Lösemittelmißbrauch. Nachweis: Dräger Gasspürgerät und entsprechende Teströhrchen Haedspace-Gaschromatographie, Fujiwara-Probe für Urinproben oder Mageninhalt (Schnelltest für halogenierte Kohlenwasserstoffe) Diagnostik der Leberschäden (Quick, GPT, Cholinesterase, Bilirubin), der Nierenschäden (Kreatinin, Harnsäure, Kalium, Phosphor) und der Blutbildungsstörungen (Erys, Leukos, Thrombos), EEG. Hinweise auf Mißbrauch: starker aromatischer Geruch des Lösungsmittels in der Atemluft und in der Kleidung. Therapie: In schweren Fällen: Frischluft, forcierte Abatmung bei Dichlorethan, Trichlorethylen, Tetrachlorkohlenwasserstoff u.a., Monitorkontrolle (Kammerflimmern, Lidocain i.v. bei ventrikulärerer ExtrasystoHe), Hämodialyse bei Nierenschäden, Therapie des Leberkomas bzw. Prophylaxe bei Tetrachlorkohlenstoff (Paromomycin zur Darmsterilisierung, AT III und Heparin zur Gerinnungsprophylaxe). In leichten Fällen: Verhaltenstherapie zur Entwöhnung süchtigen Verhaltens. Kasuistik: 1. Fall: Ein 14jähriger Junge hatte offensichtlich Lösemittel geschnüffelt. Als er für eine Tonsillektomie mit Halothan narkotisiert wurde, erlitt er multiple ventrikuläre Extrasystolen und Kammertachykardie. Postoperativ blieben Herzrhythmusstörungen zurück, die den Einsatz eines Schrittmachers erforderten. Es wurde angenommen, daß ein erster Schaden durch Trichloethan entstand, der sich unter Umständen durch „Kreuzreaktionen" mit Halothan verschlimmerte. 2. Fall: Ein 15 jähriger hatte zwei Jahre lang Klebstoff geschnüffelt. Er litt an chronischer Myokarditis mit interstitieller Fibrose ohne akute Entzündungszeichen. Er wurde mit Digoxin, Diuretika, Nitraten, Salbutamol und Enalapril behandelt. Zwei Wochen, nachdem er erneut intensiv geschnüffelt hatte, wurde er nach einem heißen Bad für kurze Zeit ohnmächtig. Obwohl man wegen seines extrem niedrigen Blutdrucks die Diuretika absetzte und Dobutamin infundierte, verschlechterte sich sein Zustand rasch. Zehn Tage nach der Attacke erhielt er ein fremdes Herz eingepflanzt. Das exzidierte Organ zeigte das histologische Bild einer heilenden Myokarditits. Aufgrund einiger fleckiger Eosinophilen-Infiltrate war eine toxische Medikamentenreaktion nicht völlig auszuschließen. Im übrigen fanden sich die Zeichen einer dilatativen Kardiomyopathie.
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III—3.3
Schnüffelstoffe
Drogen
3. Fall: Ein zuvor gesunder 16jähriger hatte intensiv Toluol aus Klebstoffen inhaliert. Als er nach erneutem Abusus zum Schwimmen ging, wurde er im flachen Wasser bewußtlos. Eine sofort alarmierte mobile Koronareinheit stellte Kammerflimmern fest und konnte den Jungen wiederbeleben. In der Klinik diagnostizierte man einen Vorderwandinfarkt. Hier dürften Koronarspasmen den Infarkt und das primäre Kammerflimmern ausgelöst haben. Besonderheiten: Gefährlicher als chronische Spätschäden ist das Ersticken unter einer Plastiktüte, die vom Anwender zur Einsparung des Schnüffelstoffes über den Kopf gestülpt wird. Literatur: ACKERLY, W.C., GIBSON, G.: Lighter fluid sniffing. Amer. J. Psychiat., 120,1056 (1964). ALTENKIRCH, H., MAGEN, J.: Toxische Polyneuropathien durch Schnüffeln von Pattex-Verdünner. Dtsch. Med. Wschr., 6,195(1976). ALTENKIRCH, H., SCHULZE, H.: Schnüffelsucht und Schnüfflerneuropathie. Nervenarzt, 50,21 (1979). ALTENKIRCH, H.: »Schnüffelsucht« Lösungsmittelmißbrauch und Lösungsmittelabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen, DÄB, 43, 2025-2030 (1981) BAERG, R.D., KIMBERG, D.V.: Centrilobular hepatic necrosis and acute renal failure in »solvent sniffers«. Ann. intern. Med., 73, 713 (1970). BROZOVXKY, M., WINKLER, E.G.: Glue sniffing in children and adolescents. N.Y. St. J. Med., 65,1984 (1965). CHRISTIANSSON, G., KARLSSON,B.: Sniffing: methodof intoxication amongchildren. Svensk. Läk. Tidn., 54,33 (1957). CLEARFIELD, H.R.: Hepatorenal toxicity from sniffing spotrennover(trichloroaethylene). Report of 2 cases. Digest Dis., 15, 851 (1970). COLLOM, W.D., WINEK, CL.: Detection of glue constituents in fatalithies due to »glue sniffing«. Clin. Toxicol, 3, 125-130 (1970). GLASER, H.H., MASSENGALE, O.N.: Glue-sniffing in children. J. amer. med. Ass., 181, 300 (1962). HAAN, J.: Sucht und Mißbrauch von illegalen Drogen und Schnüffelstoffen. Diagnostik, 15, 518—526 (1982). JACOBIZER, H., RAYBIN, H.W.: Lead poisoning and glue sniffing intoxications. N.Y.St.J. Med., 63,2846 (1963). LITT, LR., COHEN, M.L: Danger... vapor harmful: spot-remover sniffing. New Engl. J. Med., 281, 543 (1969). MASSENGALE, O.N., GLASER, H.H., LELIEVRE, R.E., DODDS, J.B., KLOCK, M.E.: Physical and psychologic factors in glue
sniffing. New Engl. J. Med., 269,1340 (1963). O-BRIEN, E.T., YEOMAN, W.B., HOBBY, J.A.E.: Hepatorenal damage from toluene in a »Glue Sniffer«. Brit. med. J., 19711,29. OH, S.J., KIM, J.M.: Giant axonal swelling in »Huffer's« neuropathie. Arch. Neurol., 33,583-586 (1976). PROCKOP, L.D. et al.: »Huffer's« neuropathie. J. Am. Med. Ass., 229,1083-1084 (1974). RECKNAGEL, R.O., GLENDE, E.A. Jr.: Carbon tetrachloride hepatotoxicity: An example of lethal cleavage. CRC Crit. Rev. Toxicol., 2,263 (1974). THOMASIUS, R.: Hirnorganische Veränderungen nach Lösungsmittelmißbrauch. Nervenarzt, 57,596-598 (1986).
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Drogen
Seeale
III-3.3
Secale Synonyma: Ergotoxin, Ergotamin Verwendung: Früher als Ausgangsstoff für die partialsynthetische Gewinnung von Lysergsäure und damit für die Herstellung von LSD und Arzneimitteln, wie z.B. Dihydroergotamin. Vorkommen: In Mutterkorn und verschiedenen Arzneimitteln, wie Agit (Winthrop) Angionorm (Farmasan) Clavigrenin (Hormosan) DET (Rentschier) Dihydergot (Novartis) Dihydroergotamin (Aliud) Ergomimet (Klinge) Ergont (Desitin) Ergotan (et) Tonopres (Boehringer) Verladyn (Verla) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Vasokonstriktorische (direkte Muskelerregung) und vasodilatatorische (a-Rezeptorenblocker-)Wirkung. Langsame enterale Resorption, langsame renale Elimination. Toxizität: LD: 5 bis 10 g Symptome und klinische Befunde: Erregungszustände, Verwirrung, Halluzinationen (Deseril®), Angstzustände, Psychosen, Delirium, Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Diarrhoe, Dyspnoe, Blutdruckanstieg, Augenflimmern, Gefäßspasmen, Thrombosen, Gangrän, Uteruskontraktur, Abort, Muskelschmerzen, Ataxie, Parästhesien, Miktionshemmung, tonisch-klonische Krämpfe, Schock, Beschwerden beim "Wasserlassen und Atmen durch retroperitoneale, pneumopulmonale und Herzklappenfibrose nach chronischem Mißbrauch. Nachweis: Dünnschichtchromatographie Therapie: Sofortige Giftelimination (Spülung mit Kaliumpermanganatlösung), Kohlegabe, Diazepam bei Krämpfen, Vorsicht bei Blutdrucksenkung (keine a-Rezeptorenblocker, Plasmaexpander bereithalten, 1/2 Ampulle Isoptin® i.v.), Spasmolytikgabe (Papaverin), Kontrolle der Körpertemperatur, Blasenkatheter
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Secobarbital
Drogen
III—3.3
Secobarbital Synonym: 5-AIlyl-5-(l-rnethylbutyl)-barbitursäure Chemische Formel:
ü
CH 2 = CHCH2
CHC 3 H 7 CH 3
Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Kurzwirkendes Barbiturat. Seit 1934 im Handel. Orale, i.V., i.m.-Applikation. Halbwertszeit 22-29 Std., Plasma-Proteinbindung 46-70 %. Abbau durch Oxidation zu 3-Hydroxysecobarbital und 5-1-Methylbutylbarbitursäure. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 2-4 mg/1 im Blut (CLIFFORD; DALTON; PARKER)
Toxische Konzentration: 10 mg/1 im Blut (7 Fälle, FINKLE) Letale Konzentration: 5-52 mg/1 im Blut (BASELT, 103 Fälle; ROBINSON) Symptome: Koma, Schock, Atemdepression, Drogenabhängigkeit (Ataxie, verwaschene Sprache, Benommenheit) Nachweis: Dünnschichtchromatographie, Gaschromatographie Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme; Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat; Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich; forcierte alkalisierende Diurese; Hämodialyse; Hämoperfusion; Peritonealdialyse. Literatur: BASELT, R.C, CRAVEY, R.H.: A compendium of therapeutic and toxic concentrations of toxicologically significant drugs in human biofluids. J. Anal. Tox. 1: 81-103,1977. CLIFFORD, J.M., COOKSON, J.H., WICKHAM, P.E.: Absorption and clearance of secobarbital, heptabarbital, methaqualone, and ethinamate. Clin. Pharm. Ther. 16: 376-389,1974. DALTON, W.S., MARZT, R., RODDA, B. et al.: Influence of cannabinol on secobarbital effects and plasma kinetics. Clin. Pharm. Ther. 20: 695-700,1976. FAULKNER, T.P., MCGINTY, J.W., HAYDEN, J.H. et al.: Pharmacokinetic studies on tolerance to sedative-hypnotics in a poly-drug abuse population. I. Secobarbital. Clin. Pharm. Ther. 23: 36—46, 1978.
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HI-3.3
Secobarbital
Drogen
FINKLE, B.S.: Ubiquitous reds: a local perspective on secobarbital abuse. Clin. Tox. 4: 2 5 3 - 2 6 4 , 1 9 7 1 . O D O N N E L L , C M . , SMITH, R., RODGERSON, D.O.: Letter to the editors. J. Anal. Tox. 2: 7 5 , 1 9 7 8 .
PARKER, K.D., ELLIOTT, H.W., WRIGHT, J.A. et al.: Blood and urine concentrations of subjects receiving barbiturates, meprobamate, glutethimide, or diphenylhydantoin. Clin. Tox. 3: 131-145, 1970. PRESCOTT, L.F., ROSCOE, P., FORREST, J.A.H.: Plasma concentrations and drug toxicity in man. In Biological Effects of Drugs in Relation to their Plasma Concentrations (D.S. Davies and B.N.C. Prichard, eds.), University Park Press, Baltimore, 1973, pp. 5 1 - 8 1 . ROBINSON, A.E., MCDOWALL, R.D.: The distribution of amylobarbitone, butobarbitone, pentobarbitone and quinalbarbitone and the hydroxylated metabolites in man. J. Pharm. Pharmac. 3 1 : 357-365, 1979. WADDELL, W.J.: The metabolic fate of 5-allyl-5-(l-methylbutyl) barbituric acid (secobarbital). J. Pharm. Exp. Ther. 149: 2 3 - 2 8 , 1 9 6 5 .
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Naturstoffe
Strychnin Chemische Formel:
In Strychnos nux-vomica L. (= Strychnos colubrina Wight = Strychnos lucida R. Br.), einer von Indien bis Australien vorkommenden baumförmigen Loganiacee, und in Strychnos ignatius Berg., einem rankenden Kletterstrauch von den Philippinen, der in Indien und China angebaut wird. Als Drogen werden die reifen, getrockneten Samen verwendet. Samen von Strychnos nux-vomica (Semen Strychni, Brechnüsse) enthalten durchschnittlich 2 bis 3% (0,25 bis 5%) Alkaloide, davon die Hälfte Strychnin, außerdem Brucin > Pseudostrychnin, Pseudobrucin, a- und ß-Colubrin, Vomicin und Novacin. Samen von Strychnos ignatii (Semen ignatii, Ignatiusbohnen) enthalten 2,5 bis 4% Alkaloide, davon 45 bis 60% Strychnin, daneben vor allem Brucin (Roth). Obwohl Strychnin kaum mehr verwendet wird, ereignen sich auch heute noch Vergiftungen: bei Rauschgiftsüchtigen durch illegales Cocain, das mit Strychnin gestreckt sein kann (Goodmann; O-Callaghan; Boyd); bei Kindern durch versehentliche Einnahme strychninhaltiger Tonika (Stannard; Jackson; Hawkins; Swissman); suizidal durch die Substanz selbst (Scaragli; Oliver; Mannaioni; Clement) oder durch alte Bestände strychninhaltiger Rodentizide (Swissman; Lambert; Bismuth; Maron; Teitelbaum; Blain). Trotz des bitteren Geschmacks gelang eine ganze Anzahl von Morden (Oliver; Ioanid; Schrader). Früher waren medizinale Vergiftungen mit Strychnin und Strychnin-N-oxid üblich. In Ländern, in denen noch strychninvergiftete Köder verwendet werden, kommen häufig akzidentelle und kriminelle Vergiftungen bei Hunden vor (Hunter; Jacobus). Verwendung: Strychnin hat erhebliche Bedeutung in der neuropharmakologischen Forschung. In manchen Ländern nicht in der Bundesrepublik Deutschland - dient es auch heute noch als Rodentizid, zum Erlegen von Pelztieren und zum Vergiften streunender Hunde und Katzen. Therapeutisch ist es wertlos (Goodman); seine Anwendung erscheint allenfalls gerechtfertigt bei der nichtketotischen Hyperglycinämie, einer seltenen angeborenen Stoffwechselstörung, bei der die Umwandlung von Glycin zu Serin unterbleibt; die Glycinkonzentration im Liquor cerebrospinalis steigt auf das 20- bis 30fache; die resultierende Enzephalopathie führt meist schon in den ersten Lebenstagen zum Tod. Da Strychnin ein Glycinantagonist ist, erschien ein Behandlungsversuch damit erfolgversprechend; die bisherigen Ergebnisse waren jedoch enttäuschend: Nur bei leichteren Erkrankungsformen trat eine gewisse Besserung ein (Gitzelmann; Ch'ien; Melancon), die Prognose schwerer Fälle blieb unverändert infaust (von Wendt 1980; Mac Dermet; Steinmann). Auch bei der experimentellen Glycinvergiftung des Kaninchens war Strychnin wirkungslos (von Wendt, 1979). Beschaffenheit: Farbloses, in orthorhombischen, keilförmigen Prismen kristallisierendes Indolalkaloid. Molekulargewicht 334,40. Schmelzpunkt 268 bis 290° C. Siedepunkt 270° C (5 Torr). Spezifische Drehung a2£ -104° C (c = 0,5 in abs. Alkohol). Dichte 1,36 kg/1. Sehr wenig löslich in Wasser; wenig löslich in Ethanol, Ether und Benzol; gut löslich in Chloroform. Bildet Salze mit Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure u. a. Kristallisiertes Nitrat löst sich in 90 Teilen Wasser. Strychninlösungen schmecken noch in einer Verdünnung von 1 : 130 000 bitter.
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Strychnin III-14.3
Naturstoffe
Wirkungscharakter: Strychnin blockiert im Zentralnervensystem die postsynaptische Hemmung; es antagonisiert spezifisch und kompetitiv die Wirkung des inhibitorischen Neurotransmitters Glycin; dadurch steigert es die Erregbarkeit aller Teile des Zentralnervensystems. Seine Wirkung manifestiert sich vor allem am Rückenmark (»Rückenmarkskrampfgift«), wo die Glycinrezeptoren ihre größte Dichte aufweisen (Zarbin; Seeger). Hier wird auch die reziproke Hemmung zwischen antagonistischen Muskeln aufgehoben. Geringfügige sensorische Reize lösen typische symmetrische Krämpfe aus, deren Muster durch die kräftigsten Muskeln an einem Gelenk, beim Menschen die Strecker, bestimmt wird. Krämpfe der Atemmuskulatur können rasch zum Tod durch Ersticken oder Herzstillstand führen. Die Krämpfe führen zu Hyperthermie, schwerer Azidose und Rhabdomyolyse, die Myoglobinfreisetzung u. U. zur Nierenschädigung. Schwere Hypertonie kann auch ohne Krämpfe auftreten und ist dann zentral bedingt (Zarbin). Das Bewußtsein bleibt klar, solange es nicht zu einer Hypoxie kommt. Subkonvulsive Dosen verstärken die Sinnesempfindungen (Goodman; Zarbin). Strychnin wird von den Schleimhäuten aus prompt resorbiert und verschwindet sofort aus dem Blut in die Gewebe. Der größte Teil wird rasch in der Leber metabolisiert (Adamson); der Abbau wird durch Enzyminduktoren vom Phenobarbitaltyp beschleunigt (Katz). Bis zu 15% werden unverändert im Urin ausgeschieden, bei hohen Dosen viel weniger: Von 700 mg weniger als 1 % (Scaragli). Die Ausscheidung beginnt nach wenigen Minuten und ist nach 10 Stunden weitgehend abgeschlossen, Spuren können noch tagelang nachweisbar sein (Scaragli; Egloff; Goodman; Swissman; Lambert; Teitelbaum) Toxizität: Strychnin ist ein Krampfgift; die meisten anderen Erscheinungen sind Folge der Krämpfe. Im Tierexperiment bestehen erhebliche Empfindlichkeitsunterschiede zwischen den Spezies und den Geschlechtern: LD J0 Ratte, per os 5 mg/kg (Roth) bis 16 mg/kg (Duke); Ratte, i.p., Weibchen 1,6 mg/kg; Männchen 3,0 mg/kg (Kato). Minimale tödliche Dosis per os für den Hund 1,1 mg/kg; für die Katze 0,75 mg/kg (Duke). Die Dosis-Wirkungs- Kurve (Maus) ist sehr steil. - Akut können beim erwachsenen Menschen 2 mg leichtere subjektive Vergiftungserscheinungen hervorrufen (Jackson), 15 mg können zu Krämpfen führen (Schrader). Tödlich sind (1 bis) 5 mg für das Kind, 100 bis 300 mg, ausnahmsweise schon 30 mg, für den Erwachsenen; andererseits wurden 3,75 g überlebt (Dennis, von Wendt; Schrader; Seeger). Chronische Vergiftungen sind früher bei langdauernder Strychninmedikation vorgekommen (Schrader). MAK- Wert 0,15 mg/m3. Nachweis: In Pflanzen, Drogen und Arzneizubereitungen (siehe auch Arzneibücher) titrimetrisch, UV-spektrophotometrisch oder kolorimetrisch (mit Bromthymolblau 0,8 mg/ (Barrett); mit Methylorange 0,08 mg (El-Masry)). Zur isolierten Bestimmung des Strychnins bzw. zur getrennten Bestimmung von Strychnin und Brucin vorherige Zerstörung des Brucins oder Wahl einer Farbreaktion, die Brucin nicht ergibt (mit NitroprussidAcetaldehyd 0,025 mg (Karawya)) bzw. UV- Spektrophotometrie bei zwei verschiedenen Wellenlängen (Graf). (0,05 bis 0,1 mg für jedes Alkaloid (Bardhan)). Da die kolorimetrischen Nachweise nicht spezifisch sind, bei Gegenwart anderer Alkaloide bzw. unbekanntem Material vorherige elektrophoretische (Bardhan), papierchromatographische (Adamson) oder dünnschichtchromatographische (Roth; Scaragli; Oliver; Sunshine) Auftrennung; diese Methoden dienen auch dem qualitativen Nachweis (Hunter; Metwally). Zur Strychninbestimmung in Körperflüssigkeiten und Geweben sind die Gaschromatographie ((Sunshi ne); 10 (ig/kg aus 50 g Gewebe (Platanow) und die hochleistungsflüssigchromatographischen Verfahren (Platonow); 1,5 u.g (Wu); 15 u.g (Dennis); 50 u.g/1 (Hunter); 2 bis 4 ng = 5 bis 10 ug/1 Urin (Egloff)) überlegen, bei forensischem Material eventuell gekoppelt mit Massenspektrometrie (Hunter). Symptome: Nach (5 bis) 10 bis 30 Minuten, selten noch nach mehr als einer Stunde, treten als Prodromalerscheinungen eine Steigerung der Sehnenreflexe, schmerzhafte Rigidität der Nacken- und Rückenmuskulatur und eine Verschärfung bestimmter Sinneswahrnehmungen (Gehör, Tastgefühl, Geruchswahrnehmung, Vergrößerung des Gesichtsfeldes und intensivere Farbwahrnehmung) auf, auch Gleichgewichtsstörungen und Änderung des Atemrhythmus. Rasch folgen myoklonische Zuckungen, tonische Krämpfe der Masseter- und
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Strychnin III-14.3
Naturstoffe
Nackenmuskulatur, Engegefühl auf der Brust, Unruhe und Atemnot, auch Schluckbeschwerden; eigentliche Schluckkrämpfe sind aber selten. In schweren Fällen kommt es plötzlich zu qualvollen typischen Starrkrampfanfällen mit Kontraktion der gesamten Körpermuskulatur, Opisthotonus, Protrusion der Augen, Aussetzen der Atmung durch Kontraktion der Atemmuskulatur und Zyanose. Das Bewußtsein ist nicht getrübt, die Schmerzempfindung gesteigert. Die Krampfanfälle werden durch minimale Reize (Geräusch, Luftzug, leichte Erschütterung des Bettes) ausgelöst, dauern einige Sekunden bis maximal 2 bis 3 Minuten und klingen dann allmählich ab, um beim geringsten Reiz erneut aufzutreten. Wirbelbrüche können vorkommen (Schrader); Rhabdomyolyse mit Myoglobinurie. Laktatazidose. Anstieg der CPK und LDH (O'Callaghan; Boyd; Bismuth) Hypertonie, Hyperthermie. Kein Erbrechen. Unauffälliger Sektionsbefund. Therapie: A 3 Rettung aus Gasmilieu Zur Rettung von bewußtlosen Vergifteten aus gasverseuchten oder verrauchten Räumen möglichst vorher Brandschutzkleidung (Wolle statt Kunststoff) und Atemschutzmaske anlegen und anseilen, die Sicherungen herausdrehen (Explosionsgefahr), sofort Fenster aufreißen oder einschlagen, kein Licht machen und den Vergifteten rasch aus dem Raum entfernen. Bei Bränden zum Schutz vor giftigem Rauch und zur besseren Orientierung mit dem Kopf nahe am Boden (30 cm) kriechen. Bei Bergung aus Gruben und Silos unbedingt vorheriges Anlegen von schwerem Atemschutz beim Retter und anseilen. Kontaminierte Kleidung sofort entfernen, Haut mit warmem Wasser duschen oder PEG 400 auftragen, Augen spülen. B 1 Frischluft Sofort Frischluft, besser mit Sauerstoff angereicherte Luft, zuführen. B 2 Künstliche Beatmung Bei Patienten mit blauen Lippen sofort mit der künstlichen Beatmung beginnen, am besten mit einem Beatmungsbeutel; nur im Notfall durch Mund-zu-Mund- oder Mund- zu-Nase-Beatmung. Der Retter vermeidet einen Kontakt mit der Ausatmungsluft des Vergifteten. Die Beatmungsfrequenz beträgt bei Erwachsenen 15-10 mal pro Minute, bei Kindern 30mal pro Minute. Am Ende des Beutels kann eine Sauerstoffleitung angeschlossen werden, falls mit sauerstoff-angereicherter Luft beatmet werden soll. Richtige Maskengröße wählen! Der Arzt wird Bewußtlose intubieren und bei geblockter Manschette mit dem Atembeutel beatmen. In der Klinik wird die Beatmung maschinell, z. B. mit PEEP durchgeführt. C 1 Herz-Lungen-Wiederbelebung Sowohl toxisch als auch anoxisch können Herzrhythmusstörungen auftreten. Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Atropin (G 6) oder Orciprenalin (G 2), tachykarde Herzrhythmusstörungen werden mit Lidocain (G 61) oder Phenytoin (G 71) therapiert. Ein Herzstillstand liegt vor bei: a) plötzlicher Bewußtlosigkeit b) weiten, lichtstarren Pupillen c) Fehlen des Pulses (am Hals oder in der Schenkelbeuge) d) Schnappatmung, dann Atemstillstand Herzmassage und Beatmung werden von einem oder von zwei Helfern durchgeführt. Den Erfolg der Herzdruckmassage stellt man durch folgendes fest: a) tastbarer Puls b) Reagieren der Pupillen auf Licht c) Wiederauftreten spontaner Atembewegungen Intratracheal oder i.v. Injektion von Adrenalin (G 56) bis 0,5 mg.
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O
Strychnin IH-14.3
Naturstoffe
C 2 Schock Zeichen des Schocks: a) aschgraue, kalte Arme und Beine b) kaum tastbarer, schneller Puls (über 100 Schläge pro Minute) c) Schlecht meßbarer Blutdruck (unter 100 mm/Hg) d) oberflächliche, schnelle Atmung e) Ausbleiben einer ausreichenden Urinproduktion (unter 20 ml pro Std.) Der Vergiftete kann im Schock sterben, daher stets dem Schock vorbeugen durch Laienmaßnahmen: a) Ruhe b) Wärme (Unterlage, Zudecke) c) flache Lagerung (Beine hoch, Kopf tief = Körpereigene »Bluttransfusion«) d) warme Getränke (Tee, Kaffee) bei Ansprechbaren Schocktherapie (Arzt): a) Als Therapievoraussetzung wird vom Arzt meist ein zentraler Zugang z.B. über eine Subclavia-Anonyma-Punktion gelegt. b) Beim hypovolämischen, dem häufigsten Schock bei Vergiftungen, erfolgen sofortige Infusionen ausreichender Mengen von Gelatine- oder HES- Lösungen (Plasmaexpander). Bei Vergiftungen wird wegen Urineindickung möglichst wenig Dextran infundiert. Keine peripheren Kreislaufmittel, die die Nierendurchblutung drosseln wie Adrenalin- oder Noradrenalinderivate, sondern anschließend Infusion von Dopamin (G19). c) Beim kardiogenen Schock kann Dopamin (G 19) im Dauertropf gegeben werden (Dosierung: 4 gamma/ kg/min, d. h. 50 mg in 500 ml Laevulose. d) Es folgt die Bekämpfung der Azidose mit Bikarbonatdosen entsprechend wiederholten arteriellen Blutgasanalysen oder im Notfall vorübergehend dem Urin pH (über 7) (s. G 35). e) Bei Spastik im Bronchialtrakt Theophyllin (G 20) oder Orciprenalin (G 2). E 1 Haut Sofort unter die lauwarme Dusche gehen oder ein Vollbad nehmen, in jedem Fall benetzte Kleider entfernen, sofort Wasser trinken. Benetzte Haut mit Wasser und Seife reinigen. Möglichst sollte Polyethylenglykol 400 (G 33) verwandt werden. In keinem Fall Benzin oder andere Lösungsmittel, die die Resorption des Giftes fördern könnten, verwenden! Das volle Ausmaß der Hautschäden kann erst nach Stunden sichtbar werden. Nach Verätzungen Grad I und II Flumetason Schaum auftragen (G 31). Bei Verbrennungen ebenfalls sofort mit Kleidern in kaltes Wasser springen bzw. Extremitäten unter fließendes kaltes Wasser mindestens 15 (!) Minuten halten; dabei Kleider entfernen. Dann in Rettungsdecke (Aluminiumfolie, s. H 14) einwikkeln und wie unter C 2 (Schocktherapie) angegeben verfahren. Viel trinken lassen; Volumina notieren, keine Hautcremes, -puder oder -salben auftragen, steril verbinden. Als Schmerzmittel kann Metamizol G 42 oder, nur durch den Arzt, Morphin (G 18) gegeben werden. E 2 Augen Mit beiden Händen das Auge weit aufhalten und ca. 10 Min. unter fließendem Wasser oder mit der Augenspülflasche oder mit einer Plastikspritzflasche, die mit Leitungswasser oder physiologischer Kochsalzlösung gefüllt ist oder mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) spülen. Bei Schmerzen in das betroffene Auge zur Schmerzlinderung Chibro-Kerakain-Tropfen (G 13) tropfen und anschließend zur Pufferung mit Isogutt-Augenspülflasche (G 23) beide Augen spülen. Anschließend wird ein Deckverband (Taschentuch oder Halstuch) über das vergiftete Auge gelegt und der Verletzte möglichst bald zum Augenarzt geführt. E 4 Entgiftung verschluckter Gifte durch Kohle Bei jeder Vergiftung durch geschluckte Gifte sollte - auch im Anschluß an ein Erbrechen oder eine Magen spülung - ein Fertigbecher Kohle-Pulvis (G 25) in Wasser aufgelöst getrunken werden. Kohle bindet das Gift, und es kann dann evtl. nach Gabe eines Abführmittels (Natriumsulfat; G 27) den Darm verlassen.
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Naturstoffe
Strychnin III-14.3
£ 8 Magenspülung (Arzt) Die sicherste und schonendste Art der Giftentfernung ist die Magenspülung. Da ein Arzt nur mit Unterstützung von 1—2 Helfern eine Magenspülung durchführen kann, ist wichtig, daß diese vorher wissen, wie diese durchgeführt wird. Angezeigt ist die Magenspülung bei allen lebensgefährlichen Giftmengen, auch nach vorausgegangenem Erbrechen sowie bei allen Bewußtlosen (nach Intubation) ohne Zeitgrenze. Bei Krämpfen sollte vorher als krampflösendes Medikament 1 Amp. Diazepam i.v. (s. G 60) injiziert werden. Bewußtlose können vorher intubiert werden. Eine Atem- und Kreislaufinsuffizienz sollte vorher behandelt werden (C 1, 3). Vor jeder Magenspülung unbedingt Atropin (0,001 g i.v. oder i.m., s. G 6) injizieren zur Vermeidung eines vagalen Reflexes (Herz-, Atemstillstand). Bei Hypotonie vorherige Infusion eines Plasma(ersatz)präparates (G 39), bei Azidose Infusion von Natriumbikarbonat (G 35). Asservierung der ersten Spülportion. Ca. 30 Liter Leitungswasser als Spülmittel. Instillation von Medizinalkohle (G 25) und Abführmittel (G 37). E l l Forcierte (alkalisierende) Diurese Indikation: Zu erwartende Organschädigung ohne Beschleunigung der Giftausscheidung. Definition: Bei einem Urinvolumen unter 12 L pro 24 Stunden spricht man von einer verstärkten Flüssigkeitszufuhr, erst darüber kann man von einer forcierten Diurese sprechen, am zweckmäßigsten bezüglich Giftelimination und Elektrolytzufuhr ist ein Urinvolumen von 20 L pro 24 Stunden. Durchführung: In der Regel kombiniert mit der Alkalisierung zum Schutz der gefährdeten Nierenfunktion im Schock und durch Giftwirkung. Wiederholte Bikarbonatzufuhr, bis der Urin-pH bei 7—8 liegt. Bei einer massiven Überalkalisierung sind eine klinisch beherrschbare Atemdepression, eine intra- extrazelluläre Elektrolytverschiebung und eine leichte Hypoglykämie zu erwarten. F 5 Spätschäden Nachkontrolle der Leberwerte (Cholinesterase, Gamma GT, GPT, Quickwert, Blutgerinnungsfaktoren), der Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff, Kalium, Natrium, Phosphor), des Blutbildes, der Lungenfunktion, des Röntgenbildes und des EEG's bei ZNS-Schäden drei bzw. 10 Tage nach einer Vergiftung, die zu möglichen Spätschäden führen kann. Medikament G54
Dosierung Suxamethonium (SuccinylAsta) l%igl0ml ( l m l = 10 mg) 100 mg
50—100 mg i.v. dann Intubation und künstliche Beatmung, später 2,5 mg/min, Dauertropf Antidot Physostigmin Depolarisierendes Muskelrelaxans
Besonders zu beachten: Differentialdiagnose: Tetanus! Ferner: Lyssa; Meningitis; Epilepsie; Urämie. Unzureichend behandelt kann Strychninvergiftung innerhalb von Minuten bis Stunden zum Tod durch Ersticken, Herzstillstand oder Erschöpfung führen. Je mehr Krampfanfälle auftreten, desto schlechter wird die Prognose. Bei sehr hohen Dosen kann der Tod im ersten Krampfanfall oder sogar ohne eindeutige Krämpfe eintreten (Schrader). Bei richtiger und rechtzeitiger Behandlung ist die Prognose günstig. Wenn die ersten 6 bis 12 Stunden überstanden sind, ist Heilung wahrscheinlich und Symptomfreiheit innerhalb weniger Tage üblich. Wenn es zu einer Rhabdomyolyse gekommen ist, können Muskelschmerzen und Muskelschwäche noch für Tage bis Wochen bestehen. Folgekrankheiten sind nicht zu befürchten. Literatur: ADAMSON
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J
Strychnin IH-14.3
Naturstoffe
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Naturstoffe
Strychnin III-14.3
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Drogen
Sympathikomimetika — Rhinologika
Sympathikomimetika - Rhinologika Substanzen: a-symptahomimetisch wirkende Imidazolinderivate Synonyma: Naphthylimidazoline: Naphazolin: 2-(l-Naphthylmethyl)-2-imidazolinnitrat Tetryzolin: 2-(l,2,3,4-tetrahydro-l-naphthyl)-imidazolm-HCl Tramazolin: 2-(5,6,7,8-tetrahydro-l-naphthylamino)-2-imidazolin-HCl Benzylimidazoline: Hylometazolin: 2-(4-tert.Butyl-2,6,dimethyl-benzyl)-2-imidazolin-HCl Oxymetazolin: 2-(4tert.Butyl-2',6'dimethyl-3'-hydrobenzyl)-2-imidazolin-HCl Beschaffenheit: lokal als Tropfen oder Spray applizierbare Lösungen Vorkommen: Naphazolin: Naphazolin Augentropfen (Kanoldt) Piniol® Dosierspray gegen Schnupfen (Spitzner) Privin® (Ciba) Proculin® Augentropfen (Ankerpharm) Rhinex® Nasenspray und Nasentropfen (Pharma Wernigerode) Vistalbalon® Liquifilm Augentropfen (Pharm-Allergan) Tetryzolin: Berberil® N Augentropfen (Mann) Caltheon® Nasentropfen und Nasenspray (Chephasaar) Diabenyl®T Augentropfen (anderpharm) Exrhinin®-Nasenspray und -Nasentropfen (Pharma Wernigerode) Rhinopront® (Mack) Tyzine® Nasenspray (Pfizer) Vasopos® N Augentropfen (Ursapharm) Vidiseptal® EDO sine Augentropfen (Mann) Yxin® Augentropfen (Pfizer) Tramazolin: Biciron® Augentropfen (Basotherm) Ellatun® Nasentropfen (Bastoherm) Rhinospray® Nasenspray (Thomae) Xylometazolin: Balkis® Nasentropfen und Schnupfenspray (Dolorgiet) Dorenasin® Schnupfenspray (Rentschier) Gelonasal® - Spray und -Tropfen (Pohl) Imidin® Nasengel-, -spray und -tropfen (Pharma Wernigerode) Logomed® Nasentropfen (Logomed) mentopin® (Hermes) Nasan® Nasentropfen, -spray und -gel (Hexal)
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III—3.3
Sympathikomimetika — Rhinologika
Drogen
Nasentropfen/-spray AL (Aliud Pharma) NasenGel-ratiopharm (ratiopharm) Olynth® (Warner-Lambert) Otalgicin® Nasendosierspray (Südmedica) Otriven® Augentropfen (CIBA Vision) ®Otriven gegen Schnupfen (Zyma) Rapako® xylo (Truw) schnupfen endrine® Spray und Tropfen (Asche) stas® Nasenspray und -tropfen (Stada) ViviRhin® Nasenspray (Ursapharm) xylo von et Nasengel-, -tropfen und -spray (et-Arzneimittel) Oxymetazolin: Larylin® Nasenspray (Bayer) Nasivetten® Nasentropfen (Merck) Nasivin® Nasentropfen (Merck) Vistoxyn Liquifilm Augentropfen (Pharm-AUergan) Wick® Sines (Wick Pharma) Wirkungsmechanismus: Durch die sympathomimetische Wirkung kommt es lokal zur Vasokonstriktion und damit zur Abschweifung der Nasenschleimhaut. Bei besonders empfindlichen Personen (Hyperthyreose, Hypertonie) können bereits bei therapeutischer Dosierung systemisch a-sympathomimetische Reaktionen durch die resorbierten geringen Wirkstoffmengen auftreten (Tachykardie, Blutdrucksteigerungen)! Toxizität: Benzylimidazoline sind wesentlich weniger toxisch als die Naphthylimidazoline (unterschiedliche Resorption?, Wirkung des Naphthalins?) Benzylimidazoline: Bei Ingestionsunfällen tritt in ca. 20 % eine resoprtive Symptomatik auf. Grenzdosis: ca. 0,1-0,2 mg/kg Körpergewicht Dauer der Symptomatik: ca. 6 Stunden Naphthylimidazoline: Bei Ingestionsunfällen tritt in 90-100 % eine resorptive Symptomatik auf. Grenzdosis: unter 0,005 mg/kg Körpergewicht Wirkungsmaximum: 8 Stunden Dauer der Symptomatik: bis 24 Stunden und länger Symptome: Bei Ingestionsunfällen und akuter Überdosierung: Benzylimidazoline: Somnolenz, Erbrechen > Blässe, Tachykardie, Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, Atemdepression! Naphthylimidazoline: Somnolenz, Blässe > Schwitzen, Hypertonie > Brachykardie bzw. Brachyarrhythmie > Untertemperatur > Atemstörung Symptome bei subakuter Überdosierung bei Säuglingen: Trinkunlust, Apathie, Somnolenz bis hin zum Koma. Symptome bei chron. Überdosierung: Rhinitis vasomotorica Nachweis: Dünnschichtchromatographie Therapie: Entgiftung (Magenspülung, Kohle, Natriumsulfat), Beobachtung über 8 bis 24 Stunden, Monitorkontrolle. Bei anticholinerger Wirkung (Herz, Atmung) Antidot Physostigmin (Anticholium®, 2 mg i.V.).
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Drogen
Temazepam
III—3.3
Temazepam Synonym: 7-Chlor-3 -hydroxy-1 -methyl-5 -phenyl-1H-1,4-benzodiazepin-2 (3H)on Chemische Formel:
9H3
Vorkommen: Neodorm® (Knoll Deutschland) Norkortral Tema® (Desitin) Planum® (Pharmacia & Upjohn) Pronervon® (Produpharm Lappe) Remestan® (Wyeth) temazep® (ct-Arzneimittel) Wirkungscharakter und Stoffwechselverhalten: Benzodiazepinderivat. Rasche Resorption: schon nach 20 Minuten werden 80 % des Maximums und nach 50 Min. der maximale Plasmaspiegel erreicht. Metabolit des Diazepam (MANDELLI; SCHWARZ; OCHS) Halbwertszeit 3-13 Std. (verlängert bei alten Patienten). 8 2 % werden über den Urin, 12% über den Stuhl ausgeschieden. Im Urin erscheinen 1,5 % als Reinsubstanz, 73 % als konjugiertes Temazepam und 6% als Oxazepam (SCHWARZ). Totale Clearance 80—120 ml/min. Keine aktiven Metaboliten, die zur klinischen Wirksamkeit beitragen. Im Gegensatz zu Benzodiazepinen, die oxydiert werden, wird die Clearance von Temazepam nur ganz geringfügig durch das Alter beeinflußt (DIVOLI). Dieses Ergebnis stimmt mit Studien bei Oxazepam und Lorazepam überein. Beide Substanzen werden ebenfalls äußerst geringfügig durch das Alter der Probanden beeinflußt (GREENBLATT). Wie beim Oxazepam und Lorazepam führt auch beim Temazepam die gleichzeitige Gabe von Cimetidin nicht zu einer wesentlichen Beeinflussung des kinetischen Profils. Es kann daher angenommen werden, daß auch bei Patienten mit Zirrhose keine bedeutsame Änderung der Kinetik eintreten wird. Toxizität: Therapeutische Konzentration: 0,3-0,8 mg/1 im Blut (BITTENCOURT) Symptome: Müdigkeit, Benommenheit, Koma, Blutdruckabfall, Atemdepression.
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III—3.3
Temazepam
Drogen
Nachweis: D C ; GC (DIVOLL; BELVEDERE; H U G G E T T ) ; H P L C (VREE)
Therapie: Kohle-Pulvis (10 g) nach oraler Aufnahme; M a g e n s p ü l u n g , Kohle, Natriumsulfat; Plasmaexpander im Schock, Natriumbikarbonat-Infusion zum Azidoseausgleich; bei anticholinerger W i r k u n g Antidot Physostigmin (Anticholium). Bei Atemdepression Antidot Flumazenil (Anexate® i.V., 0,2 mg i.V., W i e d e r h o l u n g bei Bedarf). Literatur: BELVEDERE, G., TOGNONI, G., FRIGERIO, A., MORSELLI, P.: A specific, rapid and sensitive method for gas-chromatographic determination of methyloxazepam in small samples of blood. Anal. Letters 5: 5 3 1 - 5 4 1 , 1 9 7 2 . BITTENCOURT, P., RICHENS, A., TOSELAND, P.A. et al.: Pharmacokinetics of the hypnotic benzodiazepine, temazepam. Brit. J. Clin. Pharm. 8: 37S-38S, 1979. DIVOLL, M., GREENBLATT, D J . : Plasma concentrations of temazepam, a 3-hydroxy benzodiazepine, determined by electron-capture gas-liquid chromatography. J. Chrom. 222: 125-128, 1981. DIVOLL, M., GREENBLATT, D J . , HARMATZ, J.S., SHADER, R.I.: J. pharm. Sei. 70: 1104-1107 (1981).
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Tetrazepam
Drogen
III—3.3
Tetrazepam Synonym: 7-Chlor-l,3'hydro-l-methyl-5-(cyclohexen-l-yl)-2H-l,4-benzodiazepin-2-on Chemische Formel: CH 3
Beschaffenheit: gelblichbraune Kristalle, in Propandiol und Essigsäureethylester leicht löslich, in Wasser und 96igem Alkohol gering löslich; Molekulargewicht 288,79; Schmelzpunkt 144°C. Vorkommen: Mobiforton® (Sanofi Winthrop) Musaril® (Sanofi Winthrop) Muskelat® (Azupharma) Myospasmal® (TAD) Rilex® (Lindopharm) Tepam-BASF® (BASF Pharma) Tethexal (Hexal) Tetramdura (durachemie) Tetra-saar® (Chephasaar) Tetrazepam-ratiopharm® (ratiopharm) tetrazep von et (ct-Arzneimittel) Verwendung:
Muskelrelaxans bei Spannungszuständen und Kontrakturen der Skelettmuskulatur. Wirkungscharakter: 1982 eingeführtes Muskelrelaxans aus der Reihe der 1,4-Benzodiazepine; die Relaxation beruht auf der Verstärkung der durch Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) vermittelten präsynaptischen Hemmung an zentralen Synapsen und an den Schalterneuronen der Reflexbögen des Rückenmarks. Die neuromuskuläre Übertragung wird dabei nicht beeinflußt. Im Vergleich zu Diazepam ist die relaxierende Wirkung dreifach stärker. Darüber hinaus besitzt Tetrazepam analgetische und wie andere Benzodiazepine psychisch entspannende Eigenschaften.
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III—3.3 Tetrazepam
Drogen
Interferenzen: Tetrazepam verstärkt die Wirkung von anderen Psychopharmaka, von Alkohol, Schmerz- und Schlafmitteln. Stoffwechselverhalten: Aufnahme: rasche und vollständige Resorption, halbmaximale Plasmaspiegel werden nach 30 Minuten, maximale Spiegel nach 2 Stunden erreicht. Metabolismus: Demethylierung und Hydroxylierung in 3-Stellung, anschließend O-Glukuronidierung; die Plasmaproteinbildung beträgt ca. 70 %. Ausscheidung: fast ausschließlich renal und überwiegend als O-Glukuronid; die Eliminationshalbwertszeit beträgt 12 ± 2 Stunden. Toxizität: akute Toxizität: LD50 (mg/kg KG): Maus per os 2000; Ratte per os 6000; Meerschweinchen per os 2400 chronische Toxizität: Bei Hunden zeigte sich bei einer Dosis von bis zu 25 mg/kg/d über 3 Monate ein Anstieg der Erythrozyten und Lymphozyten sowie ein Abfall der neutrophilen Leukozyten. Nachweis: Dünnschichtchromatographie (qualitativ), Gaschromatographie (quantitativ) Symptome: ZNS: Müdigkeit, Benommenheit, Schwindelgefühl, Artikulationsstörungen; Somnolenz, Ataxie und andere Zeichen zentraler Dämpfung endokrin: Libido-Abnahme und Menstruationsstörungen, besonders bei längerer Anwendung. Therapie: primäre Giftentfernung durch Magenspülung, Gabe von Medizinalkohle und Natriumsulfat; evtl. Intubation und Beatmung in schweren Fällen, sonst unter engmaschiger Kontrolle der Vitalfunktionen ausschlafen lassen. Bei anticholinerger Wirkung Physostigmin als Antidot. Besonderheit: Spezifischer Benzodiazepin-Antagonist Flumazenil (Anexate®) behebt eine Atemdepression. Literatur: LAUX, G.: Neue Benzodiazepin-Tranquilizer. Z. Allg. Med. 58 (1982), 813-820 LOUYOT, P. et al.: Tetrazepam (Musaril), ein neuen Präparat mit muskelrelaxierenden und analgetischen Eigenschaften. IMMEX 6, 7 (1969) SCHALLEK, J. et al.: Recent developments in the pharmacology of the benzodiazepines. Adv. Pharmacol. Chemother. 10,121(1972)
JL
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Thebain
Drogen
III-3.3
Thebain Synonyma: Paramorphin Chemische Formel: C 1 9 H 2 1 N0 3 H3CO
CH 3
Beschaffenheit: Molekulargewicht: 311,37 Glänzend weiße Blättchen oder Prismen. Löslich in Chloroform, Benzol, Pyridin. Schmelzpunkt: 193°C Spezifische Drehung: [